Acta Pacis Westphalicae II A 4 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 4: 1646 / Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett
319. [Trauttmansdorff], Nassau und Volmar an Ferdinand III Münster 1646 August 24

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[Trauttmansdorff], Nassau und Volmar an Ferdinand III.


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Münster 1646 August 24

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Konzept: RK FrA Fasz. 92 X nr. 1401b fol. 182–184’.

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Spanische Gesandte zu möglichem Friedensschluß ohne Spanien. Mediatoren bei französischen,
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später bei kaiserlichen Gesandten: Marburgische Erbfolge, Philippsburg, Stellenwert des Ein-
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schlusses Spaniens in den Frieden (darüber Nachricht an die spanischen Gesandten), Lothringen.
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Stellungnahme der kurfürstlichen Gesandten zu Philippsburg. Kontakte zwischen Frankreich und
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Kurtrier? Satisfaktionsverhandlungen.

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In nr. 314 haben Euer Kayserlicher Majestät wir allerunderthänigst angedeüt-
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tet , waßgestalten wir der herrn mediatoren unß im namen der Französischen
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plenipotentiarien beschehenes anbringen auch vorderist mit denn Spanischen

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gesandten communiciren und alsdann zu weiterer handlung verfahren wol-
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ten .

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Die haben nun an ihrem ortt darfürgehalten, wir solten unß nit übereilen
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noch die sachen dahien kommen lassen, daß wir ohne sie zum schluss greif-
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fen müeßten, dann gleich wie ihre königliche majestät in Hispanien ohne daß
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Reich frid ze machen nit gewillt, also wann man dißortts ohne Spanien
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schliessen solte, wurden sie unß vorkommen und mit denn Franzosen quan-
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tumvis iniquis conditionibus alsbaldt schliessen und gleichwol den gantzen
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kriegslast uffs Teütsch landt kommen lassen müessen. Und als wir ein und
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anders gegeneinander nach nothurfft erwogen, haben wir unß mit inen da-
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hien veranlaaßt, daß wir inen dise newe apertur nit außschlagen köndten, wir
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wolten aber unsere anttwortt dermaassen einrichten, daß nothwendig noch
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etwas zeit würde verlauffen müessen, biß man zu einem rechten verfängli-
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chen tractat werde gelangen mögen.

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Hierauff haben wir unß vorgestern, mittwochs nachmittag, zu ermeldten me-
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diatoren verfüegt und inen mündt[lich] daßjenige vorgetragen, waß hiebey-
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ligende abschrifft littera A außweiset.

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Sie haben dann darüber mit denn Französischen plenipotentiariis auffs
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glimpflichste müglich ze handlen sich benommen, wie sie dann gleich nach
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unserm abstandt sich zu dennselben verfüegt, unß aber herr nuncius von ihrer
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verrichtung allein sovil wissen lassen, daß die Franzosen gesagt, sie vorderist
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vernemmen wolten, waß wir wegen Philipsburg mit denn ständen tractiren
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und inen zue anttwortt anfliegen lassen wurden. Er, herr nuncius, aber be-
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sorge wol, wann man mit Philipsburg schon willfahren soll, daß es doch dar-
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bey nit bleiben, sondern mit Spania, Lothringen und anderen newe difficulte-
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ten auff die baan kommen werden. Sonsten aber seyend von inen über unsern
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beschehenen vortrag im discurrirn vornemblich drey puncten in starkhe red-
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wexlung gezogen worden, als erstlich wegen vergleichung der Marpurgischen
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successionstreittigkheit, zum andern wegen protection und besazung der ve-
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stung Philipsburg und drittens wegen der fridenshandlung mit Spanien und
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Lothringen.

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Auff den ersten haben wir inen bericht gethan, wie hoch sich die Hessen
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Darmbstädtischen gesandten der Franzosen gethandem vorschlag widersetz-
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ten und zumahl anzeigten, daß die Schwedischen plenipotentiarii selbst kei-
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ner andern mainung weren, als daß dise sach nach innhalt der Hessischen
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erbverbrüederung gehandlet und verglichen werden müeßte. Die mediatores
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haben hierauff zwar vermeint, es köndten die in derselben benambßte arbitri,
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auch der cronen gesandten beygesetzt werden, wir haben es aber dahien-
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gestellt sein lassen, wessen sich die parteyen selbst inskünfftig erclären möch-
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ten .

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Waß der Franzosen pretension uff Philipsburg anlangte, seyend wir darauff
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vestiglich bestanden, daß wir dessen keinen bevelch hetten, auch ohne con-
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sens deß Heyligen Reichs anwesender ständen und deputirten hierunder daß
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geringste nit aufgeben köndten, ausserhalb dan Ewer Majestät nit zuwider

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sein werde, dieses vestung ze schleiffen und damit der cron Frankreich alles
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misstrawen zu benemmen.

