Acta Pacis Westphalicae II A 4 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 4: 1646 / Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett
12. Trauttmansdorff, Lamberg und Krane an Ferdinand III Osnabrück 1646 April 19

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Trauttmansdorff, Lamberg und Krane an Ferdinand III.


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Osnabrück 1646 April 19

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Ausfertigung: RK FrA Fasz. 51a fol. 27–27’ = Druckvorlage – Kopie: ebenda Fasz. 92 VIII
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nr. 1155 fol. 308; KHA A 4 nr. 1628/20 unfol.; Giessen 207 nr. 42 S. 186–187 – Druck:
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Gärtner IX nr. 37, 157f.

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Schwedische Satisfaktionsforderung: ganz Pommern, Bremen, Verden, Wismar. Warten auf Gut-
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achten der Reichsstände über die kaiserlichen Responsionen vom 25. September 1645 und die
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Repliken der Kronen vom 7. Januar 1646. Religionsgravamina, Pfalz. Einwirken Oxenstiernas
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auf französische Satisfaktionsforderungen.

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Ewer Majestätt geruhen iro auß beyverwahrtem prothocollo allergnädigst re-
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ferirn zu laßen, waßgestaldt wir heud mit dem Oxenstern in communication
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uber die haubthandlung gerathen und sich die sachen also veranlaaßen, daß
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wir paldt zum friedenschluß zu gelangen verhoffen. Haben unß zwar auf des
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Oxensterns postulata weiters nit alß auf halb Pommern verbündtlich heraus-
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gelaßen, scheint aber, daß die cron Schweeden von gantz Pommern nit werde
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abzubringen sein. Wegen der stifter Bremen und Verden wöllen wir unß gern
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noch weiters bemühen, ob dieselbe zu erhalten sein möegten; wirdt aber de-
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rentwegen der friedt nit zurückzulaßen sein. Es hat zwar auch der Oxenstern
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wegen Wießmar item uberlaßung der Vecht

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Vechta, Amt, Stadt und Festung im Hst. Münster, gelegen im Niederstift. In dem hier erwähn-
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ten Gespräch wird Vechta erstmals explizit als schwed. Satisfaktionsforderung genannt; vgl.
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APW II C 2 nr. 93. Zur Bedeutung Vechtas im Dreißigjährigen Krieg vgl. Dethlefs,
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275–284; Kohl, Geschichte, 108.
gedacht, ist aber wol zu ver-
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mercken gewest, daß es nur ploß anwürffe sein, umb die sach mit gantz Pom-
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mern zu facilitirn, und derowegen darauf nit beharren werden.


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Beilage [ 1] zu nr. 12


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Protokoll, Osnabrück 1646 April 19. Kopie: RK FrA Fasz. 51a fol. 28–32 = Druckvorlage;
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ebenda Fasz. 92 VIII nr. 1155 fol. 304–306; KHA A 4 nr. 1628/20 unfol.; Giessen 207 nr.
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41 S. 179–186; ebenda 210 nr. 60 S. 539–545 – Druck: Gärtner IX nr. 36, 152–157.

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Donnerstags, den 19. Aprilis 1646, haben ire exzellentz, herr graff von Trautmansdorff, de-
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nen Schweedischen herren abgesandten die revisita erstattet und ire exzellentz, herrn graff
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von Lamberg, benebens auch ich, Crane, auf des Oxenstern begehren unß mit darbey befun-
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den. Der Oxenstern hat sich der ehr, so ire exzellentz ihme mit der heimbsuchung bewiesen,
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höfflich bedanckt und die ursach, warumb er unser sämbtlichen gegenwarth verlangt, dha-
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hin angezogen, daß er sich gern mit unß der negotiation halben underreden wöllen, und
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zwar solchergestaldt, daß dasienig, waß man abhandtlen würde, verbündtlich sein sölte.

