Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
177. 155. Sitzung des Städterats Osnabrück 1648 August 18 9 Uhr

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155. Sitzung des Städterats


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Osnabrück 1648 August 18 9 Uhr

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Strassburg AA fol. 663’–667’ = Druckvorlage. Conclusa in: Strassburg zu AA 1144;
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Bremen 2 – X. 8. m. ( II ) sowie 2 – X. 10. b.; StA Bamberg RTA II. Reihe B 33 II nr. 7 fol.
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180’–181’.

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Kaiserlicher Beistand für Spanien; Ausschließung des Burgundischen Kreises und des Herzogs von
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Lothringen aus dem Frieden.

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Anwesend: Straßburg, Lübeck, Kolmar, Dortmund auf der Rheinischen, Nürnberg auf der Schwä
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bischen Bank.

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Herr Director proponirt: Weiln für dießmahl auff begehren herrn Serviens
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zu reden 1. de assistentia Caesarea wider Spanien, 2. de circuli Burgundici et
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3. ducis Lotharingiae exemptione, alß werden sich die herren abgesandten
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ohnbeschwerdt darüber vernemen laßen

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Zu den Verhandlungen vom 17. und 18. August Meiern VI S. 342 f.
.

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Lübeck. Ad 1. Obwohln dieser punctus Ihre Kayserlichen Kayserliche Majestät princi-
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paliter angehe, und man ohne dero der principalen zuthun an seiten der stände
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deßwegen nichts determiniren könne, weiln jedoch herr grav Servien darauff
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so hart bestehe und derenselben sentiment darüber zu wißen begehre, laße
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man es ex parte Lübeckh geschehen; und halte er, praeparatorie davon zu
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reden, dafür, daß es ratione assistentiae bey deme, was 1. bey der Kayser-
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lichen wahlcapitulation, 2. in den reichsabschieden deßwegen bereits enthal-
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ten und 3. in bevorstehendem fridensschluß zwischen den herren Kayser-
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lichen und Schwedischen verglichen worden, zu laßen und in crafft deßelben
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das reich in diese händel nicht einzuflechten, sondern biß zu dem wegen ab-
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danckhung der völckher treffendem verglich außzustellen und alßdann pari
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passu vorzunemen were.

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Soviel aber ad 2. et 3. den Burgundischen craiß und hertzogen von Lothrin-
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gen betreffe, müßen beede theil bey dem reich bleiben und von der matricula
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nicht eximirt werden.

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Nürnberg. Er habe sich vor dieser stachlechten frag jederzeit geförchtet
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und fast bedenckhens, sich ex parte Nürnberg außzulaßen, weiln diese sach,
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wie Lübeckh erinnert, nicht die stände allein, sondern vornemblich Ihre
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Kayserliche Majestät selbsten angehe und solche rationes dubitandi, welche
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nicht leichtlich auff eine seiten zu raumen, dabey vorkommen, dann gleich
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wie einem standt, dem anderen zu assistiren, erlaubt, also köndte auch dem
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Kayser solche macht absque indignatione nicht genommen werden und habe
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man also nicht stättischen theils, Ihre Majestät zu offendiren, gantz keine
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ursach, zumahl sie denselben in ihren juribus trefflich beygestanden und die

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stätt ihnen selbsten eine ohnaußlöschliche notam et maculam ingratitudinis
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solcher gestalt muriren inuriren würden. Demnach er aber sehe, daß aus diesem
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werckh anderst nicht zu kommen, man greiffe es dann an, alß were sich an
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seiten der stätt dahin zu erclären, daß es 1. ratione assistentiae bey der
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Kayserlichen capitulation und den reichsconstitutionen verbleiben und 2.
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Franckhreich versprochen werden solle, daß die stände, soviel möglich, ver
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hüten wollen wolten , daß kein volckh der cron Spanien zu hülff in dem reich
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geworben und zugeführet werden solle. Wiße zwar wohl, daß herr Servien
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damitt nicht acquiesciren werde, hette man derwegen auff temperamenta zu
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trachten und verschiedene gradus bey dem werckh zu gebrauchen, alß 1. die
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clausulam generalem, welche in instrumento pacis art. 2 do begriffen stehe, 2.
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wann man ad specialiora gehen und Spanien einige völckher im reich zu
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werben begehren wolte, daß daßelbe anderer gestalt nicht, dann ad certum
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numerum und zwar darum, weiln das Römische reich vorhin an mannschafft
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erschöpfft und der ihrigen bedürfftig seyen, erlaubet werde. Were aber dieses
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nicht zu verhüten, müße müeßte man Franckhreich eben soviel völckher als Spanien
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oder 3. durante hoc bello Gallico et Hispanico keinem theil nichts folgen
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laßen. Jedoch alles mit deren dem reservato, wie gedacht, und daß man herrn
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Servien nach Münster, ad partes tractantes principales sich zu erheben, er-
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suchen solle.

