Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert
EINLEITUNG

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EINLEITUNG

Als man sich im November 1644 in Münster über eine neue Form der Vollmachten einigte, schien den eigentlichen Friedensverhandlungen

Im Folgenden sollen die Verhandlungsgegenstände nur skizziert werden. Eine Auswertung der Aktenschriftstücke ist nicht beabsichtigt. F. Dickmann behandelt den Zeitraum auf S. 163–243.
nichts mehr im Wege zu stehen. Am 4. Dezember sollten sie mit der Übergabe der ersten Propositionen eröffnet werden. Der Kaiser nannte als Verhandlungsbasis den Regensburger Vertrag von 1630 mit Frankreich und den Schönebecker Friedensentwurf von 1635 mit Schweden. Franzosen und Schweden hatten dem Hamburger Präliminarvertrag folgend zunächst nur von Zulassung ihrer Anhänger und Bundesgenossen gesprochen, nunmehr forder- ten sie die Admission aller Reichsstände zum Kongreß und die Franzosen zudem die Freilassung des Kurfürsten von Trier; materielle Vorschläge enthielten ihre Noten nicht. Ihr Bestreben war, dem Kaiser die alleinige Führung der Außenpolitik (das ius pacis et belli) zu entreißen und die Reichsstände daran zu beteiligen

Vgl. F. Dickmann S. 164.
. Die Sicherung des durch den Frieden Erreichten war für Frankreich eine Kardinalfrage. Es hielt den Frieden nur für gewährleistet, wenn alle Reichsstände an den Verhand- lungen teilnähmen und in eine Friedensgarantie einbezogen würden

Den Kaiserlichen waren diese französischen Ziele bekannt. Vgl. [ Nr. 57. ]
; lediglich für den Fall, daß die kaiserlichen Gesandten andere Sicherheitsgarantien böten, stellten die französischen Bevollmächtigten weitere Erklärungen in Aussicht .
Das Erscheinen aller Reichsstände hätte viel Zeit beansprucht und dem Gegner war, solange nicht alle Stände erschienen waren, immer die Möglichkeit gegeben, die Ver- handlungen hinauszuzögern. Darauf wiesen die kaiserlichen Gesandten hin, und sie betonten, daß es viel Zeit und Mühe kosten werde, sich de modo procedendi, consultandi et concludendi zu einigen. Sie sahen voraus, daß die Reichsstände sich das geforderte ius suffragii nicht nehmen lassen würden. Nur durch Ausschrei- bung eines ordentlichen Reichstages sei den Schwierigkeiten abzuhelfen, dieser aber könne nur vom Reichserzkanzler im Auftrag des Kaisers unter Wahrung ganz bestimmter Formen berufen werden . Am 3. Dez. 1644 war Gallas zwischen Wittenberg und Jüterbog von den Schweden geschlagen worden. Der Kaiser sah sich nunmehr auch noch vom Abfall der ihm bisher verbündeten Reichsstände bedroht. Durch alle Weisungen an die Gesandten zieht sich die Mahnung, sich nur ja nicht von den Ständen trennen zu lassen; immer wieder erklärt er sich eher zu Zugeständnissen bereit als dieses in Kauf zu nehmen. Die Gesandten werden zwar angewiesen, die Stände im Sinne der kaiserlichen Politik zu beeinflussen, sollten diese sich aber anders entscheiden, so solle man ihren Vorschlägen folgen. Das Reich sollte als ein geschlossenes Ganzes den Forderungen des Auslandes entgegentreten. Nach Einholung schriftlicher Gutachten seiner Geheimen Räte

