Acta Pacis Westphalicae II A 4 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 4: 1646 / Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett
194. Nassau und Volmar an Trauttmansdorff Münster 1646 Juni 16

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Nassau und Volmar an Trauttmansdorff


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Münster 1646 Juni 16

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Kopie: KHA A 4 nr. 1628/20 unfol. = Druckvorlage – Konzept: RK FrA Fasz. 92 IX nr.
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1281 fol. 236–238.

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Gespräch mit Mediatoren über Verhandlungen mit Frankreich: Waffenstillstand, Philippsburg,
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Elsaß und Breisach, Höhe der Geldentschädigung, Kammerschulden, Einschluß von Lothringen
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und Spanien in den Frieden. England.

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Gestern nachmittag haben wir unß zu den herrn mediatorn in deß Venetiani-
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schen pottschaffters behausung verfuegt und ihnen daßjenig, waß Euer Ex-
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zellenz unß vom 13. huius

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Vgl. nr. 180.
wegen der mündtlichen conferentz mitt den
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Frantzösischen plenipotentiariis in antwort zugeschrieben, ördentlich vorge-
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tragen und begehrt, daß sie hieruber mitt denselben weiters handlen und sie
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zu einer richtigen erclehrung vermögen wolten.

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Was nuhn vorderist den punctum armistitii anlangt, haben beede mediatores
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dahingestelt sein lassen, daß die Schweden, auß fürsorg, sie darzu, wie vor-
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mahls beschehen, nitt verstehen, sondern auff ihre generalitet sich beziehen
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wurden, nitt anzusprechen weren. Vermeldet auch der Venetus, es hetten
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sonst die Frantzosen solches an sie nitt so directe begehrt, alß wan eben ihnen
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viel ahn verwilligung eines anstandts gelegen, sondern sich verlauten lassen,
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wan es bey den Schweden richtiggemacht werden köndte, auch sie ihrestheils
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kein bedenckens darwider haben wurden. Im ubrigen haben sie, mediatores,
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von einem puncten zum andern zu discurriren angefangen und gesagt, sie
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vermerckten von unß, daß es lauter resolutiones praecisae weren, wüsten also
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nitt, waß darauff zu hoffen sein möchte.

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Die Frantzosen bestünden sehr fast auff inhaltung der veste Philipsburg und
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wolten sich keineswegs davon abwendig machen lassen. Jedoch hetten sie,
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mediatores, ihresorths glaichsamb für sicher gehalten, wan ihnen dießorths
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etwas freye handt gelassen, sie wolten die Frantzosen entweder von Philips-
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burg oder von der angemasten oberherrlichkeiten über die reichsstände in
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Elßaß abzustehen vermögt haben. Ja, sie hetten vermerckt, daß es mitt diesem

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letztern kein so große difficultet wie mitt Philipsburg haben würde. Ihr vor-
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geben wer, daß sie diesen posten darumb so starck begehrten, damitt sie die
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catholisch religion gegen der Calvinisch und Lutherischen nachbarschafft,
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alß den pfaltzgraffen und marggraffen zu Durlach

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Das Hst. Speyer, in dem Philippsburg liegt, war nach Norden hin von kurpfälzischem Gebiet
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umgeben, im Süden grenzte es an die Mgft. Baden-Durlach. Das Kft. Pfalz war seit 1563, mit
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einer kurzen Unterbrechung in den Jahren 1576–1583, calvinistisch. Am Ende des Krieges
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waren in der Rheinpfalz jedoch, bedingt durch die ligistische und spanische Besetzung 1622/23
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sowie die schwedische Eroberung 1631/32, alle drei Konfessionen in der Bevölkerung präsent
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( Schindling / Ziegler , Pfalz). Die Mgf.en von Baden-Durlach hatten sich nach dem ARF
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der Reformation zugewandt. Nach 1622 geriet das ev. Kirchenwesen allerdings in starken
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Verfall; Mgf. Friedrich V. befand sich seit 1638 in Basel im Exil ( Press , Baden 132–146).
, handthaben köndten. Ihr,
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der mediatorn, meinung aber seie, daß es dem herrn churfursten in Bayern zu
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gefallen und gleichsamb ex occulto pacto geschehe, damitt die Frantzosen
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ihme wider daß hauß Pfaltz desto besser die handt biethen köndten. Hielten
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auch darfur, daß es mitt hinderlassung dießes platz wie mitt Preysach gehen,
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auch endtlich Churbayern kein ruhe haben werde, biß man den Frantzosen
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hierunder wihlfahren thue.

