Acta Pacis Westphalicae II A 5 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 5: 1646 - 1647 / Antje Oschmann
72. Ferdinand III. an Trauttmansdorff Preßburg 1646 Oktober 16

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Ferdinand III. an Trauttmansdorff


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Preßburg 1646 Oktober 16

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Ausfertigung: GehStReg Rep. N Ka. 92 Fasz. 66 pars 1 nr. 41 – Konzept: RK FrA Fasz. 50c
5
fol. 121–122’, 124–124’, 123.

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Rechtmäßigkeit des vollen Jus Reformationis des Kaisers in Schlesien; Ausnahmen nur mit seiner
7
Genehmigung. Einfügung eines Vorbehalts für die Erbfürstentümer in die kaiserlichen Vermitt-
8
lungsvorschläge vom 12. Juli 1646.

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Verweis auf das Memorial der kursächsischen Ges. an Trauttmansdorff vom 25.
10
Juli/4. August 1646 und die Resolution Trauttmansdorffs vom 14. August 1646

28
Druck: Meiern, APW III S. 323–324 . Beide Akten waren am 14. August 1646 dem Ks.
29
überschickt worden (Kopie: KHA A 4 nr. 1628/40 unfol. – Konzept: RK FrA Fasz. 92 X nr.
30
1394 fol. 162–162’).

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zur ev. Religionsübung in Böhmen und Schlesien. Wir befinden auch daraus
12
gnedigist, daß du sie hierüber gar wohl unnd weißlich beantworttet hast.
13
Nachdem sie aber in ihrem schreiben zugleich dieses rühren, eines, samb das
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landt Schlesien den mayestätbrieff und den darüber erhaltenen Chursächsi-
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schen accordo

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Der Schlesische Majestätsbrief vom 20. August 1609 (Druck: Konrad S. 93–100) und der
32
Dresdner Akkord vom 18./28. Februar 1621 (Druck: DuMont V.2 S. 379–380).
nie verwürcket hetten, sondern an dem, was in vorigen jahren
16
von anno 1631 biß 1635 bey dem Sächsisch- und Schwedischen unwesen
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hoch straffmeßig fürgangen

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Am 19./29. August 1633 hatten die Hg.e von Brieg, Liegnitz und Oels sowie Stadt und Ft.
34
Breslau mit den Befehlshabern des schwed., des kurbg. und des kursächsischen Heeres eine
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Konjunktion vereinbart, in der sie sich, vorbehaltlich ihrer Pflichten gegenüber dem Ks., dem
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Schutz der ev. Armee unterstellten ( Palm; Grünhagen S. 231–274; Jaeckel V.3 S.
37
52–71).
, gleichsamb recht gethan unnd unschuldig
18
wären, und dann vors andere, samb der beyrecess, so wegen deß landes
19
Schlesien bey denen Prägerischen friedenstractaten ergangen, die Chursächsi-
20
schen gesandten nur ad referendum angenommen hetten

38
Der Nebenrezeß zum PF betr. Schlesien, auch die ksl. Resolution betr. die Erteilung der
39
Amnestie für die Hgt.er Ober- und Niederschlesien gen., vom 20./30. Mai 1635 (Druck:
40
Palm S. 357–365; vgl. Bierther, PF S. 4 Anm. 5). In Prag hatten die kursächsischen Ges.
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die Unterzeichnung dieses Rezesses abgelehnt ( Jaeckel V.2 S. 34–43).
, so haben wir für
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gueth angesehen, dich hierbey in gnaden zu errinnern, daß, soviel das erste
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anlangt, auch das landt Schlesien anno 1635, alß die fürsten und stende
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depreciren und sich ermelten Schlesischen beyrecess submittiren sollen,
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ebenfallß dergleichen innocentz praetendirt unnd an dem, was fürgangen,
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recht gethan zu haben vermaint, also daß weylandt unser hochgeehrtister
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herr vatter, hochseeligster gedächtnuß, endtlich dem landt die justitz anbieten

[p. 128] [scan. 204]


