Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
[50.] Sitzung des Kurfürstenrats Münster 1647 Januar 1
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Münster 1647 Januar 1
Kurtrier zA = Druckvorlage. Vgl. ferner Kurmainz Rk Extrakt FrA Fasz. 9 I nr. 34,
Kurmainz Rs Extrakt FrA Fasz. 20, Kurmainz Rp FrA Fasz. 21 ( unvollständig );
Kurköln zA I fol. 260’–264’ ( damit identisch Kurköln spA II fol. 588’–598 und Kur-
köln zA Extrakt fol. 28–28’ ( damit gleichlautend Kursachsen Rs I fol. 119–122’ ); Kur-
bayern K III fol. 411–418.
Weiterführung und Abschluß der kaiserlich-schwedischen Verhandlungen über die pommersche Frage
unter Hinzuziehung Frankreichs und Venedigs. Überlassung ganz Pommerns an Schweden, falls
Kurbrandenburg der Übergabe Vorpommerns nicht bald zustimmt. Ratifikationsfrist für Kur-
brandenburg im Falle eines solchen Verhandlungsergebnisses. Absicherung der schwedischen Satis-
faktion .
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
bayern , Kursachsen.
lichen das gestrige Kurfürstenratsconclusum vorgetragen: 1. Bitte, zusammen mit
Frankreich und Venedig die Verhandlungen mit Schweden in Osnabrück fortzu-
führen . Durch einen expressen courier ist dem Kurfürsten von Brandenburg noch-
mals ein gewißer terminus zu setzen, utrum ex duobus extremis malit eligere,
welcher under wehrender handlung köndte zwar erwartet, der schluß aber
gantz undt gar nicht gehindert werden.
Pro 2 do sollen die Kaiserlichen so genaw alß immer möglich tractiren, gentz-
licher hoffnung, Schweden werde sich auff die halbschiedt behandlen
laßen. 3. Frage der assecuration der schwedischen Satisfaktion muß wegen Instruk-
tionsmangels suspendirt werden.
Warauff die heren Kayßerliche sich vernehmen laßen: Sie wehren zu vor-
nehmung der tractaten mit Schweden willig undt ihnen deßwegen die reiß
naher Osnabrüg nit zuwider, so Ihre Excellentz der herr grave von Traut-
mansdorff , wahn es ihro dero leibsdisposition verstattet, selbsten uber sich
nehmen, wiedrigens den herrn Volmari darzu emploiiren wollen. […]
Billigten Punkt 2 des Conclusums. Daß aber nachmahlige ersuchungsschreiben
ahn Churbrandeburg cum praefixione certi termini solten abgelaßen werden,
haben darfurgehalten, daß solches zu erhebung deß friedens nicht dienlich,
dan nit zu zweiffelen, Schweden werde daß conclusum wegen deß Schrei-
bens erfahren undt alßdan mit der endtlichen resolution vor ankombung
der anthwort sich nit heraußlaßen, so sehr gefährlich. 2. Hette man sich
einmahll im schreiben rundt erklerth undt Brandeburg umb den consens
gebetten, mit der notification, daß in endtstehung deßelben nichst anders
ubrig, alß gantz Pomeren in den Schwedischen banden zu laßen; schiene
derowegen dem concluso zuwieder zu sein, undt wehre die Brandeburgische
resolution wegen der kostbahren zeithverlierung einer negativa gleich. So
hetten auch die herren Frantzösischen von dem ersten concluso wiessen-
schafft undt wehren der meinung, daß die tractaten unverlengt vortzu-
setzen . Begerten demnach die herren Kayßerliche, quandoquidem periculum
in mora esset, diese motiva dem collegio zu repraesentiren, deßo meinung
daruber einzuhohlen undt ihnen fürderlichst zu hinderbringen, zumahlen
die herren Frantzösische gemeinth wehren, mit ihnen morgen auß der
sachen zu communiciren. Stehet also bey den herren abgesandten, sich
hieruber zu erclehren, nachdeme in gestriger session resolvirt worden, daß
einmahll die handlung in puncto satisfactionis vortzustellen, ob nicht nöttig
undt rathsamb,
alß anerbotten nicht restituiren wolte undt keine mühe undt remonstration
verfangen, alßdan auch die handlung auff gantz Pomeren in nahmen Gottes
zu schließen, dergestalt yedoch, wahn Ihre Churfürstliche Durchlaucht
intra mensis spatium von dato deß schlüßes dero consensum uber Vorpo-
meren sambt Stettin, Gartz und Wollin ertheillen möchten, daß solchen-
fahlß daß ubrig Hinderpomerische ihro solle abgetretten werden. Also
hetten sie ein gewißes spatium deliberandi, undt köndte dweniger nicht ein
sicherer schlüß sub conditione intra illum terminum purificanda gemacht
werden.
