Acta Pacis Westphalicae II A 5 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 5: 1646 - 1647 / Antje Oschmann
174. Lamberg und Krane an Ferdinand III Osnabrück 1646 Dezember 20

27
–/ 174 /–

28

Lamberg und Krane an Ferdinand III.


29
Osnabrück 1646 Dezember 20

30
Ausfertigung: RK FrA Fasz. 51a fol. 37–40’, 45–45’ = Druckvorlage – Kopie: RK FrA Fasz.
31
92 XI nr. 1578 fol. 247–250; KHA A 4 nr. 1628/42 unfol.; Giessen 208 nr. 60 p.
32
227–237.

[p. 321] [scan. 397]


1
Kurbrandenburgische Gesandte in Osnabrück: Werbung für die kurbrandenburgisch(- pommer-
2
sche ) Initiative zur schwedischen Satisfaktion; Ablehnung des kaiserlich-französischen Ansuchens
3
von seiten des Kurfürsten in Aussicht. Französisches Angebot an die niederländischen Gesandten;
4
deren Ablehnung; Reise Serviens nach Den Haag. Vertraulichkeit zwischen den protestierenden
5
Ständen und den schwedischen Gesandten.

6
Die Churbrandeburgische gesandten gehen alhie von einem standt zum
7
andern herumb und ziehen von einem ieden khundtschafft ein, ob und wer
8
darin mit denen Kaiserischen gesandten einig seie, daß die cron Schweeden
9
bey gantz Pommern, in casum dha ire churfürstliche durchlauchtt zu
10
Brandeburg in selbiges halbes fürstenthumbs uberlaßung nit verwilligen
11
wölten, von Ewer Kaißerlicher Mayestätt und dem Reich solle gehandthabt
12
und geschützt werden und ob solchergestalt die stendte casum evictionis (wie
13
die formalia lauthen sollen) mit zu ubernhemmen bedacht wehren. Der graff
14
von Wittgenstein ist deswegen noch vorgestern bey dem Churmentzischen
15
gesandten Brembser freyhern gewest

41
Vgl. das Protokoll dieser Konferenz vom 18. Dezember 1646 (Kopie: RK FrA Fasz. 96 I fol.
42
308–312; StK FrA Ka. 2 (WF XXXVI) fol. 134–142; GehStReg Rep. N Ka. 92 Fasz. 66
43
pars 2 nr. 6).
, wie ich, Crane, auß deßen mundt
16
habe, und förmblich hirüber nachfrag gehabt, mit vorgeben, daß sie, Chur-
17
brandeburgische , von irem gnädigsten hern also befehlicht. Und sopaldt sie
18
sich hirüber bey allen und ieden stendten würden erkündigt haben, sölte er,
19
graff von Witgenstein, sich zu irer churfürstlichen durchlauchtt erheben und
20
von deme, waß sie in erfahrung pracht, relation thuen. Es hetten seine
21
collegae alhie und zu Münster den mehren theil der stendte schon darüber
22
angeredt, und soviel er auß dern zurückpringen vermercken können, so
23
wehren zwar die stendte hirin nit alle einer meinung, doch der mehren theil
24
heten sich erclehrt, daß sie hirüber noch nit befragt, weiniger ir votum darzu
25
gegeben hetten. Verlangte also von ihnen, Churmaintzischen, zu vernhem-
26
men , ob sie darumb ersucht worden oder zu waß [ sie ] eingewilligt hetten. Der
27
von Brembser hette geantwortet, daß diese handtlung vornhemblich zu
28
Münster geführt worden, wüste nit, waß aldha mit seinen collegis deswegen
29
möegte fürgelauffen sein, wölte ahn dieselbe deswegen schreiben und sich der
30
bewandtnuß erkhündigen. Soviel aber könte er wol sagen, daß sie instruirt,
31
dhahin zu sehen, dhamit von des Reichs boden nichts möege zurückgelaßen
32
werden oder, wan es ie zu dergleichen extremiteten endtlich hinauslauffen
33
und ohne zurücklaßung landt und leüthe zum frieden nit zu gelangen sein
34
möegte, daß alßdan dhahin zu sehen, dhamit dasienig, waß hinderlaßen
35
werden müeste, nur pfandtsweiß sölchergestalt abgetretten würde, daß man
36
in gewißen jahren wieder darzu gelangen möegte. Es scheine aber, daß die
37
Schweeden bey dem puncto satisfactionis von nichts anders alß uberlaßung
38
landt und leüthe hören wölten. Es seie auch das Reich an mittel und cräfften
39
dergestalt abkhommen, daß man auß noth würde thuen müeßen, waß man
40
sönsten nit gern gethaen hette. Darauf der graff von Witgenstein sich der

[p. 322] [scan. 398]