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erteilte der Kaiser am 13. Januar 1645 den Reichsständen die Erlaubnis, Deputierte zum Kongreß zu schicken und bei dem Friedensschluß zu assistieren.
Noch waren erst wenige Reichsstände an den Kongreßorten eingetroffen, als d’Avaux Anfang Februar 1645 nach Osnabrück reiste. Dort verhandelte er mit den Bundes- genossen über den Zeitpunkt der Übergabe und den Inhalt der Propositionen. Er wies auf die Gefahren weiteren Zögerns hin, mußte sich aber auf die Bitten der schon anwesenden Reichsstände und auf Verlangen Schwedens mit einem Aufschub der Propositionen bis zur Ankunft weiterer Reichsstände einverstanden erklären. Der Satisfaktion wollte man in den Propositionen nur ganz allgemein gedenken, um so ausführlicher behandelte man die Friedenssicherung (assecuratio). Zu einer schweren Verstimmung der Schweden führte es, als die Franzosen am 24. Februar trotz dieser Absprachen auf Grund einer Weisung aus Paris, wo man diese Vereinbarungen nicht kennen konnte, und wohl auch, weil der Nuntius so dräng- te , den Kaiserlichen eine Proposition übergaben. Sie erklärten sich bereit, die Ver- handlungen zu eröffnen, beharrten jedoch weiter auf Erscheinen aller Reichsstände und auf Befreiung des Kurfürsten von Trier; vor allen anderen Sachfragen aber woll- ten sie die assecuratio behandelt wissen . In ihrer Replik wiesen die kaiserlichen Gesandten die französischen Forderungen zurück und begehrten, daß Frankreich endlich seine Friedensbedingungen nenne. Unter dem Eindruck der schweren Niederlage bei Jankau in Böhmen am 6. März 1645 mußte der Kaiser weitere bedeutende Zugeständnisse machen. Die General- amnestie wurde in Kraft gesetzt, der Deputationstag nach Münster verlegt, der Kur- fürst von Trier freigelassen, den kurfürstlichen Vertretern am Kongreß der Titel Exzellenz und damit der Rang von Gesandten souveräner Mächte zugestanden. Unterdessen berieten die Franzosen und Schweden weiter über die materiellen Frie- densbedingungen . Hart prallten die Meinungen vornehmlich in der Frage der Reli- gionsgravamina aufeinander

Vgl. u. a. [ Nr. 157. ]
. Als die beiden Mächte am 11. Juni 1645 endlich ihre Propositionen übergaben, wurden unterschiedliche Standpunkte deutlich. Gemeinsam war beiden die Forderung auf Entschädigung ihrer Bundesgenossen und ihrer Armeen und eine ganz allgemeine Erwähnung ihrer Satisfaktion, ohne daß Art und Umfang der Ansprüche genannt wurden, gemeinsam war ihnen auch das Bedürfnis nach einer Friedenssicherung. Während jedoch die Franzosen dieses nur ganz allgemein formu- lierten , brachten die Schweden einen speziellen Sicherheitsvorschlag vor. Die Behand- lung der Religionsgravamina forderten die Schweden als causa belli, in der franzö- sischen Proposition fehlten dagegen die Religionsfrage und der geistliche Vorbehalt vollkommen

Der vollkommene Verzicht auf diese beiden Punkte ist auf Betreiben der Vermittler, vor allem des Nuntius, zurückzuführen; vgl. [ Nr. 173 ] , dagegen F. Dickmann S. 183.
, dafür fand sich in ihr als Sonderbedingung, der Kaiser solle darauf verzichten, nach Friedensschluß den Spaniern weitere Hilfe zu leisten. In der Ver-

