Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
143. 123. Sitzung des Städterats Osnabrück 1648 Mai 29 8 Uhr

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123. Sitzung des Städterats


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Osnabrück 1648 Mai 29 8 Uhr

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Strassburg AA 1144 fol. 546–550’ = Druckvorlage; vgl. ferner Bremen 2 – X. 8. m. ( I ) mit
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Re- und Correlation. Conclusa in: Strassburg zu AA 1144; Bremen 2 – X. 8. m. ( II ) sowie
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2 – X. 10. b.

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Erhöhung des Angebots für die Armeeabfindung auf 5 Millionen Reichstaler. Satisfaktion der
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hessen-kasselischen Armee.

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Anwesend: Straßburg, Lübeck, Kolmar, Bremen auf der Rheinischen, Regensburg, Nürnberg und
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Lindau auf der Schwäbischen Bank.

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Herr Director proponirt: Demnach die herren abgesandten auß der vom
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Churmaintzischen directorio in pleno abgelegten relation und vortrag ma-
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teriam deliberandam, ob 1. auff allen fall die 5 millionen reichsthaler einzu-

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willigen und was 2. bey der Heßen Caßelischen satisfaction zu thun seye,
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selbsten angehört, alß werden sie sich darüber ohnbeschwert vernemen
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laßen

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Druck Meiern V S. 870f. ; zu den Verbandlungen ebd. S. 871f., 873f., 874–876.
.

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Lübeck. Ad 1. Seye bereits außgemacht, daß man bey den 5 oder zum höch
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sten 6 millionen gülden bestehen solle und zwar um soviel mehr, weiln er
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nicht vermuthen könne, daß die höhere weiter gehen werden. Wann es aber
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ja geschehen solte, werde man sich stättischen theils nicht separiren können,
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gleichwohl aber auch mit dem offerto sich nicht zu praecipitiren, sondern 1.
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usque ad extremum damit zuruckhzuhalten und expresse anzudeuten haben,
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daß man sich dies orths zu keinem quanto, ehe und bevor 2. die quaestio cui
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und der stände dem quomodo und puncto executionis angehengte condi-
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tiones ihre abhelffliche maß erlangt und 3. der friden immediate darauff
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erfolge, verstehen wolle oder könne. Sonsten dörfften besorglich diese offer-
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ten pure acceptirt, assignationes darauff gemacht und die stände mit auff-
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bringung ihrer quotae praecipitiret werden.

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Ad 2. Wolle er priora repetiren, daß nemblichen die frau landgrävin zu
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Heßen Caßel, daß sie sich propter rem pessimi exempli und wegen befah-
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render weit außsehender consequenz ihrer praetension, ratione satisfactionis
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militiae suae begeben und in ruhe stehen möchte, zu disponiren were. Solten
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aber die höhere für ein expediens halten, daß entweder ihrer fürstlichen
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gnaden das contingent, welches sie zur Schwedischen militae satisfaction
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beyzutragen hette, nachzusehen oder 2. von den 60 tonnen goldts für ihr ihre
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soldatesque etwas zu anticipiren sein würde, dörffte dieses vielleicht ein
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bequemes mittel, aus der sach zu kommen, und die Heßen in effectu
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damit wohl einig und fridlich sein. Bevorab, weiln sie selbsten in dem den
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ständen übergebenen memoriali auff dergleichen wege das absehen richten.
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Werde man also allein, was die höhere dabey thun werden, zu hören und zu
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vernemen haben.

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Regensburg. Seine meinung zu eröffnen, erhohle er vorige vota, daß er
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nemblichen von seinen herren und oberen 1. auff kein gewißes quantum,
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sondern es mit den majoribus zu halten, und daß sie sich 2. wie auch andere
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in Bayern gelegene stände (welches er, ad protocollum zu nemen, noch-
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mahlen bitte) mit erlegung ihres contingents an den churfürsten in Bayern
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nicht weisen laßen wolten, anzudeuten, instruirt und befelcht seye. Wann
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aber die höhere, so er jedoch nicht glauben könne, auff 5 millionen reichs-
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thaler gehen solten, müßte er es ad referendum annemen, und were die be-
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zahlung solcher summ auff 3 fristen und obligationes zu stellen.

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Ad 2. Gönne er der frau landtgrävin alles liebs und guths, wiße aber nicht,
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ob freundt oder feindt praetendirte satisfaction ihrer völckher bezahlen
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solle. Werde aber gleichwohl dabey, daß sie des reichs feindin nicht sein

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wolle, ohnangesehen sie demselben auch nicht viel genutzet und dahero
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auch keinen justum titulum hujus praetensionis habe, zu betrachten und was
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für inconvenientien aus der willfahrung entstehen würden, ihrer fürstlichen
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gnaden zu remonstriren sein und selbige auff die 600 000 reichsthaler keine
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rechnung zu machen haben, da aber je etwas solte bewilliget werden, were
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die Lübeckhische erinnerung zu attendiren, würden auch auff solchen fall die
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interessenten an ihrem contingent soviel dagegen widerum decurtiren und
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abkürtzen wollen.

