Acta Pacis Westphalicae II C 4,1 : Die Schwedischen Korrespondenzen, Band 4, 1. Teil: 1647-1648 / Wilhelm Kohl unter Mitarbeit von Paul Nachtsheim
EINLEITUNG

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EINLEITUNG

Das Hauptziel der schwedischen Politik auf dem Friedenskongreß seit dem Herbst des Jahres 1647 bis zur Unterzeichnung des Friedensvertrages am 24. Ok- tober 1648 bestand darin, die bis zum Sommer 1647 in den Verhandlungen mit Trauttmansdorff erzielten Ergebnisse ungemindert festzuschreiben und gleichzei- tig eine möglichst hohe Summe zur Entschädigung der abzudankenden Armee durchzusetzen. So einfach die Lösung des Problems angesichts der noch immer furchteinflößenden Kriegsmaschinerie der Schweden und glücklicher Führung des Heeres durch den Feldmarschall Carl Gustaf Wrangel und seine Generäle, vor- nehmlich Königsmarck und Wittenberg, erschien, so schwierig sollte sie sich ge- stalten . Einem erfolgreichen Abschluß der Verhandlungen seitens der schwedischen Unter- händler standen vor allem die wachsende Finanznot der Krone, ebenso sehr aber auch die merklich zunehmende Abneigung der protestantischen Reichsstände ge- genüber ihren früheren Beschützern im Wege. Viele der Fürsten und Stände, die ehedem ihre Zuversicht auf Schweden gesetzt hatten, mochten nun auch für die hehrsten Ziele nicht den Krieg gemeinsam mit der nordischen Krone fortsetzen. Wenn sich Johan Oxenstierna und Salvius auch in ihren Schlußfolgerungen aus den Verhältnissen nicht unwesentlich unterschieden, so erkannten doch beide, daß ein anhaltendes, starkes Drängen auf Fortsetzung des Krieges gegen den Kaiser und seine Verbündeten bis zur endgültigen Durchsetzung aller Kriegsziele mehr und mehr bei den Protestanten nicht nur auf taube Ohren, sondern auf offenen Widerspruch stieß . Drohungen der Stände, sich notfalls dem Kaiser in die Arme zu werfen, um dem unerträglichen Druck des Krieges und der völligen Verar- mung des Landes zu entgehen, häuften sich in beunruhigender Weise. Dem ließen sich kaum wirksame Argumente entgegenstellen. Schwedische Reisende mußten selber zugeben, daß sie oft auf Meilen Weite keinen Bissen Brot und kein Bund Hafer für Mensch und Pferd zum Unterhalt vorfanden, und das gerade in den Ländern, die dazu ausersehen waren, die Millionenbeträge für die Satisfaktion der schwedischen Soldaten aufzubringen. Derartige Beobachtungen erzeugten un- weigerlich bei den täglich mit den unerfreulichen Tatsachen konfrontierten Ge- sandten Zweifel, ob sich tatsächlich durch äußerste Unnachgiebigkeit in den For- derungen das gesetzte hohe Ziel erreichen ließe. Als Verantwortlicher für die Ver- wendung der französischen Subsidien und den ungeheuer angewachsenen Schul- dendienst sah sich besonders Salvius zwischen den Mühlsteinen der ständigen Geldforderungen Wrangels und der Gläubiger einerseits sowie den zögerlichen Auszahlungen der Hilfsgelder durch die Franzosen andererseits zerrieben. Die Be- lastungen brachten ihn an die Grenze der seelischen und körperlichen Leistungsfä- higkeit . Die unverkennbare Ebbe in den schwedischen Staatskassen und die halb- herzigen Entscheidungen der Königin waren nicht gerade dazu angetan, seine

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Standfestigkeit und seinen Eifer für die Sache zu steigern. Auf einen strengen Be- fehl der Königin, die Sommersubsidien des Jahres 1648 ohne jede Kürzung dem neuernannten Generalissimus, Pfalzgraf Carl Gustav, für den Feldzug in die kai- serlichen Erblande zur Verfügung zu stellen , folgten kommentarlos andere Wei- sungen , erhebliche Summen aus diesem Fonds für die Abdeckung von Schulden oder an Privatleute zu zahlen, einen Teil auch für den Einkauf von Krönungs- utensilien zu verwenden . Ein solches Chaos in der Planung an höchster Stelle offenbarte die Ohnmacht der Führung nach der Entfernung Axel Oxenstiernas aus der Verantwortung. Salvius, kein Freund des alten Reichskanzlers, erkannte die Unhaltbarkeit der Verhältnisse in Stockholm und kennzeichnete sie auch entspre- chend in seinen Berichten an die Königin, wenn auch unter Wahrung der erfor- derlichen Ehrerbietung.
Seinen ranghöheren Kollegen Johan Oxenstierna quälten die finanziellen Mole- sten weniger oder doch nur insoweit, als Salvius ihm seine Bezüge nur mit großen Verzögerungen oder gar nicht auszahlte . Salvius konnte nur schwer einsehen, weshalb er sich persönlich über die bereits auf 300 000 Reichstaler angewachsene Schuldenlast hinaus, für die er bürgte, im Interesse des Sohnes des Reichskanzlers in weitere Verbindlichkeiten stürzen sollte, für einen Mann, der ihm keine Zunei- gung entgegenbrachte, ja zu dem das gegenseitige Verhältnis tief gestört war

Vgl. im Register unter Salvius.
Salvius wußte aus seinen Korrespondenzen mit vertrauten Personen in Stockholm nur zu gut, daß die Stellung des alternden und kränkelnden Reichskanzlers am Hofe erschüttert war und daß die Königin ihm, Salvius, mehr vertraute als Johan Oxenstierna. Andererseits war auch dieser durch die Briefe seines Vaters über die Veränderungen bei Hofe genau unterrichtet und wußte, daß dem Reichskanzler nur geringe Möglichkeiten zur Einwirkung auf die Politik verblieben waren, die Umstände ihm auch verboten, etwa zugunsten einer glänzenden Laufbahn seines ältesten Sohns Johan entschiedener einzutreten. So brach Salvius unter den finan- ziellen Sorgen und Kriegslasten zusammen. Er sah nur noch im Nachgeben bei den Verhandlungen einen Ausweg, um aus der Sackgasse herauszufinden. Johan Oxenstierna dagegen zeigte sich verstimmt über die mangelnde Unterstützung sei- nes Partners und die offensichtliche Bevorzugung Salvius’ durch die Königin. Mißtrauisch gegen tatsächliche oder vermeintliche diplomatische Schritte Salvi- us ’, die ihm verborgen geblieben waren, wußte er doch keine Mittel, um den verhaßten Kollegen auszuschalten. Klagen über Salvius bei Hofe verhallten ohne Echo . Außerdem hatte der plötzliche Tod der jungen Gemahlin Johan Oxenstier- nas eine starke seelische Bedrückung zur Folge, die nicht spurlos blieb und die Tatkraft Johans minderte. Selbst die bald einsetzenden Bemühungen um einen neuen Ehebund mit der ihm aus Kindertagen bekannten Margaretha Brahe blie-

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ben nicht ohne Belastungen, da der Vater deutlich zu verstehen gab, daß ihm im Interesse des Weiterblühens der Familie eine jüngere Frau, als Margaretha es war, lieber gewesen wäre. Einige Irrungen mit der Mutter seiner ersten Frau kamen hinzu.
Die Vorbedingungen für eine energische und erfolgversprechende Verhandlungs- taktik der Schweden in der kritischen Endphase des Kongresses boten in der Tat nicht das günstigste Bild. Unerläßliche Voraussetzung für schwedische Erfolge auf dem für Schweden im- mer ungünstiger werdenden diplomatischen Parkett war eine militärisch starke Stellung auf dem deutschen Kriegsschauplatz. Alle Parteien in Münster und Osna- brück beobachteten aufmerksam das wandelbare Kriegsglück. Wie an einer Börse fielen oder stiegen die Kurse der einen oder andern Seite mit Erfolg oder Mißer- folg der Waffen. Und gerade auf diesem heiklen, durch Rationalität kaum erfaß- baren Gebiet ereignete sich im Herbst 1647 ein für die nordische Krone höchst unangenehmes Ereignis: Kurfürst Maximilian I. von Bayern kündigte am 14. September den im März des Jahres mit Schweden und Frankreich geschlossenen Ulmer Waffenstillstand gegenüber Wrangel auf und vereinigte sein Heer von etwa 8000 Mann mit einem etwa gleichstarken kaiserlichen Heer in Nordböh- men . Das schwedische Hauptheer unter Wrangel war nunmehr den verbündeten katholischen Armeen weit unterlegen und mußte sich, um der drohenden Vernich- tung zu entgehen, schleunigst aus Böhmen durch Kursachsen und Thüringen an die mittlere Weser absetzen. Triumphierend verbreiteten die kaiserlichen Gesandten die Nachricht von der schmählichen Flucht des Feindes, wie sie es nannten, aus den habsburgischen Lan- den nach Norddeutschland . Sie konnten nun in aller Ruhe die von den Reichs- ständen geforderte Wiederaufnahme der Verhandlungen mit den Schweden vor- bereiten und den Eindruck der veränderten Kriegslage auf die Stände abwarten. Die Abreise Volmars von Münster nach Osnabrück, wo die gemeinsamen Konfe- renzen stattfinden sollten, brauchte nicht übereilt zu werden. Beabsichtigt oder unbeabsichtigt hatte der Bruch des Waffenstillstandes durch Bayern für Schweden noch weitere peinliche Folgen. Die Kündigung durch einen bayerischen Trompeter war nur an Wrangel, nicht aber an Turenne übermittelt worden . Im schwedischen Lager argwöhnte man sofort, daß hinter dieser unter- schiedlichen Behandlung beider ausländischer Kronen geheime Machenschaften der katholischen Mächte Frankreich und Bayern zum Nachteil der Protestanten verborgen sein könnten, ja ein geheimes Abkommen Maximilians mit den Fran- zosen , um Schweden um den Preis seiner Mühen zu bringen. Der Verdacht lag umso näher, als gerade die Franzosen es gewesen waren, die trotz schwedischer Einwände darauf gedrängt hatten, daß der Waffenstillstand mit Bayern im März 1647 geschlossen wurde. War das nur geschehen, um Kurbayern zu schonen und für einen gemeinsamen Schlag gegen die Protestanten kräftig genug zu erhalten?

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Unter Verweis auf das Bündnis beider Kronen mahnten die Schweden bei Servien an, Turenne seinerseits zur sofortigen Aufkündigung des Waffenstillstandes an Bayern zu veranlassen, in das Land des Kurfürsten einzufallen und zu verhindern, daß die von den schwedischen Garnisonen aufgegebenen Plätze von bayerischen Truppen besetzt würden . Da sich Turenne mit einer Entscheidung lange Zeit ließ, wuchs das Mißtrauen der Schweden weiter an. Sie sahen bereits das Bündnis mit Frankreich gefährdet . In drei beschwörenden Briefen wandte sich Königin Christina an die Königin-Regentin, an den jungen König und an Mazarin . In der Tat hätte ein Bruch der Allianz das Schicksal des Krieges besiegelt. Im Augen- blick militärisch unterlegen, wäre Schweden, der französischen Subsidien beraubt, nicht imstande gewesen, allein den Krieg fortzusetzen. Außer dem schwer ange- schlagenen Bundesgenossen Hessen-Kassel verfügte Schweden über keine wirk- lichen Freunde. Alles bei den mühsamen Verhandlungen Erreichte wäre damit infrage gestellt, wenn nicht gänzlich verloren gewesen. Die Situation konnte nicht bedrohlicher sein.
Wie gesagt, war auch die bisher treu auf der Seite Schwedens stehende Landgräfin Amelia Elisabeth infolge des bayerischen Schrittes in höchste Bedrängnis geraten

[ Nr. 52 ] und [ 64 ] ; S. 718.
. Die Landgrafschaft Hessen-Kassel wurde von kaiserlichen Truppen besetzt, ohne daß Wrangel seine helfende Hand leihen konnte. Sehr nachteilig wirkte sich der Umstand auf die Position der Landgräfin in dem seit langem schwelenden Streit zwischen den beiden hessischen Häusern Kassel und Darmstadt aus, zumal der Darmstädter, lutherischer Konfession, vom Kaiser wohlwollender behandelt wurde als die auf schwedischer Seite stehende reformierte Landgräfin in Kassel. Die Aussichten Amelia Elisabeths im Marburger Erbstreit sanken.
Die schwedischen Gesandten hatten allen Anlaß, sich beim bayerischen Gesandten Dr. Ernst, dem cancer Bavaricus

Vgl. im Register.
, wie sie ihn nannten, empört über das ver- tragsbrüchige Verhalten des Kurfürsten zu beklagen , zumal sie selber im bayeri- schen Manifest, das den Schritt rechtfertigen sollte, als diejenigen beschuldigt wur- den , die die eigentlich Verantwortlichen für die Verhinderung eines Friedens dar- stellten . Der schwedische Protest in Form eines Gegenmanifestes verhallte ohne hörbares Echo. Die Absicht des Kurfürsten gehe ja nicht dahin, so erwiderte Dr. Ernst, dem Frieden im Wege zu stehen, wie es die Schweden mit ihren übertrie- benen Forderungen täten, sondern durch seinen Schritt das Gleichgewicht der Waffen wiederherzustellen und damit einem umso schnelleren, allgemeinen Frie- densschluß den Weg zu ebnen. Bayern kämpfe als echter deutscher Patriot für die Interessen aller Reichsstände. Eine solche Argumentation, in beiden Manifesten gleichermaßen langatmig im Geschmack der Zeit vorgetragen, verfehlte, was die bayerische Erklärung anbelangt, doch wohl nicht ganz das Ziel. Auch protestanti-