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Hette zwar gern auch des Salvii gegenwarth darbey wünschen möegen, weilen es aber deßen
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zustandt und leibsindisposition nit erleiden könte, hete er iedoch mit demselben vorhero
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darüber communicirt. Sie, Schweedische, verlangten nach unser duplica. Weilen sie aber
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verspührten, daß dhamit nit so paldt, alß sie verhofft gehabt, aufzukommen und dieselbe
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nuhmehr in die fünffzehende wochen aufgehalter pleibe

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Die schwed. Replik war den ksl. Ges. in Osnabrück am 7. Januar 1646 mündlich mitgeteilt
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worden (vgl. APW II A 3 nr. 84 und nr. 85), die ksl. Duplik wurde am 1. Mai 1646 ausge-
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liefert (siehe nr. 69 Beilage 1).
, falle ihnen das zuwarten waß zu
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lang, dhahero sie gern immitls die communication mit unß auf angedeutete weiß under
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verbindtlichkeit, fals unß selbigs nit würde entgegen sein, vortstellen wolten.

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Darauf wir geantwortet, daß unß solches nit allein nit entgegen, sondern gar lieb sein
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würde, wan wir auch heud den frieden schließen könten. Daß die duplica nit ehender auß-
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geben würde, darbey hetten wir selbst unseren verdruß, ligge aber ahn unß nit, wir wölten
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kheine fünffzehen tage, zu geschweigen fünffzehen wochen dhamit umbgangen sein, wan
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es nur an unß allein gestanden wehre. Sintemalen man aber der stendte gutachten begehrt,
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müsten wir solches vorhero erwarten, versicherten aber die Schwedische herren abge-
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sandte, daß wir auf deßen erlangung nit zweien tag zubringen würden, daß solches entwe-
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der schrifftlich oder mündtlich in beysein deren secretarien, wie es den Schweedischen ge-
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sandten am gefälligsten sein möegte, außgegeben werden sölte, ia, hielten unß auch diese
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stundt dhamit gefast, weilen unß zimblichermaaßen der stendte gedancken, wohin dieselbe
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zielen, bekandt. Allein ligge unß das herkommen im Reich im weeg und gebühre unß nit,
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mit einiger duplica, solange unß nit der stendte bedencken zugestelt würden, herauszu-
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gehen

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Das Verfahren, wonach die Stände über eine ksl. Proposition beratschlagen und nach Konsens-
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findung dem Kaiser ein reichsständisches Bedenken überreichen, hatte sich seit dem späten
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15. Jh. ausgebildet ( Neuhaus, 114; Moraw, 28f.).
.

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Und dhamit er sölches soviel desto mehr wahr glauben möegte, so könten wir unß sogar
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auch itzo, wie die duplica fallen würde, dhamit vernhemmen laßen, maßen ire exzellentz,
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herr graff von Trautmansdorff, darauf angefangen von punct zu punct zu erinnern, warauf
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unser replica bestehen würde. In specie bey dem puncto amnistiae würde man einen under-
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schiedt machen zwischen deme, waß die cronen, und deme, waß das Reich angehe. Mit den
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cronen könte die amnistia so weith zurückgezogen werden, alß ihnen gefellig. In denen
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reichssachen aber müste es bey der publicirten amnistia de anno 1641 auf das jahr 1630
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verpleiben

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Der RT von Regensburg 1640/1641 hatte eine Generalamnestie mit dem Stichjahr des PF
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1627 für geistliche und 1630 für weltliche Güter beschlossen (Druck: Sammlung III, 553;
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vgl. dazu auch Ruppert, 107ff.).
. Die Pfaltzische sach bestehe auf drey puncten, nhemblich [ 1.] uf restitution der
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Undern und 2. Obern Pfaltz, sodan 3. der churdignitet. Die Underpfaltz wölle man restitu-
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irn, die Obern müße Churbayern wegen der 13 million wie auch die chur, solang die Wil-
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helmische lini wahret, verpleiben, und könte dem pfaltzgraven quoad dignitatem mit dem
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mitl des octavi electoratus in ordine nach Churbrandeburg geholffen werden. Der Oxen-
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stern hat ihme selben vorschlag so gar nit mißfallen laßen, sondern dhabey angedeutet, daß
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sich die pfaltzgraven müsten weisen laßen.