1
laßen, haben auch benebens auß demjenigen, was vorermelte jahr über bey
2
dem Sächsisch- und Schwedischen unwesen fürgelauffen und mann durch
3
vertraute correspondentz nach und nach in erfahrung bracht, eine außführli-
4
che deduction aufsezen und dieselbe denen damahls in Schlesien zu exequi-
5
rung deß Prägerischen friedens verordnet gewesten Kayserlichen executions-
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commissarien

36
Die von Kg. Ferdinand (III.) von Böhmen im Juni 1635 eingesetzten Exekutionskommissare
37
waren ( Palm S. 345–346): Hg. Heinrich Wenzel von Münsterberg-Oels (1592–1639), 1617
38
F. in Bernstadt; 1628 Oberlandeshauptmann in Schlesien ( Stammtafeln III Tafel 23). –
39
Albrecht (Albert) von Kollowrat-Liebsteinsky (1583–1648); 1607 böhmischer Appellationsrat,
40
1629 Titular- RHR , Vizekanzler in Böhmen ( Wurzbach XII S. 376; Gschliesser S. 525).
41
– Kammerpräsident Christoph von Schellendorf und Dr. Melchior Erbe (Erben) (Lebensdaten
42
und -umstände konnten nicht ermittelt werden).
zufertigen laßen. Unnd sintemahlen dann diese schrifft den
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damahligen verlauff und wie hoch unnd vielfaltig ermeltes landt gegen ihrer
8
Kayserlichen mayestät allß ihrem könig, landtsfürsten und erbherrn vergan-
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gen, zimblich außführlich entwerffen thut, auch solches bey diesen tractaten
10
das landt Schlesien betreffendt öffters fürkömmen und in consideration zu
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nehmen sein möchte, so haben wir vor guet erachtet, erwehntes Kaiserliche
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schreiben dir hiermit in abschrifft sub numero 1 beyschließen zu laßen, mit
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dem fernern beysaz und unterricht, daß, allß fürsten unnd stende auß dieser
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deduction wahrgenommen, daß ihrer mayestät und liebden, hochseeligster
15
gedächtnuß, ihre begangene exceß also entdeckhet gewesen und ihre maye-
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stät und liebden sich im standt der justitz genugsamb gefast vermerckhen
17
laßen, haben sie, fürsten unndt stende, den weeg rechtens außgeschlagen, ihre
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excess deprecirt undt sich erwehntem friedensrecess, darinnen dann unter
19
andern das ius religionis durch das ganze landt (außer was die herzogen zu
20
Liegniz, Brüeg, Münsterberg und Ölß und die stadt Breßlaw

43
Die schlesischen Ft.er Brieg, Liegnitz, Münsterberg und Oels und die Stadt Breslau (vgl. die
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Karte in: Geschichte Schlesiens II S. 35, 97).
betrifft)
21
reservirt worden, allerdings submittiret, allermaßen auß ihren in abschrifft
22
hiebeyliegenden schreiben sub numeris 2, 3, 4 und 5 mit mehrerm zu
23
vernehmen ist, also daß der Prägerische beyrecess ein fundamentalgesaz deß
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landes Schlesien worden und dardurch sowohl der mayestetbrieff alß der
25
Sächsische accordo gefallen oder doch zum wenigsten durch diese leztere
26
begnadung modificirt worden

45
Diese Vorgänge sind im einzelnen beschrieben: Palm S. 345–356.
, gestalt dann vorernanten fürsten und der
27
stadt Breßlaw das exercitium religionis nicht in krafft deß mayestätsbrieffs
28
oder Sächsischen accordo (alß welche in erwehntem friedensrecess weitter
29
mit keinen wort berühret sindt), sondern bloß in krafft dieser neuen
30
resolution und begnadung auß Kaiserlicher milde verwilliget, gegen andern
31
fürsten und stenden aber das ius religionis sambt dem iure confiscationis
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expresse reservirt worden.

