Acta Pacis Westphalicae II A 4 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 4: 1646 / Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett
56. Trauttmansdorff an Ferdinand III Osnabrück 1646 April 30

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Trauttmansdorff an Ferdinand III.


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Osnabrück 1646 April 30

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Ausfertigung: RK FrA Fasz. 50b fol. 89–89’, 96–96’, PS fol. 96’, praes. 1646 Mai 9 = Druck-
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vorlage – Konzept: TA Ka. 111 Z 5 nr. 69–70 unfol.

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Unterredung mit den kursächsischen Gesandten: Keine Zulassung der Augsburgischen Konfession
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in kaiserlichen Erblanden. Gespräch mit Salvius: Stichjahr für Amnestie, Augsburgische Konfes-
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sion in kaiserlichen Erblanden, Anspruch auf Militärsatisfaktion, Satisfaktionsforderungen ( Pom-
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mern , Wismar, Bremen, Verden) und Entschädigung für Brandenburg, Religionsgravamina,
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schwedischer Einfall in den westfälischen Kreis, Waffenstillstand. Übergabe der Dupliken.

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PS Paul Khevenhiller.

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Nachdem ahm 28. dieses abgeloffenen monats Aprilis beederseits ständte deß
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Reichs durch einen ausschuss bey mir gewesen und in puncto componendo-
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rum gravaminum vorschläg und anbringen gethan haben, wie Ewer Kayserli-
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che Mayestät auß unserer gesambter gehorsamister relation mit mehrerm al-
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lergnedigst vernehmen werden

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Vgl. nr. 58.
, haben sich folgenden tags auch die Chur-
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sächsische abgesandten bey mir angemeldet und wegen zulassung der religion
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in Ewer Kayserlicher Majestätt erbkönigreich Böhmen, sodan deß maiestät-
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briefs in Schlesien

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Im Schlesischen Majestätsbrief (1609 August 20; Druck: Konrad , 93–100) war die Ausübung
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des Augsburger Bekenntnisses zugesichert worden. Dieses Privileg blieb im Dresdner Akkord
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von 1621 Februar 18/28 (vgl. [ nr. 4 Anm. 8 ] ) erhalten ( Machilek ).
instantz und anregung gethan. Ich hab sie aber hinwieder-
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umb beschieden, weyln ihnen bewust, daß Ewer Kayserliche Majestätt sich
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hierzu nicht verstehen wurden, in Böhmb auch kein corpus Augustanae con-
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fessionis , ia vast niemandt derselbe zugethan seye, hingegen die fursten und
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statt Preßlaw in Schlesien, soviel die religion betreffe, durch den im Prager
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frieden angezogenen nebenrecess

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Eine kaiserliche Resolution als Nebenrezeß des PF für Schlesien (1635 Mai 30; Druck: BA NF
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II/10 nr. 565, 1661–1665; vgl. auch Palm , 357–365) gestattete die Ausübung der Augsburgi-
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schen Konfession nicht mehr in den habsburgischen Erbft.ern Schlesiens, sondern allein in den
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Ft.ern Brieg, Liegnitz, Oels und Münsterberg sowie in der Stadt Breslau.
genugsamb versichert wehre, beede aber in
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corpore et forma universitatis gesundigt und sich dardurch ihrer privilegio-
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rum verlustigt gemacht hetten

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Den böhmischen Ständen waren ebenfalls 1609 in einem Majestätsbrief (1609 Juli 9; Hinweis
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für Druck: HGBL II, 194 Anm. 19; Druckauszug: DuMont V.2, 115f.) weitgehende Zuge-
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ständnisse zur Religionsausübung gemacht worden. Nach dem böhmischen Aufstand betrach-
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tete der Ks. diese als verwirkt ( HGBL II, 189f., 283–305). In Schlesien hatten sich 1633 die
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Hg.e von Brieg, Liegnitz und Oels und die Stadt Breslau in einer „Konjunktion“ mit Sachsen,
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Schweden und Brandenburg zur Sicherung des Protestantismus zusammengeschlossen. Nieder-
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schlesien schloß sich dem an. Durch den PF (s. o. Anm. 3) mußte sich Schlesien jedoch dem Ks.
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unterwerfen ( Palm ; Machilek ) .
, allermassen ihrer churfürstlichen durchlaucht
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zu Sachsen sowol alß ihnen, herrn abgesandten selbst, genugsamb bekand

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seye. Also wolte ich verhoffen, sie wurden dießohrts in ruhe stehen und in
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sachen, die Ewer Kayserliche Majestätt nimmermehr zugeben wurden, die-
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selbe bey yetzigen ohnedaß obhabenden beschwerlichkeithen unbehelliget
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lassen, und nehme mich wunder, daß sie hiervon einige weiter anregung thun
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möchten.

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Sie, die Sachsische, replicirten, daß sie dessen von ihrem gnedigsten herrn
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also befelcht seyen, konden nicht anderß thun, alß selbigem gehorsamiste ge-
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folg leisten. Die Schweden wolten wol gar in allen Ewer Kayserlicher Maje-
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stätt erblanden die religion eingefuhrt haben. Ich andtwortete, daß sie sich
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ahn die Schweden dießorthß nich[t]s zu kehren hetten, welche selbst erkend-
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ten , daß Ewer Kayserliche Majestätt wegen ihrer erbkönigreich und landen
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nicht deterioris conditionis alß andere chur-, fursten und stände geachtet
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werden könten. Thete mir leicht einbilden, daß ihre churfurstliche durch-
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laucht zu einwendung dergleichen officiorum von etlich wenigen sich zu
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Dreßden aufhaltenden emigranten angeloffen und bewegt wurden sein. We-
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gen Schlesien möchte endtlich noch diese moderation beschehen, daß bey der
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emigration die termini waß weit hinaußgestelt und deren außlauff und ver-
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fliesung so genaw und stracks nicht bestrafft wurden, welches sie, die Chur-
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sachsische , also ad referendum ahngenohmmen.