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sche Reichsstände fühlten sich davon angesprochen. Sie sahen hier einen Weg, der Unterdrückung und Ausbeutung durch die fremden Heere zu entgehen, sei es nun zu Recht oder nicht. Bayern galt weithin als die einzige Militärmacht, der deut- sche Interessen am Herzen lagen und die die Kraft besaß, diese zu vertreten. Dem schwächeren Hessen-Kassel traute man das weniger zu. Die Landgräfin galt zu sehr als bloßer Satellit Schwedens, während Bayern seine Selbständigkeit auch gegenüber dem Kaiser zu wahren wußte.
Überhaupt gewann der Gesichtspunkt unter den Reichsständen an Boden, es sei erforderlich, eine dritte Partei zu bilden, um gegen den Willen der Großmächte, notfalls unter Aufopferung der angestrebten Regelung einiger Gravamina und Re- stitutionen , den Frieden zu erzwingen und damit sowohl der kaiserlichen wie der fremden Heere entledigt zu werden. Den Schweden klang es unangenehm in den Ohren, daß die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg, die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg, vielleicht auch der König von Dänemark und die Gene- ralstaaten etwas Ähnliches im Schilde führten. Unverkennbar nahm die Solidari- tät der protestantischen Stände mit Schweden ab . Die Dankbarkeit für das Ein- treten König Gustav Adolfs zugunsten der vom Kaiser bedrohten Evangelischen im Reich schien in Vergessenheit zu geraten. Immer weniger war man bereit, klaglos die schweren Lasten schwedischer Einquartierungen und Durchzüge zu erdulden. Salvius muß die Lage in der ersten Oktoberhälfte so gefährlich einge- schätzt haben, daß er darauf verfiel, den Gedanken eines Generalwaffenstillstan- des zu propagieren und Johan Oxenstierna dafür zu interessieren. Dieser schien nicht abgeneigt, fürchtete aber eine große Weitläufigkeit, falls es trotzdem nicht zum Frieden kommen sollte . Er machte auf das darin liegende Risiko aufmerk- sam , daß man vor dem Bruch eines Waffenstillstandes von der anderen Seite nie- mals sicher sein könne, wie das bayerische Verfahren hinlänglich bewiesen habe. Man beschneide sich selber die Freiheit des Handelns und begebe sich mancher Vorteile, während die Gegenseite den günstigsten Augenblick zur Aufkündigung des Stillstandes abwarte. Die tiefe Enttäuschung über das gerade in den augenblicklichen Gefahren höchst unfreundliche Verhalten des französischen Bundesgenossen, der keinerlei Maßnah- men gegen Bayern ergriff und kühl jede Erhöhung oder vorzeitige Zahlung der Subsidien an Schweden ablehnte, führte sogar zu dem Gedanken, von schwedi- scher Seite gegen Frankreich genauso unaufrichtig zu handeln. Man sollte mit dem Kaiser hinter dem Rücken Frankreichs in Verhandlungen eintreten und über die beiderseitigen Generalitäten ein Einvernehmen erzielen . Ein derartiger Plan war aufgrund der Verbitterung, die in schwedischen Kreisen herrschte, verständ- lich , besaß aber keinerlei Aussicht auf Annahme durch die Königin . Schweden hätte sich endgültig des einzigen, wenn vielleicht auch im Augenblick nicht beson-

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ders hilfreichen Verbündeten beraubt, bevor noch der Friede unter Dach und Fach war.
Verschärfend auf die Mißverständnisse zwischen den verbündeten Kronen wirkte der Übertritt der sogenannten Weimarischen Armee, die unter dem Kommando Turennes gestanden hatte, auf die schwedische Seite . Königsmarck nahm die Truppen, die nicht länger unter französischen Fahnen dienen wollten, mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf. Schwierigkeiten mit Turenne, der seine persönliche Ehre gekränkt sah, waren vorauszusehen. Die Königin hielt sich, wie immer in kritischen Fragen, bedeckt: Ihr sei es recht, wenn man die Soldaten bewegen könnte, in französische Dienste zurückzukehren, jedoch solle keine Ge- walt angewendet werden. Turenne dürfe nicht beleidigt werden . Das waren weise Vorschläge, die sich nicht unter einen Hut bringen ließen. Königsmarck antwortete klipp und klar, daß eine Rückführung der Weimarer zur französischen Armee nicht ohne einen erneuten Aufstand der Truppen möglich sei. Man könne ihnen auch nicht die alten Offiziere aufzwingen. Damit gehe man nur das Risiko ein, die Weimarer Armee in die Arme des Feindes zu treiben. In französische Dienste könne man sie auf keinen Fall zurückgeben . Turenne aber rächte den Verlust der deutschen Regimenter und die persönliche Herausforderung durch Hinauszögerung des Zusammenwirkens mit Wrangel, solange es nur irgendwie ging. Die Weisung der Königin vom 9./19. Oktober 1647 offenbarte die ganze Rat- losigkeit in der verfahrenen Situation. Sie riet zum vorsichtigen Umgang mit Frankreich und Bayern, darüber hinaus aber bei den Friedenstraktaten einen Weg wie den andern beständig und beharrlich stehen zu bleiben und alle Mo- mente und Gelegenheiten zu Verhandlung und Abschluß in gute und genü- gende Acht zu nehmen. Ebenso sollte in der hochwichtigen Frage der Satisfak- tion der Armee ohne starke Offension bei den Ständen und anderen und ohne Schaden für Schweden verhandelt werden. Aber wie sollte dieses Kunststück voll- bracht werden, nachdem die ersten Andeutungen über die Höhe der schwedischen Geldforderungen bereits einen Sturm der Entrüstung bei den ständischen Depu- tierten ausgelöst hatten? Obgleich Salvius die Königin auf die völlige Leere der Kassen hingewiesen und gebeten hatte, ihm keine weiteren Belastungen zuzumu- ten , wies Christina den Gesandten am selben Tage wie oben an, Wrangels Forde- rungen mit weiteren anderthalb bis zwei Tonnen Gold zu befriedigen . Sie setzte ihre Gewißheit, daß Salvius das Unmögliche möglich machen werde, allein auf dessen bisher geleistete Dienste und seine treue Gesinnung! Der Feldmarschall wurde angewiesen, einen weiteren Vormarsch des Feindes in Richtung auf die Küsten von Nord- und Ostsee durch Errichtung von Garnisonen in Schlesien und durch Deckung Pommerns zu verhindern.

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Um es kurz zu sagen: In Stockholm wußte man keinerlei Rat, wie den zum Still- stand gekommenen Friedensverhandlungen ein neuer Impuls verliehen werden könnte. Alle Verantwortung lastete allein auf den Schultern der beiden Gesand- ten . So vergingen wertvolle Wochen und Monate, begleitet von scharfen Protesten der Reichsstände gegen die Verzögerung, ohne daß sich Schweden und Kaiserliche in Konferenzen wieder gegenübertraten. Erst in der zweiten Oktoberhälfte ver- dichteten sich die Anzeichen, Volmar werde nun bald zu neuen Verhandlungen nach Osnabrück kommen . Man vermutete jedoch, der Kaiser versuche inzwi- schen , soviel militärische Erfolge zu sammeln, wie irgend möglich. Schon mar- schierten kaiserliche Truppen über die Saale gegen den bei Höxter stehenden Feldmarschall Wrangel. Hilferufe gingen an die Franzosen ab. Man deutete an, daß allein der Anmarsch Turennes nach Deutschland offensichtlich dazu geführt habe, daß der Kaiser der Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Schweden seine Zustimmung nicht länger verweigern konnte. In diese Kerbe müsse gehauen werden, damit Volmar endlich in Osnabrück eintreffe und den Reichsständen der Verdacht benommen werde, Schweden sei allein an der Hinauszögerung des Frie- dens schuld. Das Hauptverdienst am Zustandekommen der Überkunft Volmars schrieben sich allerdings die kurbrandenburgischen Gesandten zu . Tatsächlich war es immer wieder Graf Wittgenstein gewesen, der den schwedischen Angele- genheiten und Wünschen die besten Dienste geleistet hatte. Daß er dabei auf eine angemessene Belohnung wartete, entsprach den Gepflogenheiten der Zeit.
Wittgenstein und seine Kollegen Fromhold und Wesenbeck führten die hinausge- zögerte Abreise Volmars entschuldigend auf die kaiserliche Weisung zurück, zu- erst einmal die katholischen Reichsstände dazu zu bewegen, den früheren Abma- chungen Trauttmansdorffs mit den beiden Kronen zuzustimmen, um dann auf dieser sicheren Basis einen schnellen Abschluß erzielen zu können . Sie machten glaubhaft, daß Volmar große Mühe aufwende, den radikalen Katholiken die Zustimmung abzuringen. Volmar werde, falls diese nicht bis zum Freitag, dem 5./15. November 1647, nachgäben, ohne weitere Rücksicht auf sie von Münster nach Osnabrück reisen, um dort mit den Schweden und den evangelischen Stän- den einen Durchbruch zu erzielen. Einen weiteren Aufschub der Reise, wie ihn die Katholiken verlangten, werde es mit Sicherheit nicht geben. Im äußersten Falle wolle Volmar, um einem Wunsch der Mediatoren zu entsprechen, bis zum 7./17. November warten. Tatsächlich traf Volmar am späten Abend des 5./15. November in Osnabrück ein, sehr zur Genugtuung der evangelischen Deputierten. Sie schrieben ihm im Vergleich mit den anderen kaiserlichen Gesandten nicht nur die größere Sach- kenntnis , sondern auch den größeren Einfluß auf die katholischen Stände zu. Nach einigen Plänkeleien wegen der den Schweden nicht hinreichend erscheinen- den Vollmacht Volmars für Verhandlungen in Osnabrück begannen die Konfe- renzen am 15./25. November mit gegenseitigen Beteuerungen der Friedensbereit-

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schaft , stießen aber sofort an eine harte Klippe: die Reihenfolge, in der die noch strittigen Punkte abgehandelt werden sollten. Während Volmar das gesamte In- strumentum Pacis noch einmal vom Anfang bis zum Ende Punkt für Punkt durch- laufen wollte, machten die Schweden den Beginn der Verhandlungen von der vorhergehenden Erledigung der Satisfaktion ihrer eigenen und der hessen- kasseli- schen Armee abhängig. Die kaiserlichen Gesandten zeigten sich nicht wenig ver- dutzt , als die Schweden ihnen mit einer Forderung von nicht weniger als zwanzig Millionen Reichstalern hierfür unter die Augen traten. Sie wußten, daß die De- putierten der Stände im alleräußersten Falle etwa vier bis fünf Millionen bewilli- gen wollten.
Der schlechte Verhandlungsgang trug dazu bei, daß sich bei den schwedischen Gesandten die Überzeugung durchsetzte, man werde angesichts der großen Geld- schwierigkeiten und der zweideutigen Haltung Frankreichs um einen erneuten Feldzug im neuen Jahre nicht herumkommen. Da finanzielle Mittel dazu nicht zur Verfügung standen, sollte der neuernannte schwedische Ambassadeur in Paris, Schering Rosenhane, die Grundlagen in Gestalt möglichst pünktlicher Subsidien- zahlung schaffen . Rosenhane, der bisher in Münster als schwedischer Resident in enger Verbindung mit der französischen Gesandtschaft gewirkt hatte, brachte da- für die besten Kenntnisse mit. Wenn es noch eines Beweises für die Geldknappheit der Schweden bedurft hätte, so konnte man sie aus den Anfang Dezember abgehaltenen Besprechungen Johan Oxenstiernas mit Feldmarschall Wrangel und dem für die Finanzierung der Armee zuständigen Präsidenten Erskein in Minden an der Weser ablesen . Die Kalamität zwischen den Bedürfnissen des Heeres und den Möglichkeiten der Geldbeschaffung traten in aller Schärfe hervor. Die Führung kannte die Gefahren in Gestalt einer Meuterei der unzufriedenen Soldaten aus älteren, bitteren Erfah- rungen nur zu gut, mußte aber auch auf die belasteten Reichsstände Rücksicht nehmen, um diese nicht zu verzweifelten Schritten zu treiben . Immer wieder hatte die Königin deshalb darauf bestanden, bei den Verhandlungen auf eine möglichst hohe Summe zu drängen, um die treuen Dienste der Soldaten gebüh- rend zu belohnen. Jedoch verlangte sie andererseits, in keinem Falle den Gang der Verhandlungen durch diese Forderung aufzuhalten oder die Konferenz gar daran scheitern zu lassen. Man solle auch die Verarmung der Reichsstände im Auge be- halten , um nicht aus bisherigen Freunden neue Feinde der Krone Schweden zu machen. Die Generäle deuteten wiederum unmißverständlich an, daß man der Armee beim Ausbleiben einer angemessenen Entlohnung nicht zumuten könne, ak- tiv gegen den Feind vorzugehen. Alles das trug zweifellos dazu bei, daß sich die kaiserliche Haltung verhärtete. Kein Wunder, daß die von den Kaiserlichen zugesagte Erklärung des Reichsober- hauptes zu den strittigen Punkten lange Zeit ausblieb. Sowohl der Kaiser wie viele