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Wir haben geantwortet, daß wir von ihr Kayserlicher majestätt den austrück-
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lichen bevelch hetten, auff der disiunctiva zu verharren, entweder Philipsburg
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oder Preysach, keineswegs aber beede zu cedirn und mitthin den original-
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bevelch vorgewiesen

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Vgl. nr. 143.
, auch angezeigt, daß der Frantzößische resident de La
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Barde Ewer Exzellenz selbst diese weittere instantz gemacht, man möchte
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doch ihnen, Frantzosen, die inbehaltung dießes platz wenigst nur ad dies vi-
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tae deß itzigen herrn churfursten zu Trier bewilligen, mitt vorbehalt, daß der
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alßdan seinem successori beim bischoffthumb Speyr widerumb frey abgetret-
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ten werden soll. Wir sagten es aber nitt darumb, daß unserseits solches zu
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bewilligen, sondern wir wüsten auß unserm bevelch nitt zu schreitten. Sie,
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mediatores, wolten deßwegen den Frantzosen zusprechen, damitt man ei-
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gentlich sehen möcht, ob sie beedes coniunctim oder nur daß eine zu behaub-
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ten gedächten. Nach gestaldt einer solchen erclehrung müste man sehen, waß
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alßdan weiter zu thuen, einmahl wurde hierinnen sine consensu ordinum
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nichts geschlossen werden mögen.

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Folgendts seindt die mediatores auff den punctum recompensae et debitorum
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kommen und haben ebenmässig zu verstehen geben, daß die Frantzosen sich
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zu einer solchen starcken summa geldts nitt würden vermögen lassen, vorder-
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ist aber eine liquidation der schulden haben wollen. Wir haben geantworttet,
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wann die Frantzosen den rechten grundt wüsten und erwegen theten, wie ich,
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Volmar, es ihnen mitt der zeit remonstriren köndte, so wurden sie wenig
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difficultet zu machen ursach haben. Sie hetten ein schlecht fundament auff
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ihrem berühmbten acquisto con le armi zu machen, dan sie einmahl kein
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iustam causam darzu gehabt, derentwegen ihre conscientz selbst sie ad re-
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compensationem weisen thet.

[p. 343] [scan. 423]


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Endtlich haben die mediatores vermeldet, daß es die gröste difficultet mitt
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Lothringen und Spanien haben wurde. Und fragte der Venetus, ob es dan
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ihrer Kayserlichen majestätt endtlicher will und meinung seie, ohne diese nitt
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friedt zu machen. Wir haben geantworttet, daß ihre mayestät diese conditio-
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nes sine quibus non gesetzt und stetigs in ihren bevelchen widerholen thet.
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Spania und Lothringen weren ihrer mayestät confoederati, socii et consangui-
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nei . Gleich wie Franckreich ohne seine confoederirte nitt fried machen wolte,
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also köndt es auch ihre mayestät nitt verwegert werden.

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Hierauff der Venetus: Wan es diese meinung, so wer sein rath, man liesse die
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reichssachen und die satisfactionshandlung mitt den Frantzosen gäntzlich an-
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stehen , dan wir wurden doch nichts außrichten, biß diese Spanische und
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Lothringische sachen erörttert weren. Er vermeine aber, Churbayern werde
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sich weder umb deß einen noch deß andern willen auffhalten lassen und con-
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sequenter auch andere reichsstände ahn sich hencken. Seinestheils wer er
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auch ieweils in denen gedancken gewesen, ihre Kayserliche majestätt hetten
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diese conditiones mehr per complimenti, alß daß man praecise drauff verhar-
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ren solt, gesetzt. Dan eben dergleichen hette sich der Polnisch ambassador
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ahm Frantzößischen hoff

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Domenico Roncalli (Lebensdaten und -umstände konnten nicht ermittelt werden), polnischer
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Res. am frz. Hof ( APW [ II B 4 nr. 72 Anm. 5 ] ).
, von ihro Kayserlichen majestätt im durchreißen
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bey deroselben gehabter audientz vernohmen zu haben, verlauten lassen. Wir
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haben priora widerholt und unß licenziert.

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Im auffstehen, alß ich, graff von Nassaw, mitt dem Veneto, ich, Volmar, mitt
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dem herrn nuncio weiter zu red kommen, sagte herr nuncius mir submissa
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voce, wir solten unß mitt Spania nitt ubereilen lassen, die sachen weren nitt
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in solchem standt. Alß ich ihne auch fragte, waß er auß Engellandt hette, dan
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man gebe auß, ob wer selbiger krieg allerdings componirt, sagte er, daß ihme
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darvon nichts zu wissen, allein hette er verstanden, daß die Frantzosen eine
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ambasciata in Engellandt schickten, umb die sachen zwischen dem könig und
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dem parlament zu vergleichen, also sie auch dessen gutte hoffnung hetten.

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