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Kolmar. Ad 1. Diese quaestio seye schon affirmative erörtert und jetzt nur
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um determinationem determinati und ob man das quantum auff die 5 millio-
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nen reichsthaler extendiren wolle, zu thun. Weiln er aber zweiffle, ob die
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höhere dahin gehen werden, er auch ein mehrers einzuwilligen nicht, wohl
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aber, mit den majoribus sich zu conformiren, instruirt seye, alß wolle, was
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die höhere dabey thun werden, zu erwarten und mit denenselben sich in
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soweit zu conformiren und nichts für obligatori zu halten sein, es werden
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dann auch, wie in vorigen votis jüngsthin erinnert worden, quaestiones quis,
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cui et quomodo in richtigkeit gestellet, und weiln stättischen theils wegen
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der termin nur in genere anregung geschehen, hette man seines wenigen er
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meßens , dreyer termin in specie zu gedenckhen.

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Ad 2. Seye beschwärlich zu vernemen, daß auch ein standt von den anderen
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satisfaction begehren solle. Daß die herren Schwedischen sociis belli etwas
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nachsehen werden, wolle er zwar nicht daran zweiffeln, seye aber gleichwohl
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die anticipatio der 600 000 reichsthaler den ständen nicht zuzumuthen, weiln
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sie ohne das in contribution steckhen und ihr contingent selbsten bezahlen
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müßen. Wolle sich aber dießfalls mitt den höheren gerne conformiren und
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vergleichen.

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Nürnberg. Ad 1. Obwohl er zwar auch auff ein gewißes quantum nicht, son-
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dern vielmehr ersprießliche mittel, den friden zu suchen, instruiret seye,
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weiln aber gleichwohl die im Römischen reich hin und wider obschwebende
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kriegscontributiones viel ein mehrers als dieses quantum anlauffen und even-
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tualiter auff eine höhere summam geschloßen worden, alß werde man sich
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auch stättischen theils, wann anderst die höhere dahin gehen solten, damit zu
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conformiren und specialissime anzudeuten haben, daß man dabey nichts
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obligatorie versprechen könne, es seye dann die quaestio cui vorhero richtig
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und man gewiß, daß der churfürst in Bayern seine praetension der 3 craiß
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halben fallen laßen wolle.

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Ad 2. Könne er kein ursach ersehen, warum die frau landgrävin zu Heßen
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Caßel umb des hertzogen in Bayern willen, auch einige satisfactionem mili-
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tiae an die stände praetendiren wolle, zumahl wann man betrachte, daß es
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viel ein andere beschaffenheit mit den Schwedischen alß Heßischen völ
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ckhern habe, in deme jene vast nie keinen rechten monatsoldt empfangen,
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diese aber ihre richtige bezahlung erlangt und noch darzue gewiße quartier
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beständig gehabt haben, welche gewiße große differenz denen herrn Schwedischen

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neben deme, daß kein status auff seinen mittstandt einig jus zu praetendiren
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habe und also diese satisfactio gantz ohnbillich sein würde, zu repraesentiren
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were.

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Bremen. Was proponirte beede fragen anlange, repetire er ad 1., was bereits
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vorhin gedacht worden, daß er nemblichen auch seines orths auff kein gewi
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ßes quantum instruirt seye, sondern auff die majora dahero billich zu sehen
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und von denselben sich nicht zu separiren habe. Solten sich nun die höhere
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wegen des quanti, wie er zwar nicht hoffe, nicht vergleichen können, hielte
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er ohnmaßgeblich davor, man hette alßdann reichsstättischen theils auff 5
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oder 6 millionen gulden, ja gar auff die 5 millionen reichsthaler, wann nur
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leidenliche conditiones in dem quomodo und puncto executionis zu erhalten
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stünden und quaestio cui ihre richtigkeit erlangen thete, sich heraußzulaßen,
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dann es nicht allein ohnbillich, sondern auch ohnmöglich fallen würde,
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wann dem Bayerfürsten 3 craiß satisfactionis loco gegeben und die Schwe-
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dische satisfactio nur aus den übrigen 4 craißen bezahlet werden solte,
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dörffte dadurch denen Kayserlichen und noch anderen gleichmäßige forde-
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rungen auff die bahn zu bringen, anlaß und gelegenheit gegeben werden.

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Ad 2. Er halte davor, wann die herren Schwedischen nichts gefordert, die
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frau landgrävin hette es auch nicht gethan; weiln sie aber mit jenen in
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alliance stehe und die herren Schwedischen diese satisfaction pro parte suae
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satisfactionis halten, die frau landgrävin auch pro bono publico das ihrige
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zimblich bißdato gethan, alß vermeinte er, es köndte ihro dies orths gar
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wohl mit etwas willfahrt werden. Man hette aber insonderheit, was beede
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höhere collegia bey der sachen thun werden, zu sehen und in acht zu nemen.

