Acta Pacis Westphalicae II A 4 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 4: 1646 / Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett
133. Lamberg und Krane an Ferdinand III Osnabrück 1646 Mai 28

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–/ 133/ [164] , [183]

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Lamberg und Krane an Ferdinand III.


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Osnabrück 1646 Mai 28

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Ausfertigung: RK FrA Fasz. 51a fol. 89–94’, praes. 1646 Juni 8 = Druckvorlage – Kopie:
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ebenda Fasz. 92 IX ohne nr. fol. 187–189; KHA A 4 nr. 1628/20 unfol.; Giessen 207 nr. 114
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S. 441–452 – Druck: Gärtner IX nr. 166, 935–942.

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Gesandter Hessen-Darmstadts: Nachricht über Zusammenkunft der evangelischen Stände; hef-
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tige kurbrandenburgische Vorwürfe gegen den Kaiser wegen Pommern als Satisfaktion für
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Schweden; Beratungen über ein IPO zwischen Schweden und Protestanten ohne Wissen aller

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betroffenen Stände; Skepsis des französischen Residenten über baldigen Friedensschluß. Wesem-
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beck. Wittgenstein: Kurpfälzische Hoffnung auf günstige militärische Entwicklung zur Durchset-
3
zung der Ansprüche. Schwedischer Alternativvorschlag eines IPO, bayerische Kurwürde.

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Die sachen wöllen sich alhie von tagen zu tagen ie lenger, ie schwehrer ver-
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anlaßen. Vorgestern |:ist der Hessen Darmbstattische abgesante nomine
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Schüz zu mir, Crane, khomben:| und in großer geheimb, doch, wie er ver-
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meldet, auß schüldigster trew gegen Ewer Majestätt angezeigt, daß noch den
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2./12. huius eine zusamenkombst der protestirnden stendten bey denen Mag-
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deburgischen gehalten worden, warbey |:sich auch wegen Pommeren der
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graf von Witgenstein und Dr. Wesenbecius, gefunden, beede aber, sowohl der
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graf alß der Wesenbecius so scharffe und hizige vota wider Euer Kayserliche
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Majestät und dero Kayserliche gesante gefüehrt, daß sich vil darab geergert
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unnd es niemahlen hetten glauben khönnen, daß in nahmen der churfürstli-
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chen durchlaucht zu Brandenburg so hart:| würde geredt sein worden, wan
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sie es selbst nit gehört hetten. Man habe Ewer Majestätt und dero Kayserli-
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chen gesandten die schuldt allein beygemeßen, gleichsamb es von denselben
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verursacht, daß die Schweeden itzo Pommern affectirn thäten, die sönsten
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wol niemaln einige hoffnung auf selbigs landt zu erhalten würden gerichtet
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haben, wan man nit Kaiserlicherseithen bemeltes fürstenthumb denen
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Schweeden ultro offerirt und angetragen hette, waran aber zuviel beschehen
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und limites potestatis Caesareae uberschrieten wehren, weiln Kaißerlicher
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majestätt trewen chur-, fürsten und stendten das irige zu vergeben nit be-
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fuegt, würden auch noch wol mitle im Reich zu finden gewest sein, wohmit
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die Schweedische hetten contentirt werden können, daß derentwegen un-
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schüldiger chur-, fürsten und stendte landt und leüthe anzugreiffen nit würde
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nötig gewest sein oder, dha ie auf dergleichen güeter gedacht werden müe-
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ßen, so hette man zuvorderist von denen anfangen sollen, so den krieg verur-
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sacht und dern güter man durch den krieg acquirirt. Es laße sich aber |:handt-
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greiflich hiebey merckhen, daß ein catholisch kunststückhel unnd secretum
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hierunder verborgen unnd daß mancher Brandenburg umb landt und leüth
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zu bringen denckhe, wie man dem pfalzgrafen von Heidelberg gethan.:| Es
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versähen sich aber die churfürstliche durchlauchtt, daß die stendte solches nit
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zugeben, sondern deroselbem beystehen oder weenigst sich der sachen inter-
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veniendo bey der cron Schweeden so weith annehmmen werden, dhamit die-
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selbe zu milteren gedancken möege gebracht werden.

