Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
168. 146. Sitzung des Städterats Osnabrück 1648 Juli 22 9 Uhr

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146. Sitzung des Städterats


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Osnabrück 1648 Juli 22 9 Uhr

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Strassburg AA 1144 fol. 636–640 = Druckvorlage; vgl. ferner Bremen 2 – X. 8. m. ( I ) mit
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Re- und Correlation. Conclusa in: Strassburg zu AA 1144; Bremen 2 – X. 8. m. ( II ).

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Antwort auf die Forderung der kaiserlichen Gesandten zur Abfindung der kaiserlichen Truppen.
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Mögliche Ermäßigung des kurkölnischen Kontingents an der schwedischen Militärsatisfaktion bei
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Erschließung neuer finanzieller Quellen.

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Anwesend: Straßburg, Lübeck, Kolmar, Dortmund, Bremen auf der Rheinischen, Regensburg,
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Nürnberg und Lindau auf der Schwäbischen Bank.

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Herr Director proponirt: Es habe das Churmaintzische directorium ihme
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angedeuttet, daß davon zu reden sein werde, 1. weßen man sich auff der
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herren Kayserlichen außgestelte replic an seiten der stände resolviren und 2.
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was bey der gesuchten Churcölnischen moderation zu thun sein wolle. Ob
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man nun wohl gegen herrn Volmarn desjenigen, was beyder puncten
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halben in neulichkeit eventualiter geschloßen worden, gedacht, habe er je-
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doch dagegen vermeldet, sie, die herren Kayserlichen, köndten diese sach
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auff keinen reichstag verweisen laßen, wolten auch das instrumentum pacis
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anderer gestalt nicht, als sofern die stände das zu Ihrer Majestät milizsatis-
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faction begehrte quantum einwilligen und Churcöln in seinem begehren, daß
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man ihme nemblich den halben theil von denen, zur Heßischen satisfaction
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zu geben, verglichenen 600 000 reichsthaler abnemen und übrigen ständen
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zuelegen möchte, contentirt sein werde, subscribiren und underschreiben.
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Wolle demnach, was bey dem werckh zu thun, vernemen und umb eröff
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nung der herren gesandten gedanckhen gebetten haben.

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Lübeck. Er wüßte seines theils nicht, wie dem werckh näher zu kommen
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sein möchte, alß wann man es bey vorigen in quaestione quis et cui außge
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fallenen conclusis bewenden ließe. Stelle aber doch zum nachdenckhen, ob
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wegen Churcöln vorzuschlagen, daß Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht zu
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beßerer auffbringung ihres contingents an statt parer bezahlung entweder
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deßto mehr in assignation, dahin gestriges tages der herren Kayserlichen
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erclärung etlicher maßen geziehlet, zu bringen oder der reichsritterschafft
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quota, wiewohln ihme, was dieselbe außtragen möchte, nicht wißendt seye,
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zu überlaßen were; die last aber ihme völlig ab und den ständen auffzubür
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den , seye eine ohnmögliche sach; und wann der churfürst zu Cöln ja ver-
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meine , daß er dem reich etwas zu dienste oder besten gethan, möge er bey
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denenselben, denen er was guthes gethan, satisfaction oder beyhülff suchen
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und begehren.

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Ad 2. Wolte Wolle zwar, etwas zu verwilligen, sehr schwär fallen; jedoch weiln die
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herren Kayserlichen selbsten einen termin vorschlagen, köndte endtlichen
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die quaestio an, weiln man der herren Kayserlichen hülff bey diesen tractaten
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zimblich genoßen habe, mitt den majoribus affirmative resolvirt, das be-
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gehrte quantum aber auff nechstkünfftigen reichstag, und was alßdann des
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reichs zustandt mit sich bringen möchte, verwiesen werden.

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Regensburg. Gleich wie er auff das erste gantz nicht instruirt seye, alß wiße
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er auch nicht, was darzu zu sagen, sondern halte dafür, daß vorige in quae-
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stione quis diß orths gefaßte meinungen hiehero zu repetiren und dahin, was
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die höhere thun möchten, zu stellen seye. Ad 2. seye es damit also beschaffen,

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daß mitt denen von den herren Kayserlichen begehrten 100 Römermonaten
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auffzukommen, den ständen ohnmöglich fallen würde. Wolten aber die
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höhere sich etwas näher erclären, were es ad referendum dies orths anzu-
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nemen und anzudeuten, daß man zwar stättischen theils bey der quaestione
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an von den majoribus sich nicht separiren wolle, ob defectum mandati aber
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auff kein gewißes quantum außlaßen könne.

