Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
21. 4. Sitzung des Städterats Osnabrück 1646 Januar 29 15 Uhr

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4. Sitzung des Städterats


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Osnabrück 1646 Januar 29 15 Uhr

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Nürnberg S I L 203 Nr. 19 fol. 8–10 = Druckvorlage; Strassburg AA 1144 fol. 11’–15;
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Ulm A 1560 o. F.; Isny Büschel 868; Esslingen „tomi actorum“ Bd. IV fol. 14–18; Lübeck
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Senatsakten Reichsfriedensschlüsse 24 o. F.; vgl. ferner Bremen 2 – X. 7. a. ( Extrakt ).

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Relation über Verhandlungen bei Trautmansdorff und Oxenstierna; Gravamina, Satisfaktion,
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Amnestie.

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Anwesend: Straßburg, Lübeck, Kolmar, Dortmund auf der Rheinischen, Nürnberg, Eßlingen,
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Memmingen, Lindau auf der Schwäbischen Bank.

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Der Lübeckische herr abgesande, so neben denen fürstlichen deputirten
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nomine collegii civitatum bey des herrn graven von Trautmansdorff Hoch
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gräflicher Excellenz gewesen

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Vom FR waren Altenburg, Weimar und Braunschweig zu Trauttmansdorff abgeordnet.
, referirt: Demnach man bericht erlangt, daß
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die catholische zu Münster begehrt hetten, man wollte evangelischen theils
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jemanden vollmacht auftragen, ihren auffsaz in puncto gravaminum darüben drüben
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von ihnen zu empfangen und übrigen nachmalen alhie zu communiciren,
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seyen der evangelischen fürsten abgesande gestrigen tags bey dem Magde-
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burgischen zusammen kommen

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Protokoll der fürstlich-lutherischen Gesandten vom 28. Januar 1646 in Meiern II S. 256 –258.
und nach abgelegter relation, was bey so
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gefähr- und praejudicirlichem der catholischen beginnen ratione loci tractan-
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dorum gravaminum zu thun sein möchte, gefragt, so dann für rahtsam
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angesehen worden, es solte nicht allein das Österreichische directorium
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durch die fürstliche Altenburgische, daß solche herrn grafens von Traut-
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mansdorff Excellenzen eingeschikt, sondern auch Seine Excellenz selbsten
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alsobald durch eine deputation von evangelischen fürsten und ständen
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gebührend ersucht werden, selbige hieher zu bringen und alsdann denen
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evangelischen zu communiciren, welche deputatio heute ihren fortgang
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gehabt, von Ihrer Excellenz wol aufgenommen und der stände suchen mit
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heutiger post zu secundiren versprochen worden. Hierauff hetten Ihre
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Excellenz unter anderm angefangen zu discuriren, sie hetten auß heutigem
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fürstlichem concluso verspüret, daß man den terminum amnistiae a quo auf
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annum 1618 seze, were wol zu bedauren, daß man in allem auf denen
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extremis beharren und Ihrer Kayserlichen Majestät zumuthen wollte, ihre
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erblande zu vergeben, da andere das ihrige bekommen sollen, seye allein der
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stände thun, da doch die Pfälzische, Böhmische und andere dergleichen
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händel eben so wenig als punctus gravaminum hierher gehören. Man habe ex
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parte der stände darauf geantworttet, der cronen alliance seye in anno 1636
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expresse dahin getroffen worden und die Bayrische forderung noch nicht
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allerdings richtig und liquid, dörffte wohl höher als auff 13 millionen an-
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laufen , was Churbayern den ständen abgepreßt. Neben deme seye 2º einer
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von den Sachsen-Altenburgischen herrn abgesanden bey herrn Oxenstirn
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gewesen, welcher bericht, die herrn Pfälzische seyn bey Ihrer Excellenz
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gewesen und hetten ihre sachen recommendirt. Von ihrer erklärung aber in
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puncto des religionsfriedens, derer sie mit verlangen gewartet, seye altum
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silentium gewesen. Seye derowegen in deliberation gezogen worden, 1. ob
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man die antwort gegen denen herrn reformirten noch dilatorie zu stellen
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oder man sich ex templo mit ihnen vergleichen wolle? 2. Was in specie gegen
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denen Pfälzischen zu thun?

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1
Herrn Oxenstirn Oxenstirns Excellenz habe begehrt, die evangelische wollten bey ihrer
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vormals gefaßten meinung verharren, werde nicht dahin kommen, daß der
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reformirten begehren in allem deferirt werden müse. Die cron Schweden
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werde nicht den calvinisten, sondern denen evangelischen beystehen. Er
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hette ihnen gesagt, wann sie im religionfrieden begriffen seyn, hetten sie
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sich selbsten zuviel blos geben; seyn sie aber nicht darinnen, wie sie selbsten
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gestehen, so seye weiter von der sach zu reden, vorab weiln sie sich unserer
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religion zugethan zu sein berühmen, können also dilatorie beantwortet
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werden, biß man zu denen tractaten selbsten komme.