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Reichsstände wiesen diskret darauf hin, daß Schweden gefälligst seine Armee aus den der Krone zuerkannten umfangreichen Reichsterritorien bezahlen solle . Aber gerade das wollten die Schweden vermeiden. Bremen, Verden und Pom- mern sollten nicht einmal mit Quartieren behelligt werden. Die kaum angetrete- nen Konferenzen mit Volmar kamen erneut zum Stillstand.
Erst gegen Mitte Januar lebten die Verhandlungen wieder auf, wenn auch ohne Schwung. Gegenseitige Beschuldigungen, an den bisherigen Abmachungen neue und unzulässige Änderungen vorgenommen und neue, unerhörte Forderungen ge- stellt zu haben, füllten die Gespräche der Gesandten . Gerüchte über eine Abbe- rufung Volmars und Ersetzung durch Graf Kurz deuteten auf eine Verschlechte- rung des Klimas, da Volmar insgesamt doch Verständigungswillen zeigte. Johan Oxenstierna glaubte aus den kaiserlicherseits vorgenommenen Änderungen am Vertragswerk nichts anderes als die kaiserliche Absicht entnehmen zu können, den Krieg im angebrochenen Jahr 1648 mit voller Kraft fortzusetzen. Solange der spanisch-französische Krieg anhalte, werde Habsburg niemals zum Frieden schrei- ten . Dem Kaiser liege einzig und allein daran, die schon ermatteten Reichsstände endgültig zu Boden zu drücken, um dann mit ihnen leichtes Spiel zu haben. Nach- dem Spanien durch den kurz bevorstehenden Frieden mit den Generalstaaten mi- litärisch eine erhebliche Entlastung erfahre, steige am Horizont mit der zu erwar- tenden Hilfe Spaniens für den Kaiser ein neues Unheil für die verbündeten Kro- nen Frankreich und Schweden empor . In der Tat war die Lage für die Kronen nicht rosig. Schweden sah sich mit seinen Satisfaktionsforderungen für seine Armee dem Widerstand der Stände gegenüber, noch mehr aber mit der Forderung der Befriedigung der hessen-kasselischen Trup- pen dem allgemeinen Unwillen ausgesetzt. Mit dem unpopulären Verlangen stie- ßen sie nicht nur bei den Kaiserlichen auf entschiedenen Widerstand, auch die Reichsstände zeigten sich empört, besonders diejenigen, die schon durch hessische Einquartierungen und Kontributionen hatten Federn lassen müssen. Sie schienen eher bereit, dem kaiserlichen Vorschlag zu folgen und zuerst einmal die strittigen Punkte wegen der Amnestie und der Gravamina zu Ende zu beraten. Freilich beschloß das Corpus Evangelicorum um die Mitte des Januars, über diese Punkte nur dann in Verhandlung einzutreten, wenn vorher die schwedische Satisfaktion sowie die Äquivalente für Mecklenburg und Kurbrandenburg ihre Erledigung ge- funden hätten . Doch war eine Annäherung der beiden konfessionellen Corpora auf dieser Basis unverkennbar. Strikt ablehnend verhielten sich die Kaiserlichen nur bezüglich der von Schweden verlangten Amnestie für die evangelischen Exu- lanten aus Böhmen und den habsburgischen Erblanden, deren Restitution in den alten Besitz und wegen der Religionsfreiheit in den kaiserlichen Ländern. Eher wollten die Kaiserlichen alles riskieren, als zu gestatten, daß dem Kaiser in seinen

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eigenen Territorien Vorschriften für die Behandlung seiner Untertanen gemacht würden .
Inzwischen war, sehr zur Entrüstung Serviens, am 20./30. Januar 1648 in Mün- ster der spanisch-niederländische Friede unterzeichnet worden . Peñeranda hatte schließlich die zögernden Niederländer vor das Ultimatum gestellt, entweder heute zu unterzeichnen oder die Verhandlungen als abgebrochen zu betrachten. Noch einmal versuchten die niederländischen Deputierten, den Franzosen vermit- telnde Vorschläge in der lothringischen Frage zu machen, und baten die Spanier um zwei Tage Aufschub, vergeblich. Peñeranda blieb unerbittlich. So unterzeich- neten alle Deputierten der Generalstaaten, außer dem Vertreter der Provinz Ut- recht , der dem französischen Bündnis die Treue wahrte. Rechtlich bedeutete sein Widerspruch aber nichts. „Der erste Friedensschluß, der erste Hoffnungsstrahl für diesen an Enttäuschungen so reichen Kongreß“ ( Dickmann ) war erzielt, wenn auch nicht zur Freude der Franzosen. Von den Schweden kaum wahrgenommen, hatte in dieser Zeit der kurmainzische Gesandte Vorburg, der den evangelischen Ständen freundlicher als sein Kollege, Kanzler Raigersberger, gegenüberstand, eine beträchtliche Zahl von Reichsstän- den beider Konfessionen um sich versammelt, die auf die baldige Herstellung des Friedens, auch gegen den Willen der Mächte, hinstreben wollte . In diese Ent- wicklung , deren Folgen schwer zu überblicken waren, griff Volmar durch die Veröffentlichung einer von ihm so bezeichneten kaiserlichen Resolution ein . Er gab damit erstmals den evangelischen Deputierten zu erkennen, daß es die Ab- sicht des Kaisers sei, auch gegen den Willen der katholischen Extremisten im Reich zu einem Vertrag zu kommen. Endlich gerieten damit die Dinge in Fluß. Kurbrandenburg und Kursachsen zo- gen sich von den vorburgischen Geheimbesprechungen zurück. Andererseits stimmten die moderateren Katholiken dem von Schweden und den Protestanten vorgeschlagenen Verhandlungsmodus zu . Jederzeitige Zuziehung der ständischen Deputierten zu den kaiserlich-schwedischen Konferenzen sollte dadurch gewähr- leistet werden, daß die Deputierten sich in einem Nebenraum des Osnabrücker Rathauses aufhielten. Man nahm sich vor, einen Punkt nach dem andern abzu- handeln und dann sofort schriftlich und endgültig festzulegen, bevor man zum nächsten Gegenstand schritt. Widersprüche abwesender Stände sollten unberück- sichtigt bleiben. Damit behielten die Kaiserlichen und die Schweden unter den Bedingungen der vermittelnden Partei die Verhandlungen in Händen. Endlich durften unange- fochtene Ergebnisse erwartet werden, wie sie bisher nicht vorlagen, und das alles, obgleich die radikalen Katholiken, aber auch Kursachsen und Kurbrandenburg ferngeblieben waren. Sehr schnell wurde ein erstes Ziel erreicht. Am 18./28. Fe-

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bruar 1648 begannen die Konferenzen mit einer feierlichen Auffahrt in Johan Oxenstiernas Wohnhaus . Glücklicherweise traf am nächsten Tage der kaiserli- che Befehl aus Wien ein, den bisher verschlossen gebliebenen Geheimbefehl zu öff- nen und damit zu den von Trauttmansdorff geschaffenen Grundlagen des Frie- densgebäudes zurückzukehren. Damit wurde eine protestantische Hauptforderung erfüllt, so daß nun nur noch die Erledigung einiger, nicht besonders wichtiger Amnestieangelegenheiten, wie etwa der baden-durlachischen Sache, der Augsbur- ger und Aachener Religionsstreitigkeiten – abgesehen von der Frage der erblän- dischen Exulanten, in der sich keine Lösung andeutete – verblieben, daneben die Justizreform und einige kleinere Fragen.
Bei der Besprechung der Justizpunkte richtete sich die evangelische Hauptforde- rung auf die Parität am Reichskammergericht , die Trauttmansdorff seinerzeit bereits bewilligt hatte, die aber auf Drängen der katholischen Stände widerrufen worden war. Vorübergehend dachte man auch daran, diese Streitfragen dem nächsten Reichstag zur Erledigung zuzuschieben, jedoch kam es schließlich zu ei- nem glücklichen Abschluß der Beratungen. Am 26. Februar / 7. März wurde die Vereinbarung unterzeichnet . Die Gesandten zeigten sich über die für ein neues Fundament eines friedlichen Rechtszustandes in Deutschland wichtige Vereinba- rung höchst bewegt. Die Regelung sollte beiden Konfessionen gerecht werden. Schon zwei Wochen später folgte die Übereinkunft zur Autonomie im Reiche und in den habsburgischen Erbländern. Die Rechtslage in den kaiserlichen Ländern wurde von den Protestanten mit nachlassendem Interesse behandelt . Mehr war den Schweden an einer vollständigen Durchsetzung der Autonomiepunkte auch hier gelegen. Das Verantwortungsgefühl gegenüber den zahlreichen Exulanten, die den Schweden in Krieg und Frieden wertvolle Dienste geleistet hatten, machte allerdings bald angesichts der halbherzigen Überzeugung Platz, daß man wenig Dank ernten werde, wenn man sich für bestimmte Rechte der Reichsstände stark mache, die von diesen selber gar nicht mit Nachdruck angestrebt wurden . Für seine eigenen Länder lehnte der Kaiser nach wie vor jeden Gedanken an Religionsfreiheit ab; für die übrigen Territorien des Reiches sollten aber im Gro- ßen und Ganzen die Zusagen Trauttmansdorffs vom Sommer 1647 gültig blei- ben . Ebenso galt das Normaljahr 1624 unter gewissen Auflagen

[ Nr. 161 ] , Datum: 11./21. März 1648.
. Auch dieser Abschluß bedeutete einen ganz wesentlichen Schritt zum Frieden, denn gerade an diesen Fragen hatte sich der Krieg entzündet. Freilich war die Übereinkunft von den Evangelischen mit der Aufopferung ihrer Glaubensgenossen in den kaiser- lichen Erbländern teuer bezahlt worden. Volmar ließ sich nicht zum geringsten Zugeständnis bewegen, konnte es auch wegen der eindeutigen Weisungen aus Wien nicht. Nur wenn die Erbländer von der Religionsfreiheit ausgespart blieben,

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war er überhaupt bereit, der Autonomie im Reiche freien Lauf zu lassen. Die Schweden und evangelischen Deputierten täuschten sich über die Schmerzlichkeit des Verzichtes nicht hinweg, glaubten aber, für dieses Ziel den Krieg nicht länger fortsetzen zu dürfen .
Große Hartnäckigkeit bewiesen die katholischen Stände auch in der Frage der von den Evangelischen geforderten Parität im Augsburger Stadtregiment und we- gen der Duldung der evangelischen Religionsausübung in der Reichsstadt Aachen, obgleich Volmar auf diesem Gebiete schon, wenn auch versehentlich, Zugeständ- nisse gemacht hatte. Die meisten protestantischen Deputierten zeigten sich an die- sen Punkten nicht sonderlich interessiert, jedoch gelang es im Januar 1648, eine gemeinsame Front der Schweden und Protestanten in der Augsburger Angelegen- heit aufzubauen, die eine festere Haltung vertrat. Unerwartete Ergebnisse zeitig- ten deshalb die Konferenzen vom 9./19. bis 12./22. März 1648, auf denen es den Protestanten gelang, in Augsburg die fast völlige Parität in der Stadtverwaltung durchzusetzen . Dagegen ging die Aachener Religionssache für die Evangelischen mit einer schmerzlichen Niederlage zu Ende. Für die Aachener Glaubensgenossen setzten sich praktisch nur Kurbrandenburg und Hessen-Kassel ein. Der Punkt ver- schwand von der Tagesordnung . Gegen das am 14./24. März d.J. fertiggestellte Abkommen zur Beendigung des Streites zwischen Evangelischen und Katholiken protestierte nur der Kurfürst von Brandenburg , der in dem Einschluß der ausdrücklich so genannten Reformierten die Absicht mutmaßte, man wolle auch weiterhin einen Unterschied zwischen Gliedern der Augsburger Konfession und Reformierten machen. Die theologische Bereiche berührende Frage drohte das evangelische Lager zu sprengen, jedoch ge- lang es findigen Juristen, den alten Streit um die Confessio Augustana variata und invariata zu beschwichtigen, wenn die Frage sich auch juristischer Kompe- tenz entzog. Man beschloß spitzfindig, daß alles, was den Anhängern der katholi- schen Kirche und der Augsburger Konfession zustehe, auch denen zugute kommen sollte, die unter jenen Reformierte genannt wurden (IPO VII § 1). Die Klausel inter illos ließ sich sowohl auf Katholiken wie Lutheraner beziehen. Jeder Partei blieb damit die ihr angenehme Interpretation vorbehalten. Die Schweden standen der Frage verhältnismäßig unbeteiligt gegenüber

Ebd.
. Eine besondere Sympathie für die Reformierten konnte man von ihnen nicht erwarten, nachdem sie sich in der letzten Zeit immer wieder Klagen der Lutheraner über das unleidliche Verfahren reformierter Obrigkeiten oder Kirchenmänner, beson- ders in den klevischen Städten und in Bremen, hatten anhören müssen .
Vor die Abhandlung der letzten, nun noch unerledigt gebliebenen Fragen setzten die Schweden die Barriere vorheriger Erledigung der Satisfaktion ihrer Armee,