33
Unnd obwohl im andern die Chursächsischen gesandten gedachten Prägeri-
34
schen beyreceß oder resolution ihrem vorgeben nach nur ad referendum
35
angenommen hetten, so hette doch solches wenig zue bedeütten. Dann

[p. 129] [scan. 205]


1
weilen diese gnadt und resolution nicht deß churfürsten zu Sachsen liebden,
2
sondern dem landt Schlesien sowohl zue praeiuditz alß gutem kommen, so ist
3
gleich gnueg, daß das landt dieselbe acceptiret hatt. Ob mann auch schon
4
vorgeben wolte, samb durch die universalamnystia damahls alle diese delicta
5
aboliret worden wären, so ist doch dagegen in acht zu nehmen, eins, daß
6
theils vornehmbste delicta, wie auß oberwehntem Kaiserlichen schreiben zu
7
sehen, allererst nach dem publicirten Präger frieden, ia gar in instanti der
8
außsöhnung fürgangen, und dann vors ander, daß die amnystia, soviel
9
Schlesien anreicht, nicht pura et absoluta, sondern expresse dahin conditio-
10
nirt und modificirt gewest, daß die fürsten (außerhalb deß damahligen
11
oberambtsverwalters, deß herzogs zu Münsterberg

37
Hg. Heinrich Wenzel von Münsterberg-Oels (vgl. Anm. 6). – Das schlesische Oberamt war
38
seit etwa 1630 die allein auf den Kg. von Böhmen verpflichtete oberste Verwaltungs- und
39
Justizbehörde für Schlesien ( Fellner / Kretschmayr S. 204 Anm. 1; Hübner S. 81–83).
, so treü verblieben) sambt
12
der stadt Breßlau depreciren müßen. Gegen den erbfürstenthümbern aber
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und den andern fürsten und stenden ist zugleich das ius religionis et
14
confiscandi vorbehalten, iedoch die confiscationes endtlich mehrentheilß
15
gegen ihrer particularsubmission aus gnaden nachgelaßen worden. Das ius
16
religionis aber ist biß dato daselbst reservirt blieben.

17
Im übrigen haben wir auch sub numeris 6, 7 hiebeyschließen laßen wollen,
18
weßen wir deß churfürsten zue Sachsen liebden noch anno 1637 wie auch
19
dero gesandten

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Wurden nicht ermittelt.
anno 1638 über diesem Böhemisch- und Schlesischen
20
religionswesen beschieden haben, darmit dir von solchem allem umbständig-
21
liche information an der handt sey und du derley einstreüen desto leichter
22
begegnen köntest.

23
Schließlich haben wir aus unserer Kaiserlichen gesandten zue Münster
24
erklärung, welche sie in puncto gravaminum de dato den 12. Julii übergeben,
25
wahrgenommen, daß bey dem sechzehenden punckt die erklärung wegen
26
unsers landt Schlesien mit nachfolgenden formalien einkommen: ‘fürsten und
27
stende in Schlesien bey dem religionsexercitio Augustanae confessionis wie
28
auch die stadt Breßlau bey der mit derselben auffgerichten absonderlichen
29
transaction zu laßen’

41
Vgl. die Vermittlungsvorschläge der ksl. Ges. betr. die Gravamina vom 12. Juli 1646 (Druck:
42
Meiern, APW III S. 193–199 , hier, allerdings mit erheblichen Abweichungen, S. 197–198).
. Nun haben wir auß deinem schreiben wohl soviel
30
nachricht, daß allezeit die obgenanten fürsten von denen andern fürsten und
31
stenden und insonderheit unsern erbfürstenthümbern voneinander separirt
32
und vor jene das exercitium religionis gestattet, vor diese aber reservirt
33
worden. Nachdem aber alhier in contextu der lezten Kayserlichen erklärung
34
fürsten und stende so ganz generaliter und conjunctim gesezet worden, auch
35
die erbfürstenthümber re vera stende sindt und bey der landtsversamblung
36
ihre session und stimm, ia einen eigenen standt repraesentiren

43
Auf dem schlesischen F.entag bildeten die Vertreter der Herren, Prälaten und Ritterschaften
44
der (habsburgischen) Erbfürstentümer neben der Stadt Breslau die zweite Kurie. In der ersten
27
Kurie waren die regierenden F.en mit je einer Stimme und die Inhaber der freien Standeshft.en
28
mit einer Kuriatstimme vertreten, während in der dritten Kurie die Abgeordneten der
29
wichtigsten Städte saßen. Die drei Kurien des schlesischen F.entages berieten gesondert,
30
votierten aber gemeinsam mit fortlaufender Zählung aller Stimmen ( Grünhagen II S. 94;
31
Rachfahl S. 144–145).
, so scheinet