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Denen Pfälzischen sollte man den deckel vom hafen thun und sagen, was im
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weg stehe. Man wolle ihnen zwar in ihrer sach nach möglichkeit assistiren,
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müsse aber zuvorderst gewiß sein, weßen sich gegen ihnen zu versehen. Er,
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der Lübeckische, hette ihnen bereits parte davon gegeben, damit sie deßen
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wißenschafft haben; vermerke wol, daß sie auf ihrer meinung noch steift
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beharren, so er nimmermehr geglaubt hette.

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Heute seye im fürstenraht

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FR Osnabrück vom 29. Januar 1646 in Meiern II S. 300 –310.
quoad punctum amnistiae der terminus

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16 a quo] Zusätzlich in Strassburg , Esslingen wiederumb.
a quo
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vorkommen und hette das Österreichische directorium so viel zu verstehen
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gegeben, man werde selbigen nicht von anno 1618 hernehmen können. Pfalz
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seye eine sonderbare sach, Baden Durlach habe sich verglichen, Würtem
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berg und Nassau seyn bereits restituirt.

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Magdeburg habe zwar den aufsaz abgelesen, wie im haubtbedenken abge
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faßt , die meisten aber ihnen fernere nohturfft und erklärung ratione perso-
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narum vorbehalten

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Magdeburgisches Votum in Meiern II S. 310–312.
.

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Jura statuum betreffend seye beym fürstenraht das votum in effectu außge
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fallen wie alhier. Herr Lampadius aber habe erinnert, es werde nöhtig seyn,
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daß die herrn stättischen mit ihrem memorial in puncto commerciorum ein-
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kommen

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27 sollen] Fehlt in Ulm , Isny , Lübeck .
sollen, so er zu referiren übernommen.

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Das Directorium bedankt sich gegen Lübekh der erstatteten relation und
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sagt: Höre sehr ungern, daß herr graf von Trautmansdorf mit heutigem
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concluso in puncto amnistiae nicht zufrieden sein solle

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In ihrem Gutachten ( Meiern II S. 312 –317) verlangten die fürstlichen Gesandten – wie die
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schwedischen – die Amnestie von 1618 an, während die Kaiserlichen sich auf 1630 festgelegt hatten
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(zum Abstimmungsverhältnis im FR ebd. S. 299).
; verhoffte doch, es
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werde sich auf einnehm- und erwegung der

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31 moventien] Esslingen , Isny , Lübeck motiven.
moventien auf beßere wege
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einrichten laßen.

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Wegen der herren reformirten könne man sich wol mit denen herrn fürst
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lichen vergleichen, seye ein schwär werkh und gewißenssach, daraus groß
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unheil entstehen könne; were bey Gott und vor der welt unverantwortlich,
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wann man ihnen zu restitution behülflich erscheinen wollte, daß sie nach-

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1
maln die unserigen desto beßer außtreiben und verjagen könnten. Wann sie
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schon restituirt werden sollten, müste es doch mit gewissen conditionen
3
geschehen, damit die unserige sicher und ruhig bey ihnen bleiben können.

4
In puncto commerciorum halte er nicht nöhtig zu sein, denselben zu anti-
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cipiren , sondern wann die herrn anseestättische mit ihrem fernerem bericht
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gefaßt, könnten übrige 3 puncten dieser class auf einmal durchgangen
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werden.

8
Nürnberg referirt: Es habe herrn Oxenstirns Gräfliche Excellenz nach ihme
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geschikt und gefragt, was die herrn catholici für meinungen wegen des loci,
10
da die gravamina zu tractiren, führeten? Ob sie selbige nach Münster ziehen
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wollten? Hette er geantwortet: Die catholici sagen, seyen nicht schuldig,
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ihrem eigenen unglükh entgegen zu gehen und hetten die herrn Franzosen
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nunmehr auch litem suam gemacht. Seine meinung aber seye jederzeit
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gewesen, daß solche weder divisim noch conjunctim zu Münster, sondern
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alhie zu tractiren seyen. Habe deßwegen zu Münster erinnert, daß man
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gewisse subjecta dazu deputiren solle. Hierauf habe herr Oxenstirn quoad
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materiam gefragt, ob hoffnung seye, mit außzulangen, werde grose weitleuff-
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tigkeit abgeben, vornemlich in puncto des geistlichen vorbehalts. Er habe
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geantwortet, es seyn bereits etliche vorschläg auf die bahn kommen, als 1. ob
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die anzahl der 40 Jahr auf 100 verlängert und denen evangelischen ihr jus
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vorbehalten oder 2. in ecclesiasticis alles auf das jahr 1618 gestellet oder 3.
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denen erz- und bischoffen, praelaten und anderen geistlichen erlaubt werden
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könnte, ohne verlust ihrer beneficien und praebenten zu unserer religion zu
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treten, doch, daß die land zu reformiren, in etwas limitirt würde? Worüber
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der herr Oxenstirn gesagt: Höre es sehr gerne, halte dafür, daß ein jeder
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unter diesen 3 vorschlägen sich werde practiciren laßen.