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der hessischen Frage und der Unterzeichnung der Bestimmungen über die bereits beschlossenen braunschweig-lüneburgischen und kurbrandenburgischen Äquiva- lente , die diese für die an Schweden abzutretenden Gebiete erhalten sollten . Eine Barriere war höchst notwendig, da sich ein Haufen von Interessenten an den Restfragen zum Kongreß drängte und darüber die den Schweden wichtigen Fra- gen in den Hintergrund zu wandern drohten. Die andere Seite antwortete mit der Forderung nach vorheriger Fertigstellung des Abkommens über die pfälzische Frage, an der vor allem Bayern interessiert war

Vgl. im Register unter Bremen und Wesel.
. Die drei zuletzt angeführten Abkommen erfuhren schließlich ihre Unterzeichnung durch die ständischen Depu- tierten , während die Kaiserlichen und die Schweden ihre Unterschriften bis zu dem Zeitpunkt aussetzten, an dem die hessische Frage geregelt sei.
Ungeachtet dieser unbestreitbaren Fortschritte in Richtung auf den Frieden im Reich überwog in Stockholm die Meinung, ohne eine militärische Unterstützung des eigenen Standpunkts werde der Kaiser letzten Endes doch nicht bereit sein, der Beendigung aller Feindseligkeiten zuzustimmen . Zu diesem Zweck eröffnete Wrangel mit Anbruch des Frühjahrs eine auf Franken und Bayern zielende Offen- sive und verzeichnete schnell Erfolge. Jedoch genügte das nach schwedischer An- schauung noch nicht. Königin Christina ernannte Pfalzgraf Carl Gustav zum Oberkommandierenden und Generalissimus der schwedischen Armeen in Deutschland. Sobald das Wetter es erlaubte, setzte der Pfalzgraf mit schwedischen und finnischen Rekruten auf das Festland über. Die Maßnahme fand nicht die Zustimmung von Salvius, der nicht nur eine neue finanzielle Belastung fürchtete, sondern auch die zarten Knospen des Friedens zerstört sah. Die gerade in ein verheißungsvolleres Fahrwasser gelenkten Verhandlungen drohten erneut zu scheitern . Die Königin versuchte auch, neue Bundesgenossen zu gewinnen. Am 31. März / 10. April 1648 erteilte sie Biörenklou die Vollmacht zu Gesprächen mit den kur- brandenburgischen Gesandten über eine mögliche Allianz, wobei, gewissermaßen als Vorbedingung, die unterschiedlichen Ansichten über die Grenzziehung in Hin- terpommern und die schwedische Anwartschaft auf die Neumark ausgeräumt werden sollten . Für den alten Bundesgenossen Hessen-Kassel gestaltete sich die Lage inzwischen günstiger. Nach manchen Irrungen konnte ein Vergleich der Häuser Kassel und Darmstadt in dem langwierigen Marburger Erbstreit erzielt werden (Kassel, 4./14. April 1648), der die Kasseler Linie deutlich bevorzugte . Schweden war zu- frieden , daß sein treuer Verbündeter im wesentlichen in seinen Ansprüchen bestä- tigt worden war. Der Vertrag wurde dem Friedenskongreß mitgeteilt und dem Instrumentum Pacis einverleibt. Er unterlag damit der Garantie der Mächte.

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Schwieriger gestalteten sich die Verhältnisse in der badischen Frage. Hier ergriff Schweden sehr energisch Partei für den protestantischen Markgrafen Friedrich von Durlach, der die Obergrafschaft Baden für seine Linie forderte und sich darin durch das Hofgerichtsurteil von 1622 benachteiligt fühlte. Jedoch vertrat der Kaiser die Ansicht, es handele sich hier nicht um eine zur Amnestiefrage gehö- rende Angelegenheit, sondern um einen bloßen Rechtsstreit zweier Linien des ba- dischen Hauses. Diese Auffassung war unglaubhaft, aber am Mittelrhein besaß der Kaiser eine festere Position als in Hessen, zumal die Franzosen ebenfalls für den katholischen Markgrafen Wilhelm von Baden-Baden eintraten. Es blieb dem Kongreß keine andere Wahl, als den Stein, so nicht zu heben, liegen zu lassen. In unmittelbaren kaiserlich-schwedischen Verhandlungen erarbeitete man im April 1648 eine Entscheidung, die auf den Vorschlägen der kaiserlichen Seite auf- baute und auf eine Milderung des Hofgerichtsurteils von 1622 hinauslief . Im übrigen wurde Markgraf Friedrich auf den Rechtsweg verwiesen.
Danach gelangte das Abkommen über die Amnestie im Reich endlich am 11./21. April 1648 zur Unterzeichnung . Alle politischen Streitfragen der Reichsstände untereinander waren damit ausgeräumt. Der Unterschrift vorbehalten blieben nur noch die ebenfalls schon abgehandelten Punkte über die verfassungsmäßigen Rechte der Städte, den Handel und die Zölle. Sie bargen keine Gefahren in sich. Kritischer wurden die Aussichten für die Erledigung der unbefriedigten Forderun- gen des Kaisers und der beiden Kronen betrachtet. Hier ließen sich unschwer mögliche Krisen voraussehen. Was die Schweden in ihren Glückwunschbriefen zum Jahreswechsel ausgesprochen hatten – das Kriegsglück möge ihnen im neuen Jahr hold sein und dazu führen, daß der Friedensschluß schnell und für sie mit günstigem Inhalt gefüllt folgen möge –, war für den ersten Teil des Satzes eingetreten . Die Wendung hatte sich bereits im Dezember des Vorjahres angedeutet. Nach vergeblicher Belagerung des Schlosses Marburg verließ Melander das seinen Soldaten keinen Unterhalt mehr bietende Land Hessen. Nach einem vergeblichen Versuch, von der Weser aufzu- brechen , den Wrangel wegen der grundlosen Wege aufgeben mußte, zogen dann die Schweden bei besserem Wetter den Kaiserlichen nach und errangen in Fran- ken ihre ersten Erfolge. Turenne, der bei Oppenheim den Rhein überschritten hatte, nahte sehr gemächlich von Westen und vereinigte sich schließlich bei Feuchtwangen mit den Schweden. Im Mai gelang es den Verbündeten bereits, den Lech zu überschreiten. Kurfürst Maximilian mußte aus seiner Residenz München fliehen. Das dem Feinde preisgegebene Bayern traf nun die ganze Schwere des Krieges als Rache für den Bruch des Ulmer Waffenstillstandes. Königsmarck eilte mit einer zweiten schwedischen Armee in überraschend schnellen Märschen von Franken über Eger nach Prag und nahm im Handstreich die Kleinseite und den Hradschin (Juli 1648) . Dagegen gelang es nicht, die Alt- und Neustadt Prag zu

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erobern. Das Heer Königsmarcks war zu schwach für diese Aufgabe. Auch die Verstärkung durch Truppen des Generalfeldzeugmeisters Wittenberg genügte nicht, den Erfolg vollkommen zu machen. Trotzdem war der Schlag für die kai- serliche Seite empfindlich. Eine große Zahl hoher Adeliger und Würdenträger, darunter der Erzbischof von Prag, Kardinal Harrach, waren in Gefangenschaft geraten, vom Hradschin unzählige Kunstwerke, Bibliotheken, darunter die Ulfi- lasbibel , und Archive geraubt und zum Teil nach Schweden geführt. Über die Beute an Kulturgegenständen freute sich Königin Christina mehr als über den militärischen Erfolg.
Als Pfalzgraf Carl Gustav nach einem langen Marsch von Pommern über Havel- berg und Zerbst mit seinem Heer vor Prag eintraf, war es zu spät. Er begann noch den Sturm auf die Altstadt, wurde aber durch die eintreffende Nachricht von der Unterzeichnung des Friedens in Münster an der Fortsetzung gehindert. „Auf die- sem düsteren Hintergrund müssen wir die letzten Verhandlungen des Kongresses sehen. Das Unglück, das den Kaiser und seine Verbündeten verfolgte, bestimmte ihren Verlauf und ihren Ausgang“ ( Dickmann ). Nachdem die Reichsstände ihre Streitigkeiten untereinander ausgeräumt hatten und nur noch die Unterschriften der Großmächte fehlten, richtete sich das Inter- esse der Stände allein darauf, einen Weg zur Verminderung der drückenden Kriegslasten zu finden. In diesem Punkte herrschte zwischen Katholiken und Evangelischen völlige Übereinstimmung. Ihr Druck auf die Mächte, endlich nicht länger den Frieden aufzuhalten und auf alle überhöhten Forderungen zu verzich- ten , verstärkte sich merklich. Hier und da erscholl sogar die Drohung, notfalls ein Bündnis aller Reichsstände zu schließen und ein gemeinsames Heer aufzustellen, um die fremden Heere von deutschem Boden zu vertreiben . Man fühle sich dazu durchaus stark genug und bedürfe für die Aufstellung der Armee nicht mehr Geld, als die fremden Heere jetzt aus dem Lande herauspreßten, nicht zu reden von den bevorstehenden Leistungen für deren Entlassung. Daran war ein Körnchen Wahr- heit . Es fehlte nur am Entschluß. Niemand täuschte sich aber, daß das Zwischen- stadium bis zur Aufstellung des Ständeheeres unabsehbare Risiken einschloß. Gerade mit dem Unwillen der Stände, weitere Opfer für die fremden Heere zu erbringen, kollidierten die Ziele der Schweden während der letzten Phase des Kongresses. Es ging um die Regelung der Befriedigung der schwedischen Armee sowohl hinsichtlich der Höhe der aufzubringenden Summe wie um die Frage, auf welche Weise die Gelder zusammengebracht werden sollten, wobei das Problem im Mittelpunkt stand, wer zahlungspflichtig sei. Es gehörte zur Taktik der schwe- dischen Gesandten, mit diesem Komplex eine Frage zu verknüpfen, die der Kaiser längst in aller Deutlichkeit ablehnend entschieden hatte, ohne jemals einen Ver- ständigungswillen erkennen zu lassen: die Amnestie für die Exulanten aus den habsburgischen Erbländern. Wie bereits ausgeführt, sollte dieser keineswegs klei- nen Gruppe von Evangelischen, darunter viele Angehörige des Adels, die in schwedischen Diensten gestanden hatten, zwar die Rückkehr in ihre Heimat und

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Straffreiheit gewährt werden, aber auf keinen Fall die von den Schweden für sie verlangte Religionsfreiheit. Die Kaiserlichen verwahrten sich heftig gegen die an- gebliche List des Feindes, auf diesem Wege 30 000 Rebellen in die Erblande zu schleusen. Eher könne der Kaiser auf seine Erbländer verzichten, als einem solchen Ansinnen zuzustimmen .
Ob ein solcher Plan tatsächlich in den Überlegungen der Schweden eine Rolle spielte, ist zumindest zweifelhaft. Ihnen schwebte wohl ein anderes Ziel vor Augen: Gelang es, den Exulanten die Wiedereinsetzung in ihren früheren Besitz zu sichern, so brauchte für sie im Rahmen der Satisfaktion der schwedischen Armee nicht Sorge getragen zu werden. Die für die Befriedigung der Soldaten erforder- liche Summe, über die es mit den Ständen zu streiten galt, konnte in diesem Falle deutlich niedriger angesetzt werden. Erstaunlicherweise ließ sich Volmar von den Evangelischen und Schweden zur Verknüpfung der Satisfaktionsfrage mit der der Exulanten aus den Erblanden bewegen. Nur forderte er, daß beide Probleme an das Ende der Verhandlungen verschoben würden . Sein Verfahren trug ihm einen schweren Verweis aus Wien ein, wo man fürchtete, daß die Verhandlungen den Kaiserlichen aus den Händen gleiten könnten und damit der Weg offen stehe, die Reichsstände zum entscheidenden Faktor auf dem Kongreß zu machen. Der Einspruch kam zu spät. Gegen Volmars Widerstand trafen die Deputierten der Stände Vorbereitungen, um die Amnestiepunkte vor- wegzunehmen . Am 29. April / 9. Mai 1648 beschlossen sie außerdem, von sich aus Beratungen mit den Schweden über die Satisfaktion der Soldaten aufzuneh- men . Mit diesem Schritte gingen die Reichsstände erstmals über den Rahmen der ei- gentlichen Friedensverhandlungen hinaus

Oschmann .
. Streng genommen stellte die Satisfak- tion der schwedischen Armee ja nur einen Punkt des umfassenden Komplexes von Fragen dar, die mit der Ratifikation und Exekution des Friedens zusammenhin- gen , denn die Schweden bestanden darauf, ihre Armee erst dann abzudanken und aus Deutschland abzuziehen, wenn das Heer in hinreichender Weise finanziell abgefunden und außerdem alle ausstehenden Restitutionen von Reichsständen er- folgt seien.
Um die Vollziehung zu beschleunigen, schlugen die Schweden vor, den Austausch der Ratifikation drei Monate nach Unterzeichnung der Verträge vorzunehmen . In der Zwischenzeit sollten die Satisfaktion der Armee und alle Restitutionen ab- geschlossen sein. Manche Reichsstände gingen noch weiter und wollten, falls sich den Restitutionen Widerstände entgegenstellten, den zu Restituierenden das Recht zur Selbsthilfe zugestehen. Der Kaiser und die Katholiken widersprachen dem und machten darauf aufmerksam, daß man damit Betroffene zum Richter in eigener Sache mache, was in der Tat unhaltbar war. Die Schweden verhielten sich hierin

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gemäßigter. Sie meinten, Selbsthilfe nur in den Fällen gestatten zu sollen, in de- nen die von den Geschädigten gewählten Kommissare nicht imstande wären, die Restitution zum Ziele zu führen