1
erclehrung halben, daß der Brembser an seine collegas deswegen zu schrei-
2
ben , um sich berichts zu erholen, ubernhommen, bedanckt hette, mit fernerm
3
erinnern, daß ihme lieb sein würde, wan er die antwort baldt erlangen und
4
seine reiß zum churfürsten desto schleüniger befördern könte. Sein gnädig-
5
ster herr seie einmahl hiebey also gesinnet, daß lieber alles werde uber sich
6
ergehen laßen alß zu waß einwilligen (also soll die rede indefinite gefallen
7
sein). Man müste denselben auch nit unmachtich und schwach halten, daß nit
8
solte können ein 10 000 oder mehr taußendt man zu errettung seiner land
9
und leüthe aufbringen. Die Staaden von Hollandt hetten demselben 10 000
10
man herzuleihen ultro anerbotten, würden auch noch wol andere, die sich
11
umb recuperation Pommern mit annhemmen werden, zu finden sein. Seins
12
gnädigsten churfürsten und herns gedancken seien bey dem puncto satisfac-
13
tionis alzeit dhahin gerichet gewest, daß man die stiffter in die satisfaction
14
bringen sölte. Man habe schon Bremen und Verden offerirt; wan darzu noch
15
Hildesheimb, Oßnabrück und Minden sambt der anwartschafft auf die
16
Pommerische lande in casum deficientis familiae Brandeburgicae nach der
17
Pommerischen landtständte ihrem vorschlag verwilligt würden, so würden
18
die Schweeden wol zufrieden sein, wehre auch dem Römischen Reich
19
weiniger nachtheilig, selbige stiffter alß Pommern, so ein schlüssel zum Reich
20
ist, zu hinderlaßen, und würde Dennemarck und Polen dhamit alle gelosey
21
benhommen. Wie der von Brembser dhagegen erinnert, daß aber andere nit
22
dhamit zufrieden sein würden, hette der graff von Witgenstein geantwortet,
23
des herrn bischoff zu Oßnabrück fürstliche gnaden müste man anderwerts
24
accommodirn und entweder Halberstatt oder ein ander stifft von irer
25
hochfürstlichen durchlauchtt, ertzhertzog Leopoldt Wilhelm, stifftern (weiln
26
dieselbe das guberno in Niederlandt uberkommen und zweifelsohne die
27
bisthumber resignirn würden

39
Die Statthalterschaft in den span. Niederlanden hatte Ehg. Leopold Wilhelm von Österreich
40
(1614–1662) Ende 1646 übernommen, doch trat er dieses Amt erst im April des folgenden
41
Jahres an. Ende 1646 war er Bf. von Straßburg sowie Abt von Murbach und Lüders (1626),
42
Bf. von Halberstadt (1627), Bf. von Olmütz (1637) sowie Hoch- und Deutschmeister des
43
Deutschen Ordens (1641) ( Pirenne S. 390; NDB XIV S. 296–297 ).
) einraumen, möegte auch wol noch waß anders
28
für dieselbe under handen sein. Und hat darauf dem freyhern von Brembser
29
gleichsamb in geheimb vertrawet, daß die Frantzösische gesandten zu Mün-
30
ster selbst mit den gedancken umbgiengen, den herrn bischoff zu Oßnabruck
31
anderwerts zu accommodirn, hetten sich darüber gegen ihne in discursu ploß
32
geben, und möegte dern absehen wol gar auf den ertzstifft Mentz und eine
33
coadiutorey dhaselbst gerichtet sein. Wie der von Brembser dhagegen vorge-
34
wendt , daß ire fürstliche gnaden zu Oßnabrück khein thumbherr zu Mentz,
35
consequenter auch selbiger promotion nit vehig wehren, hette der graff von
36
Witgenstein replicirt, die Frantzosen hetten den duc d’Anguien zu Trier
37
können zum coadiutor machen

37
Armand de Bourbon Pz. von Conti (1629–1666); zweiter Sohn von Heinrich II. Pz. von
38
Condé (1588–1646) ( Stammtafeln III Tafel 90, 92). Das Gerücht über seine Absichten auf
39
die Koadjutorie im Kft. Trier rührt wahrscheinlich von einer Verwechslung mit seinen Plänen
40
für das Kft. Mainz her ( Abmeier S. 211).
, würden es auch zu Mentz versuchen
38
dörffen. Und sölches alles hat unß bemelter Churmentzischer abgesandter

[p. 323] [scan. 399]


1
communicirt, umb Ewer Mayestät dhavon gehorsamiste relation zu erstat-
2
ten .