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Kolmar. Was 1. der herren Kayserlichen anforderung betreffe, finde er,
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auch gar ad quaestionem an sich affirmative außzulaßen, bey seinen herren
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nicht zu verantworten, sondern wolle es ad referendum nemen und dafür
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halten, man solle sich an seiten der stätt mit dem defectu mandati entschul-
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digen und die androhende underlaßung der subscription sich nicht schrek-
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khen laßen. Bey dem 2. die Churcölnische praetension anlangendt, laße er es
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bey vorigen conclusis, die er hiehero repetirt haben wolle, allerdings be-
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wenden .

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Nürnberg. Er widerhohle zwar seines theils, daß er weder ratione Churcöln
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noch der herren Kayserlichen satisfaction von seinen herren und oberen
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instruirt und befelcht seye, ebenmäßig hieher. Solte aber dem werckh je etwas
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näher gegangen werden, köndte es anderer gestalt nicht, als sub spe rati
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geschehen. Sonsten touchiren die Cölnische rationes nicht das stifft allein,
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sondern auch die obere craise, welche Frantzösische, Schwedische und Bay-
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erische einquartirungen, contributiones und andere exactiones übertragen
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müßen, die gegen des stiffts Cöln beschwärden darum viel schwärer zu
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rechnen, weil diese undere lande ihre handlung und veldtbau noch immer
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forttreiben können, hingegen die oberen craise den krieg 10 oder 20 jahr
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continuirlich auff dem halß gehabt haben. Zu dem seye bey den stätten von
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des churfürsten in Cöln kriegsexpeditionen nichts vorgebracht oder verhan-
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delt , sondern das werckh nur am Bayerischen hof tractirt und angesponnen
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worden und also ihnen, einigen entgelt deßwegen zu haben, nicht zuzu-
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muthen . Endlichen auch causa petendi, welche aus anderen principiis her
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rühre , zu consideriren, weil die frau landtgrävin zu Heßen Caßel, nachdem
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sie anfänglich von Churcöln lacessirt und ihre landt mit rauben und brennen
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feindtlich angefallen worden, daran, daß sie sich des schadens bey ihme
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erhohlen wolle, nicht übel, sondern vielmehr wohl thue. Gesambte stände
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aber deßelben, was Cöln gegen Heßen gethan, nicht entgelten können, son-
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dern mögen dieselbe, denen zu guth er seine völckher gehalten, ihme wider-
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um under die arm greiffen. Stelle es aber nochmahlen dahin, wann höhere
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sich auff etwas gewißes einlaßen solten, ob man sich dies orths mit ihnen ver-
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gleichen , daßelbe sub spe rati annemen und entweder zu dem ersten termin
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einen particul von der reichsritterschafft beyhülff überlaßen oder einen und
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zum höchsten zween Römermonat versprechen wolle.

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Ad 2. sehe er nicht, wie man sich darauff einlaßen könne, zumahln er von
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seinen herren und oberen keinen befelch und nicht verhofft hette, daß Ihre
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Kayserliche Majestät gleich dem feindt etwas fordern werden, in betrach-

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tung , daß dieselbe bereits vorhin das alterum tantum von den ständen her
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außgepreßt haben. Wann man aber je etwas zu geben verwilligen solte, were
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zu consideriren, daß die herren Kayserlichen nicht allein hiebevor selbsten
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dafür gehalten, es wolle sich in quaestione an nichts affirmative schließen
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laßen, sondern auch gesagt, man hette mit den 5 millionen reichsthalern alle
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armeen bezahlen können und seye genug, wann sie 2 millionen reichsthaler
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haben; und dahero auch erinnerlich anzuhenckhen, daß sich Ihre Majestät,
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weiln sie bereits anticipando ein namhafftes empfangen, daßelbe einzurech-
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nen und hernach zu defalciren, disponiren laßen wolten. Wann die höhere
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quaestionem an affirmative resolviren, hetten die stätt sich zwar davon nicht
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zu entbrechen, gleichwohl aber alles sub spe rati zu übernemen.

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Dortmund. Ad 1. Gleich wie in der vorsitzenden herren abgesandten votis,
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warum man sich auff quaestionem an affirmative nicht außlaßen solle, ge-
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nugsam außgeführt, also werde das jenige, was in quaestione quis et cui
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vorhin geschloßen, seines erachtens fleißig zu beobachten sein.