Kurtrier . Wiederholen die Proposition; ihre meinung nuhn zu eröffnen,
sinthemahlen nichst von der notification movirt, haben sich derenthalben
nicht auffzuhalten, weillen sie ohnedem gesteren darauff nit gangen undt
Churbrandeburg der handlung woll wirdt innenwerden.
Die andere frag belangendt, ob collegium dergleichen gutachten zu ertheil-
len , haben sie sich gesteren darüber undt den punctum assensus vernehmen
laßen, daß sie kein befelch hetten undt ihnen dannenhero nit gebühren
wolte, sich in so wichtiger sachen zu ercleren. Hielten gleichwoll unvor-
greifflich darvor, es konten die herren Kayßerliche in der handlung ver-
fahren und so gütt sie können auff Vor- oder gantz Pomeren mit Schweden
schließen,
ihnen der erwartende bevelch ein, undt kahn dieses umb so mehr außgestelt
werden, weillen diese vor die gesambte ständte gehört undt Schweden davon
assecurirt sein will; undt hatt man desto mehrere ursache, dieses den herren
Kayßerlichen zu uberlaßen, weillen sie ohne die ständte Pomeren der cron
Schweden offerirt. Wollen sich doch mit nachstimbenden gern vergleichen.
Kurköln . Erinderen sich ihres gestrigen, begründeten Votums, daß die Kaiser-
lichen die Verhandlungen mit den Schweden reassumiren undt fürdersambst ad
effectum bringen, mit dem zusatz, daß Churbrandeburg kürtz frist außbe-
halten werde, waß geschloßen, zu ratificiren undt dardurch Hinderpomeren
zu salviren. Wahn nuhn die proposition hiergegen gehalten wirdt, vermein-
ten sie, wehre zu genügen darauff geanthworth; undt haben die nachricht,
daß die herren Kayßerliche auch darmit zufrieden, weillen die handlung
dardurch nit auffgehalten, weder daß conclusum suspendirt noch Brande-
burg uberschnellet wirdt. Laßens also in effectu bey ihrem gestrigen voto;
soviell aber die manutenentz belanget, weillen die assecuration ihre maß
undt ordtnung hatt, ist nit nöttig, daßmahll davon zu reden.
Kurbayern . Befinden bey der ersten quaestion, Churbrandeburg nehme
hoch zu gemüth, daß so starck in sie gesetzt werde, vermeinten, man solte
ihro genugsambe zeit zum bedacht laßen. Dabey vernehmen sie, daß gleich-
wie Sweden Vorpommeren praetendirt, also Ihre Durchlaucht darzu nicht
condescendiren könne, so will die cron auch nit weichen. Fahlß nuhn aber
es zu lang fallen möchte, daß Ihro Durchlaucht mit dero herren vetteren
undt den Pomerischen ständten auß der sachen reden, köndten sie auffs
wenigist dero endtliche meinung durch ihre gesandten eröffnen. Wehren
derowegen zu gewinnung der zeit die herren Kayßerliche zu bitten, ohne
verlust einiger stunden naher Osnabrüg zu verreißen undt die herren
Frantzösische auch dahien zu vermögen, wie nit weniger den herrn Venetum,
denen Galli propter extremam imperii necessitatem darzu bereden könten.
Einmahll gehet der winter algemach forth, undt seindt sie gewarnet, wahn
noch wenig wochen vorbey undt Franckreich alle notturfft zu den wapffen
praeparirt, daß noch in einem gantzen jahr kein friedt zu hoffen, alß wehre
nichst mehr zu versaumben undt omni modo ze schließen; yedoch waß mög-
lich zu erhalten, solle nicht außer acht gelaßen werden.
