Acta Pacis Westphalicae II A 5 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 5: 1646 - 1647 / Antje Oschmann
113. Trauttmansdorff an Ferdinand III Münster 1646 November 9

13
[ 80 ] / 113 / [ 135 ]

14

Trauttmansdorff an Ferdinand III.


15
Münster 1646 November 9

16
Ausfertigung: RK FrA Fasz. 52a fol. 95–99, praes. 1646 November 25 = Druckvorlage –
17
Kopie: ÖstA Tirol Fasz. 20f. p. 2589–2595 – Konzept: RK FrA Fasz. 92 XI nr. 1514 fol.
18
45–47’.

19
Kein Separatfriede mit Frankreich. Vertrauliche Mitteilung der neuen schwedischen Instruktion
20
durch Salvius: Ihre Forderungen für die Territorial- und Militärsatisfaktion, die pfälzische
21
Restitution, die Regelung der Gravamina, besonders betreffend die in Religionsstreitigkeiten
22
ergangenen Urteile und die Autonomie in den kaiserlichen Erblanden sowie die Festsetzung des
23
Amnestietermins und die Klärung verschiedener Partikularanbringen. Einwände Trauttmans-
24
dorffs . Abordnung etlicher protestierender Stände von Osnabrück nach Münster für die
25
Religionsverhandlungen. Nichts Neues über die geplanten Waffenstillstandsverhandlungen.

26
Auf nr. 80. Nun undterlasse ich nit, meinen collegis von diser resolution im
27
fahl der noth parte zu geben. Hab aber vor dißmal Eur Kayserlicher Mayestät
28
allein vor mich allerunderthenigist referieren und hinwiderumb berichten

[p. 193] [scan. 269]


1
sollen, das mir zwar selbst, sovil den ersten und andern puncten anlangt,
2
gleich anfangs allerhandt misßtraüliche gedanckhen beygefallen und darum-
3
ben uf dieselbe biß daher anderer gestalt nit insistieren und fortsezen lassen,
4
als soweit ich befunden, das es ohne ungleichen verdacht, also wolte man uff
5
Kayserlicher mayestät seiten die handlungen verlängeren, nit beschechen
6
könte, wie ich mir dann auch noch ferner mit aüsseristem fleiß werde lassen
7
angelegen sein, auf das ebensowol ohne befridung mit Schweeden als mit
8
Spanien, zu keinem endtlichen schluss mit Franckreich fürgeschritten wer-
9
de .

10
Und macht mir auch dess Schweedischen plenipotentiarii, dess Salvii, anzeig
11
desto mehrer hoffnung, das es allerseits zum verglich kommen werde. Dann
12
als derselb vorgestern mich besuecht, hat er mir seinem anrüemen nach in
13
vertrawen alles eröffnet, warauf sein [ und ] dess Oxensterns aus Schweeden
14
letstens angelangte instruction

30
Die kg.lich schwed. Instruktion vom 19./29. September 1646 (Druck: APW II C 2 nr.
31
192).
gestelt wer, nach deren innhalt sie alle
15
handlungen reassumieren und uf einen entlichen schluss richten, er, Oxen-
16
stern , auch derentwegen innerhalb 4 oder 5 tagen zugleich alherkommen
17
werde. Die instruction were zwar uf etliche gradus abgesezt, mit denen sich
18
Oxenstern vermuettlich wurde aufhalten wöllen, das haubtwerckh aber
19
bestüende darauf:

20
Erstens soll der cron Schweeden Vorderpommern mit einschliessung Stettin
21
verbleiben, also das die Oder der terminus zwischen Schweeden und Bran-
22
denburg seye, ungeacht es weren diß- oder jenseits der Oder einige pläz
23
gelegen, so hievor bey lebzeiten der herzogen von Pommern in Hinder- oder
24
Vorderpommern gehördt haben möchten. Was nun hiebey dess herrn chur-
25
fürsten von Brandenburg einwilligung betreffen thet, da were derselb biß
26
dato nit allein nit ertheilt worden, sondern er hette umb das wenig, so er aus
27
Vorpommern der cron Schweeden überlassen wolt, pro aequivalente die
28
fürstenthumb Großglogaw, Sagan, Jägerndorff, sodann die stiffter Magden-
29
burg

32
Est. Magdeburg; geistliches Reichsft.; seit 1550 von prot. Adm. en, meist kurbg. Pz.en,
33
verwaltet, 1598–1628 Adm. Mgf. Christian Wilhelm von Brandenburg (1587–1665),
34
(1625/)1629–1635 vom Papst bestätigter Ebf. Ehg. Leopold Wilhelm von Österreich
35
(1614–1662), 1628 postulierter und 1635 auf Lebenszeit anerkannter Adm. Hg. August von
36
Sachsen-Weißenfels (1614–1680) ( ADB IV S. 164–165 ; LThK VI Sp. 1271–1274).
, Halberstatt, Münster