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Ad 2. Dieweiln gewiß, daß die Cölnischen, biß sie etwas erhalten, caelum et
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terram moviren werden, alß hielte er dafür, wann zu accelerirung des fri-
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denswerckhs der sachen, des Lübeckhischen vorschlag nach, mit überlaßung
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der reichsritterschafft contingents, oder, nach des herrn Nürnbergischen er-
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innerung , mit 1 oder 2 monaten geholffen werden köndte, daß diese zwey
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mittel zu befürderung der abdanckhung zu practiciren weren.

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Lindau. Ad 1. Were zwar Churcöln begehrte moderation wohl zu gönnen,
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weiln aber dardurch anderen und sonderlich denen mit guarnisonen belegten
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stätten ein größeres onus auffwachsen würde, alß seye prioribus conclusis
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beständig zu inhaeriren und wegen der reichsritterschafft vorgeschlagener
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anweisung, zumahln sie wenig außtragen und zu anderen auß lagen beßer zu-
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statten kommen würde, seines erachtens anzustehen.

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Ad 2. Weiln bereits genug, daß von vorigen meinungen abzuweichen kein
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ursach vorhanden seye, geredet worden, alß wolle er sich auch an seinem
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orth darauff bezogen und mit den majoribus verglichen haben.

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Bremen. Er wolle sich bey diesen sachen, zumahln davon nach nothdurfft
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bereits geredet worden, nicht lang auffhalten, sondern zuvorderst des herrn
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Nürnbergischen rationes hiehero repetiren und, daß ratione beeder puncten
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bey vorigen conclusis zu verbleiben, jedoch aber, wann höhere weiter gehen
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solten, mit denselben sich zu vergleichen were, ebenmäßig dafür halten.

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Herr Director. Es seye eine stachlechte frag, was ad 1. wegen der Churcöl
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nischen praetension zu thun. Angeführte rationes aber leichtlich zu beant-
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worten , dann soviel justitiam causae belange, erfordere zwar dieselbe, daß
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Ihre Churfürstliche Durchlaucht zu Cöln nicht härter als andere beschwäret
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werden; es seye aber, was mit Heßen Caßel vorgegangen, ein particular
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werckh. Die vorschützende impossibilitet 2. betreffend, seye es darum, weiln
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sie den Heßischen monatlich 16 000 reichsthaler aus dem stifft Cöln und

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Münster geben müßen, nicht so gar ein ohnmögliches werckh. Daß der
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churfürst 3. das gantze fridensgeschäfft deßwegen auffhalten werde, könne
3
er nicht, sondern vielmehr, daß er daßelbe, zum ende zu bringen, trachten
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werde, vermuthen, obwohln nicht ohn, daß die Spanischen den churfürsten
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gewaltig steiffen und sagen, er solle sich nicht härter als andere belegen
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laßen, sondern lieber auff ihre seitten tretten. Weiln man aber in neulichkeit
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gehöret, daß die höhere quaestionem an affirmative resolviret, alß stehe
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dahin, wann es bey deme, worauff die höhere gehen, verbleiben solte, was
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man stättischen theils thun wolle. In betrachtung, daß sich der wenigere theil
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zur stell und niemandt dahin instruirt befinde, der andere laßt zimlich und
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zwar so groß seye, daß deßwegen tägliche querelen und lamentationes ein-
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kommen , dasjenige, was man bey Churcöln zu evitiren vermeine, anderen
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allererst zu hauß kommen dörffte, die meisten stätt, sonderlich in den oberen
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craißen also ruinirt, daß sie mit dem ersten contingent nicht werden auff-
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kommen können, und man dies orths, als der schwächere theil, anderen das
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gelt aus dem seckhel nicht votiren könne. Seye also schwär, ein mittel, aus
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diesem werckh zu kommen, zu erfinden, wohl aber zu besorgen, daß die
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assignationes, weiln die Churcölnischen interessenten keine assignationes,
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sondern erleichterung begehren, verlacht und, ihnen die reichsritterschafft
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anzuweisen, sich darum nicht thun laßen werde, weiln dieselbe nicht von
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dem reich collectirt, sondern von dem Kayser selbsten, wann er etwas von
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ihr haben wolte, requiriret werde

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Gemeint ist das subsidium charitativum, das die Reichsritter dem Kaiser entrichteten (H. H.
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Hofmann S. 95–106 ).
und man endtlich auch mit oblation 2 oder
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3 monaten dies orths extra limites schreiten würde und defectum mandati
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nicht mehr vorschützen köndte.