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fassungsfrage machten sich Frankreich und Schweden, gedrängt vor allem von Hessen-Kassel, die ständische Auffassung der Reichsverfassung zu eigen. Die Stände waren der Ansicht, daß das Recht zu Friedensschlüssen und Verträgen ihnen allen gemein- sam zukomme, und daß dieses Recht nicht nur die Ratifikation des Friedens, sondern auch die Friedensverhandlungen selbst beinhalte.
Die kaiserlichen Gesandten teilten die schwedische Proposition nur den Ständen mit, die zur Reichsdeputation gehörten, den anderen Ständen sollte die Teilnahme an den Beratungen verwehrt werden. Die Gegner begnügten sich indessen jetzt nicht mehr mit dem Deputationstag, sie wollten volles Stimmrecht für alle anwesenden wie alle künftig eintreffenden Stände. In Osnabrück, wo kein Vermittler vorhanden war, hatten die Schweden daher ihre Proposition nicht nur den kaiserlichen Gesandten, sondern auch dem magdeburgischen Bevollmächtigen, der im Fürstenrat in Osna- brück das Direktorium beanspruchte, übermittelt und um Mitteilung an die übrigen Stände ersucht. In dem nun eintretenden Ringen um den Verhandlungsmodus wichen die Kaiserlichen und die katholischen Stände Schritt für Schritt zurück

Vgl. F. Dickmann S. 186ff.
. Im Sep- tember setzten sich die evangelischen Stände mit ihren Vorstellungen voll durch. Alle Stände, die bisher auf Reichstagen Sitz und Stimme gehabt hatten, hatten diese auch hier. An jedem Kongreßort waren Mitglieder der drei Reichskollegien vertreten, und da an beiden Orten über dieselben Punkte gleichzeitig beraten werden sollte, waren eigentlich sechs verschiedene Beratungskörper entstanden. Die Beschlüsse sollten gegen- seitig ausgetauscht werden, und nur wenn ein Ausgleich nicht zu erreichen war, sollte die Gesamtheit der Stände entscheiden. Als die kaiserlichen Gesandten am 25. Sep- tember ihre Antwort auf die Propositionen der Kronen den versammelten Reichs- ständen in Münster und Osnabrück zur Beratung überreichten, war die Anerkennung der ständischen Auffassung der Reichsverfassung gegeben. Darüber hinaus wurde noch eine weitere Verhandlungsebene geschaffen, indem die Religionsangelegenheiten den konfessionellen Beratungsgremien (corpus Catholicorum und corpus Evangelicorum) zugewiesen wurden

Vgl. zum vorhergehenden APW [ III A 4,1 S. XXVf. ] sowie W. Becker, Kurfürstenrat S. 186–258.
.
Teilnehmerkreis und Verhandlungsverfahren waren nunmehr abgeklärt, in der Tagungsordnung schloß sich der Kaiser Punkt für Punkt der von den Kronen in ihren Propositionen vorgeschlagenen Ordnung an. Der Kaiser hatte wie bei allen entscheidenden Fragen den Rat der wichtigsten Kurfürsten (Mainz, Sachsen, Bayern) eingeholt, auf die Gestaltung der den Gesandten am 23. August 1645 übersandten Antwort auf die Propositionen der Kronen konnten deren Ratschläge jedoch noch keinen Einfluß haben. Die Beratungen des Reichsvizekanzlers Kurz in München sind indessen für die Gestaltung der geheimen Instruktion für den Obristhofmeister Trauttmansdorff, zu dessen Sendung nach Münster und Osnabrück sich der Kaiser entschloß, wirksam geworden . Dem Kaiser waren die französischen Satisfaktionsforderungen durch die bayerisch-französischen Verhandlungen des Früh-

