Acta Pacis Westphalicae II A 1 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 1: 1643 - 1644 / Elfriede Merla
8. Krane an Ferdinand III Münster 1643 Juni 26

[p. 11] [scan. 41]


1
–/ 8 /–

2

Krane an Ferdinand III.


3
Münster 1643 Juni 26

4
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 47a, Konv. a fol. 30–33’, 35, praes. 1643 Juli 10 = Druck-
5
vorlage
– Kopie: Giessen 203 fol. 224’–228’ – Druck: Gärtner I nr. 158 S. 346–352.

6
Neutralisierung der Stadt Osnabrück. Verzögerung des Abzugs der schwedischen Garnison. Ver-
7
letzung
der Neutralität durch hessische Truppen. Hindernisse in der Quartierfrage.

8
Am 20. Juni bin ich von Osnabrück wieder in Münster angelangt. Verweise auf
9
Beilagen, die ich ebenfalls dem Gfen. Auersperg am Tage nach vollzogenem Neutra-
10
litätsakt
im Original und heute als Duplikat zugeschickt habe. Soviell nun meine
11
verrichtung zu Oßnabrück anlanget, darin ist mir zwar von der cronen
12
Schweden oder in dero nahmen einige verhindernüß nicht zugefüegt
13
worden, sondern die gantze zeitt über, wie mich zu Oßnabrück auffgehalten,
14
von den Schwedischen officirern und soldatesca dhaselbsten zu respect
15
Ewer Mayestätt alle ehr unnd guten willen erwiesen; wie ich dan auch bey
16
dem magistrat unnd gemeiner bürgerschafft alle willigkeit unnd gehorsambe
17
bezeigung bey verrichtung dießes actus in der thatt erfahren, auch mit
18
meinen augen gesehen, daß bey meinem einkommen in die statt etliche von
19
den gemeinen bürgern, unnd zwarn alte, erlebte leuthe, auff ihre kniehe
20
gefallen unnd die hände gegen himmell zusambengeschlagen, welchs ge-
21
wißlich ein anzeigh ist, daß dieße leuthe deß Schwedischen jogs, so sie die
22
zwolff jahr über gelitten

38
Osnabrück war am 12. September 1633 in schwedische Hände gefallen. Über die Belagerung
39
Osnabrücks siehe Fr. Philippi , Belagerung, und H. Krüger S. 8ff.
, sehr müht unnd uberdroßen sein. Dießes aber
23
hatt sich bey selbiger verrichtung zugetragen, daß der Schwedischer com-
24
mendant dhaselbst, Gustaff Gustavi, ein hochwürdiges thumbcapittull wie
25
auch burgermeister unnd raht, wie ich dieselbe vor mich zu erscheinen,
26
ümb Ewer Mayestätt bevelch zu vernehmen, abgeladen, eine stunde zuvor
27
vor sich erfordert, dieselbe ihrer aidt unnd pflichten, whomit sie ihme in
28
crafft erlangten Schwedischen donation zugethan sein söllen, erinnert unnd
29
ernstlich anbefohlen, ihme von allen, waß ich ihnen vorhalten würde, relation
30
zurückzubringen, maßen ich auch beschehen zu sein vermuhte. Söll auch
31
selbiger commendant bey dem actu executionis heimblich seine notarien
32
unnd zeugen, die alles, waß verrichtet worden, prothocollirt unnd auff-
33
gezeignet , gehabt haben, so ich doch nur von gemeinen geschrey hab. Ist
34
zwar hieran wenig gelegen und wehre meins geringfügigen ermeßens deme
35
commendanten frey gestanden, gar öffentlich den actum protocolliren zu
36
laßen, weiln eß ein actus publicus gewest, maßen ich denselben auch deß
37
thags zuvor, alß ich andern thags darauff den actum hab verrichten wollen,

[p. 12] [scan. 42]


1
selbst von meinen vorhaben angezeigt unnd zu deßen belieben anheimb-
2
gestelt , ob er selbsten in persona dem actui nit beywohnen oder jemandts
3
anders herzuschicken wöllen, mit anerpietung, daß ihme sölchsfals seine
4
gepürende session wolte geben laßen. Der hatt sich aber dhamalhs ent-
5
schüldigt , daß er von der cron Schweden darzu nitt befehlicht seie, vor sein
6
privatinteresse aber vermeine er, daß ihme der praeliminarvergleich an
7
seinen rechten nichts nehme noch streitig mache, weiln darbey deutlich
8
versehen, daß einn jeder bey seinen rechten, so er zur zeitt selbigs praeliminar-
9
vergleichs gehabt, gelaßen werden sölle, welchs ich dhahin laßen gestellet
10
sein.

11
Eß ist aber bey dießem verlauff ein gravamen, indeme daß bey verrichtung
12
dießes actus nit diejenige freyheit unnd securitet gewest, alß in dem prae-
13
liminarvergleich außgedingt worden, sonderlich aber ists eine contravention,
14
daß die Schwedische guarnison auff gegenwerttige stunde noch nicht abge-
15
führet unnd angezogener actus relaxationis gleichsamb in strepitu armorum
16
hostilium hatt müßen verrichtet werden, dha doch die außführung der
17
guarnison nach außweisung deß praeliminarvergleichs alsopaldt nach ab-
18
wechßelung der gleidtßbrieffen unnd anderer instrumenten, also vor drey
19
monatten