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Die stendte hetten sich auf diese vortrag erclehrt, daß sie kheinem standt das
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seinige abzuvotirn begehrten, wölten dem werck waß nachdencken, begehr-
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ten, ihnen daß anbringen schrifftlich zu communicirn. |:Sie, Hessen Darmb-
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stattische, hetten im voto:| erinnert, daß gleichwol gnugsamb bekhandt, daß
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die cron Schweeden schon vor vielen jahren auf das hertzogthumb Pommern
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ein aug gehabt, es auch auß dern replica zu ersehen, daß deßen deütlich bey
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dem puncto satisfactionis gedacht hetten

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Vgl. Meiern II, 188 und 197.
, also mit fuegen nit gesagt werden

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1
khönte, daß es deroselben von denen Kayserlichen gesandten seie angetragen
2
worden, |:hetten aber mit solcher ihrer erinnerung so grosen undanckh ver-
3
dient, daß sie hernach nit mehr weren ad

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3 consilia] Aus RK FrA Fasz. 92 IX fol. 187’ übernommen. In der Druckvorlage fol. 90, im
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dechiffrierten Text consulta.
consilia berueffen worden.:| Die
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Churbrandeburgische hetten andern tags darnach ein memorial, inhalts sub
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numero 1 beykomender abschrifft (so der |:abgesanter:| auf mein begehren
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mir sub fide silentii mitgetheilt) bey denen Magdeburgischen ubergeben, wel-
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ches denen stendten per dictaturam communicirt worden, selbigs seie aber
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ungleich glimpflicher abgefaßet, alß die mündtliche vortrag gewesen.

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Nun müesten sie, |:Hessen Darmbstattische,:| vernhemmen, daß mit denen
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Schweedischen abgesandten under nahmen der protestirenden ständten depu-
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tirten staidts communicationes gehalten würden, und die consilia dhahin ge-
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richtet sein sollen, daß sich die Schweedische mit denen stendten eins gewi-
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ßen proiects des instrumenti pacis, welches dem Kayserlichen abgesandten
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ploß ad acceptandum vorgelegt und darbey außgedingt werden solle, daß
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ohne selbigs proiects acceptation khein friede zu verhoffen, sondern der krieg
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fortgesetzt werden müeße, vergleichen, |:auch in ordine auf dessen execution,
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umb nemblich selbigs, waß in solchem instrumento begriffen, mit dem degen
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zu manutenieren und außzufuehren, mit den cronen eine confoederation ge-
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schlossen werden solle.:| Es wüsten sich aber |:die Hessen Darmbstattische:|
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nit zu besinnen, daß iemahln auf dergleichen deputation geschloßen oder von
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instruction, waß bey denen Schweedischen zu negotiirn, gehandtelt worden.
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Sahen nichtsdestoweeniger, daß die deputirte mit denen Schweedischen steets
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in conferentz begrieffen, und wehren dieselbe |:ihme, Schüzen, noch gleich
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iezo unterwegs, indeme er zu mir, Crane, khommen,:| begegnet und zum
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Oxenstern gefahren, müße also mit solcher deputation nit richtig hergangen
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und die protestirende stendte, wie darauf geschloßen worden, nit alle darzu
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beruffen gewest sein, maßen dan auch noch mehr andere, sönderlich auß den
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obern craißen, alß der fürstlich Wirttenbergischer gesandter

