Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
[47.] Sitzung des Kurfürstenrats Münster 1646 Dezember 9 vormittags
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Münster 1646 Dezember 9 vormittags
Kurmainz Rk FrA Fasz. 9 I nr. 34 = Druckvorlage. Vgl. ferner Kurtrier zA ( damit
identisch Kurtrier spA p. 1239–1246 ); Kurköln zA I fol. 257’–259 ( damit identisch
Kurköln spA II fol. 578’–582’ und Kurköln zA Extrakt fol. 27–27’ ); Kurbayern
K III fol. 399–403 ( damit gleichlautend Kursachsen Rs I fol. 114–115’ ).
Schweden verlangt Vorpommern und schlägt Ersatzleistung des Kaisers an Kurbrandenburg vor.
Von Schweden und Frankreich unterstützte Bemühung des Kaisers und des Kurkollegs, Kurbran-
denburg zur freiwilligen Annahme der schwedischen Forderung zu bewegen. Form einer entspre-
chenden , koordinierten kaiserlich-kurfürstlichen Demarche beim Kurfürsten von Brandenburg.
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
bayern , Kursachsen.
Kurmainz .
18–23 Es – wolten] Ausführlicher in Kurtrier zA, spA, Kurköln zA I, spA II,
zA Extrakt, Kurbayern K III, Kursachsen Rs I: Kurmainz liest ein am Vor-
abend Raigersperger von Volmar zugestelltes Memorial ab; danach hat Schweden durch die
französischen Gesandten und haben diese durch die Mediatoren die ksl. Gesandten wissen
lassen, daß es mit Zustimmung des Kurfürsten von Brandenburg Vorpommern cum omnibus
annexis gemäß seiner Forderung von 1646 XI 17, nicht aber Hinterpommern mit Stift
Cammin und Stadt Kolberg, hingegen vom Kaiser ein Äquivalent von 1 200 000 Reichstalern
für Kurbrandenburg verlangt und gegen einen Teilbetrag dieser Summe Kurbrandenburg die
besetzten Plätze in der Mark zurückgeben will.
tags bedeut, welchergestalt die Schweden ihrer satisfaction halber dermahln
sich dahin erclärt, daß selbige cron zur satisfaction Vorpommern neben
Stettin, Gartz und der insul Wollin behalten, alles uberige aber, so sie von
Seiner Churfürstlichen Durchlaucht landen annoch inhetten, abtretten
wolten, wann dieselbe ihren consens darin geben würden, im wiederigen
aber auff dem gantzen fürstenthumb Pommern zu bestehen und
von Ihrer Kayßerlichen Mayestät zu lehen zu recognosciren
Im November 1646 und am 5. Dezember 1646 (gegenüber den Franzosen) verlangten die schwe-
dischen Gesandten kategorisch entweder Vorpommern mit der Insel Rügen und den Städten
Gartz und Stettin an der Oder, Wollin, Damm, Gollnow, Cammin mit Expektanz auf Hinter-
pommern oder ganz Pommern mit Reichsgarantie ( Odhner S. 169f., 171f., 174, 179ff.).
es dann allein nunmehr ahn höchstgedachter Ihrer Churfürstlichen Durch-
laucht consens ermanglen wolte, so hetten sie Kayßerliche gesanden vor
guet angesehen, derentwegen ahn dieselbe ein gewiß erinnerungsschreiben
im nahmen des churfürstlichen collegii abzulaßen, maßen sie dann auch
nit ungeneigt, einen expressen ahn dieselbe dießfals abzuordnen.