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Es haben aber die mediatores hingegen replicirt, daß sich die Franzosen ein-
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mahl von diser pretension nit wolten abweisen lassen und wurden wir auch
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ohne deren bewilligung zu keinem friden nit gelangen, sondern gewerttig
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sein müessen, daß sie, Franzosen, in deren verbleibung noch alles bei denen
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Schweden und protestirenden vil schwerer als zuvor ze machen unterstehen
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würden.

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Wegen der Spanischen tractaten stüende alles auff deme, daß der anstandt mit
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Catalonia auff gleiche jahracht wie mit denen staaden der Vereinigten Nider-
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landen bewilligt wurde. Und hatt sich sonderlich der Venetianische pott-
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schaffter sehr starkh bemüehet, mit allerhandt rationibus zu erweisen, daß
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man ex parte Spaniae keine ursach hette, diese gelegenheit außzeschlagen,
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denn es stüende doch allzeit in deß königs in Spania hand, so offt es ime
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beliebte, wann auff den bewilligten anstandt kein frid erfolgen oder die Fran-
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zosen selben mit oder ohne die Catalonier zu verhindern suechen solten, zu
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brechen, und wurden ime hierzu gnugsame scheinursachen niemaln erman-
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glen . Mit solcher glegenheit köndte sich auch waß begeben, daß Spania nit
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allein die völlige landtschafft Cateloniam under sich bringen, sondern auch
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gar die graafschafft Rossiglion wiedereröbern möcht. Inmittelst wurde der
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könig gleichwol aller kriegen frey sein und all seine macht wider Portugall
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wenden, sich auch dises königreichs in kurtzem wider bemechtigen mögen.
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Es were nit zu befahren, wann schon der anstandt mit Catalonia nit gehalten,
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daß darumb die Hollender denn Franzosen und Cateloniern zu gefallen wi-
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derum mit Spania brechen wurden, als mit wölchen sie onedaß nichts wolten
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zu thuen haben.

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Ein gleiche meinung hette es mit Schweden; deren forderung bestüende
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haubtsächlich auff der Teutschen hilff und beystand, und wenn sie einmal
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auß denen waaffen gebracht, wurden sie so leichtlich umb solcher frembder
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und außlendischer hendel willen im Reich keinen anhang mehr ze finden
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haben. Die Spanier hetten doch schon vor dißem einen universalanstandt der
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waaffen eingehen wollen, warumb sie iezt dann so grosse difficultet mit di-
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sem particularanstandt machen theten.

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Es ist aber uff disen einwurff geanttworttet worden, daß dißortts ein grosser
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unterschiedt were, dann bei dem universalanstandt were die meinung gewe-
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sen , daß alles in vorigem standt verbleiben und dardurch kein ius in perpe-
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tuum vergeben sein solt. Jetzt aber hette man der cron Frankreich grosse
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landt und leütt eigenthumblich ze überlassen erclärt, mit diser condition, daß
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daß übrig restituirt und kein anspruch daran gesuecht werden solt.

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Wir haben nun nit unterlassen, von disem allem denen Spanischen ministris
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nachricht ze geben, wölche noch der meinung, weil die sachen in denen Ni-
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derlanden noch in guettem standt seind, daß sie nothwendig ihres in Spania
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verschikhten curriers, so nechsteingehende wochen gewiß ankommen soll,
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erwartten müeßten.

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Wegen Lothringen haben wir es bey dem, wie in der beylag littera A zu
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sehen, bewenden lassen und zu wissen begehrt, ob die Franzosen nit zum
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wenigsten sich der restitution halber erclären wolten.

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Waß aber der Franzosen pretension mit Philipsburg anlangt, da haben wir
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vor eine nothurfft befunden, damit inskünfftig dessentwegen Ewer Kayserli-
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cher Majestät nichts ungleiches zugelegt werden könde, der allhiesigen chur-
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fürstlichen gesandten meinung im vertrawen zu vernemmen, wölche dann
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mit gewisser maaß dahien gehend, daß im fahl der liebe frid anderwerts nit
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solte erhebt werden könden, wir endtlich auch in dise pretension einwilligen
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solten, gestalten auß der beylag B mit mehrerm zu ersehen ist. Und stehet zu
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Euer Kayserlicher Majestät allergnädigstem gefallen, ob sie es also belieben
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und unß darauff die handlung fortzesetzen bevehlen wollend.