Oschmann .
. Aber auch diesen Kompromiß lehnten die Kai- serlichen ab, da hierbei nicht nur an kaiserliche oder kreisständische Kommissare, sondern auch an französische oder schwedische gedacht war. Ihnen schien darin der Keim zu einer unabsehbaren fremden Einmischung in die Angelegenheiten des Reiches verborgen zu liegen

Ebd.
.
Nach schwedischer Auffassung sollte die Ratifikation des Instrumentum Pacis von allen Reichsständen geleistet werden . Das wäre nach altem Herkommen aber erst auf dem nächsten Reichstag möglich gewesen. Als Ausweg verfiel man deshalb auf den Gedanken, die Stände eine vorläufige Ratifikation vollziehen zu lassen. Der Kaiser verlangte, diese vorläufige Ratifikation der Stände mittels vorbereite- ter Urkunden bereits bei der Unterzeichnung der Verträge vorzunehmen. Das hätte allerdings, da die Abdankung der Truppen bis zur Ratifikation abgeschlos- sen sein sollte, die sofortige Entlassung oder Abfindung der Heere bedeutet. Die finanzielle Abfindung der Soldaten sollte, so meinten die Kaiserlichen, erst nach der Ratifikation als Teil der Friedensexekution vorgenommen werden. Den meisten Reichsständen konnte diese kaiserliche Auffassung nur willkommen sein. Die Schweden wußten sehr wohl, daß ihnen, wurde diese Anschauung an- genommen , jedes Druckmittel aus den Händen fiel. Die evangelischen Stände vermochten zwar in Verhandlungen mit Salvius die Frist zwischen Unterzeich- nung und Ratifikation von drei Monaten auf die Hälfte herabzudrücken, eine Verschiebung der finanziellen Satisfaktion in die Zeit nach der Ratifikation miß- lang jedoch. Der genannte Beschluß der Reichsstände vom 29. April / 9. Mai bedeutet so einen wichtigen Erfolg der beiden schwedischen Gesandten . Es erübrigt sich hier, ausführlich auf den wechselvollen Gang der Verhandlungen über Höhe und Modus der Satisfaktionen für die schwedische Armee noch einmal einzugehen. Er ist bereits geschildert

Dickmann S. 474ff, Oschmann .
. Von den anfangs schwedischerseits gefor- derten zwanzig Millionen Reichstaler, die einem ständischen Angebot von 1 600 000 Reichstalern gegenüberstanden, ging man auf fünf Millionen herab, die schon frühzeitig von der Königin als Extremum genannt worden waren. Am 2./12. Juni 1648 nahmen die Reichsstände diese Forderung an . Die erste Rate in Höhe von 1 800 000 Reichstalern sollte bar entrichtet werden, dazu 1 200 000 Reichstaler in Assignationen, die die Kommandanten bei den zahlungspflichtigen Ständen einlösen sollten. Die Verteilung der Gelder unter die Soldaten blieb Auf- gabe der Generalität. Für die zweite Rate von zwei Millionen übernahmen die Reichsstände die Garantie.

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Inwieweit die als Grundlage für die Berechnung der erforderlichen Summen die- nenden Zahlen über die Stärke der schwedischen Regimenter und Einheiten den Tatsachen entsprachen, läßt sich schwer entscheiden. Mit Sicherheit waren die vom Kriegspräsidenten Erskein angesetzten Zahlen weit überhöht. Er gab als Ist- bestand des Heeres 125 000 Mann an. Die evangelischen Stände kamen bei ihren Berechnungen dagegen nur auf 75 000 Mann. Wahrscheinlich lag die wirkliche Zahl noch niedriger

Oschmann .
. Trotzdem darf nicht vergessen werden, daß die errechne- ten Geldsummen dadurch nicht allzu sehr verändert wurden, weil die Entlohnung der Masse der Soldaten weniger ins Gewicht fiel. Die Entschädigung eines Gene- rals war zweitausendmal so hoch wie die eines gemeinen Soldaten. Abgestuft folg- ten darunter die höheren und unteren Offiziere. Auch die Friedensgesandten, je- weils mit einem annähernden Generalsbetrag, fanden sich in den Listen.
Das Abkommen der Reichsstände mit den Schweden über die Satisfaktion der Armee trug den Stempel der rechtlichen Unzulänglichkeit. Die Mehrzahl der ka- tholischen Reichsstände hatte an den Verhandlungen überhaupt nicht teilgenom- men . Trotzdem blieb dem Kaiser keine Wahl. Er mußte die Übereinkunft akzep- tieren , wahrscheinlich in der Zuversicht, daß die befriedigten Schweden nun die Interessen ihrer Glaubensgenossen in den habsburgischen Erblanden umso leichter fahren ließen, da ja die Abfindung der Exulanten aus den Satisfaktionsgeldern gesichert war, jedenfalls soweit sie in schwedischen Diensten gestanden hatten. Die Friedensexekution war von einem gefährlichen Sprengsatz befreit. Die allerletzten Streitpunkte, die dem kaiserlich-schwedischen Frieden im Wege standen – die eidgenössische Sache und das Äquivalent für den Herzog von Mecklenburg-Schwerin – boten keine unüberwindlichen Hindernisse. Am 27. Juli / 6. August 1648 konnte vor den Gesandten des Kaisers, Schwedens und der mitwirkenden Reichsstände der endgültig vereinbarte Vertragstext verlesen wer- den . Einige wenige Proteste wurden entweder abgewiesen oder zu Protokoll ge- nommen . Die Unterschrift setzten jedoch die schwedischen Gesandten solange aus, bis auch der Friede zwischen dem Kaiser und ihrem Bundesgenossen Frankreich zur Unterzeichnung anstehe. Jedoch sollte am Text nichts mehr geändert werden. Er sollte als rechtskräftig besiegelt und unterzeichnet angesehen werden. Darauf gaben sich alle Parteien feierlich die Hand. Ein großer Abschnitt der Friedensver- handlungen war abgeschlossen. Nun stehe Schweden nur noch wegen Frankreichs im Kriege, klagte Salvius, ohne daß es Aussicht auf Subsidien aus Paris gebe . Man sei mit einem Königreich verbunden, das durch innere Wirren, den doppelten Krieg gegen den Kaiser und gegen Spanien weitgehend paralysiert erschien. Der hohe Adel drängte auf Entlas- sung Mazarins und strebte ein besseres Verhältnis zu Spanien an. Jeder Einsichtige mußte zugeben, daß das ausgeblutete Land nach nichts anderem als dem Frieden verlangte. Glücklose Feldzüge in Italien und Katalonien, das Mißgeschick im Kö- nigreich Neapel, der den französischen Interessen schädliche Friede Spaniens mit

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den Generalstaaten, der das Ansehen Frankreichs belastende Abfall der Weimarer Armee und Bayerns Übertritt zum Kaiser verstärkten aber gerade Mazarins Über- zeugung , daß in diesem ungünstigsten aller Augenblicke kein ehrenvoller Friede mit Spanien möglich sei. Es gelte, die letzten finanziellen Mittel mobil zu machen, um den Krieg an beiden Fronten doch noch zu einem glücklichen Ende zu führen. Die ersten Folgen der darauf beruhenden Maßnahmen verhießen jedoch nichts Gutes. Im Januar 1648 kam es zu Tumulten in den Straßen von Paris.
In Münster vertrat Servien die Ansichten des Kardinals . Der französische Hauptgesandte, der Herzog von Longueville, stand der Adelsfronde zu nahe, um restloses Vertrauen des Hofes zu genießen, der devote Graf d’Avaux vertrat in einem Maße kirchliche Interessen, wie sie Mazarin nicht billigte. Nur Servien erschien geeignet, das Odium der Friedensverzögerung von Frankreich ab- und Spanien zuzuwälzen. Die Bereitschaft Longuevilles und d’Avaux’, die Frankreich und Spanien trennende lothringische Frage dadurch auszuräumen, daß man dem Herzog Carl von Lothringen das Herzogtum – natürlich ohne die drei Bistümer Metz, Toul und Verdun und die Grafschaft Bar – zurückgab, stieß bei Servien auf völlige Ablehnung, ganz im Sinne Mazarins, der nur durch die Annektion von Lothringen die Erwerbung der genannten drei Bistümer, des Elsaß, Breisachs und Philippsburgs sichern zu können glaubte. Wahrscheinlich scheiterte an dieser Ein- stellung damals der Friede mit Spanien. Unmittelbar dadurch beeinflußt, schlos- sen die Spanier mit den Generalstaaten am 19./29. Januar 1648 den Frieden . Longueville verließ den Kongreß. Graf d’Avaux empfing seine ungnädige Entlas- sung

Vor 1648 März 13: [ Nr. 181 ] und [ 208. ]
, verfolgt vom Hasse des Kardinals. Dafür wurde Servien zum Staatsmini- ster ernannt und stieg damit zum Haupt der französischen Gesandtschaft in Mün- ster empor. Er blieb allein als Friedensgesandter zurück, betraut mit der schwieri- gen Aufgabe, die beiden habsburgischen Linien in Wien und Madrid voneinander zu trennen.
Servien mußte einsehen, daß es kaum möglich sein würde, Spanien einerseits den Verzicht auf seine Rechte im Elsaß und die Räumung seiner Stützpunkte, beson- ders in Frankenthal, zuzumuten, ohne es in den Frieden Frankreichs mit dem Kaiser einzuschließen. Selbst die Schweden legten großen Wert darauf, daß das gesamte Reichsgebiet in den Friedensschluß einbezogen wurde , schon allein des- halb , um damit dem Kaiser den Vorwand zu nehmen, wegen irgendeines nicht- eingeschlossenen Reichsstandes weiter oder wieder in Waffen zu stehen. Auch die Reichsstände selber hielten den Franzosen vor, daß man dem Kaiser wohl verbie- ten könne, mit Spanien im Bündnis zu stehen, soweit der Kaiser als Reichsober- haupt auftrete, aber nicht, wenn er als Erzherzog von Österreich handle. Bündnis- freiheit der Reichsstände, und dazu gehörte Österreich, war ja gerade eines der Hauptziele der Franzosen im Kriege gewesen.

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Servien versuchte dem zu begegnen, indem er am 4./14. Juni 1648 die Forderung erhob, den ganzen Burgundischen Reichskreis vom Frieden auszuschließen, jedoch den Kreis an sich als Teil des Römischen Reiches zu bestätigen . Er argumentierte damit, daß das Reich in diesem Kreise nicht eingegriffen habe, als sich dieser zum Teil gegen die spanische Herrschaft empörte und praktisch vom Reich abspaltete. Demnach brauche der Kaiser auch nicht, ohne dabei sein Gesicht zu verlieren, Lothringen und den Spaniern im Burgundischen Kreis gegen Frankreich zu Hilfe zu kommen.
Da die Verhandlungen des Kaisers mit Schweden zu dieser Zeit noch liefen und das Klima in Osnabrück offensichtlich günstiger war als in Münster, wo die Spa- nier Druck auf die Kaiserlichen ausüben konnten, drängten die Schweden und die Reichsstände Servien, nach Osnabrück überzusiedeln, um dort nach Möglichkeit den schwedischen und den französischen Vertrag gleichzeitig zum Abschluß brin- gen zu können. Um die Ehre zu wahren – Servien war vom französischen Hofe die Stadt Münster als Verhandlungsort angewiesen worden –, erwartete Servien, ausdrücklich darum gebeten zu werden. Dem Verlangen entsprach eine reichs- ständische Deputation, jedoch bestritt Volmar den Ständen das Recht und die Kompetenz, über die Frage zu befinden, ob Lothringen und der Burgundische Kreis in den Frieden eingeschlossen werden sollten oder nicht. Sowohl Lothringen wie der Burgundische Kreis seien anerkanntermaßen Glieder des Reiches und un- terlägen damit dem Schutze des Reiches. Ein Ausschluß aus dem Frieden würde den Reichsständen Unehre einbringen, ohne daß dadurch der Friede mit Frank- reich wirklich vorangebracht worden wäre. Diesem Argument konnten die Reichsstände schlecht widersprechen. Nachdem in- zwischen der kaiserlich-schwedische Vertrag am 6. August vereinbart worden war, gaben die Stände Servien zu verstehen, daß ihnen die lothringisch- burgundi- sche Frage nicht von dem Gewicht erschiene, um damit den Frieden länger auf- zuhalten . In Frankreich, auch bei Mazarin, entstanden Zweifel, ob Schweden weiter am Bündnis festhalten werde. Da ereignete sich ein völliger Umschwung aller Dinge, als das französische Heer am 20. August 1648 bei Lens einen glän- zenden Sieg über die Spanier errang . Es war in der Tat une grande affaire, wie die Schlacht damals allgemein genannt wurde

Chigi an Staatssekretariat, Münster 1648 August 28 dech. September 16: ... tutte le cose succedono prosperamente alla Francia, et ai suoi confederati, come Tortosa, Praga, e la perdita dell’armata dell’arciduca Leopoldo, simile per appunto a quella di D. Francesco di Melo a Rocroy ... (NP 22 fol. 252/253’ ).
. An einen Sonderfrieden Schwe- dens ohne Rücksicht auf Frankreich war, falls überhaupt der Gedanke aufgetaucht sein sollte, nicht mehr zu denken. Die Königin wies ihre Gesandten zum wieder- holten Male an, die französischen Angelegenheiten wie die eigenen zu behandeln und alle Forderungen Serviens nachdrücklich zu unterstützen . Volmar mußte weisungsgemäß Osnabrück verlassen, um weiteren Verhandlungen an diesem