Zum fahll aber nichst zu erhalten sein möchte, wehre sorgfeltig dahien zu
sehen, damit der erst nicht gar verlohren gehe.
Tempus deliberandi begert Brandeburg nit,
der resolution, wolle sich endtlich per legatos erklehren, so woll erfolgen
wirdt, wahn sie den ernst vermercken. Wahn der friedt ohne condition
kahn beschloßen werden, ist es daß sicheriste, sonsten giebts vielle difficul-
täten undt würden die instrumenta pacis dardurch retardirt.
anderm des Inhalts, ehe nuhn die handlung zu Osnabrüg geschloßen werde,
darzu etliche tage gehören, köndte von Churbrandeburg die endtliche reso-
lution erfolgen; bey solcher meinung müßen sie nachmahls verpleiben.
Solte aber von vorstimbenden insgesambt nachmahls ein beßeres expediens
erfunden werden, müßen sie daßelbe uff ratification Ihres Gnedigsten Heren
außgesetzt sein laßen. Dieweillen dan ferner wegen der manutenentz noch
künfftig zu reden undt dan aller reichßständte consens in daßyenige, so von
den herren Kayßerlichen mit den Schwedischen mögte geschloßen werden,
woll sie sich auch hierin eventualiter undt wofern es Ihre Churfürstliche
Durchlaucht ratificiren werden, wollen heraußgelaßen haben.
Kurmainz . Haben vernohmben, wohien vorstimbende in ihren votis
ziehlen, daß sie nemblich unanimiter dahien gehen, es seyen die herren Kays-
serliche zu ersuchen, sie wollen in ansehung der gefahr, so auß lengerem
verzügk endtstehen kahn, ohne einige zeitverlierung sich naher Osnabrüg
begeben, undt zwar der herr graffe von Trautmansdorff selbsten, wahn es
ihme leibsgestalthalben möglich, mit den herren Frantzösischen undt dem
herrn Veneto, gestalt den punctum satisfactionis Suecicae vortzusetzen.
Gleichwie sie nuhn gesteren ahn ihrem orth auch dahien gangen, also con-
formiren sie sich abereins hiemit.
Wegen deß vorsetzenden termini meinet Churbayeren, daß es dem friedens-
werck hinder- undt nachtheillig seye, deme doch wie ihm wolle, vergleichen
sie sich hierin mit den maioribus, damit sich Churbrandeburg nicht möge
einiger praecipitantz oder ubereylung zu beklagen haben, daß deroselben
noch zeit von 4 wochen vorzubehalten, daß sie sich underdeßen ratione
Vorpommeren endtlich erclehren oder der tractat von selbsten purificirt
sein solle.
Der punctus manutentionis ist daßmahll nicht in proposition kommen,
können derowegen auch daruber einigen schlüß nicht machen.
burg in den tractaten zu schließen.
Kurtrier . Befinden […] in der vorhabenden materi dreyerley vota, under
denen 1º daß Churcölnische dahien gehet, daß die herren Kayßerliche nit
allein schließen, sonderen auch Churbrandeburg den schlüß notificiren
sollen, ob sie denselben ratificiren wollen oder nit.
Bayeren pro 2 do aber will, daß sie ohn einige notification pure et simpliciter
in den tractaten verfahren sollen. Darvon pro 3 tia Sachßen umb soweit dis-
crepirt , daß zwar in der handlung vortzusetzen, aber solches alsobalten
Churbrandeburg zu notificiren. Ex parte Churtrier ist man der Cölnischen
meinung, daß man in den tractaten zu verfahren undt nach deren beschlüß
solche Churbrandeburg des endts zu notificiren habe, ob dieselbe per rati-
ficationem daß hindere theill Pomeren salviren wollen. Dabey verpleiben
sie under genehmhaltung Ihrer Churfürstlichen Gnaden, undt seye die
gefahr so groß alß sie immehr wolle, so muß man doch tractiren, wie es
zwischen den hochlöblichsten herren churfürsten herkomben; undt gleich-
wie Kayßerliche Mayestät, auch andere ständte, ungern sehen wolten, daß
deren landt undt leuth ihrer ungehört hinweghgegeben werden solten,
also wehre es auch gegen Churbrandeburg zu halten, sonderlich weillen
die herren Kayßerliche den vorschlagh selbsten thun.
