Acta Pacis Westphalicae II A 4 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 4: 1646 / Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett
323. Lamberg an Trauttmansdorff Osnabrück 1646 August 30

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–/ 323 /–

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Lamberg an Trauttmansdorff


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Osnabrück 1646 August 30

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Eigh. Ausfertigung: TA Ka. 114 Z 8 nr. 75 unfol. = Druckvorlage – Kopie: RK FrA Fasz. 51a
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fol. 74–79; Giessen 207 nr. 254 S. 957–969.

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Gespräch mit Salvius über Wiederaufnahme der Verhandlungen: Abreise Trauttmansdorffs,
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Einschluß Spaniens in den Frieden, Einigung der Reichsstände über die Religionsgravamina,
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schwedische Satisfaktion, Entschädigung Brandenburgs, Frankreich, Entschädigung Mecklen-
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burgs . Schwedischer Textvorschlag für das IPO, Militärsatisfaktion.

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Euer Exzellenz bei disem aignen potten die hend zu küßen, gibt mir herr
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Salvius anlaß, der mich gestern vormittag visitirt und zwei ganze stund mit
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mir conversirt. Sein proposition war, daß jüngst zwischen unß Kayserlichen
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und ihnen veranlaßet worden, die angefangene conferenz zu continuiren

38
Vgl. nr. 278 Beilage [ 1 ].
,
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und hetten sie schon vor eine geraumen zeit unß hinwiderumb revisitirt, wan
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nit inmittels des grafen Oxensterns gmahlin todtfahl darzwischenkhommen,
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deren leichnamb annoch im hauß stunde, und also gemelter Oxenstern dato
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von diser revisita abgehalten wäre worden, habe aber ein notturfft zu sein
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erachtet, solches allein zu verrichten, umb gemelte conferenz vortzusezen.

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Und hetten sie erstlich auf unser duplicam

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Vgl. nr. 69 Beilage 1.
zu verhüttung großer weitleüf-
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figkhaiten zu antwortten billich bedenckhen gehabt, das instrumentum pacis
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unß auch nit außhendigen wollen, zumahlen vill puncten noch dato nit ver-
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glichen und also res imperfecta gewesen wäre; hetten aber daßelbe gleichwoll
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in eventum aufgesezt

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Gemeint ist der interne, von Salvius verfaßte Entwurf für das IPO (vgl. [ nr. 162 Anm. 6 ] ).
.

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Euer Exzellenz hetten unlengst durch mich ein paß widerumb zu dem Kay-
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serlichen hof zu raisen von ihnen begehrn laßen, welchen sie nit abschlagen
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khonten. Und obzwahr die übrige Kayserliche gesande zur stell bliben, so
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khome doch so unvermutheter aufbruch ihnen sowoll alß den ständen sehr
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nachdenklich vor, khonten auch ein anders nit darauß schließen, alß das man
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Kayserlicherseitten khain lust zum friden habe, und sey gwiß, daß nach Euer
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Exzellenz abrais sich die ständ mit ihnen vergleichen und friden miteinander
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schließen wurden, absonderlich weilen sie vernommen, das der khönig in
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Spanien ihr Kayserlicher majestät geschriben und dieselbe ersucht haben
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solte, mit den friedenstractaten nit zu eilen und solche so lang aufzuziechen,
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biß derselbe seine interesse mit Holland und Frankreich geschlichtet und
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componirt werde haben, Euer Exzellenz solches auch pro conditione sine qua
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non den Franzosen per mediatores hetten andeuten laßen, darüber die ständ
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sehr entrüstet waren, das man wegen Spanien die reichssachen zurukhstellen

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und den so nohtwendigen lieben friden in Teutschlandt noch lenger muht-
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willig aufzuhalten begehrte.

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Es hetten auch nuhnmehr die protestirende ihr endliche declaration in puncto
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gravaminum

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Vgl. nr. 320 Beilage [ 2 ].
unß Kayserlichen sowoll alß den catholischen ständen auß-
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geantworttet , verhoffte also, es werde diser punct bald sein richtigkhait er-
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langen , zu den andern geschritten und dieselbe auch verglichen khönnen
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werden.

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Ego bedankhte mich der ehr etc. und das unß nichts liebers gewesen wäre,
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alß das wir vor lengst hetten mit ihnen, Schweden, conferiren und etwas nä-
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her in tractaten zusamenkhommen mögen. Es wäre aber nit allein der frau
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gravin von Oxenstern todtfahl ins mittel khommen, sondern auch die pro-
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testirende ständ hetten vill wochen zuegebracht, ehe sie ihr erklärung in
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puncto gravaminum unß überantworttet, ohne deren vorhergehenden erört-
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terung sie, Schweden, von khainem punct nichts tractiren haben wollen.

