Acta Pacis Westphalicae III C 3,2 : Diarium Wartenberg, 2. Teil: 1647 - 1648 / Joachim Foerster
1648 IX 23

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1648 IX 23
Mittwoch Giffen bei W. Da er vernohmmen, daß die von
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Oßnabrugk kommene ständt nicht allein unter sich zusamenkommen, son-
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dern gar allein zu den Kayserlichen gefahren, ohne daß davon den zu
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Munster anwesenden ständen einige nachricht gegeben, so hab bey I. H. G.
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er, deßgleichen auch bey anderen geschehen, waß bey so bewandten sachen
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zu thuen und obs nicht zu anden sein werdt. I. H. G. konten nicht
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sehen, daß darin etwas sonderlich noch yetzt zu thuen, zumahln die ständt
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von Oßnabrugk ihres vernehmmens allein anhero kommen, den schluß, so
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sie aldorten gemacht, den Kayserlichen vorzutragen und alhier de modo
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propositionis oder notificationis zu deliberiren; auff dem fall aber, sie ins-
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kunftig conventus separatos wurden anstellen, alstan weiter davon zu reden
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stundt, was pro salvando iure suffragii et respectu principalium zu thuen.

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Giffen: Contarini hat ihm gegenüber heute geäußert, daß ers pro
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miraculo halten wolt, wan die Schweden yetzo bey denenn im konigreich
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Bohmen habenden progressen frieden machen solten.

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Leuber bei W. Ist nach Münster gekommen, um angesichts der wachsenden
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Gefahr die Annahme des in Osnabrück gefertigten Instrumentes durch die
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Ksl. befördern zu helfen. Zwar hette er seines orths lieber gesehen, daß die
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Oßnabruckische stände sich alsbald nach geschloßenem Schwedischen
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instrument mit den hern Kayserlichen anhero verfüegt und also communi
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opera et manu daß Franzößische instrumentum angegriffen und absolviert
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hetten, so mögte man der ietzigen difficulteten wol geübrigt sein. Weils
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aber nicht zu erhalten gewesen, so hette er den maioribus weichen müeßen.
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Nunmehr aber wolle gleichwol die notturfft erfordern, weil Königsmarck
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und Wittenberg

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Arvid Wittenberg von Debern (1606 1657), kommandierte die schwedischen Truppen
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in Schlesien und Mähren; Tabor war 1648 VIII 23 genommen worden.
schon Prag und Tabor genommen haben und der Pfalz-
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graf
mit einer neuen Armee nach Böhmen gekommen ist, den frieden zu
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schließen und auß den waffen zu kommen. Salvius hat schon beanstandet,
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daß Schweden auf Dauer durch das Instrument gebunden ist und dem
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Kaiser bezüglich der Annahme die Entscheidung offen bleibt; nach
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etwa 12 Tagen wolle er nach Osnabrück zurück. [...] Wolte also
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begehrt haben, daß I. H. G. zuvorderst und dann auch die übrige Chur-
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cölnische gesandten zu bechleunigung deß friedens bester gestalt co-
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operiren mögten. W: Weiß, mit was beständigen und wolgegründeten
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votis der herr abgesandter sich zue Osnabruck sonderlich in puncto
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assistentiae vernehmen laßen hette, welche dann Ihrer Churfürstlichen

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Durchlaucht zu Cöln etc. intention und mainung zustimmig und conform
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gewesen weren, maßen dann auch die Cölnische vota ein- und andernmals
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sich darauff beworffen hetten. Daß aber dieselbe bey den andern ständen
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keinen mehreren beyfall und würckung gehabt, müeste man dahin gestellt
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sein laßen. Und gleich nun ohne nicht, daß die gefahr und die progressen
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der widrigen waffen, wie vom herrn abgesandten angezogen, täglich größer
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würden, also were höchstens zu wünschen, daß man einsmals zum beständi-
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gen fridenschluß gelangen möchte. Weilen aber bisherzu die experienz
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geben, daß den cronen kein sonderbahrer ernst gewesen, friden und dem
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krieg ein ende zu machen, so stünde man ietzo, da die Schwedische waffen
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sonderlich in Böhmeimb so empör und im flor giengen, umb so viel mehr
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dabey ahn, obs ihnen ein wahrer ernst sein solte, friden zu machen, zumal
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Salvius über das geschlossene Instrument hinaus noch neue Punkte vorge-
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bracht
hat. Wan es nun an dem willen, wie bishero observieret, den cronen
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ermanglen solte, würde man schwerlich mit denselben fortkommen können.
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Iedoch müeste man alles versuechen, und wollen I. H. G. nicht zweiffelen,
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die herrn Kayserliche würden sich hierunter also bezeigen und comportiren,
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wie es deß reichs und Ihrer Kayserlichen Mayestet selbst eigener landen
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ieziger zustand erfordern möchte. Chursachsischer priora etc. und
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sonderlich, daß der Salvius so bestendig sich gegen die Brandenburgische
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erclert hette, daß es bey dem instrumento laßen und friden machen wolte.
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So müeste mans gleichwol dafür halten, daß es ihme ein ernst seye, womiht
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hierdurch probieren und gleichsamb larvam detrahieren, obs ernst oder ein
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betrug sey, damit man dermalen auß dem zweiffel komme und auff den
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letzteren fall sich auch bedencken und rath faßen könne. Auf seinen
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neuen Forderungen will Salvius nach Meinung der Stände wohl nicht
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bestehen, sondern durch sie die Entscheidung der Ksl. beschleunigen. In
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summa, man müeße einmal auß dem zweiffel und auff den grund.