41
Auersperg akzeptierte in Hamburg am 2. April 1643, daß die Friedensverhandlungen am
42
11. Juli 1643 beginnen sollten ( Gärtner I nr. 63 S. 152; Meiern I S. 8 (= I 1,6); Sverges
43
Traktater V 2 S. 506) und versprach ebenfalls am 2. April 1643, die spanische Ratifikation
44
des Hamburger Präliminarfriedens beim Kongreßbeginn auszuliefern ( Gärtner I nr. 62 S. 150f.).
, hette zu werck gerichtet werden söllen. Unnd haben der könig-
20
lich Dennemarckischer abgesandter Dr. Langerman unnd ich bey mehr-
21
bemelten Schwedischen commendanten über allen angewendten fleiß es
22
nicht dorthin bringen können, daß derselbe zu sölcher abführung in crafft
23
deß praeliminarschluß were zu bewegen gewesen, sondern ist immer auff
24
dem bestanden, daß ihne dergleichen pacta publica für sein particulier, alß
25
einen soldaten, nicht angehen, sondern er seinem general undergeben unnd
26
deßen ordre folgen mueß; sopaldt ihme von selbigen die ordre würde
27
zukommen, wölle er unverzuglich die guarnison außführen, mit welcher
28
außrede wir unns abweisen laßen müßen. Haben doch beede, der Denne-
29
marckischer gesandter sowoll alß ich, gegen offtgenannten Schwedischen
30
commendanten deutlich erinnert, daß demjenigen, der an dießem verzug
31
schüldich, er seie auch wer er wölle, die veranthworttung bey der cron
32
Schweden werde schwer fallen, unnd ist der Dennemarckischer gesandter
33
zwey thage vor mir hinweg unnd, wie er bey mir verlaßen, schnurstracks
34
zu seinem gnädigsten herren, der königlichen würden selbsten nach Glückß-
35
statt verreiset in meinung, eß dorthin zu beforderen, dhamit von dort auß
36
immediate ein currier nacher Schweden möge abgefertigt unnd die abfuhr
37
gedachter guarnison forderlichst befürdert werden.

38
Weiln nun der actus relaxationis a iuramento dergestaldt an Ewer Mayestätt,
39
seidten zu Oßnabrück verrichtet, will eß der cron Schweden auch obligen,
40
denselben gebührlich verrichten zu laßen, wie im gleichen, daß die neutra-

[p. 13] [scan. 43]


1
litet , warin beede örtter, Münster unnd Oßnabrück unnd waß darzwischen
2
ligt, in crafft deß praeliminarvergleichß gesetzt worden, in denen Schwe-
3
dischen unnd Heßischen guarnisonen möge publicirt unnd außgeblasen
4
werden, dan sich noch den 10./20. dießs alhie zugetragen, daß die Heßische
5
auß Coeßfeldt

41
Coesfeld (Kreisstadt) im Oberstift Münster.
bey nachtlicher weiln in nechst vor dießer stadt et inter
6
continentia aedificia gelegenen stifft zu St. Mauritz eingefallen unnd etliche
7
geistliche auch bürgerßleuthe, so bürger alhie zu Münster sein, mit ge-
8
wehrter handt hinweggeführt unnd noch auff gegenwertige stundt zu Coeß-
9
feldt in schmehelicher gefengnüß in ketten unnd banden aufhalten unnd
10
arrestiren laßen, welchs alles dem praeliminarvergleich zuwiderlaufft; sein
11
zwar derentwegen und ümb relaxation selbiger leuthe schreiben an den
12
Heßischen generallieutenandt graffen von Eberstein abgeben, aber noch
13
keine anthwortt zurückkommen, also unwißig, waß man sich zu den
14
Heßischen ferners zu versehen hatt.

15
Wegen außtheilung der quartiren habe ich zu Oßnabrück bey sölcher
16
beschaffenheit, dha die stadt unnd alle bürger noch mit soldatesca belägt
17
gewesen, keine sonderliche anordnung thuen können, doch ümb Ewer
18
Mayestätt recht soviell möglich zu erhalten, einem hochwürdigem thumb-
19
capittull der quartier außtheilung bey den geistlichen, bürgermeister unnd
20
raht aber commission auffgetragen, dieselbe bey den bürgern unnd in der
21
bürger häußer vorzunehmen; immittels hab gleichwoll vor Ewer Mayestätt
22
Kayserlichen gesandten vier heußer auffm newen graben, wie mans nennet

43
Diese Straße heißt heute noch „Auf dem Neuen Graben“.
,
23
außgesehen unnd selbsten den augenschein eingenohmen, auch bey bürger-
24
meister unnd raht die andeutung gethan, daß selbige heußer vor die Kayser-
25
lichen gesandten söllen außgesetzt pleiben, werden sonsten vor die schönste
26
heußer in der statt gehalten unnd zum underbringen bequemlich unnd
27
wol gelegen.

28
Die thumbhernhöve seindt von den Schwedischen unnd Frantzößischen
29
großentheils schon außgenohmen, diejenige aber, so noch nicht außgenoh-
30
men , fast alle mit Schwedischen officirern belägt, also auch nicht darbey-
31
zukommen gewest, unnd wirdt darfür gehalten, daß zum underbringen nit
32
so gar bequem sein söllen.


33
Beilagen


34
[1] [Notariatsinstrument über die Neutralisierung der Stadt Osnabrück, Osnabrück 1643 Juni
35
18] fehlt. Druck: Gärtner I nr. 144 S. 309–324. [Kopie: Giessen 203 fol. 228’–238’].

36
[2] Reversal der Stadt Osnabrück, Osnabrück 1643 Juni 8/18. Ausfertigung (Pergament, mit
37
anhängendem beschädigten gelben Wachssiegel der Stadt Osnabrück in (halber) Schutzkapsel):
38
RK , FrA Fasz. 47a, Konv. a fol. 34 – Druck: Gärtner I nr. 132 S. 293–294. [Kopie:
39
Giessen 203 fol. 239–241’].

40
Erklärung bei der interimistischen Entbindung vom Eid gegen Reichsoberhaupt und Landesherrn.

Dokumente