3
Es haben unß auch benebens die Churmentzische beykhommendes proiect,
4
so ihnen von vertraweter handt und auß dem stättischen rath herkommen
5
solle, mitgetheilt, und laßet sich ansehen, ob wöllen endtlich alle particular-
6
controversien von denen protestirenden hiehero gezogen werden, maßen sich
7
der fürstlich Braunschweig Lüneburgischer Dr. Langerbeck gegen den Chur-
8
mentzischen gesandten Dr. Crebs nit undunckel in einem discursu darüber
9
ploß gegeben.

10
Indeme wir nuhn gleich in expeditione dieser post begrieffen, ist gemelter
11
graff von Wittgenstein zu mir, dem graven von Lamberg, kommen, umb sich
12
wegen seiner vorhabenden abreiß zu licentiiren. Recommendirt zuvorderist
13
irer churfürstlichen durchlauchtt, seines gnädigsten hern, interesse wegen
14
Pommern mit vorzeigung eins originalschreibens von des churfürsten obri-
15
sten cammerern, dem von Buxtorff, de dato im Hagen, 9. dieses

41
Konrad Alexander Magnus von Burgstorff (1595–1652); 1642–1652 kurbg. Oberkammerherr
42
( NDB III S. 49–50 ). Das Schreiben wurde nicht ermittelt.
, darin
16
derselb andeutet, daß sich iro churfürstliche durchlauchtt bey irer seel und
17
selichkeit verschwohren hetten, bey Pommern auß denen in ihren gesandten
18
mitgegebener instruction

43
Vgl. die kurbg. Resolution vom 7./17. November 1646 (Regest: UA IV S. 467–468).
gesetzten terminis, nhemblich daß die Ucker
19
terminus divisionis sein sölte, nit zu schreitten, es komme darvon, waß dha
20
wölle. Vermeindt auch, der von Plettenberg werde mit keiner andern
21
erclehrung zurückkommen. Er hette es denen Schweedischen gesandten auch
22
vorgezeigt, die sich darüber bestürtzt und waß kleinmütig bezeigt, mit
23
vermelden, daß sie nuhmehr anfiengen, an dem frieden zu verzweiflen. Begab
24
sich darnach auf obgedachten bey denen Churmentzischen geführten discurs
25
wegen der fünff stiffter und wolte selbigen vorschlag für den bequemblich-
26
sten halten, wodurch der punctus satisfactionis zu erheben. Vermeindt, daß
27
es auch kheine sonderbahre difficultet, außerhalb waß den stifft Hildesheimb
28
angehe, geben würde, weiln Minden und Oßnabruck mit Halberstatt könten
29
ersetzt werden. Ich habe aber dhagegen remonstrirt, daß es noch die
30
catholische stendte, noch die Frantzosen selbst zugeben werden, daß bemelte
31
stiffter sölten in die satisfaction gebracht werden, und seie dies khein mittl,
32
der sachen zu helffen. Der graff von Wittgenstein hat es selbst bekhennet,
33
daß auch die Frantzosen darin würden zuwieder sein, man müße aber auß der
34
noth eine tugendt machen. Erzehlete ferners, daß die Frantzösische gesandten
35
zu Münster denen Hollandischen gesandten aldha newlicher tage 3 puncta
36
proponirt hetten

44
Dazu konnte in den bisher veröffentlichten Akten nichts ermittelt werden.
: 1. daß mit Spanien kheinen frieden schließen wölten ohne

[p. 324] [scan. 400]


1
belieben der cron Franckreich, 2. die bündtnuß noch auf 6 jahren continuirn,
2
3. solchesfals wölte die cron Franckreich ihnen alsopaldt achtmal hunderttau-
3
ßendt cronen zu continuation des kriegs darschießen. Die Holländische
4
gesandten aber hetten dies anbringen pure abgeschlagen, derentwegen der
5
conte de Servient befehlicht, sich alsopaldt nacher dem Hagen zu erheben
6
und dieß werck aldha zu negotiiren, warauß aber abzunhemmen wehre, daß
7
noch zur. zeit weinig auf den frieden zuzulegen. Ist darauf von mir abgeschie-
8
den und vermeint, morgen oder ubermorgen zu verreisen.

9
So sein auch verschienenen sontag, den 16. dießes, alle protestirende von dem
10
Salvio bey einem deswegen absönderlich angestelten panquet ansehenlich
11
tractirt worden, und laßen sich itzo zwischen denen Schweedischen und
12
protestirenden mehr vertrewlichkeit verspühren alß zuvor, welches auch nit
13
ohne nachdencken ist.


14
Beilage


15
[1] Projekt aus dem Städterat betreffend die Gravamina politica, [Osnabrück vor 1646
16
Dezember 10/20]. Kopie: RK FrA Fasz. 51a fol. 41–43’; RK FrA Fasz. 92 XI nr. 1578 fol.
17
243–245.

Documents