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Ges. des Hgt.s Württemberg auf dem WFK waren von 1645 bis 1647 Juli Vizekanzler
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Dr. Andreas Burkhard (1594–1651), zugleich Ges. des schwäbischen Reichskreises, und
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1645–1649 Dr. Konrad Varnbüler (1595–1657), zugleich Ges. der Gft. Pfalz-Veldenz,
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1649–1650 Ges. auf dem Nürnberger Exekutionstag ( ADB XXXIX, 496ff. ; APW III D 1,
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351f.; Wolff, 213; Philippe 18 Anm. 77, 56f., 106f., 130).
, von selbiger de-
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putation nichts wüste und an diesem fürnhemmen kheinen gefallen trage,
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dhahero |:er, Hessen Darmbstattischer, für sich und seinen collegen Dr.
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Wolff:| (der gleich bey dem Salvio zu negotiiren hette und also mitzuerschei-
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nen verhindert wehre) sich bedingt haben wölte, daß sie von gedachten depu-
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tation nichts wüsten, niemaln darzu iren willen gegeben noch mit dem gant-
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zen werck waß wölten zu thuen haben oder sich darbey einiger |:gestalt
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theilhafftig machen müesten.

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Ihrestheils besorgen sie, daß hierunder nit viel guets verborgen lige,:| und
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mache ihnen auch noch mehr nachdencken, daß |:er, doctor Schüz,:| noch

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1
für weenig tagen bey dem Frantzösischen residenten, monsieur de La Barde,
2
uber diese tractaten, und waß von dern schluß zu verhoffen, zu rede khom-
3
men, der sich dan deütlich vernhemben laßen, daß er noch für 14 tagen gute
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hofnung zum friede gehabt, itzo aber gar kheine, weiln, seinem andeüten
5
nach, mit denen Kayserlichen nit fortzukhommen seie, dhahero sich auch die
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Frantzosen resolvirt hetten, von iren praetensionen das geringste nit zurück-
7
zulaßen, dergestalt daß nuhmehr auch sogar die lineam communicationis von
8
Philipsburg nach Franckreich behaubten wölten . Wie aber der |:doctor
9
Schüz gefragt:|, waß er dan eigentlich under der linea communicationis ver-
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stünde, obs ein weeg oder straaß oder waß es seie, hette er geantwortet, daß
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es alles dasienig seie, waß zwischen Philipsburg und derendts Rheins und
12
Franckreich ligge.

13
Ebenergestalt ist |:der Churcöllnische rath und Hildesheimbischer canzler,
14
doctor Stein

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Dr. Joachim Stein (gest. 1649), Ges. des Hst.s Hildesheim auf dem WFK, seit Juli 1645 zur
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Führung der kurkölnischen Stimme im KFR ermächtigt, ab Juli 1648 Nachfolger Buschmanns
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( Becker, Kurfürstenrat, 276; Foerster, 6 Anm. 17, 355; APW II C 2, 288 Anm. 5).
, wie derselbe mir, Crane, gesagt, mit gemelten Churbranden-
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burgischen abgesanten Wesenbeckh dieser tractaten halben in discurs gera-
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then, warbey der Wesenbeckh:| mit dieser rede heraußgangen: Er wiße nit,
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waß er von dem werck sagen solte, ob man frieden oder newe foedera trac-
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tire. Es giengen etliche von denen protestirenden gesandten zu weith. Wüste
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nit, ob sie sölchergestalt von iren principalen instruirt sein.

