Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
30. Sitzung des Kurfürstenrats mit Re- und Correlation Münster 1646 April 10
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Münster 1646 April 10
Kurmainz Rk FrA Fasz. 14 nr. 37/38 = Druckvorlage. Vgl. ferner Kurtrier zA ( damit
identisch Kurtrier spA p. 540–546 ); Kurköln zA I fol. 208’–210 ( damit identisch Kur-
köln spA I fol. 451’–456, Kurköln spA Ib fol. 474–479 und Kurköln zA Extrakt
fol. 17’ ); Kurbayern K II fol. 215–221’ ( damit identisch Kuryernba spA II p. 799–810 ).
Aus der Abtretung des Erzstifts Magdeburg herrührende Unterhaltsansprüche des Markgrafen
Christian Wilhelm von Brandenburg.
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
bayern , Kurbrandenburg.
Kurmainz . Waß des herrn marggraffens Christian Wilhelmbs zu Branden-
burg Fürstliche Gnaden ahn sambtlicher anweßender ständ gesanden iüngst-
hin gelangen laßen, solches hetten denselben per dictaturam communicirt
Erwähnt bei Meiern II S. 993 . Zur Person des Mgf. Christian Wilhelm siehe oben S. 239
Anm. 2. Im Prager Frieden war das Erzstift von Ehg. Leopold Wilhelm von Österreich end-
gültig auf Hg. August von Sachsen übergegangen ( Bierther S. 110f., Meiern I S. 721 ).
Ihre Fürstliche Gnaden beclagen sich, daß ob sie wohl verhofft, es würden
ihro die von herrn hertzogen Augusto zu Sachßen im Prager frieden wegen
abtrettung des ertzstiffts Magdenburg versprochene jährliche alimentation-
gelder yederzeit gelieffert worden sein, so wehre deroselben iedoch bishero
ohneracht ihres betrübten zustands der geringste pfennig von solchen
versprochenen geldern, so sich gleichwohl bis uf gegenwertige zeit uber
100 000 reichsthaler capital belauffe, nit zugestelt, auch sogar sie mit einigem
recipisse uf ihre abgelaßene schreiben nit gewürdiget worden. Hetten dahero
sie ihren recurs anhero nehmmen wollen und pitten dabey, zu abschneidung
aller künfftigen weitläufftigkeiden es bey dießen friedenshandlungen dahin
zu vermittelen, damit sie sowohl der verfallenen, ob specificirten alß auch
künfftiger alimentationsgelder mit würcklicher einraumung etlicher ämbter
und herrschafften, ahn deren nutz- und nießung salvo statu politico et eccle-
siastico , salva religione et libertate crafft des Prager friedens für sich und
die ihrige versorgt und bezahlt oder aber in verpleibung deßen, weiln sie
sich anderergestalt nit versichert befinden, der accordirter universalamni-
stiae zuvolg (welche zuversichtlich bey ihro keine particularrestriction
erleiden könne) zu ihrem bey dem ertzstifft Magdenburg habenden kund-
bahren rechten salvo statu politico et ecclesiastico, salva religione et liber-
tate völlig restituirt werden
gesanden belieben, ihre beygehende gedancken hierüber zu eröffnen.
rechten vernunfft gegründet, dann der Prager frieden seine clare decision
gebe, daß der ertzstifft Magdenburg des herrn hertzogens Augusti zu
Sachßen fürstlicher Gnaden anderergestalt nit alß gegen jährlicher erlegung
12 000 reichsthaler zu zweyen ziehlen
12 000 Reichstaler waren zu zwei Zielern an Ostern und Michaelis auf der Leipziger Messe zu
erlegen ( Meiern III S. 484f. ).
Wilhelms alimentation, mit würcklicher verpfändung des ertzstiffts, uber-
laßen worden. Wann dann solcher Prager schlueß bey iüngstem Regens-
purgischen reichstag von sambtlichen ständen approbirt worden, alß
hielten sie davor, es werde ahn gueter interposition bey den ständen kein
mangel erscheinen, damit sowohl der albereit verfallenen alß künfftig
erscheinenden alimentationsgelder hochgedachter herr marggraff befriedigt
werden mögte. Solte aber solches nit verfangen wollen, stelten sie dahin,
ob nit bey hertzogen Augusto zu Sachßen anzuhalten, daß dem herrn
marggraven ad dies vitae soviel ämbter, alß zu erlangung sowohl der ver-
fallenen alß künfftig scheinenden alimentationsgelder nöthig, eingeraumbt
werden mögen; und hetten sich dieselbe umb soviel weniger zu beschweh-
ren , weil im Prager frieden versehen, daß sie neben dem dhombcapitul wider
soviel contribution von den underthanen erfordern könden. Welchergestalt
nun dießes interpositionschreiben einzurichten, derentwegen wolten mit
den herrn vorstimmenden sich gern vergleichen.