5–7 Stünde – abzulaßen] Laut Kurtrier zA, spA Kurköln zA I, zA Extrakt,
spA II, Kurbayern K III, Kursachsen Rs I stellt Kurmainz zur Debatte, ob der
Kurfürstenrat jemanden dem ksl. Abgeordneten zuteilen oder sich schriftlich an den Kur-
fürsten wenden soll; laut Kurbayern K III, Kursachsen Rs I plädiert Kurmainz dabei
schon jetzt für den Schriftweg und fragt laut Kurtrier zA, spA, Kurbayern K III,
Kursachsen Rs I noch zusätzlich, ob der ksl. Gesandte beim Kurfürsten den Wunsch des
Kurkollegs nicht mündlich – durch dieses bevollmächtigt – vorbringen soll.
also anietzo zu deliberiren, ob solch vorgeschlagenes intimationschreiben
ahn mehrhöchstgedachte Seine Churfürstliche Durchlaucht abzulaßen.
Kurtrier . Sie erinnerten sich, waß eben dießer materi halber hiebevorn vor-
kommen ; seyen auch fast damahln die meinungen dahin gangen, daß man
zu seiner zeit dieße intimation thun solte.
10–14 Und – verrichten] Laut Kurbayern K III, Kursachsen Rs I schlägt
Kurtrier nur den Schriftweg vor; laut Kurtrier zA, spA, Kurköln zA I, spA II
begründet der Votant dies damit, daß einerseits ohne besonderen Befehl wohl kein kurfürst-
licher Gesandter sich für die Mission wird brauchen lassen, andererseits der Kurfürst von
Brandenburg die Ersatzkommission durch den ksl. Gesandten nicht zum besten aufnehmen
wird, in betrachtung so viell churfürstliche gesandten sich dieserorthen einfinden.
die Kayßerliche zu einiger abordnung ahn Churbrandenburg nit ungeneigt,
so hielten sie davor, entweder demienigen, so die Kayßerliche abordnen
werden, derentwegen commission auffzutragen oder die notturfft in schriff-
ten zu verrichten; welches letztere sie fast vors beste hielten und der mei-
nung seyen, daß Seiner Churfürstlichen Durchlaucht die Schwedische
resolution zue intimiren und zu gemüt zu führen, daß wofern Brandenburg
nit consentiren wolte, daß Schweden alßdann die gantze Pommerische
landen behalten und vom reich zu lehen tragen würde. Gleichwie aber die-
selbe sich yederzeit geneigt erzeigt, den frieden helffen zu befürdern, so
hielten sie davor, sie sich nit wiedern werden, waß Ihre Kayßerliche Maye-
stät und daß churfürstliche collegium vor guet
21 befinden] Laut Kurtrier zA, spA geht Kurtrier noch auf die schwedische Geldforde-
rung ein und votiert, daß sie, falls von Caesare begert, vor alle Reichsstände gehört, laut
Kurköln zA I, spA II, daß sie dann nicht vom Kurkolleg, sondern von allen Reichsständen
beraten werden muß, wenn sich herausstellt, daß sie nicht an den Kaiser gerichtet ist. Laut
Kurbayern K III, Kursachsen Rs I ist die Frage von allen Reichsständen zu erörtern.
686, 25 –687, 5 Wahn – abzuordnen] Laut Kurtrier zA, spA, Kurköln zA I, zA Extrakt
spA II, Kurbayern K III, Kursachsen Rs I noch mitgeteilt, daß die Abordnung an
den Kurfürsten von Brandenburg nach dem Haag auch von Frankreich und Schweden gewünscht
wird, daß Frankreich sie im Haag beim Kurfürsten und beim Prinzen von Oranien zu unter-
stützen gedenkt und daß sie auch im Namen des Kaisers vonstatten gehen soll.