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Was übrige beede sachen betreffe, habe er jederzeit dafür gehalten, daß sich
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des hertzogen von Lothringen außer den lehen, welche er ab imperio habe,
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soviel nicht anzunemen seye

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Zum Verhältnis Lothringen und Reich vgl. G. Wolfram : Die lothringische Frage auf dem
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Reichstage zu Nürnberg und dem Tage zu Speier. In: Jahrbuch der Gesellschaft für lothringische
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Geschichte und Altertumskunde 2 (1890), O. Winkelmann : Beiträge zur Geschichte der
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staatsrechtlichen Beziehungen des Herzogtums Lothringen zum Reich ( ebd. S. 185–213);
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S. Fitte .
. Eandem rationem habe es zwar auch mit dem
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circulo Burgundico, daß derselbe von dem reich nicht abgezwackhet wer-
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den solle, weiln aber die cron Franckhreich denselben absolute haben wolle,
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werde man sich deßwegen mit ihnen, wie vor diesem mit Niderland ge-
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schehen , in krieg eben so wenig einzumischen, gemeint sein. Soviel die
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wegen der stiffter Metz, Toul und Verdun obschwebende differentias an-
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lange , haben sich seines erachtens die stände darum, weiln es sachen, die sie
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oder das Teutsche wesen directo gar nicht angehen, soviel nicht anzunemen.

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Kolmar. Gleich wie man sich zu erinnern, welcher gestalt die majores sich
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des reichs angenommen, also seye in der reichsconsitution de anno 1570 von
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assistenz frembder cronen dem werckh dergestalt prospiciret, daß, wann
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man selbige mit der cron Franckhreich postulatis conferire, sie einander
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gantz gleich seyen.

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Wegen Burgund habe sich das reich 2. auß besagten und anderen ursachen
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so groß nicht anzunemen.

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Der hertzog von Lothringen aber were 3. so absolute, quatenus scilicet est
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vasallus, und weiln es contra jura imperii lauffen würde, nicht zu abandon-

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niren . Auff allen fall aber könne er nicht sehen, wie sehr sich die cron
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Franckhreich, wann sie anderst lust habe, friden mit Spanien zu machen,
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wegen der assistenz zu befürchten habe, und wolle sich im übrigen mit den
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majoribus gerne conformiren.

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Dortmund idem.

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Herr Director. Eß were zwar, wie bereits angeregt, zu wünschen, daß man
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dieses werckhs, weiln es doch den interessenten auff keinen weeg werde
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recht zu machen sein, entübriget bleiben köndte, nach deme aber herr Servien
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so starckh darauff dringe, müeße man etwas wider willen thun. Nun concer-
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nire zwar, so viel den 1. betreffe, diese sach den Kayser allein, per consequen-
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tiam aber seyen auch die stände dabey interessirt, deren meinung, sich in das
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Spanische wesen einzumischen, zu keiner zeitt gewesen. Were also, wie
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Nürnberg vernünfftig vorgeschlagen, herr Servien, daß er sich mit der in
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instrumento Suecico art. 2 enthaltenen clausula generali begnügen laßen
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wolte, per deputatos zu ersuchen, 2. oder, wie ebenmäßig Nürnberg votiret,
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in entstehung deßen entweder ein certus numerus oder gar keiner, jedoch
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alles mitt vorbehalt der herren Kayserlichen resolution, vorzuschlagen. 3. Er
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aber vermeinte, man solte ein armistitium zwischen Spanien und Franckh-
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reich in vorschlag bringen der hoffnung, daß die sach indeßen mit selbigen
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beeden cronen zum friden gedeuen möchte. Widrigen falls aber solte keinem
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theil etwas von volckh gefolgt oder doch, wann es ja geschehen müßte, 4.
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nach außweisung der reichs constitutionen und mit vorwißen der stände,
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einige werbungen zu thun, erlaubt werden.

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Ad 2. were dem Burgundischen craiß in wehrendem armistitio die neutralitet
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zuwegen zu bringen. Der Lothringischen restitution halben halte er dafür,
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ob er zwar wohl ein standt des reichß seye, weiln aber das jenige, was er von
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dem reich zu lehen trage, ein schlechtes und geringes stückh seye, der krieg
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sich auch darum nicht angefangen und er irrequisitis statibus sich in diesen
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Frantzösischen krieg mit vieler stände höchstem schaden und ruin einge-
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drungen habe, alß könne diese handlung auff particular oder gar zu den
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Spanischen und Frantzösischen tractaten außgestellet, gleichwohl aber die
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dem reich davon zustehende lehengüther reservirt und vorbehalten werden.
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Welches alles aber, sofern auch die herren Kayserlichen damitt zufriden sein
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werden, zu verstehen seye. Wolle sich aber Lothringen zu diesem medio
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remissionis nicht bequemen und mit bißherigen bedrohungen fortfahren,
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werden die an seinen frontieren gelegene stände wohl zu vigiliren, und wie
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sie gegen seine invasiones sicher sein können, zu fragen ursach haben.
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Welches auch herrn Servien zu remonstriren sein wolle.

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Habe in eventum das conclusum abgefaßt, welches auch verlesen und aller-
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erst den 22. ejusdem zur re- et correlation gebracht worden.