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Orte den Boden zu entziehen. Er eröffnete aber gerade damit den Reichsständen die Möglichkeit, ungestört mit Servien in Gespräche einzutreten.
Doch ließen sich die noch offenen Fragen nicht so leicht ausräumen, wie Servien gedacht haben mochte. Unangenehm war, daß die Reichsstände von ihm vor der Aufnahme regelrechter Konferenzen Aufklärung über das Schicksal des Elsaß ver- langten . In einer geheimen Konferenz vom 6./16. August prallten die Gegensätze hart aufeinander . Servien mußte einsehen, daß er einem Irrtum unterlegen war, wenn er glaubte, die elsässische Frage allein mit dem Hause Österreich abhandeln zu können. Unmißverständlich wiesen ihn die Deputierten der Stände darauf hin, daß der Kaiser in seiner Eigenschaft als Erzherzog von Österreich nur auf die Stücke und Rechte im Elsaß zugunsten Frankreichs verzichten könne, die sich bisher in seinem Pfandbesitz befanden. Das traf aber nur für die Reichsdörfer und die zehn Städte im Elsaß zu. Außerdem machte man Servien darauf aufmerksam, daß die Abtretung der drei Bistümer Metz, Toul und Verdun keineswegs, wie Servien es forderte, das gesamte Diözesangebiet der drei Stifte einschloß, sondern nur deren weltliches Territorium. So fielen auch die Lehnsträger der Bischöfe nicht unter die französische Erwerbung, da feudalitas non facit subditos, quod est absurdum. Vasallen auf Reichsboden dürften nicht zu französischen Unterta- nen herabgewürdigt werden. Der von den Franzosen geforderte unbedingte Vor- rang der Souveränität des Königs vor den Privilegien und Rechten der Reichs- stände im Elsaß sei unerträglich und unannehmbar. Servien blieb aber unerbitt- lich . Nur zum Schein ging er auf den von den Ständen angeregten Ausweg ein, Frankreich solle das Elsaß als Lehen vom Reiche entgegennehmen . Er wußte sehr wohl, daß der Kaiser einer solchen Lösung niemals zustimmen werde. Frank- reich hätte auf diesem Wege Sitz und Stimme im Reichstag erhalten und einen in seinen Folgen nicht überschaubaren Einfluß auf die Reichsangelegenheiten gewon- nen . Es blieb also bei dem unklaren Vertragstext, der den späteren französischen Reunionen Tür und Tor öffnete, nicht ohne Verschulden der kaiserlichen Gesand- ten , die selber an der Abfassung der Bestimmungen mitgewirkt hatten. Die von den Reichsständen als Reservat aufgefaßte Deklaration vom 18./28. August 1648 , in der die habsburgischen Rechte im Elsaß und im Sundgau sowie in der Landvogtei als an Frankreich übergehende Reichslehen definiert wurden und den Immediatständen in den drei Bistümern Metz, Toul und Verdun sowie im Erzbistum Trier alle Rechte vorbehalten blieben, nahm Servien erst gar nicht entgegen. Die Stände sandten ihre Deklaration daraufhin dem französischen Hofe zu, fanden aber auch dort, außer einer nichtssagenden Antwort, kein Echo. „Die Streitfragen um das Elsaß wurden ungelöst einer späteren Zeit überlassen, die sie auf ihre Weise entschied“ ( Dickmann ). Die schwedischen Gesandten sahen dem Spiel mit gemischten Gefühlen zu . Einerseits galt es, gemäß den königlichen Weisungen in jeder Hinsicht den fran-

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zösischen Standpunkt zu unterstützen, andererseits beobachteten sie mit wachsen- dem Mißfallen, daß Frankreich nur Verpflichtungen zum Schutze der Katholiken in den erworbenen Gebieten eingehen wollte, daß aber von den Rechten der evangelischen Untertanen an keiner Stelle die Rede war. Ähnlich wie die Reli- gionsfreiheit für die kaiserlichen Erblande ging auch die Frage der evangelischen Glaubensgenossen im Elsaß, von den protestantischen Ständen und Schweden nur halbherzig vertreten, in der Endphase des Kongresses sang- und klanglos unter. Es fand sich niemand, der die Verantwortung übernehmen wollte, hierfür den Frie- den länger aufzuhalten.
Der für den Kaiser sehr empfindlichen Frage einer Assistenz für das habsburgische Spanien, die Servien im Instrumentum Pacis verboten sehen wollte, standen die Reichsstände mit geteilter Meinung gegenüber. Am radikalsten redeten Kurmainz und Bayern bereits von unterschiedlichen Pflichten des Kaisers als Reichsober- haupt , als Oberhaupt des Hauses Habsburg und Erzherzog von Österreich auf der einen Seite sowie der hohen und teuren Pflicht, damit Kur- und Fürsten dem Heiligen Reich verwandt, auf der andern Seite. Unausgesprochen verbarg sich hinter dieser Formulierung die Vorstellung, ein Friede sei möglich, ohne daß der Kaiser daran teilnahm . Servien erklärte sich aber, als er nach seiner Meinung zu diesem Gedanken gefragt wurde, nicht zufrieden. Er forderte auch ein Verbot für alle Reichsglieder, Feinden Frankreichs Hilfe zu gewähren oder sich in lothringi- sche und burgundische Angelegenheiten einzumischen. So sollte es im Friedensver- trag nach seiner Meinung verankert, dieser in Osnabrück unterzeichnet und beim Reichsdirektorium hinterlegt werden. Erst nachdem das geschehen sei, sollte der Kaiser in Münster zum Beitritt und zur Annahme der Bedingungen aufgefordert werden. Ein solches Verfahren stellte nichts anderes als ein Ultimatum an das Reichsober- haupt dar. Salvius erkannte ganz richtig, daß es für den Kaiser unerträglich und entehrend sein würde, darauf einzugehen . Es bleibe keine andere Möglichkeit, so meinte Salvius, als die Unterzeichnung der Instrumente mit den Kaiserlichen ge- meinsam in Münster vorzunehmen. Für diesen Standpunkt fand Salvius die Zu- stimmung der Reichsstände. Servien mußte sich, wenn auch unwillig, fügen. Auch für die inhaltliche Frage schlug Salvius eine hilfreiche Formulierung vor: Den Vertragschließenden möge ganz allgemein die Unterstützung von Gegnern der Vertragspartner untersagt werden, ohne daß Spanien namentlich Erwähnung fand. Den Burgundischen Reichskreis sollte der Friedenssvertrag ausdrücklich als Glied des Heiligen Römischen Reiches anerkennen. Jedoch sollte dessen Einschluß in den Frieden erst nach Beendigung des spanisch-französischen Friedens erfolgen. Für die Zukunft bliebe dem Reich in Lothringen und im Burgundischen Kreise jede Einmischung verboten. Diese Einschränkung mußte Servien wohl oder übel hinnehmen, nachdem Frankreich sich bisher immer wieder für das freie Bündnis- recht der Reichsstände eingesetzt hatte. Die Unterstützung, die die Reichsstände

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gewährten, mußte aber außerhalb der Reichsgrenzen und gemäß den Reichsgeset- zen erfolgen. Diese Klauseln bedeuteten in der Praxis nichts anderes, als daß der Burgundische Reichskreis, Lothringen und die Franche Comté dem Willen der Franzosen anheimgestellt wurden. In diesen Ländern durften Kaiser und Reich nur mit friedlichen Mitteln als Mediatoren tätig werden. Vergeblich hatte der burgundische Gesandte, Antoine Brun, versucht, den Burgundischen Vertrag von 1548, den Kaiser Karl V. den Ständen auf dem Reichstag von Augsburg abgerun- gen hatte, im spanischen Sinne zu deuten und günstigere Bedingungen herauszu- holen . Ja, schließlich konnte nicht einmal das von Salvius geforderte freie Bünd- nisrecht des einzelnen Reichsstandes in vollem Umfange durchgesetzt werden. Servien erklärte die Formel, nec ullus Imperii status se immisceat (IPM § 3), für das Herzstück der ganzen burgundisch-lothringischen Angelegenheit und blieb in diesem Punkte auch gegenüber Salvius ganz und gar unzugänglich.
Am 31. August / 9. September 1648 fügten sich die Stände und ließen das um- strittene und verhängnisvolle Wort ullus an seiner Stelle stehen . Ihr hinzugefüg- ter Protest, nur sie selber fühlten sich dadurch gebunden, jedoch könnten sie nicht über den Kaiser als Reichsstand verfügen, klang blaß. Der Einspruch änderte nicht das Geringste mehr am französischen Instrumentum Pacis, das nun am 5./15. September d.J. signiert wurde . Am Tage darauf folgte die Signierung des schwedischen Vertrages. Formal waren damit die Friedensverhandlungen endgül- tig abgeschlossen. Jeder Versuch, wie ihn Servien trotzdem noch einmal wegen der katholischen Religionsausübung in der Unterpfalz unternahm, fand einhellige Zu- rückweisung . Nun brauchte nur noch die förmliche Ausfertigung der Verträge in Münster vorgenommen zu werden. Trotz allem hatte schließlich die Rücksicht auf das Reichsoberhaupt die französische Forderung zunichte gemacht, ein für die Zukunft nicht zu gering zu achtendes Ergebnis. Die kaiserliche Resolution, den Vertrag in der vorliegenden Form anzunehmen, traf am 21. September / 1. Oktober in Münster ein. Man konnte sie allerdings erst einige Tage später bekannt geben, da der geeignete Chiffrierschlüssel nicht zur Hand war . Und auch dann gab es noch Schwierigkeiten wegen des Elsaß. Un- geachtet dessen erfolgte die feierliche Unterzeichnung der beiden Instrumente am 14./24. Oktober 1648 in Münster. Daß der Kaiser und die Mächte durch ihre Gesandten unterschreiben ließen, war keine Frage. Wer aber sollte namens des Reiches unterzeichnen? Der Kaiser hielt keinen andern als seinen Gesandten dazu berechtigt. Dagegen hatte Johan Oxen- stierna schon vor Jahren verlangt, daß jeder einzelne Reichsstand unterschreiben müsse, da jeder Stand völkerrechtlich eine Person darstelle. Die evangelischen Deputierten hatten ihm damals Beifall gezollt. Im Gegensatz dazu hielt Trautt- mansdorff die herkömmliche Art, einen Reichsabschied durch zwei Kurfürsten, vier Fürsten und zwei Städte unterzeichnen zu lassen, für besser. Mit seinem Ver- fahren wurde von vornherein die Schwierigkeit ausgeräumt, wie mit den abwe-

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senden Ständen zu verfahren sei, da ja alle, auch die nicht anwesenden, an den Vertrag gebunden sein sollten. Man einigte sich schließlich darauf, daß die Unter- schriften von 15 reichsständischen Deputierten als hinreichend für das ganze Reich angesehen werden sollten. Weiteren Deputierten stand die Unterzeichnung offen, ohne daß dadurch rechtlich eine Änderung eintrat. Damit war eine zwi- schen der kaiserlichen einerseits und der schwedisch-französischen Anschauung an- dererseits liegende mittlere Auffassung durchgedrungen. Die im letzteren Fall of- fenbar gewordene Auflösung des Römischen Reiches in völkerrechtliche Einzel- staaten war vermieden worden. Nach wie vor stellten die Einzelterritorien neben dem Kaiser die Gesamtheit des Reiches dar. Johan Oxenstierna hatte seine An- schauung von der Struktur des Reiches nicht durchsetzen können.
Als eine Kuriosität erscheint die Forderung einiger Reichsstände, der schwedische Vertrag müsse ebenfalls außer von der Königin von den schwedischen Reichsstän- den unterschrieben werden. Die schwedischen Gesandten lehnten das unter Ver- weis auf die abweichende Stellung der schwedischen von den deutschen Ständen und als unvereinbar mit der Ehre der Königin ab. Noch am Tage der Unterzeichnung traten Schwierigkeiten ein. Die Kaiserlichen weigerten sich, den feierlichen Akt im Bischofshof am Domplatz in Münster anzu- treten , weil die Reichsstände den Franzosen die Waldstädte für den spanischen Verzicht auf das Elsaß verpfändet hatten. Außerdem forderte Oxenstierna vor der Unterschrift eine Regelung der Winterquartiere. Erst gegen Abend trafen die Legationssekretäre mit den Urkunden im Bischofshof ein, wo die Unterzeichnung durch die Stände stattfinden sollte. Glockengeläut und Salutschüsse begleiteten den feierlichen Akt, der den Dreißigjährigen Krieg beendete. Erleichterung über das Ende eines für alle Seiten belastenden Krieges und Freude über das Erreichte breitete sich auch bei den Gesandten aus. Ganz froh wurde man allerdings wie nach einer übergroßen Anstrengung des Ergebnisses nicht. Keine Partei hatte alles erreicht, was gefordert worden war. Trotzdem konnte niemand bestreiten, daß die großen Streitfragen der Zeit leidlich gelöst waren, dazu unzählige Einzelfragen. Die dadurch im Reich aufgerichtete staatsrechtliche Ordnung konnte immerhin trotz aller Mängel die nächsten eineinhalb Jahrhun- derte überdauern. Nur ein großer Mangel blieb bestehen: Der französisch- spani- sche Krieg dauerte an und ließ in Europa Unfrieden und Ungewißheit zurück. Die schwedischen Gesandten wußten wohl, daß ihrer noch Aufgaben am Kongreß warteten. Im großen und ganzen schienen sie aber zufrieden. Johan Oxenstierna sehnte sich aus persönlichen Gründen nach der Heimkehr zu seinem alternden Vater und der kranken Mutter. Die Zusammenarbeit mit Salvius war ihm aufs Äußerste verhaßt. Ungewiß über seine weitere Tätigkeit im Dienste der Krone deutete er an, daß er jede Aufgabe übernehmen wolle, nur nicht gemeinsam mit diesem Manne. Die geistige Überlegenheit des aus bürgerlichen Verhältnissen stammenden Salvius, der geadelt und zum Reichsrat aufgestiegen den Neid man- ches Adeligen erweckte, hatte das Ihrige dazu beigetragen, in dem an Jahren jün- geren , adelsstolzen Sohn des früher allmächtigen Reichskanzlers ein Gefühl un- überwindlicher Abneigung entstehen zu lassen. Obgleich Johan Oxenstierna Leiter