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Es besorgen zwar die Churtrierischen abgesandten selbst, wann dise einwilli-
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gung also erfolgen solt, der herr churfürst möchte hierdurch anlaaß nemmen,
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weil ime dise action mit denn Franzosen guettgehießen worden, auch daß
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gantze churfürstenthumb Trier in Französische protection ze stellen und sel-
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biges also vom Reich abzeschneiden, deme desto sicherer vorzekommen ein
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nothurfft sein wurde, hingegen die vestung Ehrenbreitstein in Euer Kaiserli-
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cher Majestät handen zu behalten. Und haben wir hiebey auch dise weitere
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nachricht erlangt, daß gestrigen tags die Franzosen bey erstgedachten Chur-
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trierischen gesandten gewesen und inen die original protectionsverschrei-
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bung , so der churfürst mit dem zu solchem ende an ine abgesandtem Franzö-
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sischen ministro auffgesetzt hette, vorgewisen, in wölcher dann ettlich prae-
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iudicirliche clausulae zu befinden, als daß der cron Frankreich nit allein daß
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ius praesidii über Philipsburg, sondern auch perpetuae protectionis über daß
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bisthumb Speyer, propsteyen in Udenheimb und Weissenburg, abbteyen
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S. Maximin und Prin et omnium aliarum ecclesiarum ad electorem pertinen-
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tium übergeben

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Neben der Festung Philippsburg war den Franzosen im Vertrag mit Kf. Philipp Christoph von
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Trier vom 19. Juli 1646 (vgl. [ nr. 317 Anm. 1 ] ) die Protektion über das Hst. Speyer samt den
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Propsteien Odenheim und Weißenburg sowie über die Abteien St. Maximin (vgl. nr. 184
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Anm. 4) und Prüm, die bis in das 16. Jh. reichsunmittelbar waren, eingeräumt worden
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( 2 LthK VIII, 848f.; Abmeier , 77f.).
und nichts anders dabei excipirt, als daß ein clausula „salva
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libertate Imperii“ beygesetzt werde, wölches dann sehr nachteilige sachen
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und besorglich darmit durch ein geheimes nebenpactum die ertzbischoffliche
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churstifft Trier auch eingeflochten, also directe wider Euer Kayserlicher Ma-
32
jestät responsion ad articulum propositionis Gallicae octavum

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In der ksl. Responsion vom 25. September 1645 war mit Bezug auf Punkt 8 der frz. Proposi-
43
tion
II das Bündnisrecht der Reichsstände an die Vorbehaltsklausel: modo tamen ea foedera
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non sint contra Imperatorem & Imperium ( Meiern I, 631 ) geknüpft worden.
gehandlet sein
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möchte. Daher wir dann ursach nemmen müessen, unß praeliminariter gegen
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denn mediatoren zu erclären, weil wir vernemmen, daß zwischen denn Fran-
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zosen und gedachtem churfürsten ein sonderbarer verglich auffgericht sein
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solle, so köndten im namen Euer Majestät wir unß wegen ihrer pretension

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1
mit Philipsburg zu nichts heraußlassen, wir hetten dann vordrist glaubwür-
2
dige nachricht, wie es eigentlich mit solchem verglich beschaffen. Begehrten
3
derentwegen, daß die Französische plenipotentiarii unß darvon abschrifft zu-
4
stellen wolten, damit wir alsdann die weittere nothurfft bedenkhen möch-
5
ten .

6
Sonsten haben wir auch der ursachen noch mit weiterer handlung in hoc
7
puncto satisfactionis einzehalten räthlich erachtet, weil die protestirende
8
noch uff dato mit ihrer gegenerclärung in puncto gravaminum

35
Vgl. nr. 320 Beilage [ 2 ].
nit einkom-
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men seind und gleichwol vorderist, wohien selbige gerichtet seyen, zu wissen
10
vonnöthen wer, damit man zum wenigsten ersehen köndt, ob und in wölchen
11
puncten man der Franzosen anerbottene assistentz sich wurde bedienen
12
mögen.


13
Beilagen A – B zu nr. 319


14
Beilage A zu nr. 319

15
Vortrag der kaiserlichen Gesandten an die Mediatoren (lat.), [Münster] 1646 August 22.
16
Konzept: RK FrA Fasz. 92 X nr. 1401b fol. 186–187’ – Druck: APW III C 2, 690 Z. 30 –
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692 Z. 2.

18
Beilage B zu nr. 319

19
Protokoll der 41. Kurfürstenratssitzung, Münster 1646 August 23. Kopie: RK FrA Fasz. 92 X
20
nr. 1401b fol. 189–197 – Druck: APW III A 1.1 nr. 94 S. 635–643.

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