Kurköln . Haben den underschiedt in in den votis vernohmben, undt ist
daß ihrige von Trier dahien erleutert worden, daß die herren Kayßerliche
zu ersuchen, die tractaten, so gutt sie vermögen, zu einem bestendigen
schlüß zu bringen; dabey sie, soviell die cron Schweden angehet, verpleiben.
Churbrandeburgh aber wehre die ratification vorzubehalten, ob sie dardurch
die Hinderpomerische landen wollen salviren. Dieses wirdet keine hinde-
rung den tractaten bringen, weillen die herren Kayßerliche, denen deß
reichß zustandt ahm besten bekandt, es selbsten also gutt befinden, nicht
zweiffelendt, wahn dieses ahn sie also gebracht wirdt, sie werdens gern
genehmbhalten undt darauff alsobaldt den anfangh machen.
Waß von Chursachßen wegen eines abermahligen schreiben ahn Ihre Chur-
fürstliche Durchlaucht zu Brandeburg erwehnet worden, möchte solches
nit undienlich sein, wahn nuhr die handlung undt daß man darmit auff die
resolution nicht warte, notificirt würde. Weillen sie aber ihre gesandten
hie undt zu Osnabrügh haben, köndte dieses denselben durch die herren
Kayßerlichen angezeigt werden, quod in idem recidit, stündte doch ihnen
anheimb, ob daß collegium schreiben solle.
Kurbayern . Ahn ihrem orth haben sie die discrepantz gleichergestalt obser-
virt , repetiren aber, waß von ihnen angefürth, daß sie der meinung, man
solle pure et simpliciter verfahren undt schließen. Undt weillen Churbrande-
burg sich veranlaßet, wollen ihre meinung per legatos eröffnen, undt woll
zu vermuthen, sie werden ihre intention nicht enderen, so wirdet die dila-
tion vergeblich sein, umb so mehr, weillen sie dieselbe nicht begeren;
fahren die cronen aber in ihren belli apparatibus vort undt dörfften daß
reich endtlich gar under sich bringen.
Wegen deß schreibens stündte es dahien, ob nit durch die herren Kayßer-
lichen den Churbrandeburgischen, wie von Churcölln angereget, zu inti-
miren , waßmaßen sie sich naher Osnabrüg erheben thetten, umb mit der
cron Schweden in puncto satisfactionis zu schließen. Ob sie nuhn selbsten
mit dahien oder die resolution berichten wollen, stündte dahien, soviell
kerne doch hierauß, daß, wahn sie ultimam resolutionem alschon hetten,
es ferneren schreibens unnöttig wehre.
Kursachsen . Sie haben ebenmeßig die dreyerley meinungen wahrgenoh-
men , erläutern die ihrige noch einmal dahingehend, man solte die herren Kayßer-
lichen ersuchen, sie wolten mit der cron Schweden die tractaten vortsetzen
undt soviell möglich reserviren, undt dieweillen die churfürstliche verain
vermag, daß einer den anderen bey seinen landen schützen helffen solle,
alß erfordere die notturfft, daß ob summum periculum dieses noch einsten
ex collegio notificirt werde, damit nit gantz Pomeren drauffgehe; undt ist
dannenhero zu vermüthen, Churbrandeburg werde den consensum lieber
auff daß halbe erstatten, so under wehrender handlung einkombet, dabey
sie nachmahls verpleiben.
maiora nuhnmehr dahien außgeschlagen, es seyen die herren Kayßerliche
plenipotentiarii zu bitten, mit der cron Schweden pure et simpliciter bester-
maßen zu schließen, yedoch den gemachten schlüß Churbrandeburg zur
beliebenden ratification zu notificiren undt nach befindung gewiße friest zu
bestimben, wie dan auch den herren Kayßerlichen anheimzugeben, ob sie
den Churbrandeburgischen gesandten von den tractaten communication
thun wolten
notificiren; dahien es dan gesteh verpleibt.