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der schwedischen Delegation war, hatte er nicht selten mit ansehen müssen, wie die Geschicke auf nicht immer durchschaubare Weise mehr von Salvius gelenkt wurden als von ihm. Doch muß Salvius das Zeugnis ausgestellt werden, daß er anderen gegenüber in diesen Jahren großer seelischer Belastung, besonders wäh- rend seiner lebensgefährlichen Erkrankung, niemals Klagen über seinen Kollegen verlauten ließ, ganz im Gegensatz zu Oxenstierna, der seinem Unmut nur allzu oft freien Lauf gab. Nur einmal äußerte er ein Bedauern über die Krankheit von Salvius, als er selber vor schweren Entscheidungen stand, ohne daß er sich dessen Rat bedienen konnte.
Noch waren die Verträge von den Mächten nicht ratifiziert. Noch weniger waren die dafür geforderten Vorbedingungen verwirklicht. Das stellte sich nun den Ge- sandten als nächste Aufgabe. Vorläufig blieben Johan Oxenstierna und Salvius von schwedischer Seite damit betraut . Allerdings deutete die Ankunft Bengt Oxenstiernas im September 1648 darauf hin, daß man die nicht leichte Aufgabe wahrscheinlich vor ihrem Abschluß teilweise auf andere Schultern legen wollte. Niemand hätte damals vorausgesehen, daß die eigentlich für die nächsten Monate vorgesehene Abdankung der Armeen noch volle zwei Jahre in Anspruch nehmen würde. Überhaupt sollte, da die Hauptvorbedingung nicht zu erfüllen war, nichts so ablaufen, wie es geplant war. Der Austausch der Ratifikationen, immer wieder von den Reichsständen mit wachsender Dringlichkeit angemahnt, erfolgte nicht nach zwei, sondern nach vier Monaten. Noch im Sommer 1651 wurde in Nürn- berg über die Exekution des Westfälischen Friedens gestritten und verhandelt. Unzweifelhaft hatten gerade die schwedischen Gesandten mit kürzeren Fristen gerechnet. Aber die kritischen Bemerkungen des Generalissimus Carl Gustav über die Unzulänglichkeit der in Münster und Osnabrück wegen der Satisfaktion der Armee, Restitution der Festungen und Rückgabe der Geschütze ausgehandelten Bedingungen im November 1648 erweckten schon die Ahnung, daß seine Zustim- mung zum Austausch der Ratifikationen nicht eher zu erreichen sein werde, als präzisere und den Bedürfnissen des Heeres angemessenere Ausführungsbestimmun- gen beschlossen würden . In der Tat war weder die Frage der Quartiere für die im Felde stehenden Armeen geregelt, noch konnte jemand ernstlich glauben, daß eine Frist von zwei Monaten für die Aushandlung der Assignationen auch nur annähernd genügen könne. Johan Oxenstierna und Salvius mußten ihre Versäum- nisse im Herzen zugeben. Ihre Ratschläge an den Oberkommandierenden spiegel- ten nur große Hilflosigkeit. Ihr Vorschlag, am besten vorläufig mit dem Heer in den kaiserlichen Erblanden stehenzubleiben, um die für die Satisfaktion der schwedischen Armee vorgesehenen sieben Reichskreise möglichst lange zu scho- nen , war so banal, daß der Pfalzgraf sicherlich ohne ihre Hilfe darauf gekom- men wäre. Die Schwierigkeit bestand nur darin, wie man sich in den Erblanden nach der Ratifikation halten konnte, ohne sich den Vorwurf des Friedensbruches

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aufzuladen. Überdies bestand die Gefahr, daß bei fernerem Aufschub des Bezugs der Zahlkreise andere Heere der schwedischen Armee zuvorkamen und ihrerseits dort Quartier bezogen. Beispiele dafür gab es schon. Die Franzosen im Schwäbi- schen Reichskreis sträubten sich mit Händen und Füßen, die Quartiere den Schweden zu übergeben. Auch der Ratschlag der beiden Gesandten, mit der Resti- tution der Festungen an die Landesherren und Räumung der Territorien von den Alpen anfangend nach Norden fortzufahren, den Abzug außerdem möglichst in die Länge zu ziehen, um nicht in die Notwendigkeit zu geraten, die National- truppen vor der erst im Frühjahr möglichen Einschiffung über die Ostsee auf ei- gene Kosten versorgen zu müssen, sondern solange wie möglich den Reichsständen zur Last zu fallen, war so abwegig und einfallsreich nicht, als daß die erfahrenen Generäle nicht darauf gekommen wären.
Bald offenbarte sich auch, daß man gar nicht in der Lage war, die Regimenter gleichmäßig über die sieben Zahlkreise zu verteilen. Die aufgeweichten Wege al- lein verhinderten das. Mit Mühe und Not erreichte Wrangel den Fränkischen Reichskreis und beschwor damit die Gefahr herauf, diesen Kreis durch übermä- ßige Belastung für die Zukunft zahlungsunfähig zu machen. Pfalzgraf Carl Gu- stav stand noch in Böhmen, jeden Augenblick in Gefahr, von der kaiserlichen Armee aus den Quartieren gedrängt zu werden, wollte er nicht gegen die Ver- tragsbestimmungen verstoßen. Nicht zuletzt drückte die Generalität die Sorge, daß das weite Auseinanderziehen ihrer Truppen sie unfähig machte, einem mög- lichen Angreifer entgegenzutreten. Alle Fragen, die mit den Quartieren der Heere, ihrer Abdankung und dergleichen zusammenhingen, sollten von den Generalitäten beider Seiten in gemeinsamen Konferenzen direkt geregelt werden. Schon zu Anfang November 1648 beauf- tragte der Kaiser seinen Oberbefehlshaber Piccolomini zu solchen Verhandlungen mit dem Pfalzgrafen

Oschmann .
. Nächstes Ziel für den Kaiser war, die Räumung Böh- mens , Rückgabe der auf dem Hradschin von den Schweden erbeuteten Kunst- schätze , Bibliotheken und Archive sowie die Freilassung der Gefangenen zu errei- chen . Die schwedische Delegation der auf der Prager Brücke über die Moldau stattfindenden Konferenz führte der Pfalzgraf selber. Nach anfänglicher Weige- rung , Böhmen zu räumen, gaben die Schweden allmählich nach und leiteten den Abzug des Heeres in die sieben Zahlkreise ein, nicht zuletzt aus der Befürchtung heraus, diese bei langsamerem Handeln besetzt vorzufinden. Freilich gaben sie damit ein wichtiges Pfand gegenüber dem Kaiser aus der Hand, nur fragt sich, ob sie ernsthaft eine andere Möglichkeit besessen hätten. Der mühsam errungene Friede durfte auf keinen Fall, das war auch die Weisung der Königin, wieder aufs Spiel gesetzt werden .
Nachdem die schwedische Heerführung ihre Absicht zur Räumung Böhmens of- fenbart hatte, um die angewiesenen Quartiere zu beziehen, führten die Kaiserli- chen sofort den Plan einer Generalevakuation in die Verhandlungen ein, verbun-

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den mit einem Plan zur Räumung aller in den Erbländern gelegenen und noch in schwedischer Hand befindlichen Festungen. Unmittelbar nach dem Austausch der Ratifikationen sollten dann die Heere abgedankt werden. Die Schweden stellten sich nicht grundsätzlich dagegen, machten aber klar, daß sie für die Entrichtung der Satisfaktionsgelder durch die Reichsstände fürchten müßten, wenn sie alle Druckmittel mit der Abdankung ihrer Truppen aus den Händen gäben. Sie for- derten deshalb den Kaiser auf, für die Reichsstände zu bürgen. Nebenbei verlangte der Pfalzgraf weitere Zugeständnisse in der Quartierfrage, der rückständigen Kontributionen und der Amnestie für die Überläufer. Wegen der Quartiere in Böhmen und Mähren machten die Kaiserlichen Zugeständnisse. Im Hauptpunkt, der von Schweden geforderten kaiserlichen Garantie für die Entrichtung der Sa- tisfaktionsgelder durch die Reichsstände, ließ sich nicht das Geringste erreichen

Oschmann .
. Eines der Argumente des Kaisers brachte zu recht in Erinnerung, daß die Verein- barung über die Satisfaktion der schwedischen Armee ja zwischen Schweden und den Reichsständen geschlossen worden sei. Er habe damit nichts zu tun.
Angesichts der eher bescheidenen Ergebnisse der Prager Konferenz, die sich ohne- hin nur auf die nächstliegenden Probleme der Heere beschränkt hatte, fiel negativ ins Gewicht, daß inzwischen der vereinbarte Termin für den Austausch der Rati- fikationen verstrichen war, ohne daß sich die Fragen der allgemeinen Demobil- machung einer Klärung genähert hätten. Nicht einmal die Räumung der kaiserli- chen Erblande durch die schwedische Armee gegen eine Zahlung von 200 000 Reichstalern war vertraglich vereinbart worden. „Der im Friedensvertrag vorge- sehene Modus für die Beendigung des Krieges war durch das Scheitern der ersten Absprache der Generalitäten empfindlich gestört“ ( Oschmann ). Überhaupt kam nun, da von vornherein der Termin für den Austausch der Rati- fikationen , dem die restitutio ex capite amnestiae et gravaminum wie auch die Zahlung von 1 800 000 Reichstalern an die schwedische Armee vorausgehen soll- ten , viel zu kurz angesetzt war, die ganze Abfolge ins Schwimmen . Gegen Mitte Dezember eröffneten die Reichsstände den kaiserlichen und schwedischen Gesandten, sie könnten höchstens mit 1 200 000 Reichstalern in bar aufkommen, weil die Belastung durch die in Quartier liegenden Armeen für sie zu drückend sei . Man möge, um diesem Zustand abzuhelfen und ihnen zur Zahlungsfähig- keit zu verhelfen, sofort mit der Abdankung der besonders kostspieligen Kavalle- rie beginnen. Außerdem solle jeder Stand, der seine volle Quote entrichtet habe, von allen Quartieren und Kontributionen befreit werden, um denen, die noch nicht gezahlt hätten, einen Anreiz zu geben. Damit mischten sich die Reichsstände zweifellos in militärische Fragen ein und hätten wohl gar gern den Heerführern den Modus der Abdankung vorgeschrieben. Unmerklich glitten die Exekutionsfragen, auch in militärischer Hinsicht, von der Generalität weg in zivile Hände. Damit wurden auch die Friedensgesandten wieder mit diesen Dingen befaßt. Thumshirn, einer der Hauptsprecher der Evan-

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gelischen , sorgte dafür, daß die Mahnungen zum pünktlichen Einzug der Satisfak- tionsgelder verknüpft wurden mit Mahnungen zur Durchführung der Restitutio- nen , diese wiederum verbunden mit den Terminen zur Räumung der Festun- gen . Zumindest ließ sich hierin die Tendenz erkennen, die Kontrolle über die Durchführung der Restitutionen nicht allein dem Kaiser und seinen Kommissaren zu überlassen, sondern auch die Stände daran zu beteiligen

Oschmann .
. Damit wäre neben den Reichsgerichten ein weiteres Organ zur Kontrolle der Restitutionen in Gestalt des Friedenskongresses ins Leben getreten, der ja noch bestand, da seine Teilneh- mer bis zum Austausch der Ratifikationen bevollmächtigt waren. Lief die Ent- wicklung in dieser Richtung, so konnte die Absicht der Schweden vereitelt wer- den , unter Berufung auf verzögerte Restitutionen die Abdankung ihrer Armee auf die lange Bank zu schieben.
Die beiden Gesandten standen nun vor der schwierigen Entscheidung: Sollten sie die bereits eingetroffene Ratifikation der Königin gegen die kaiserliche Urkunde austauschen, obgleich die Satisfaktionsgelder noch nicht gezahlt und die Restitu- tionen noch nicht durchgeführt waren, um dem Frieden größere Sicherheit zu geben? Sie wußten, daß die Königin sich über den Friedensschluß ehrlich ge- freut hatte, zumal sie den Erfolg für den im Januar 1649 beginnenden schwedi- schen Reichstag dringend brauchte, auf dem sie die Thronfolge Pfalzgraf Carl Gustavs sichern wollte, aber sie mußten sich auch eingestehen, daß ihnen eine deutliche Weisung, wie sie verfahren sollten, in keiner Weise zur Verfügung stand. Johan Oxenstierna wie Salvius kannten die Gefahren eines sofortigen Austauschs. Carl Gustav hatte ihnen immer wieder geraten, den Austausch auf keinen Fall zu übereilen. Wer wollte garantieren, daß der Kaiser ehrlich handelte? Selbst Sal- vius , der mit Rücksicht auf seine Geldnöte und Krankheit am liebsten den Aus- tausch vorgenommen hätte, um der Sache ein Ende zu bereiten, mußte sich einge- stehen , daß man Gefahr lief, später die Satisfaktionsgelder mit Gewalt bei den Ständen eintreiben zu müssen und damit die letzten Sympathien der Protestanten zu verlieren. Wieder einmal mußte ein Kompromiß als Ausweg aus der Schwierigkeit geschlos- sen werden. In der ersten Januarhälfte schlugen die beiden Schweden vor, nun- mehr zum Austausch der Ratifikationen zu schreiten, jedoch erst dann, wenn die Reichsstände ihnen einen Rezeß aushändigten, in dem diese zusagten, die Abdan- kung der schwedischen Armee nur dann fordern zu wollen, wenn die Satisfak- tionsgelder bezahlt und die Restitutionen durchgeführt worden seien . Da der Rezeß für die anderen Heere keine Gültigkeit besaß und diese also sofort nach dem Austausch der Urkunden abziehen oder abdanken mußten, winkte den Reichsständen gleichzeitig eine merkliche Entlastung.