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Herr graf von Trautmansdorf liege ihnen beständig in ohren, punctum satis-
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factionis a part abzuhandlen

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Vgl. Salvius an Gyldenklou vom 2./12. Februar 1646 (APW [ II C 2 S. 138–140 ] ).
, so sie aber nicht thun wolten wollen , doch werden
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sich die stände auch selbsten nicht versäumen müssen. Sonsten verhoffe

40
29 er] Zusätzlich in Strassburg , Ulm , Esslingen , Isny , Lübeck der Nürnbergische.
er,
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es werden sich die reformirten noch so erklären, daß die evangelische sich
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nicht werden zu beklagen haben. Punctus commerciorum solle noch nicht
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vorgenommen werden, habe sich dabey nicht auffzuhalten, treffe meisten-
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theils die lezt ankommene an. Wegen puncti amnistiae referire er sich

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33–34 auf – votum] Strassburg , Ulm , Esslingen , Isny , Lübeck des Lübeckischen
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relation.
auf das
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Lübekhische votum, wiße nichts zu addiren. Der Prager Frieden seye zwar zu
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Regenspurg ratificiert worden, man müsse aber darumb nicht dabey bleiben,
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sondern auf eine vollkommene amnistiam et restitutionem tringen. Die
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amnistia könnte von anno 1627, außer was res judicatas belangte, wol ange-
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nommen werden, habe vor diesem zu Frankfurth mit herrn Stenglin gewal-
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tig disputat gehabt, ob die restitutio allein auf das possessorium oder zu-

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1
gleich auch das petitorium gehe. Seines theils habe er die erste meinung
2
jederzeit beharret, wie noch. Die stätt seyn in puncto amnistiae am meisten
3
interessirt, die höhere stände gehe er nicht sonderlich an.

4
Eßlingen. Bedankt sich gegen beeden herrn abgesanden wegen abgelegter
5
relation, laße das übrige an seinem ort bewenden.

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Kolmar. Bedankt sich ebenmäsig beschehener communication halber, weis
7
nichts dabey zu thun; seye gewis, daß herr graf von Trautmansdorff die
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particular tractaten bey denen cronen gewaltig urgire. Die Franzosen haben
9
ihr gemüht bereits eröffnet und versichert, daß sie sich zu keinen particular
10
tractaten verstehen werden.

11
Wegen der reformirten habe man sich in der nähe mehr zu besorgen als in
12
der ferne.

13
Materiam belangend laße ers bey dem, wie bereits angesprochen, bewenden.
14
Stellt zum nachdencken, ob nicht bey dem puncto amnistiae auch der auf-
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geschwollenen steuern, welche die reichsstätte Ihrer Kayserlichen Majestät
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jährlich zu geben haben, in etwas zu gedenken und demselben einzurukhen
17
seye? Item: Ob nicht noch in diesem puncto einzubringen die wörter: „alias
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et occasione belli“?

19
Memmingen. Bedankt sich gegen beeden herrn abgesanden wegen erstatte-
20
ter relation, verspüre, daß schwere discurs ein und andern orts, sonderlich
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wegen der reformirten gefallen. Seye eine gewißenssach und derselben
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weiter und reiflich nachzudenken und im ubrigen fortzufahren.

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Dortmund. Bedankt sich ebenmäßig der vertreulichen apertur. Seye be
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kümmerlich zu hören, daß die herrn Caesareani ob dem Prager frieden noch
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alle zeit so fest halten, seye punctus amnistiae in ecclesiasticis so wol als in
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politicis auf anno 1618 zu sezen.

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Wo die reformirten einige protection gehabt, haben sie sich auch des juris
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territorialis angemaßet, wie deßen exempla vor augen. Sie würdens ärger als
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die catholischen machen, wann ihrem begehren simpliciter deferirt werden
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sollte; deßwegen man sich wol vorzusehen habe, damit es nicht

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30 heise] Zusätzlich in Ulm , Esslingen , Isny , Lübeck Secundum tritum illud.
heise: Incidit
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in Scyllam, qui vult vitare Charybdim.

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Lindau. Bedankt sich abgelegter relationen, verspüre, daß herrn grafen von
33
Trautmansdorf Excellenz sich über das heutige conclusum im fürstenraht in
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puncto amnistiae difficultire und
34 beschwere.] Zusätzlich in allen anderen Überlieferungen Conformire sich in übrigen
41
punctis mit dem Nürnbergischen voto.
40
beschwere. Conformire sich in übrigen punctis mit dem Nürnbergischen voto.

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Straßburgisches Directorium. Verliest darauf den zu papier gebrachten
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aufsaz in puncto amnistiae; halte nicht, daß man der fürstlichen in diesem
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puncten zu erwarten habe; seye unvorgreifflich, weiln es ohne das zu keiner
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re- et correlation gelange. Stellt zu der herren abgesanden belieben, ob sie

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1
sich alsobalden oder erst nach der communication darauf erklären und ver-
2
nehmen laßen wollen.

3
Worauf die herren abgesande sich insgesambt der mühe bedankt und umb
4
communication gebetten.

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