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Euer Exzellenz abrais betreffend seye nit ohne, das dieselbe vortgehen werde,
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müße aber zu khainer ruptur und dahin außgedeütet werden, das dadurch
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dise tractaten aufgehoben und beede conventus dissolvirt werden sollen, son-
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dern weil ihr Kayserliche majestät auß unser[n] relationibus nach und nach
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gnugsam wahrgenommen, das die cron Schweden und Frankreich auf ihren
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unbillichen begehren immervort noch berhueten und die tractaten von einer
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zeit zu der andern zu protrahiren sich bemüheten, also hetten ihr Kayserliche
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majestät Euer Exzellenz alß ihren höchsten ministrum, deßen sie nit lenger
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entrhaten khunden, zu avociren für ein notturfft gehalten, darauf er mir in die
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red fiell und sagte, er vermeine doch, Euer Exzellenz wurden noch disen
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October hierbleiben.

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Was Spanien anbelangte, sagte ich, khönte er leichtlich erachten, das wir di-
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sen khönig (der mit ihr Kayserlicher majestät confoederirt, socius belli, dem
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Römischen Reich so ansehenliche hilff und assistenz zu verschaidnen mahlen
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gelaistet und ein fürnemes mitglid und stand des Reichs ist) von disen tracta-
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ten nit ausschließen khonten laßen, und hette nit allein der mehrer thail der
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ständ, sondern die Französische gesande selber bekhennet, das khain besten-
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diger friden im Römischen Reich geschloßen werden könte, es werde dan
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Spanien mit eingeschloßen.

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Ille fiell gleich auf den punctum satisfactionis und sagte, das an disem zum
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maisten gelegen sein will und da nuhr diser richtig, werde es mit den übrigen
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nit vill difficulteten geben. Alles daßjehnige, was man ihnen ex parte Caesaris
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offerirt, were in effectu nichts. Wir hetten ihnen zwahr angedeut, das ihr
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maiestät wegen ganz Pomern, Bremen, Verden und Wißmair mit der cron
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Schweden nit begehrten, lenger den khrieg zu continuiren, und ihr majestät
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ihresthails woll geschechen laßen khonten, das Schweden solche länder über-
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laßen wurden, hingegen wan sich die interessirte deßwegen bey unß be-

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schwärten , entschuldigten wir unß, khain handbraitt erden vergeben zu ha-
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ben , welches auß dem instrumento pacis

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Bezug auf den ksl. Textvorschlag für das IPO vom 8. Mai 1646, Punkt 13 ( Meiern III, 69 ):
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salvo electorum, principum et statuum Imperii, praesertim illorum, quorum potissimum
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interest, assensu et ratificatione.
gnugsam zu ersehen seye, darin der
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interessatorum consensus reservirt werde.

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Ego: Ein mehrers hetten wir nit thun khönnen alß beschechen. Den con-
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sensum interessatorum hetten sie selber zu weg zu bringen über sich genom-
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men . Ille: Denselben müssten wir procurirn, sonst wurde ihnen nit geholffen
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sein. Ego: Sie sollen sich bemühen, die interessirte selber darzue zu disponi-
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ren . Ille: Sie hetten mit ihnen nichts zu thun, führten den krieg allein wider
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ihr Kayserliche majestät, von dero sie auch die satisfaction begehrten. Kham
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hernach auf die merita causae, daß ihr majestät den krieg angefangen, und
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wolte alles ab ovo erzehlen; ego batte, er wolte de meritis nichts sagen, es
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wäre clar an tag, welcher thail dem andern zum krieg anlaß geben, und het-
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ten es Euer Exzellenz gegen sie hiebevor gnugsam außgeführt. Machte mich
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im übrigen erpiettig, da er wüsste mir ein mittl an die hand zu geben, wo-
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durch der friden ehender erhoben werden möchte, das ich selbiges gehrn
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anhören und threulich darzue cooperiren wurde.

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Ille, es sey khain anders mittel, alß eben das Churbrandeburg ein billich-
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meßige satisfaction und aequipollenz wegen ganz Pomern gegeben werde:
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1. solle dem churfürsten Halberstatt, 2. die drei stiffter Brandeburg, Havel-
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berg und Leubus, welche er 100 jahr genoßen und dem Reich nichts davon
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geben, 3. die expectanz auf das erzstifft Magdeburg post mortem moderni
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administratoris, weilen selbiges ohnedem bei dem hauß Brandeburg per inte-
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grum fere saeculum gewesen, 4. die fürstenthumb Großgloggau und Sagan,
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welches ihr majestät doch hiebevorn dem herzogen von Fridland geschenkht
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hetten, überlaßen werden.

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Ego replicirte, das ihr Kayserliche majestät Schlesien nit khunden solcherge-
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stalt dismembriren laßen, sie, Schweden, weren gleich anfangs selber von ihr
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praetension auf gedachtes herzogthumb gefallen und thetten ihr majestät an
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dem gnug, das sie amore pacis Ober- und Underelsaß zurukhließen.