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I. H. G.: Es wehre gueth, daß man einmal auff den grund kommen
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und deprehendiren möchte, obs recht gemaint oder betrug darunter
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seye. Es hette aber die bisherige erfahrung geben, daß sie ihre sachen
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und tractatus also dextre eingerichtet und under der hand eine newerung
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nach der andern eingeführt, daß sie dannoch dabey allezeit einen schein der
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fridensbegird vor sich behalten und damit die fridenstractaten bishero auff-
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gezogen , und sorgte man, daß dergleichen iezo auch beschehen möchte.

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Ille: Man müests versuechen, dan es were hohe zeit, friden zu machen.
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Brun bei W. Klagen über Mainzer und Bayern, die sogar bei ihm wegen
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Annahme des Osnabrücker Projektes durch die Ksl. drängen. Nun kerne
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ihme solches sehr wunder und seltzsamb vor, nicht allein daraumb, daß, da
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die stände zu Osnabruck mit dem Servient fünff wochen mit disem instru-
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ment zugepracht, die herrn Kayserliche sich gleichsamb in einem tag dar-
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über ercleren und schlüeßen solten, da doch gleichfals nicht allein bekannt,
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daß der herr Volmar dise tag her übel disponiert gewesen, sondern auch,
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daß die hie anwesende stände, die gleichwol keine spurii weren, über

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solches instrumentum Gallicum und consequenter so wenig über das publi-
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cum alß ihr eignes interesse gehöret wehren, daß proiectum auch in puncto
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assistentiae also crude abgefaßet, daß dardurch nit allein eine separatio
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zwischen den ständen und seinem könig und in specie dem Burgundischen
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craiß, sowoll dem reich insgemain alß auch den ständen in particulari
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wider die reichsconstitutiones alle hülff, werbung und durchzüg versagt,
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welche doch hingegen dem könig von Franckreich alß einem freunde deß
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reichs zugelaßen werden, dise verweigerung der hülff auch so weit exten-
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dirt werden wolte, daß Ihre Kayserliche Mayestet auß deroselben erb-
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königreich und landen dergleichen hülff zu thun benommen sein solte. Hin-
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gegen wehre bekannt, wie die Frantzosen nicht allein die Teutsche völcker,
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so sie bey dem Tourraine hetten, behalten, sondern auch die Schwedische
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armeen an sich ziehen und also auff einmal sowol den Burgundischen craiß
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alß auch in Italia daß hertzogthumb Mailand anfallen und übermeistern,
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und wan solches geschehen, wider in Teutschland zuruckgehen und das
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Teutsche hauß Österreich sambt dem reich überziehen würden. Und were
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zu verwundern, daß theyls und sonderlich catholische stände so verblent,
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daß sie nit sehen theten, daß durch solche Separation deß reichs von der
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cron Spanien sowol die catholische religion alß auch daß reich selbsten in
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kurtzen zu scheittern gehen würden, wolte also begehrt haben, I. H. G. alß
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ein hoch interessierter stand deß reichs wie auch die Cölnische gesandten
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dise gefahr wol betrachten und vorbawen helffen wolten. Es geben zwar
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die Churmaintzische und Baierische vor, daß conclusa pace cum Suecis et
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Gallis sie alsdann auch den friden zwischen beyden cronen Spanien und
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Franckreich zu befürderen sich eußerist bemühen wolten. Dises erbietten
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hette apparenter zwarn einigen schein, es könnte aber daraußen kein
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fructus ervolgen, weiln die Frantzosen bey der Separation und exclusion
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assistentiae einen solchen vortheyl erhalten zu haben vermeint, daß sie zu
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keinem billigmeßigen friden verstehen wollen. Zuedeme hette er auch
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bevelch, alsbald diser punctus assistentiae contra domum Austriacam
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völliglich geschloßen würde, daß er alsbald den andern tag darauff sich
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von hier begeben und bey den tractaten vergeblich nit auffhalten solte.