Kurköln . Es wehren des herrn marggraven zu Brandenburg habende iura
auß dem Prager frieden und den zu Regenspurg bey Maintz und sonsten
einkommenen actis genugsamb bekand, auch in dem ietzigen memorial
außführlich deducirt. Hochgedachter herr marggraff hette auch Churcöllen
und ihme dem bischoven von Oßnabrück derentwegen in particulari
zugeschrieben, maßen dann auch Seine Churfürstliche Durchlaucht sich
erclärt, dafern dieße sach vorkommen solte, mit allem eyffer dahin zu sehen,
damit dieße alß ein pillige christliche und eines vornehmmen fürsten des
reichs, so vom churhauß entsproßen, concernirende alimentationsach
in obacht genohmmen und also omni meliori modo allerorthen, da nöthig,
dergestalt recommendirt werden möge, daß daß praeteritum bezahlt werde
und ahn dem futuro kein mangel erscheine, dafern aber solches nit zu erhal-
ten , daß dem herrn marggraven alßdann ad dies vitae etliche ämbter cum
omni iure wider eingeraumbt werden oder auch uff solchen verweigerungs-
fall demselben der ertzstifft, alß welcher anderergestalt nit alß gegen erlegung
der bestimbten alimentationsgelder cedirt worden, wider offen stehenpleiben
solle; und wehre iha unpillig, da einer seit die amnistia dergestalt urgirt,
dahingegen ex alia parte einem solchen fürsten negirt werden wolte. So
hette auch hertzog Augustus zu Sachßen seither des Prager friedens des
ertzstiffts, wo nit völlig, wie vor dießem, doch gueten- und meistentheils
genoßen, dahero solche pensiones den rechten und aller vernunfft nach
pillig vor allen andern abzustatten. Und hette Sachßen sich deßen umb so-
viel weniger zu beschwehren, aldieweil Seiner Liebden bevorstünde, solche
quotam in andere weg wider von den ständen refundiren zu laßen, daß also
derentwegen deroselben ahn ihrem underhalt auch nichts ermangle. Wehren
also der meinung, daß nit allein die Kayßerliche herrn gesanden zu Oßna-
brück sich bey dem Magdenburgischen abgeordneten derentwegen eyfferigst
zu interponiren, sondern auch von gesambten ständen derentwegen ein
ersprießlich und eyfferig schreiben ahn hertzogen Augustum zu Sachßen
abzulaßen und gehörige erinnerung darin anzuziehen, sonderlich aber
dabey zu remonstriren, waß Seiner Liebden hiernechst wegen des ertz-
stiffts noch für große difficultäten movirt werden mögten, wann die con-
ditio nit adimplirt würde, waß es auch vor schlechtes vertrawen im reich
zwischen fürsten gebehren und vor ein verstoß geschehen werde, wann
einer oder ander dergestalt tractirt und der Prager frieden nit gehalten
werden solte, und daß es auch ein nit geringes impediment bey dießen
tractaten und verhoffendem friedenschlueß causiren würde. Auf dieses
bald abzusendende Schreiben ist antwortt zu begehren; auch ist an den Mark-
grafen von Brandenburg zu schreiben und er in seinem zustand zu getrösten.
Kurbayern . Ist mit Kurtrier und Kurköln der Meinung, daß der Kaiser um ent-
sprechende verordnung zugunsten des Markgrafen von Brandenburg und gemäß dem
Prager Frieden sowie darum zu bitten ist, den Hg. August von Sachsen brieflich zur Ent-
richtung der Unterhaltsgelder aufzufordern, da er ja seither die Gefälle des Erzstifts ge-
nossen habe. Auch sollen zusätzlich die ksl. Gesandten dem magdeburgischen Ge-
sandten in Osnabrück entsprechende Vorhaltungen machen. Schließlich sollen gesambte
ständ selbst ein Schreiben mit allen dienlichen motiven an Hg. August richten und
um dessen Erklärung bitten. Im Fall einer negativen
turfft befundenen dingen nach darauff weiter ahn hand zu nehmmen sein.