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Ad 2. Seye beschwärlich, daß die herren Kayserlichen eine conditionem sine
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qua non darauß machen wollen, bevorab, da die diversitas rationis vor augen
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lige und ihnen selbsten dergestalt bekandt seye, daß sie selbsten vor eine ohn
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möglichkeit , ihnen soviel, als den herren Schwedischen versprochen wor-
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den , zu bezahlen, gehalten haben. Und obgleich der termin weit hinausge-
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setzet werden solte, dannoch ohngewiß seye, ob die zeiten und der zustandt
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des reichs alßdann so beschaffen sein werde, daß man etwas werde geben
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oder das Schwedische quantum völlig abtragen können. Welches alles von
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den herren Kayserlichen, zumahln man sonsten auff diese weiß in die stände
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beharrlich setzen köndte, beweglich zu remonstriren were, und könne für
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dießmal anderst nicht bey der sachen gegangen werden, alß daß man sel-
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bige und zwar umb soviel mehr ad referendum neme, weiln es mit den
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stätten eine solche beschaffenheit habe, daß man in dergleichen fällen nicht
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praeceptive gehen könne, sondern auch mit den bürgern darauß reden
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müße.

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Conclusum. Man hett hatt nicht underlaßen, die abermahls zur consultation ge-
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stelte beede fragen nach allen umbständen zu erwegen. Möchte auch Ihrer

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1
Churfürstlichen Durchlaucht zu Cöln und anderen interessenten ihre erleich-
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terung von hertzen gönnen, wann sie allein ohne beschwärung anderer und
3
sonderlich mitt einquartirungen, contributionen und anderen exactionen biß
4
auff den eußersten grath ersogener stände und auffenthalt des fridens ge-
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schehen köndte. Demnach aber zu besorgen, es dörffte sich die abdanckhung
6
der Schwedischen völckher und evacuatio locorum alßdann erst steckhen,
7
wann man übrigen in den 7 craisen situirten ständen eine mehrere last auff
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bürden wolte, da noch gantz ohngewiß, ob mitt dem verwilligten Schwedi-
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schen quanto in primo solutionis termino auffzukommen sein werde, alß will
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sich umb dieser und anderer jüngstangeführter trifftiger motiven willen das
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medium moderationis dies orths nicht wohl erzeigen. Wann man aber dafür
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halten wolte, daß dem werckh um etwas damitt zu helffen, wann 1. von dem
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Churcölnischen contingent ein zimblicher theil auff assignationes, selbige
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nach beeden letsteren terminen zu bezahlen, gestellet, 2. der ohnmittelbaren
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reichsritterschafft quota Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht in subsidium
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überlaßen würde, begehrte man sich stättischen theils davon nicht zu sepa-
17
riren . Köndte aber anderer gestalt ex defectu mandati keine obligationem
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übernemen, sondern verhoffete, hierinnen bey menniglichen deßto mehr
19
entschuldiget zu sein, weiln der wenigere theil von stätten sich alhier be-
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findet und demselben nicht gebühren will, denen abwesenden eine ohnver-
21
muthete last ohne specialbefelch auffzuhälsen, vorab bey täglich einlangen-
22
den lamentationen, querelen und solicitationen einer und der anderen statt
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notdürfftige sublevationes an dem bereits verwilligten zu erlangen.

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Welches neben anderen auch die ursach ist, warum man sich in quaestione
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an, bey der anderen frag, das Kayserliche begehren anlangendt, affirmative
26
nicht resolviren kan, sondern vorigem concluso so lang inhaeriren muß, biß
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es den principalen selbsten hinderbracht; nicht zweiffelndt, sie werden sich
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auff vorgangene communication mitt ihren bürgerschafften in so weit con-
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formiren , indeßen aber Ihre Kayserliche Majestät nicht gemeint sein, das
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fridensgeschäfft deßwegen auffzuhalten, besonders weiln die herren Kayser-
31
lichen plenipotentiarii hiebevor selbsten dafür gehalten, daß mit 5 millionen
32
reichsthalern alle armeen hetten contentiret werden können, Ihrer Kayser-
33
lichen Majestät aber mit dem Österreichischen craiß und anderen angehö
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rigen königreichen und provincen soviel schon überlaßen worden, daß der größere theil
35
von 2 millionen reichsthalern darauß wirdt zu erheben stehen

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Im Gegensatz zum Städterat waren die beiden anderen Kurien zum Nachgeben bereit; nach fast
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fünfstündigen Beratungen gaben auch die Städte – mit Vorbehalten – nach (zu den Einzelheiten der
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Vereinbarungen Meiern VI S. 115 f.).
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