Kurköln . Hielten, den Kayßerlichen zu willfahren und Churbrandenburg,
waran die tractaten hafften, zu gemüt zu führen. Ob aber solches durch
schickung oder schreiben zu verrichten, da seyen sie der meinung, es werde
sich keiner auß den herrn gesanden zu dergleichen abordnung gern gebrau-
chen laßen; vermeinten also, die notturfft schrifftlich vorzupringen, und
seyen indifferent, ob es durch creditief oder ein außführlich schreiben zu
verrichten. Dem Kayßerlichen abgeordneten wehre zu bedeuten, wann
Churbrandenburg ein aequivalent begehren würde, daß man sich a parte
deß churfürstlichen collegii in nichts einlaßen könde, sondern hette zu
vermelden, daß Ihre Kayßerliche Mayestät und die ständ von hertzen Ihrer
Churfürstlichen Durchlaucht die conservation gönneten, und betawerte
man solches von hertzen. Weiln aber der frieden allein ahn dero consens
hafften wolle, so würden sie vernünfftig ermeßen, welches ihrem hauß ahm
besten seye, und sich verhoffentlich hierauf zu erclären nit underlaßen.
Kurbayern . Sie hielten davor, weiln die Kayßerliche albereit die resolution
genohmmen, ahn Churbrandenburg yemanden abzuordnen, man hette
dabey auch zu acquiesciren, dann auß dem churfürstlichen collegio darzu
sich nit wohl yemanden werde gebrauchen laßen.
18–19 Ob – dahin] Laut Kurbayern K III, Kursachsen Rs I votiert Kurbayern
deutlicher, daß nur in dem Fall, wenn die ksl. Gesandten die Vermittlung des Kurkollegs
wünschen, dem ksl. Beauftragten eine Vollmacht des Kurkollegs mitgegeben werden soll.
Kurbayern K III, Kursachsen Rs I im kurbayerischen Votum etwas ausführlicher,
Kurköln zA I, spA II knapper.
lichen abgeordneten ein creditief zustellen solte, solches stehen sie dahin,
einige weitläufftige deduction aber hielten unnöthig. Die materialia, worauff
besagter abgeordneter zu instruiren, stelten sie den Kayßerlichen anheimb;
und hielten, under andern Seiner Churfürstlichen Durchlaucht zu gemüt
zu führen, daß man deroselben gern die conservation ihrer landen gönne,
sie sehen aber, daß die Schweden alles inhetten, auch keine mittel wehren,
dießelbe zu recuperiren, dahero sie zu erpitten, ein exempel ahn Ihrer Kays-
serlichen Mayestät zu nehmmen und gleichergestalt amore pacis et patriae
sich so weit zu uberwinden, angesehen die cron Schweden sonsten sich
resolvirt, alles zu behalten.
Kursachsen .
eines creditiefs vollmacht aufzutragen, Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht
die notturfft zu remonstriren und welchergestalt die cron Schweden in
ermanglung Seiner Churfürstlichen Durchlaucht consens uber Vorpommern
gantz Pommern zu behalten gemeint, derowegen sie beßer und lieber die
helfft mit rhue behalten und daß reich verhoffentlich dießer landen halber
lenger nit im krieg pleiben laßen werde;
zu sein, Seiner Churfürstlichen Durchlaucht die notturfft in schrifften zu
remonstriren.
Kurmainz .
5–8 Ob – seyen] Laut Kurköln zA I, spA II keine Wiederholung der Voten, laut
Kurtrier zA, spA, Kurbayern K III, Kursachsen Rs I noch die ablehnende Haltung
Kurbayerns gegenüber einem ausführlichen Schreiben sowie die einhellige Entscheidung gegen
die Absendung eines eigenen Gesandten des Kurkollegs wiederholt.
macht zu ubergeben oder ahn Ihre Churfürstliche Durchlaucht zu Branden-
burg selbsten zu schreiben, da vernehmmen sie, daß die herrn vorstimmende,
absonderlich Churcöllen, -tryr und -sachßen indifferent seyen. Sie Chur-
maintzischentheils könden sich gleichergestalt hierin wohl indifferent halten,
yedoch, da von einem aequivalent gered werden solte, daß der deputirte
sich nit heraußzulaßen, weiln solches vor alle ständ gehöre. Gleichwohl
hielten sie davor, mit den Kayßerlichen herrn gesanden hierauß zu commu-
niciren und zu vernehmmen, ob sie daß creditief oder eine schrifftliche
erinnerung vors beste hielten.