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jahres 1645 zwar schon weitgehend bekannt, bei den Verhandlungen von Kurz in München wurden sie aber noch einmal konkretisiert und im Zusammenhang mit der pfälzischen Frage und der Schaffung einer 8. Kur erörtert. Entstehung und Gehalt der geheimen Instruktion für Trauttmansdorff, die in den Zeitraum des vorliegenden Bandes gehört, sind in APW I 1 eingehend dargestellt; mit der Ankunft Trautt- mansdorffs in Münster Ende November 1645 beginnt eine neue Ära des Kongresses, mit der der 3. Band der kaiserlichen Korrespondenz einsetzen wird.
* * * Die Art der Textauswahl und die Gestaltung der Regesten, die Datierung und die Wahl der Vorlagen erfordern einige Erläuterungen: Der vorliegende Band bringt wie der erste der kaiserlichen Korrespondenzen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – die Korrespondenzen des Kaiserhofes mit den kaiser- lichen Bevollmächtigten in Münster und Osnabrück sowie deren Korrespondenzen untereinander. Im Gegensatz zu APW II A 1 wurde der Nachlaß Nassaus im kgl. Hausarchiv in Den Haag in die Publikation einbezogen. Die im 1. Band in Bezug auf diesen Nachlaß ausgesprochenen Vermutungen haben sich bestätigt. Die Ausfertigungen der Weisungen an die Gesandten in Münster und die Ausfertigungen der Schreiben der Gesandten in Osnabrück an ihre Kollegen in Münster befinden sich bis zur An- kunft Trauttmansdorffs in der Kanzlei Nassaus, von da an sind die Ausfertigungen in der „Dienstregistratur“ Volmars zu finden. In der Registratur Nassaus sind durchgehend auch Kopien der Relationen an den Kaiser vorhanden (die Konzepte befinden sich in der „Dienstregistratur“ Volmars), daneben auch Kopien der meisten Relationen der Gesandten in Osnabrück an den Kaiser und der Weisungen an die Gesandten in Osnabrück. Weisungen und Berichte werden grundsätzlich ungekürzt und wörtlich abgedruckt. Nur rein referierende Zusammenfassungen von Berichten und Darstellungen von Vor- gängen , die nicht von der Betrachtungsweise des Ausstellers gefärbt sind, werden gekürzt wiedergegeben; alle Sachverhalte, die sich nicht unmittelbar auf die Friedens- verhandlungen beziehen (z. B. Kriegsnachrichten, Privatsachen, Finanzen, Empfeh- lungen ), werden nur in Stichworten angedeutet. Der Inhalt der Beilagen wird im allgemeinen nur dann in wörtlichem Auszug oder als Regest wiedergegeben, wenn erstens der Inhalt in knapper Form nicht schon aus dem Brief, in dem die Beilage genannt ist, hervorgeht und wenn zweitens das betreffende Schriftstück innerhalb der APW an anderer Stelle voraussichtlich nicht abgedruckt wird; so werden etwa die Protokollauszüge aus Osnabrück im Auszug gedruckt, nicht aber die Protokolle aus Münster, da diese im Diarium Volmar vollständig enthalten sind und in APW III C 2 erscheinen werden. Einige Gesandtschaftsberichte oder wichtige Stellen derselben sind verschlüsselt. Die Chiffre wurde nach Eingang der Berichte aufgelöst und der Klartext auf ein geson- dertes Blatt, zuweilen jedoch auch über der Chiffre oder am Blattrand nieder- geschrieben .

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Die Numerierung der Stücke besteht aus der halbfett gedruckten laufenden Nummer, und vor diesen der Nummer des Schreibens, das beantwortet wird – auch wenn es im ersten Bande steht –, dahinter der Nummer oder den Nummern des Schreibens oder der Schreiben, die auf das Schreiben antworten.
* * * All denen, die mich bei der Arbeit durch Hinweise und Auskünfte unterstützt haben, möchte ich an dieser Stelle meinen Dank wiederholen; sie alle zu nennen, ist mir unmöglich. Mein besonderer Dank gilt den Damen und Herren des HHStAs Wien und des Königlichen Hausarchivs in Den Haag, sowie nicht zuletzt dem Herausgeber der Acta Pacis Westphalicae , Herrn Prof. Dr. Konrad Repgen, der mich – wie schon beim 1. Band der kaiserlichen Korrespondenzen – großzügig unterstützte. Abschreibarbeiten bei den handschriftlichen Quellen leisteten Frau Elfriede Merla und Frau Hildburg Schmidt, auch ihnen schulde ich Dank.

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