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Ille: Die Franzosen müssten solches theur gnug bezahlen. Ich wurde ia wi-
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ßen , das sie von ihr praetension wegen der 10 reichsstätt abstienden. Ego: Sie
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beharten aber noch imervort auf Philipßburg. Ich khunde nit glauben, das die
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ständ und die Schweden selber alß khonfftige ständ des Reichs zuelaßen wur-
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den , das die Franzosen ein so starkhen fuß in Teutschland und zwei porten,
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durch welche sie daßelbe alzeit bekriegen khunden, haben solten. Ille: Die
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Franzosen hetten des churfürsten zu Trier und des thombcapitles zu Speyr
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consens alberait bekhommen, und erwinde bloß an ihr Kayserlicher majestät
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consens. Vermainte, man solle sich derentwegen nit lang aufhalten, es
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khönne sich bald ein occasion eraignen, oder, wie er sagte, „une querelle
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d’Allemand“, das man den Franzosen disen plaz mit fugen widerumb werde

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wekhnemen khönnen und villeicht Elsaß darzue, das sie also weder gelt noch
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land haben, und sie, Schweden, alß khonfftige ständ des Reichs ihr rationem
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status schon zu beobachten wißen wurden.

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Batte mich, der sach nachzudenkhen und dahin zu collaboriren, damit dem
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churfürsten diß aequipollens, wie von ihme angeregt were worden, gegeben
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werde. Da alsdan über solches der churfürst sich ain weg wie den andern
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wegen zurukhlaßung ganz Pomern obstinat erzaigen wolte, müsten, solches
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zu behaubten, mit ihr majestät sich Schweden und Frankreich vergleichen. Es
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werde sich khainer disen drei höchsten potentaten opponiren dörffen.

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Er sagte verrers, wan sich die cron Schweden mit halb Pomern contentiren
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laßen wolte, das sie heut schließen khonten, dan sie von den ständen versi-
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cherung bekhommen, solches bey Churbrandeburg zu erhalten. Sie, Schwe-
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den , aber khunden von ganz Pomern nit weichen. Ingleichem vermainten die
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ständ, den herzogen zu Mekhlburg zu überlaßung der statt Wißmair woll zu
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disponiren, wan er nuhr in communione, ut erant formalia, mit den Schwe-
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den bleiben khunde. Ego: Ich vernemme, das sich der herzog ganz und ghar
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nit darzue verstehen wolle. Ille: Er laße es woll sein, es hett aber der herzog
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nit ursach, vill zu difficultiren, nechst Gott hett er dem khönig in Schweden
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zu dankhen, das er widerumb zu land und leuthen khommen, dörffte sonst
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woll herzog von Mekhlburg und nit zu Mekhlburg sein. Er vermainte, man
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khönte ihm das stifft Swerin, welches er mit khainem gutten titl besizte,
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überlaßen.

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Hierauf zug er ein dikhes convolut auß dem sakh und sagte, das wäre ihr
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instrumentum pacis

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Die folgende Beschreibung paßt zu dem schwed. Textvorschlag für das IPO vom 9. Juli (vgl.
42
oben Anm. 3).
; etliche puncten weren auf ein vergleich außgestelt, und
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lesete mir mehrern thail von den articulen, doch nuhr stukhweiß, den § „de
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satisfactione“ aber de verbo ad verbum. Das prooemium war anders einge-
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richt alß das unserige, die amnistia, punctus gravaminum, commerciorum etc.
28
nach der protestirenden eingebnen gutachten und seithero beschechne erine-
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rungen abgefaßet.

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Der punctus satisfactionis bestünde auf ganz Pomern, ertzstifft Bremen und
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Verden, welche zu weltlichen fürstenthumben convertirt werden sollen, item
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auf Wißmair, Poel und Neucloster

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Neukloster, Amt im Hgt. Mecklenburg, in der Nähe von Wismar ( Zedler XXIV, 238).
, und sollen zwahr alle dise stükh von dem
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Römischen Reich zu lechen empfangen, aber doch dem khönigreich und nit
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der khönigin und ihren descendenten verlichen werden.

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Schließlichen sagte er, man müße auf die satisfaction pro militia gedacht sein,
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dan wan auch sonst in allem ein richtigkhait gemacht und der friden geschlo-
37
ßen sein wurde, khunde man mit disen leuthen et purgamentis civitatum, wie
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er sie nennete, nit vortkhommen. Und alß ich ihme replicirte, das jeder thail
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sein soldatesca zu contentiren wurde wißen, sagte er, das wurde sich nit thun
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laßen, und hetten Euer Exzellenz hiebevorn sich vernemmen laßen, wan es

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soweitt khommen wurden, müste man mit den ständen tractiren, ob etliche
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craiß die bezahlung der Khayserlichen, andere der Schwedischen soldatesca
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über sich nemen wolten. Ersuchte mich darauf nochmahln beweglich, alles
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diß woll zu consideriren, mit Euer Exzellenz daraus zu communiciren und
5
darzue zu cooperiren, damit noch vor dem winter der frieden geschloßen und
6
das Schwedische volkh von dem reichspoden ab und nach Schweden imbar-
7
chirt und geführt werden möge, dan da es nit zeitlich geschechen solte, wurde
8
auf der see nit mehr vortzukhomen sein und consequenter die Schwedische
9
armada den ganzen winter über noch in Teutschland bleiben müßen.

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Ich hab mich alles gutts und Euer Exzellenz von allem disen parte zu geben
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anerpotten, erwartte also Euer Exzellenz gnädigsten bevelch, was auf ain und
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anders zu antwortten sein werde.

13
PS Postsachen.

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