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So hat |:auch mir, dem grafen von Lamberg, der graf von Witgenstein,:| wie
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mich derselb heimbgesucht und ich mich waß verwunderter gestelt, daß sich
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die Pfaltzische ministri so gar umb nichts annhemben oder irer sachen halben
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angeben theten, dha mir doch gnugsamb bewust, daß sie auch von denen
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protestirenden selbst zue denen particulartractaten ermahnet und angetriben
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würden, erzehlet, daß ers dhafürhalte, die Pfaltzische getraweten ire sach mit
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den waapffen außzuführen, vermeinte auch, daß sie von den cronen abgehal-
27
ten und bedrowet würden, wofern sich in particulartractaten einlaßen wür-
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den, sich irer nit anzunhemmen, hingegen aber, wan die sachen under der
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generalitet der friedenshandlung laßen würden, aller asistentz ad plenam re-
30
stitutionem versichert sein. Es wehren auch dieienige Pfaltzische ministri, so
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dhahero geschikt, dem werck nit gewachßen, und unschwehr darauß abzu-
32
nhemmen, daß die pfaltzgraven auf waß anders ihr absehen haben müeßen.
33
Gibt auch solches beykhommendes selbiger Pfaltzischen ministrorum bey de-
34
nen protestirenden stendten ubergebenes memoriale sub numero 2, so unß
35
gleich itzo von guetem orth in abschrifft communicirt worden, gnugsamb zu
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erkennen.

37
Ingleichen hat der Oxenstern vorgestern mit dem obristen Peschowitz

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Moritz von Peschwitz (Lebensdaten konnten nicht ermittelt werden), 1636 Fhr., zeitweilig als
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Oberst in ksl. Diensten ( APW II C 2, 156 Anm. 2; APW III D 1, 218 Anm. 1).
, wie
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mir, dem graffen von Lamberg, ein vertrawete persohn erzehlet, in gegen-

[p. 249] [scan. 329]


1
warth des Schweedischen statthalters alhie einen discurs uber diese friedens-
2
tractaten und in specie uber das extradirte instrumentum pacis

36
Vgl. nr. 88 Beilage 1.
geführt und
3
es dhafürhalten wöllen, daß vermitls selbigs instrumenti der fried nit würde
4
zu erheben sein, es müsten die Schweedische denen Kayserlichen ein anders
5
instrumentum fürlegen und darauf entweder friedt oder krieg geschloßen
6
werden. Hat auch ein concept auß dem sack gezogen und bemelten obristen
7
Peschowitz zu verlesen geben mit vermelden, also müße das instrumentum
8
pacis eingerichtet werden. Der hertzog in Bayern (wie er die formalia ge-
9
braucht) gedencke der Pfaltzischen sach vermitls einführung des octavi elec-
10
toratus abzuhelffen, würde ihme aber nit gelingen, sondern derselb noch
11
frohe sein, wan die churdignitet bey deßen eitern sohn ad dies vitae würde
12
erhalten und die sach hernacher mit der alternativa vermittelt werden khön-
13
nen. Der obrister Peschowitz khönte solches reden, woh er wölle, er, Oxen-
14
stern, begehrte es nit, daß ers in geheimb halte, sondern sehe gern, daß es
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außkhomme und der cron resolution menniglich bekhandt werde.


16
Beilagen 1 – 2 zu nr. 133


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Beilage 1 zu nr. 133

18
Memorial der kurbrandenburgischen Gesandten an die protestantischen Reichsstände, Osnabrück
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1646 Mai 4 [ /14]. Kopie: RK FrA Fasz. 51a fol. 95–100; ebenda Fasz. 92 IX ohne nr.
20
fol. 195–200’; KHA A 4 nr. 1628/20 unfol.; Giessen 207 nr. 115 S. 452–465; ebenda 210
21
nr. 106 S. 1127–1139 – Druck: Gärtner IX nr. 91, 576–584; Meiern III, 80–83.

22
Beilage 2 zu nr. 133

23
Memorial der kurpfälzischen Gesandten an alle Reichsstände, s. l. s. d., [ praes. 1646 V 3/13].
24
Kopie: RK FrA Fasz. 51a fol. 101–104’; ebenda Fasz. 92 IX ohne nr. fol. 191–193; KHA A 4
25
nr. 1628/20 unfol.; Giessen 207 nr. 116 S. 466–473; ebenda 210 nr. 107 S. 1140–1146 –
26
Druck: Gärtner IX nr. 89, 570–574; Meiern III, 501ff.

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