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Gestern nachmittag besuchte mich der Salvius

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Vgl. hierzu die kürzere Zusammenfassung des Gesprächs in nr. 51.
, alda wier vast von allem, waß
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zue diesen tractatibus gehört, und erstlich zwar von der amnestia discurrirt.
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Die, sagte er, müeste biß auff anno 1618 hinaußgestelt werden und daß Ewer
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Kayserliche Mayestät daßienige, waß sie nit darin haben wolten, auffsetzen
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lassen möchten. Ich invertirte diesen vorschlag und meldete, daß besagte am-
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nestia publicirtermassen bey dem uff anno 1630 gesetztem termino verbleiben
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muste, waß aber der cron Schweden ihrer sonderbahren sicherheit halben
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darbey bedencklich, mochten sie, die gesandten, erinneren, wolten alßdan se-
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hen , ob und wie wier unß gestalten sachen nach miteinander vergleichen
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könden. Daß andere wahre, die religion in Ewer Kayserlicher Majestätt erb-
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landen zu gestatten, womit ich ihne, weyln in Böhmen kein corpus Augusta-
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nae confessionis und vast niemand derselbigen zugethan, in Schlesien aber eß
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seine außgesetzte maaß habe, darmit ebenergestalt ab- und zur ruhe gewiesen.
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Daß dritte betraff die satisfaction der militiae. Da sagte er rundt, daß sie in
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Schweden kein gelt hetten und müste man sehen, weyln daß Römische Reich
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gar weith, wie man hie einem fursten ein regiment, dort wiederumb einem
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anderen eineß zuweisen thete. Daß viertte bestund auff der satisfaction und
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diese in ganz Pommern, Wißmar, Bremen und Verden. Diesem hinge er ahn,
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ob nicht daß stifft Minden dem churfursten von Brandenburg gegeben wer-
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den möchte. Alß ich ihme aber solches abgesprochen, ist er auff Großglogaw

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Glogau unterstand als eines der immediaten Erbft.er unmittelbar dem Kg. von Böhmen
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( Machilek , 103).

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und Sagan

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Mit dem schlesischen Mediatft. Sagan wurde 1628–1634 Albrecht von Wallenstein belehnt.
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Nach dessen Tod fiel es bis 1646 wieder an die Kg.e von Böhmen ( Machilek , 105).
gefallen, ob dan selbige seiner churfürstlichen durchlaucht nicht
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uberlassen werden könden, warmit ich ihnen ebenergestalt abgewiesen. Ist
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strax darauf auf Halberstat gefalen, so ich gleichfals strax negirt. Daß funffte,
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daß die gravamina oder der punctus deß geistlichen vorbehalts und der stiff-
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ter ahnstatt der begehrten perpetuitet auff 100 jahr hinaußgestelt werden
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möchten, iedoch wurde hieruber noch weiter zu tractiren sein. Wier solten
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allein die duplicam befurderen, deren sie gewertig sein und, sobald sie selbige
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haben wurden, mit allen dreyen Franzosischen plenipotentiariis zu Lenche-
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ring zusammenkommen und sich mit dem allerehisten darauff hinwiederumb
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erkleren wolten.

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Und weyln meine mitabgesandten zue Munster wegen der Schwedischen ar-
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mada anzug gegen diesen cräiß fast perplex und neben denen mediatoribus
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schier der mäinung worden, daß man diesen conventum dissolviren solte, al-
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lermassen Ewer Kayserliche Majestätt auß den beyschlussen sub littera A und
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B mit mehrerm zu ersehen, so hab ich sie zwarn lauth extract schreibens lit-
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tera C animirt, benebenß aber ursach und anlaß genohmmen, mit obgedach-
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tem Salvio hierauß wie auch wegen des armistitii zu reden. Es hat mir aber
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gedachter Salvius zur andtwort geben, daß diese stiffter von solchem zug in
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crafft deß praeliminarschluß befreyet bleiben wurden. Daß armistitium be-
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treffend wusten sie nit, wo sie daß volck hinthun solten, und dan auch, daß
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sich solches vor abgelegter duplica nicht wol erheben lassen werde. Wier
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werden also darauff bedacht sein, daß wier solche innerhalb zwey oder drey
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tagen alhie und zue Munster ubergeben und ablegen können.

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PS In particulari hat der Salvius des Paul Kevenhüllers

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Paul Khevenhüller (1593–1655); 1647 Frh.; zunächst Burggf. von Klagenfurt, dann im schwe-
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dischen Militärdienst, ging schließlich ganz nach Schweden ( SMK IV, 232f.).
, welcher in Schweden
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ist, wegen dessen confiscirten guetter gedacht, mit vermelden, daß sie den-
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selben nit wol lassen könten, sondern sich seiner restitution nothwendig an-
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nehmen musten, hat ihne sonst geruhmbt, daß er von guthen qualiteten
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seye.


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Beilagen A – C zu nr. 56


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Beilage A zu nr. 56

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Nr. 48.

32
Beilage B zu nr. 56

33
Nr. 47.

34
Beilage C zu nr. 56

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Nr. 51

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An den Ks. wurde die unvollständige Kopie des Schreibens vom 9. April 1646 übersandt, vgl.
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S. 108 Z. 9.
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