37
Hst. Münster, geistliches Reichsft.; 1612 Bf. Ferdinand (1577–1650; 1612 Kf. von Köln)
38
( LThK VII Sp. 683–686).
, Oßnabrugg

39
Hst. Osnabrück, geistliches Reichsft. mit kath. Domkapitel und mehrheitlich ev. Bevölkerung,
40
1544–1548 ev., bis 1623 ev.-nahe, 1625 Bf. Franz Wilhelm von Wartenberg (1593–1661),
41
1634 postulierter Adm. Gustav Gustavson Wasaborg (1616–1653); seit 1633 in schwed.
42
Besetzung ( LThK VII Sp. 1265–1266; Dickmann S. 322, 404).
und Minden

43
Hst. Minden, kath. Reichsft. mit mehrheitlich ev. Bevölkerung und Domkapitel; nach 1567
44
ev., 1630/1631–1634/1648 Bf. Franz Wilhelm von Wartenberg; seit 1633 in schwed.
45
Besetzung ( LThK VII Sp. 424; Dickmann S. 322–323).
zu begehren seinen

[p. 194] [scan. 270]


1
abgesandten bevolchen. Als ime auch vom grafen von Witgenstein hierauf zu
2
erkennen gegeben, das sich die sachen dergestalt nit würden vergleichen oder
3
handlen lassen, hetten ire churfürstliche durchlaucht ime mit einem verweiß
4
geantworttet

31
Dazu konnte nichts ermittelt werden.
, er bederffe keiner räthen, die ime das seinig hinzugeben rathen
5
wolten. Bey so beschaffenen dingen werde die cron Schweeden zufriden sein,
6
wann selbe bej ernandtem Vorpommern zu manutenieren Eur Kayserliche
7
Mayestät neben dem Römischen Reich wie auch die cron Franckreich sich
8
verbinden thüend. Sonsten hete Eur Kayserliche Mayestät ebenmäsßig nit
9
grosse ursach, sich den Churbrandenburgischen dissensum vil irren ze lassen,
10
in betrachtung, demselben vorgeworffen werden könt, das er ohnedas in
11
Preüssen das Teütsche Hofmeisterthumb [!] und sonst noch drei bistumb seit
12
geenderter religion sine ullo Imperii consensu in handen behalten und dem
13
Reich so lange zeit einige dienst darvor nit gelaistet hete

32
Nachdem der spätere Kf. Johann Friedrich von Brandenburg (1546–1608; 1598 Kf.) Adm. in
33
den Hst.ern Havelberg (1553), Lebus (1555) und Brandenburg (1560) geworden war, wurden
34
diese Hst.er während seiner Amtszeit mit dem Kft. Brandenburg vereinigt ( LThK V Sp. 39,
35
VI Sp. 879, II Sp. 646). – Seit dem Tod Hg. Albrecht Friedrichs von Preußen (1553–1618;
36
1568 Hg.) regierten die bg. Kf.en in Personalunion das ehemalige Deutschordensland Preußen,
37
in dem Mgf. Albrecht von Brandenburg-Ansbach (1490–1568), der noch 1521 und 1524 den
38
RT persönlich als Reichsf. besucht hatte ( Aulinger S. 107, 120), die Herrschaft des Ordens
39
beseitigt und das ev. gewordene Land als Lehen vom Kg.reich Polen genommen hatte
40
( Territorien-Ploetz I S. 575–576).
.

14
Zum andern soll auch der port zu Wißmar der cron Schweeden einzig
15
überlassen, dem herzogen von Mechlburg aber dargegen das bisthumb
16
Razenburg

41
Hst. Ratzeburg, geistliches Reichsft., seit 1554 von prot. Adm. en aus den F.häusern Mecklen-
42
burg sowie Braunschweig und Lüneburg regiert; 1636–1648 Adm. Hg. Gustav Adolf von
43
Mecklenburg (1633–1695; 1654 F. in Güstrow) ( Grote nr. 389 S. 509; Territorien -
44
Ploetz I S. 539–540).
, welches doch ohnedas mehrerntheils in derselben handen stüen-
17
de , überlassen werden.

18
Dritens begerten sie nochmaln die [!] erzstifft Bremen und das bisthumb
19
Ferden zu weldtlichen fürstenthumb zu verenderen. Meldet aber dabei, waß
20
hievor von dem plenipotentiario Oxenstirn darauf für absechens gemacht
21
worden, das were nunmehr in anderm standt und dessentwegen kein
22
reflexion ze haben, dieweil das reichscancellariat in Schweeden wol uf ein
23
anders subiectum als uf ine, Oxenstirn, fallen würde.