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Unzweifelhaft kam in einem solchen Rezeß die distanzierte Haltung Schwedens zu seinem Bundesgenossen Frankreich zum Ausdruck . Beide Gesandten glaub- ten nämlich fest daran, daß der Alliierte zur Zeit nichts anderes im Sinne habe, als Schweden solange unter Waffen zu halten, bis der Krieg gegen Spanien erfolg- reich beendet sei. Andererseits zahlte Frankreich seit der Unterzeichnung der Frie- densverträge keine Subsidien mehr. Erst als Servien zu Anfang des Februars unter dem Druck der zunehmend bedrohlichen Empörung der Fronde gegen den König zu der Meinung überschwenkte, man solle die Ratifikationen austauschen, brach ein wichtiger Stein aus der von ihm und dem schwedischen Oberbefehlshaber auf- gerichteten Mauer gegen die Ratifikation der Verträge heraus.
Da die Königin sich sofort mit dem Austausch einverstanden erklärte, mußte auch der Pfalzgraf nach kurzem Zögern seinen Widerstand aufgeben . Er machte aber darauf aufmerksam, daß seine Zustimmung von dem Rezeß der Reichsstände ab- hängig sei und daß alle Reichsstände an ihn gebunden sein müßten, auch wenn sie jetzt ihr Einverständnis verweigert hätten. Immerhin konnten sich die Stände schnell auf einen arctior modus exequendi einigen, in dem allerdings weder die protestantische Forderung einer Selbsthilfe der Kläger noch die Zulassung der schwedischen Truppen zur Exekution der verzögerten Restitutionen enthalten waren. Weiter half das indessen nicht. Schon bevor der Rezeß in seiner letzten Fassung vorlag, hatte Johan Oxenstierna erklärt, er könne mit den darin enthaltenen Zu- sicherungen nicht zufrieden sein. Überdies verlangte Servien eine Spezialgarantie, deren Abfassung sich nun die Stände zuerst zuwandten. Ohne sich um einen kai- serlichen Einspruch zu kümmern, versprachen sie am 19./29. Januar 1649 Ser- vien , sich gegen jeden wenden zu wollen, der die französischen Satisfaktionen zu beeinträchtigen gedenke . Abermals bestätigten die Stände die Verpfändung der Waldstädte an die Franzosen bis zur Erlegung der drei Millionen Livres. Damit konnte Servien zufrieden sein. Er bestand nur noch darauf, daß die reichsständi- sche Deklaration wegen der Immediatstände in den drei Bistümern aufgehoben werden müsse. Von seinem Protest, den Servien bei den Kaiserlichen einlegte, erfuhren die Stände jedoch erst nach dem Austausch der Ratifikationsurkunden. Durch das französische Nachgeben gerieten die schwedischen Gesandten in Zug- zwang . Um Zeit zu gewinnen, verlangten sie, der Kurfürst von Köln und alle Reichsstände müßten vorher ihre Ratifikationen vorweisen. Für die Städte Erfurt und Minden, deren Aufnahme in den Friedensvertrag nicht gelungen war, sollten Attestate ausgestellt werden. Jedoch wurde der Druck der evangelischen Reichs- stände auf die Schweden zu stark. Diese machten daraufhin den Vorschlag, den Abzug der Armee jeweils von der Restitution des Landes abhängig zu machen. Wieder einmal hätte sich ein weites Spielfeld der Diplomatie erschlossen, wenn nicht gerade zu diesem Zeitpunkt die Zustimmung Pfalzgraf Carl Gustavs zum Austausch der Ratifikationen eingetroffen wäre und damit das letzte Hindernis

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fiel . Mit Hilfe Volmars ließ sich in den folgenden Tagen der Rezeß der Reichs- stände für Schweden klären. Völlig durchsetzen konnten sich Oxenstierna und Salvius mit ihren Forderungen darin nicht. Die ständischen Deputierten sagten in der Urkunde lediglich zu, die Restitutionen nach dem arctior modus exequendi verlaufen zu lassen. Eine Verbindung der Restitutionen mit der Abdankung des schwedischen Heeres wurde aber nicht hergestellt . Einen bindenden Termin für die Abdankungen, den die Reichsstände gern aufgenommen gesehen hätten, konnten wiederum die Schweden verhindern. Es blieb bei unbestimmten Zeitan- gaben .
Nachdem der Rezeß am 6./16. Februar fertiggestellt war, konnte zwei Tage spä- ter der Austausch der Ratifikationen erfolgen . Schweden durfte nicht ganz zu- frieden mit den Umständen sein, die mit der Erledigung des ersten Exekutions- punktes zusammenhingen, hatte sich aber doch genügend freie Hand gewahrt, um jederzeit einen Zusammenhang zwischen der Abdankung der Armee und der Re- stitution der Reichsstände herzustellen, wenn sie auch im Dokument nicht aus- drücklich verankert war. Freilich vermochte Schweden im Vergleich zu Frank- reich nur eine magere Ernte einzufahren. Frankreich hatte nicht nur durch die ständische Garantie große Möglichkeiten gegen den Kaiser in die Hände bekom- men , sondern auch den ständischen Widerspruch wegen der Immediatstände in den drei Bistümern abgewehrt. Auch dort konnte ihm niemand in den Zaum fal- len . Ferner erfuhr der auch von den Schweden erhoffte Abzug des französischen Heeres aus den süddeutschen und rheinischen Quartieren einen unwillkommenen Aufschub. Nur Frankenthal mit einer starken spanischen Besatzung blieb ein schmerzlicher Dorn im Fleische der Franzosen. Man darf bei einer derartigen Wertung nicht aus dem Auge verlieren, daß Schwe- den sich in einer komplizierteren Lage als sein Bundesgenosse im Westen befand. Noch immer galt offiziell als Hauptziel der schwedischen Kriegführung die Resti- tution der Reichsstände und die Freiheit der evangelischen Religionsübung im Reiche. Gerade diesen Reichsständen, für die man große Opfer auf sich genom- men hatte, fiel das schwedische Heer aber nun zur Last. Selbst die Landgräfin von Hessen-Kassel, die treueste Verbündete Schwedens in Deutschland, drohte mit den bösen Folgen, die sich einmal ergeben könnten, falls Schweden Hilfe gebrau- chen sollte, wenn die jetzigen unerträglichen Belastungen nicht gemildert würden. Ähnlich dachten viele unter den Reichsständen. Es lag nicht an der Verhandlungs- taktik , wenn Schweden nicht die Erfolge verbuchen konnte, die es sich erhofft hatte. Auch ein anderer Unterhändler hätte unter den gegebenen Verhältnissen kein besseres Ergebnis erzielen können. Der Interessenkonflikt zwischen den von der Notwendigkeit diktierten Forderungen der Armee und der politisch gebotenen Rücksichtnahme auf die Reichsstände, verstärkt durch die rücksichtslos durch die Franzosen ausgebeutete Bündnispflicht bei mangelnder Gegenleistung und dem rapide anwachsenden Druck der Kriegsschulden ließ nur einen äußerst engen

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Spielraum. Insgesamt muß die Leistung der beiden schwedischen Gesandten au- ßerordentlich positiv beurteilt werden. Es war ihnen gelungen, für ihr Vaterland einen relativ günstigen Frieden auszuhandeln ohne allzu große offension ihrer Vertragspartner.
Die Frage, ob die hohen schwedischen Opfer an Blut und Geld ihren Lohn gefun- den haben, läßt sich nicht beantworten. Das erklärte Hauptziel der Schweden: Wahrung der Religionsfreiheit im Reich und Restitution der beschädigten evange- lischen Reichsstände, war im allgemeinen zweifellos erreicht worden. Auch ob die Satisfaktion der Soldateska trotz der von den Reichsständen erkämpften Kürzung auf ein Viertel der ursprünglichen Forderung genügte, bleibt ungeklärt. Man müßte zur Klärung der Frage die in den folgenden fünf Jahren aus den deutschen Quartieren gezogenen Leistungen kennen und den Zahlungen hinzurechnen. Nicht allzu hoch anzuschlagen ist der territoriale Gewinn der Krone Schweden auf Reichsboden. Das Herzogtum Bremen, das Fürstentum Verden und Vorpom- mern mit einem Streifen östlich der Oder stellten zwar ausgedehnte Gebiete dar, ihre Steuerleistung blieb aber unbedeutend, und hiernach wurde damals allein der Wert des Landes berechnet. Eine Sperrfunktion an Elbe, Weser und Oder, die politische Bedeutung verliehen haben könnte, ließ sich, wie die Folgezeit lehrt, nicht aufbauen, soweit diese Absicht überhaupt bestanden hatte. Die bedeutenden Zölle befanden sich in anderen Händen. Dänemark und Oldenburg verfügten über bessere Positionen. Der Oderhandel war zu gering. Auch vom militärischen Gesichtspunkt aus stellten die Gewinne in Nordwestdeutschland keinen wesentli- chen Zuwachs dar. Nach 25 Jahren konnte ein deutscher Fürst mittlerer Stärke das schwedische Heer im Herzogtum Bremen mühelos überrennen. Der Vorfall zeigte, daß sich die Außenposition der Krone Schweden im Konfliktfall nicht hal- ten ließ. Ausbaufähig wäre bestenfalls Vorpommern als Bastion auf dem Festland gewesen. Anwartschaften auf die Neumark und andere Teile der Mark Brandenburg boten Ansatzpunkte dazu. Aber dieses Ziel hätte sich nur gegen den Kurfürsten von Brandenburg durchsetzen lassen, der gerade in der Folgezeit an Kraft gewann und zum gefährlichen Gegner Schwedens wurde. Allein die alte Handelsstadt Wismar auf mecklenburgischem Boden bot als schwedischer Stützpunkt ein etwas vorteil- hafteres Bild. Die manchmal in geschichtlichen Darstellungen beschriebene erdrückende schwe- dische Vormachtstellung in Norddeutschland nach dem Dreißigjährigen Kriege, besonders als Beherrscher der drei großen Ströme, entspricht nicht den Tatsachen. Die schwedische Macht stand auf tönernen Füßen. Nur das Kartenbild mag die- sem Irrtum Vorschub leisten. * * * Die Anlage der Edition richtet sich nach der in den vorhergehenden Bänden der Reihe der Acta Pacis Westphalicae. Zur Textauswahl, Gestaltung der Regesten, Datierung, Wahl der Vorlagen, zu den in den Vorlagen benutzten Chiffren sowie

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zum Schwedischen des 17. Jahrhunderts sind die Bemerkungen in den Bänden II C 2 S. XXXIXf und II C 3 S. LVf zu beachten. Die Kopfregesten sollen wie dort der schnelleren Information dienen, sind aber auf Anregung einiger Rezensenten der älteren Bände ausführlicher gestaltet worden.
Die Reihenfolge der Stücke erfolgt nach dem Datum. Bei Stücken desselben Da- tums gehen die der Osnabrücker Absender, der Zentrale der schwedischen Ver- handlungen , voran. Die anderen folgen gemäß der Rangordnung der Absender. Für freundlich gewährte Hilfen und Anregungen bin ich vielen Personen und Dienststellen zu Dank verpflichtet. Vor allem hat Herr Prof. Dr. Konrad Repgen die Editionsarbeit mit seinem Rat begleitet. Herr Paul Nachtsheim übernahm die mühevolle Abschrift der Texte aus den Filmvorlagen. Aufgrund dieser Abschriften wurden die endgültigen Texte durch Korrekturen und Normalisierung nach den Editionsgrundsätzen vom Bearbeiter hergestellt. Hierbei leisteten Frau Dr. Bri- gitte Maria Wübbeke, Frau Petra Kobbe und Frau Dagmar Uhl alle erforderliche technische und sachliche Hilfe. Zahlreiche in- und ausländische Archive beant- worteten bereitwillig zu klärende Fragen. Ohne diese Hilfen hätte die Fertigstel- lung des Bandes nicht in verhältnismäßig kurzer Zeit erfolgen können. Wilhelm Kohl

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