Votanten weiter nichts mehr zu sagen. Hielten dafür,
fürstliche persohnen concernire und contractus principum seye, daß ent-
weder ein oder ander vorgeschlagenes mittel alternative zu ergreiffen. Auch
ihrer Meinung nach ist der Kaiser zu bitten, sich schriftlich an Hg. August zu
wenden, damit sowohl daß praeteritum bezahlt alß auch der herr marggraff
in futuro versichert sein möge, und dießes umb soviel mehr, weiln albereit
anno 1641 derentwegen auch erinnerung beschehen , aber darauff nichts
ervolgt. Die ksl. Gesandten sollen gegenüber dem magdeburgischen Gesandten
versichern, daß uff den fall daßienige, so versprochen worden, under weh-
renden dießen tractaten nit adimplirt werde, Ihre Kayßerliche Mayestät
uff des herrn marggraven von Brandenburg anhalten nit underlaßen würden,
Seine Fürstliche Gnaden in integrum wider zu restituiren, auß ursachen,
daß die amnistia ohne condition sein solte und zum fall
asticis uff anno 1627 gericht werden solte, ihro solche restitution gepüre.
Kurmainz . Recapitulirten kürtzlich der herrn vorstimmenden vota mit
dem bedeuten, Ihre Churfürstliche Gnaden zu Maintz […] mögten auch
liebers nit sehen, dann daß des herrn marggraven zue Brandenburg Fürst-
licher Gnaden daßienige, so ihro gegen abtrettung des ertzstiffts Magden-
burg versprochen worden, zu dero unentbehrlichen alimentation unfehlbahr
gelieffert werden mögte, welches dann von dem herrn hertzogen Augusto
zu Sachßen schon vorlengst hette entricht werden können, wann nur solche
pensiones nach anleitung des Prager friedens uff die underthanen geschla-
gen worden wehren, allermaßen Seine Churfürstliche Gnaden ihnen gne-
digst ahnbevohlen, wann dieße sach alhie vorkommen solte, alles müglichst
befürdern zu helffen. Verglichen sich dahero mit den herrn vorstimmenden,
daß die Kayßerliche herrn gesanden zu ersuchen, dem Magdenburgischen
deputirten zue Oßnabrück derentwegen der notturfft nach zuzusprechen,
auch Kayßerliche Mayestät allerunderthenigst zu pitten, derentwegen ahn
hertzogen Augustum zue Sachßen ein bewegliches erinnerungsschreiben
abzulaßen
Reichsstände an Ks. Ferdinand III., Münster 1646 IV 12 (Druck Meiern II S. 990 f.).
hochgedachte Ihre Fürstliche Gnaden nechst anführung deren in votis
vorkommenden rationen und motiven gleichfals in schrifften zu belangen
Reichsstände an Hg. August von Sachsen, Münster 1646 IV 12 (Druck Meiern II S. 991 –
993).
Und damit deß herrn marggraven zu Brandenburg Fürstliche Gnaden
sehen mögen, daß man sich ihro bestmüglichst annehmme, so wehren sie
der meinung, man hette ihro solches alles in vorantwortt nachrichtlichen
zu communiciren
Reichsstände an Mgf. Christian Wilhelm von Brandenburg, Münster 1646 IV 12 (Druck
Meiern II S. 993 f.).
ge , ihro ebenmeßig unverhalten pleiben, auch, da nöthig, die fernere not-
turfft zu ehister erlangung ihres intents darauf vorgenohmmen werden
29 solle] In der Vorlage danach Kanzleivermerk: deest continuatio. Laut Kurtrier
zA, spA und Kurköln zA I, spA I Ib folgt aber nur noch: Kurmainz will die verein-
barten Schreiben aufsetzen und sie entweder im Kolleg verlesen oder zur genaueren Einsicht-
nahme den andern zustellen, entschuldigt sich bei Kurbrandenburg für die verspätete Ansage.
Die Re- und Correlation mit dem Fürsten- und Städterat ergibt Einigkeit mit dem kur-
fürstlichen Conclusum.