24
Viertens werde auf der cron Schweeden seiten annoch auf bezahlung dess
25
kriegsvolckhes beharret. Dagegen ich geantworttet, das es gar noch nit an
26
deme, von disem puncto zu reden. Man müeste vorderist in dennihenigen
27
puncten, so die substantialia dess fridens betreffen theten, verglichen sein,
28
alßdan erst in deliberation ziechen, wie es mit diser praetendierten satisfac-
29
tion ze halten, und könte meines erachtens der sachen bald geholffen werden,
30
wann man die bezahlung dess Schweedischen kriegsvolckhes auf den Ober-

[p. 195] [scan. 271]


1
und Nidersäxischen craiß verlegen thet, welches er ime gern eingehen
2
lassen.

3
Zum 5. vermeinte er, es solten ir churfürstliche durchlaucht in Bayrn sich mit
4
einem stuckh von der Oberpfalz contentieren lassen, die Undterpfalz aber
5
denn Pfälzischen erben

39
Vgl. nr 125 Anm. 4.
ganz – ohne abgang der Bergstraass – restituiert
6
werden. Als ich ime aber repliciert, das einmahl die Oberpfalz ir churfürstli-
7
cher durchlaucht in Bayrn verbleiben müest und Eur Kayserliche Mayestät an
8
ihren erblanden diser oder anderer satisfaction halber weiter nichts entgelten
9
wolten, das auch die Bergstraass der erzstifft Mainz undisputierliches aigen-
10
thumb und nit zue der Pfalz gehörig wer und die pfalzgrafen über erstattung
11
dess pfandtschillings weiter nichts anzusprechen hetten, so hat er es seines-
12
theils auch dabey bewenden lassen.

13
Zum sechsten wegen der gravaminum zwischen denn catholischen und
14
Lutherischen würde es bej der Kayserlichen erclärung vom 12. Julii negsthin
15
zu verbleiben haben, wann allein der articulus de rebus iudicatis et autono-
16
mia

40
Vgl. Punkt 3 der Vermittlungsvorschläge der ksl. Ges. betr. die Gravamina vom 12. Juli 1646
41
wegen der ersatzlosen Kassation der seit 1624 ergangenen Urteile sowie die Punkte 13, 16 und
42
17 wegen der Autonomie allgemein und in den ksl. Erblanden (Druck: Meiern , APW III S.
193–199 ).
etwas mehrers erleütert und nachgeben werden möcht. Da ich dann ime
17
geantwortet, es stüende zu erwartten, was in puncto rerum iudicatarum die
18
protestierenden vorbringen würden, die autonomiam aber betreffend, da
19
bleiben Eur Kayserliche Mayestät einmahl uf gefaster abschlägiger resolution,
20
und könte dern entgegen nichts nachgeben werden. Es heten ia in denn
21
Kayserlichen erblanden dergleichen religionanhängige kein ursach, weiter in
22
Euer Mayestät zu sezen, seitemalen inen so vil gelegenheit hin und wider in
23
denn Schleßischen fürstenthumberen Brig, Münsterberg, Öls und Ligniz, der
24
statt Breßlaw, in Hungarn und im Römischen Reich übrig bleiben, das sie ire
25
glaubensfreyheit genuegsamb haben und deren geleben möchten. In welchen
26
discurs er, Salvius, selbst anredig gewesen, das mit disem begeren Eur
27
Mayestät contra rationem zuegesezt wurde und die ratio mit zuegeben wolt,
28
in einer wolbestelten monarchia mehrerley secten einschleichen ze lassen.

29
Sibendten werde es auch mit der amnistia ad annum 1624 sein richtigkeit
30
haben.

31
Zum achten ist er auch uf vil underschidliche particularsachen kommen,
32
darumben die cron Schweeden zugleich eim und anderm zu seinen intent zu
33
verhelffen angelangt werde. Ich hab ime aber repliciert, das man sich mit
34
disen sachen nit aufhalten könte, sondern die müeßen an ihre ordenliche
35
tribunalia gewisen werden.

36
Und uf disen puncten ist seine conferentz bestanden, die er doch noch derzeit
37
und biß man zur haubthandlung fortkommen möchte, in secreto zu halten
38
begert.

[p. 196] [scan. 272]


1
Was dann die vergleichung der gravaminum mit denn protestierenden
2
anlangt, da seint von denen zu Oßnabrugg etlich deputierte alher abgeordnet
3
worden, auch vorgestrigen tages die Sahsen-Aldenburgische und Weimari-
4
sche bej mir gewesen, deren anbringen und waß ich inen darauf geantwortet,
5
Eur Kayserliche Mayestät aus mein und meiner mitgesandten sambtlichen
6
relation

33
Druck: Nr. 114.
allergnädigst anzuhören geruehen wöllend.

7
Wegen dess armistitii ist seither weder von denn Franzosen noch von denn
8
Schweeden weiter nichts berüert, sondern alles uf dern von einer und anderer
9
partei zu denn armeen aigens abgeordneter verrichtungen gestelt worden,
10
welche aber erst mit eingang dises monats bey denselben angelangt sein
11
werden.

Dokumente