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Conclusum. Vorbehaltlich der mit den herren Kayserlichen plenipotentiariis
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dieser sachen halben ohnumbgänglich erforderten handlung und praepara-
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torie davon zu reden, haltet man stättischen theils dafür, daß, soviel 1. Ihrer

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1
Kayserlichen Majestät assistenz gegen dem hauß Spanien betrifft, selbige, so
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weitt sie allerhöchstgedachte Ihre Kayserliche Majestät als Römischen Kay-
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ser concernirt, ihre richtigkeit neben

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3 der – und] Fehlt in Strassburg zu AA 1144.
der wahlcapitulation und den reichs-
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constitutionibus auch durch das instrumentum Caesareo Suecicum bereits
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sofern erlangt habe, daß die cron Franckhreich sich deretwegen gantz nichts
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zu befahren, sondern die difficultet in dem allein bestehe, wie sie sich als ein
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könig in Ungarn und Böheim oder als ein ertzherzog zu Österreich zu
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guberniren haben möchten? Bey welcher frag man der ohnvorgreifflichen
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meinung sein wolte, daß vorderist herrn grav Servien an statt des § i „Cum
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autem“ mit demjenigen, was articulo secundo instrumenti Caesareo Suecici
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enthalten, sich zu contentiren, noch einmahl sowohl immediate alß mediate
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durch herrn Salvii Excellenz mit vorstellung dienlicher motiven, beweglich
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zuzusprechen, auff den weigerungsfall aber 2. ein armistitium und anstandt
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der waffen zwischen der Spanischen und Frantzösischen armee facta prius
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utrinque restitutione locorum ad imperium pertinentium zum wenigsten biß
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in das früe jahr, wo nicht länger, vorzuschlagen were. Welchen falls die cron
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Franckhreich der assistenz halben keine gefahr, noch Ihre Kayserliche Maje
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stät einige verantwortung weder auff einer noch anderer seiten hetten.
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Würde der friden zwischen beeden cronen mittlerweil geschloßen, bekäme
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diese difficultet ihre abhelffliche maß dadurch von selbsten. Solte es aber
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wider zuversicht nicht geschehen, stünde zu versuchen, ob es 3. dahin zu
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richten were, daß herr grav Servien sich mit dem zufriden stelle stelte , wann
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vermög des fridensschlußes die völckher abgedanckht, daß nach der hand
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neue werbungen in dem reich,

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24–25 so – werden] Strassburg zu AA 1144 contra exteros wohl verhüttet werden
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können.
so lang der krieg zwischen beeden militiren-
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den cronen wehret, verhütet werden.

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Was den Burgundischen craiß 2. betrifft, were man deßelben durch die indu-
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tias beederseits gesichert; bey continuation des krieges aber, gegen der cron
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Franckhreich expresse zu bedingen, daß, wo derselbe nicht irgendt neutrali-
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sirt werden solte, wie mit der Franche Contee vormahls geschehen, dannoch
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die occupirende plätz dem Römischen reich verbleiben und nach geschlo
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ßenem friden widerum ohnweigerlich abgetretten werden solten. Dagegen
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das erbieten geschehen köndte, sich bey dem krieg nicht interessirt zu ma-
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chen , sondern dergestalt zu bezeugen, wie zu anderen zeiten under weh-
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renden Niderländischen kriegen mehr geschehen.

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Was 3. des hertzogen von Lothringen restitution betrifft, gleich wie deret-
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wegen bißdaher jeder zeit absonderlich tractiret worden, also köndte man sie
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nochmahln entweder zu particular tractaten oder der Spanischen fridens-
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handlung remittiren, doch dergestalt, daß in omnem eventum die vom reich
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rührende Lothringische lehengüther demselben ohnwidersprechlich bleiben
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sollen.

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Verstehet man sich allerseits zu gethanem vorschlag, hatt es seinen geweiß

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ten weeg damitt, widrigen falls aber, da die hostiliteten hinc inde continuiren
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solten, wolte auff ein zulängliches expediens zu gedenckhen sein, wie denn denen
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von dem hertzogen von Lothringen befahrenden an- und einfällen vorzu-
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biegen und insonderheit die an den frontieren geseßene stände davor sicher-
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zumachen und zu indemnisiren seyen. Were demnach diese nicht geringe,
6
sondern das gantze Römische reich, vornemblich aber die am Rheinstrom
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geseßene stände touchirende consideration herrn grav Servien wohl zu re-
8
praesentiren und eine satte erclärung von ihme darüber zu begehren. Jedoch
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alles mitt nochmahligem vorbehalt der herren Kayserlichen guthbefindung
10
und erinnerung, welche zu erlangen und dem werckh seine schließliche und
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verbindliche maß zu geben, kein ander mittel vor der handt sein will, alß daß
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herr grav Servien disponirt werde, sich zu solchem ende nach Münster zu er-
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heben , mitt angehengtem erbieten, alßbalden nachzufolgen und bey den
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tractaten, zu derenselben fürderlichsten erledigung nach möglichkeit zu con-
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curriren .

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