[p. 25] [scan. 105]


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Ferners ist bey dem puncto gravaminum erinnert worden, daß man darüber itzo in commu-
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nication begrieffen

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Vom 12. April bis 5. Mai 1646 verhandelten in Osnabrück Deputationen der kath. und prot.
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Reichsstände über Kompromißmöglichkeiten in den strittigen Fragen des Reichsreligionsrechts;
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vgl. Wolff, 154f.
und zu verhoffen seie, die stendte werden auch darin eins werden. Dar-
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auf der Oxenstern erwehnet, daß ihme auch gesagt, daß die stendte darin algemach waß
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näher zusamenkommen. Wünsche ferner guten succeß und müsten beederseits die extrema
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verhüitet werden. Er wölte nit underlaßen, den protestirenden deswegen zuzusprechen, ver-
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sehe sich auch, man werde dießeits desgleichen bey denen catholischen stendten thuen,
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quod ex parte nostra fuit repromissum.

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Wie man ad punctum satisfactionis kommen

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Ausgangspunkt für Schweden war die Replik vom 7. Januar 1646 (vgl. oben Anm. 2).
, hat der Oxenstern zu wißen begehrt, waß
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man dan entlich bey diesem puncto zu thuen gemeindt, ist aber geantwortet, daß man sol-
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ches von der cron Schweeden zu wißen begehre, warauf dieselbe entlich bestehen würde.

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Dan einmahl würde dieselbe bey der völligen praetension nit bestehen wöllen, auch nit
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dhamit fortzukommen sein. Darauf der Oxenstern gantz Pommern und die stiffter Bremen
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und Verden begehrt, dargegen aber erinnert worden, daß sich die cron Schweeden verhöf-
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fentlich mit halb oder Vorpommern würde begnügen laßen, fals sie aber gantz Pommern
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behalten wölte, würden die stiffter zurückpleiben müßen. Ille: Sie wölten sich Silesien bege-
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ben, aber gantz Pommern und die stiffter, auch Wißmar müste der cron uberlaßen werden.
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Nos acceptirten mit danck, daß sie ire praetension wegen Silesien fallenließen. Man würde
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zwar wegen der stiffter den frieden nit zurücklaßen, aber wegen gantz Pommern könten wir
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unß nit erclehren. Sölten es die Schweedischen herren abgesandte bey denen Churbrande-
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burgischen richtigmachen konnen, daß dieselbe in uberlaßung gantz Pommern verwilligen
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thäten, würde mans der cronen an seithen Ewer Majestätt gönnen. Ille: Sie begehrten die
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stiffter nit alß stiffter, sondern wölten sich selbes tituls begeben und sie zu weltlichen für-
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stenthumben machen

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Vgl. dazu Lorenz, Bremen, 119f., 134f.
. Nos: Eben darin bestehe das gravamen und würde sölchergestalt mit
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dem werck nit fortzukomen sein. Ille: Man sölte der sachen waß mehr nachdencken, er
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verhoffe, wir würden paldt freünde miteinander sein und den lieben frieden haben. Die cron
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Schweden würde sich alßdan auch gegen Kayserliche majestätt in der that also bezeigen,
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daß es deroselben verhoffentlich nit gerewen werde, selbe cron mit für einen standt des
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Reichs aufgenhommen zu haben. Responsum, daß man sich deßen gegen die cron versehen
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und hingegen auch an seithen Kayserlicher majestätt versichern wölle mit wünschen, daß
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man in weenig tagen zum friedenschluß gelangen möege.

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Es haben auch ir exzellentz, herr obristhoffmeister, erinnert, weilen man vernhemme, daß
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der duc de Longeville heud oder morgen werde hiehero kommen, daß der Oxenstern bey
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demselben gute officia einwenden und beweglich zusprechen wölte, dhamit sich die Frant-
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zosen in der billigkeit möegen weisen und mit den anerbottenen ansehentlichen fürsten-
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thumben vergnügen, in specie aber ire praetension auf Preysach und dießeith Rheinischen
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stücken fallenlaßen, so derselb zu thuen aufgenhommen, auch unß anheimbgestelt, ob man
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zu beförderung des wercks immitls das instrumentum pacis

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Der Kaiser hatte mit Weisung vom 13. März 1646 vorgeschlagen, statt der Dupliken sogleich
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Vertragstexte auszuarbeiten und zur Verhandlung zu bringen ( APW II A 3 nr. 207). Der ksl.
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Textvorschlag für das IPO wurde am 8. Mai 1646 ausgeliefert (nr. 88 Beilage 1).
abfaßen wölte, quod placuit
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hinc inde, und ist dhamit die conferentz geendigt.

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