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W: Mißbilligt das Verfahren; worauß, da das proiectirte instrumentum
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Gallicum den Münsterschen ständen nicht communiciert wehre, I. H. G.
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wie auch Churcölnischer seithen erkennete man sowol die gefahr der reli-
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gion alß auch deß reichs, die auß solcher separation entspringen könnte,
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wie er gerade Leuber dargelegt hat. Sovil das proiectum assistentiae an-
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langte , so finden sie solches fast ungleich intuitu beider cronen Spanien und
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Frankreich eingerichtet, [...] vernehmen auch, das andere und mehr stände
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gleicher mainung seyen und das zwischen beyden cronen eine parität
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gehalten und keiner etwas zugelaßen werden, welches der andern verbotten
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sein solte. Dominus Bruin replicabat, verba proiecti esse in contrarium,

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warauff sich Franckreich allezeit lehnen und fundieren. Warauff wider
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geandtworttet, daß die stände zue einer declaration nicht ungeneigt
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wehren. Sie besorgten aber, daß der Servient solches vor eine newerung und
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also einen praetext nehmen würde, von dem gantzen instrument abzuwei-
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chen , und hielten die stände daführ, daß die explicatio dises proiecti
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hernegst bey Ihrer Kayserlichen Mayestet sein würde, die alßdan, wan erst-
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lich die völcker exauctoriert und die veste plätze restituirt, vil füeglicher
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und mit mehrerem nachtruck würde geschehen können. Ille: Daß
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proiect were clar genug und expresse darin versehen, daß kein commeatus,
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durchzüg seinem könig im reich sollen verstattet werden, wehre eine solche
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explicatio da, wovon gedacht, hette es so groß bedenckens nit. Die herren
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Kayserlichen würden morgen ihre erclerung über das instrument von sich
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geben. Wobey Churcölnischentheils wider erinnert, obs nicht diensam-
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ber , daß die herrn Kayserliche mit den vornehmbsten ständen auß denen
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noch übrigen dubiis und in specie über das proiectum assistentiae communi-
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ciert und ihre gedancken und mainung vernohmen, alß daß man dieselbe in
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pleno abgegeben hette, die alßdan alsbald propalieret würde. Worauff
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der herr Bruin sich sonderlich nicht erclert, sondern nochmals gebetten, daß
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die herrn Kayserliche und er nicht möchten übereilet werden. I. H. G.:
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Wolten den sachen weiters nachdencken und insonderheyt das proiectum
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auffsuechen laßen und was sie vermögten darbey thuen etc.

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W und Krane bei den Jesuiten. Bestätigung Kranes, daß die ksl. Erklärung
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morgen erfolgen soll, nur daß in puncto assitentiae mandatum expressum
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erwarten musten, weiln durch diesen modum et materiam tractandi ihr
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plenipotentz und instruction gantz ubern hauffen geworffen; Salvius hat
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ihnen ein Schreiben der Königin mitgeteilt, wonach vor Zahlung der fünf
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Millionen die Truppen nicht abgedankt werden können; wegen Unterhalt
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und Quartier wird es wohl noch weitere Verzögerungen bei den Verhand-
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lungen
geben; vermuhtlich werd es zu weitterer vortsetzung der progressen
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im konigreich Bohmen angesehen sein.

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Bayern bei W. Hinzu Nomis, der außer complimenten und zeitungen nichts
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vorgebracht.

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Bericht Bischopings: Hat mit den Lüneburgern und dem Osnabrücker Kapitel
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abgesprochen, daß die Kapitulation hier verfertigt werden soll. Langenbeck
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hat dazu ein Projekt und eine Schrift der Stadt Osnabrück übergeben

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Anlage (braunschweigisches Kapitulationsprojekt; Eingabe der Stadt Osnabrück): fehlt.
, mit
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bedeuten, daß daruber viel zu disputiren unvonnöhten, zumahln schon bey
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der capitulation, waß einem fursten gebuert, beobachtet werden könte.

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