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Lindau. Ad 1. Weiln man dies orths eventualiter bereits auff 5 oder 6 millio-
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nen jüngsthin gegangen, laße er es auch dahin gestelt verbleiben und wolle
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sich mit den majoribus vergleichen; jedoch aber werde zu erwarten stehen,
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was die höhere thun wollen, und gar wohl gethan sein, daß man bey erhö
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hung des anerbottenen quanti das jenige, was bey der quaestione cui et quo-
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modo vorhin geschloßen worden, praesupponire und mitteindinge.

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Ad 2. könne er sich mit den majoribus allerdings vergleichen.

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Herr Director . Er befinde, daß die herren abgesandten ad 1. allerseits einig
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und keiner, auch er an seinem orth nicht, auff dieses quantum der 5 millionen
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reichsthaler instruirt, sondern daßelbe auf ratification zu übernemen seye.
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Das quantum aber an sich selbsten betreffend, were nicht allein dahin zu
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trachten, daß es um befahrender consequenz willen nicht nur genennet, son-
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dern auff Römermonat gestellet und den herren Schwedischen, daß sie der
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stände sub spe rati übernommene offerten acceptiren wolten, zugesprochen
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werde. Welches sie auch verhoffentlich deßto lieber thun werden, weiln sie
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von der königin auf kein gewißes quantum, sondern die possibilitet instruirt
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seyen, jedoch were alles mit obangeregten praesuppositis, welche die höhere
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verhoffentlich auch beobachten werden, was man dies orths eingewilliget, zu
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offeriren.

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Ad 2. Könne er aus dictirtem Heßischen memorial und darinnen angeführ
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ten rationibus, daß der frau landgrävin zu Heßen Caßel militiae einige satis-
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faction zu geben, nicht befinden und seye das jenige, was im Nürnbergischen
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voto von dem underscheidt zwischen den Schwedischen und Heßischen völ
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ckhern erinnert worden, wohl zu beobachten. Mit dem anderen wegen anti-
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cipation der 600 000 reichsthaler vorgeschlagenen mittel werde es darum,
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weiln man davon ante restitutionem locorum nichts zu geben bewilliget oder
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verabschiedet habe, nicht abgehen. Sonsten aber genugsame fundamenta,
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dieses der frau landgrävin postulatum abzuleinen, sich befinden und weiln
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die herren Schwedischen deßelben gestriges tags nur inter abeundum und
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gleichsam obiter gedacht, bey dießseits vorhin gefaßten meinungen, deßto
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steiffer zu bestehen sein.

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Conclusum . Soviel primo das quantum concernirt, obwohln von stättischen
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gesandten keiner auff eine so hohe und übermäßige summam instruirt, weiln
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jedoch bey diesem werckh nicht, wie man gern wolte, fortzukommen, son-
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dern also darinn zu gehen, wie es jetztmahlige conjuncturen zugeben, und
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erträglicher fallen möchte, dem bereits bewilligten quanto etwas zu addiren,
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als den grundtverderblichen waffen ihren lauff noch länger zu verstatten, alß
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will man sich dies orths zu 90 monaten einfachen Römerzugs, doch anderer
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gestalt nicht erbotten haben, dann 1. auff ratification der herren principalen,
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2. mit dem an seitten des stättischen collegii bey der quaestione quis be-
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schehenem reservato conservandorum jurium, 3. wann die 7 craiß beysam-
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men bleiben, wie in quaestione cui bereits zum andern mahl geschloßen,
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4. daß die conditiones solutionis und sonderlich die drey zahlungstermin auff
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gewiße jahr und also, daß sie den ständen erträglich, eingerichtet, der friden
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5. immediate darauff geschloßen und 6. punctus executionis zuvor in richtig-
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keit gebracht werde.

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Und will man der zuverläßigen confidenz geloben geleben , die herren Schwedischen
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werden diese summ wenigst sub spe rati gleicher gestalt und zwar deßto
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leichter acceptiren können, weiln noch nie vernommen worden, daß ihre
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instruction auff ein gewißes quantum restringirt seye, wohl aber, daß sie eine
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offene und ohngebundene handt haben, also bey dem werckh zu gehen, wie
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es die possibilitet verstattet und denen ständen erträglich ist.

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Bey dem anderen puncten, die Heßen Caßelische satisfaction betreffendt, kan
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man einmahl nicht befinden, wie ihrer fürstlichen gnaden der frau landt
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grävin in ihrem petito zu willfahren seye, wegen des großen und selbst-
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bekandten underschiedts, der sich zwischen diesen und den Schwedischen
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völckhern enthaltet und daß ihre fürstliche gnaden pro hoste imperii nie-
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mahls gehalten haben, auff den andern fall auch schwäre consequentien da-
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raus erfolgen würden. Haltet demnach dafür, daß deroselben mit vorstellung
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beweglicher fundamenten zuzusprechen seye, daß sie von solchem ihrem
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postulato abstehe und in ihre mittstände deßwegen weitter nicht dringe.

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