[p. 130] [scan. 206]


1
zu besorgen, daß nicht an seitten der protestierenden diese clausul, wie dann
2
auß ihrer darüber erfolgten erklärung schon zu sehen

32
Vgl. Punkt 16 der Erklärung der prot. Reichsstände betr. die Gravamina vom [14./24. August
33
1646] (Druck: Meiern, APW III S. 330–340 , hier S. 338).
, indivisim aufgenom-
3
men unnd inskhünfftig sowohl vor die übrigen fürsten, erbfürstenthümber
4
unndt stende alß die benante fürsten behaubtet werden köndte. Dannenhero
5
und weilen auch wegen der stadt Breßlau in puncto religionis nie kein
6
absonderlicher vergleich oder tractat fürgangen, sondern sie eben in vermel-
7
ten beyrecess mit nahmen begrieffen und comprehendiret worden, so haben
8
wir dich deßen zu erinnern der notturfft befunden, damit gleichwol hierauf
9
eine geziemende reflexion gemacht und dießfallß durch ein mehrere distinc-
10
tion und separation, darauff du dann in deinen schreiben wie auch in deiner
11
den Chursächsischen gesandten gegebenen antwort selbst gezielet

34
Vgl. Anm.en 1 und 2.
, dem
12
vermelten praeiuditz reifflich vorgesehen werde. Allermaßen du dann deinem
13
hohen verstandt nach deme schon wohl zu thun und daran zu unsern
14
gefälligen gnädigisten willen und mainung zu handlen wißen würdest.


15
Beilagen


16
1 Ferdinand II. an die kaiserlichen Exekutionskommissare in Schlesien, Wien 1635 August 15.
17
Kopie: GehStReg Rep. N Ka. 92 Fasz. 66 pars 1 nr. 41.

18
2 Hg. Karl Friedrich von Münsterberg-Oels

35
Hg. Karl Friedrich von Münsterberg-Oels (1593–1647), 1617 F. in Oels, 1639 F. in Bern-
36
stadt ( Stammtafeln III Tafel 23).
an die kaiserlichen und königlichen Subdelegier-
19
ten, Breslau 1635 Juli 22 (st..?). Kopie: Ebenda.

20
Hg. Karl Friedrich von Münsterberg-Oels an Ferdinand II., Oels 1635 August 24 (st..?).
21
Kopie: Ebenda.

22
3 Rat der Stadt Breslau an Ferdinand II., s. l. 1635 August 31 (st..?). Kopie: Ebenda.

23
4 Hg. Rudolf zu Liegnitz

37
Hg. Georg Rudolf von Liegnitz (1595–1653); 1612 Hg.; 1621–1628 und 1641 Oberlandes-
38
hauptmann in Schlesien ( ADB VIII S. 693–696 ).
an Ferdinand II., Parchwitz

39
Parchwitz (Prochowice; Ft. Liegnitz) ( HHStS S. 392–393).
1635 September 5 (st..?). Kopie:
24
Ebenda.

25
5 Hg. Johann Christian von Brieg

40
Hg. Johann Christian von Brieg (1591–1639); 1609 Hg.; 1617/1618–1621 Oberlandes-
41
hauptmann in Schlesien, 1619 einer der zwanzig Defensoren in Schlesien ( ADB XIV S.
189–200 ).
an Ferdinand II., Thorn

43
Thorn (Torún) (Kg.reich Polen; HHStP S. 221–225). – Hg. Johann Christian von Brieg hatte
44
1633 seinen Hof dorthin verlegt ( ADB XIV S. 196 ).
1635 September 20 (st..?). Kopie:
26
Ebenda.

[p. 131] [scan. 207]


1
6 Kaiserlicher Bescheid an Kf. Johann Georg I. von Sachsen, Ebersdorf

24
Kaiser-Ebersdorf (Ehgt. Österreich unter der Enns) ( HHStÖ I S. 679).
1637 September 10.
2
Kopie: Ebenda.

3
7 Kaiserlicher Bescheid an kursächsische Gesandte, Budweis 1638 September 18. Kopie:
4
Ebenda

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