Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert
88. Nassau und Volmar an Ferdinand III Münster 1645 Januar 27

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–/ 88 /–

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Nassau und Volmar an Ferdinand III.


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Münster 1645 Januar 27

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Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 49a, Konv. A ( Januar–März 1645 ) fol. 51–57, praes. 1645
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Februar 7 = Druckvorlage–Konzept: ebenda Fasz. 92 IV nr. 536 fol. 264–268’ – Kopie:
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Den Haag A IV 1628 nr. 16; Giessen 205 nr. 53 S. 234–250 – Druck: Gärtner IV
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nr. 67 S. 285–296.

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Uneinigkeit der französischen Bevollmächtigten. Überbringung des Kurfürsten von Trier an einen
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neutralen Ort. Besuch Contarinis bei Volmar: Uneinigkeit der französischen Bevollmächtigten,
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Befehl für diese aus Paris zur Fortsetzung der Verhandlungen, Geleitbriefe für die Mediatstände,
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Beschlagnahme der Leiche Botelhos, Neutralitätsansuchen Kurbayerns bei Frankreich, Sendung
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de Rortés nach Schweden. Exzellenztitel für die kurfürstlichen Bevollmächtigten.

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Wir haben Rezepisse vom 11. Januar

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Ferdinand III. an Nassau und Volmar, Linz 1645 Januar 11. Ausfertigung: Den Haag
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A IV 1628 nr. 16–Konzept: RK , FrA Fasz. 47b fol. 3–Kopie: ebenda Fasz. 92 IV
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nr. 532 fol. 245. Rezepisse auf nr. 64 und nr. 67.
erhalten. Ungeachtet des Befehls aus Paris
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lassen sich die französischen Bevollmächtigten nicht vernehmen, ob und wann sie
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zu eroffnung irer fridensmitlen füerschreitten wollen. Seint bis daher under
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sich selbst in disputat gestanden, mit was für antwort sie denn currier
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widerumb zuruggferttigen möchten. Derentwegen auch der conte d’Avaux
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sein raiß nach Oßnabrugg eingestelt und selbige, wie verlautet, erst bis
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negstkommenden sontag an die handt nemmen solle. Und continuiert
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die uneinigkeit zwischen disen beeden gesandten noch immerfort. Wir

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haben auch vertrauten und gewissen bericht, das nachdem der conte d’Avaux
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sich mehrmalen wider den Servient bei der königlichen Regierung erclagt,
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und das der allein an aller verzögerung ursach were, remonstriert, das ime
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von dem princen von Condé

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Heinrich II. von Bourbon, Prinz von Condé, Hg. von Enghien (1588–1646).
und anderen königlichen räthen geschriben
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worden, sich dess Servients oppositiones nichts irren ze lassen, sondern in
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seinen vorschlägen zu verharren, sie wolten ine auch genuegsamb darbey
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mantenieren. Hingegen schreibt der cardinal Mazzarini à part dem Servient,
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das er seine vorschläg durchtringen, sich an den d’Avaux nichts kehren,
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sondern deme per omnia widersezen, auch versichert sein solle, das er,
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cardinal, ine dabey genuegsamb handthaben werde. Nichtsdestweniger hat
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eben diser cardinal dem Venetianischen ambasciador aigens zuegeschriben
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und ine ersuecht, er wolte sich bemüchen, ob er dise beede Franzößische
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gesandten undtereinander vergleichen köndte. Dann einmahl were sein will
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und mainung, das sie beede vereinigt seyen und die fridenshandlungen mit
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ernst fortsezen theten, wo nit, wolte er solche demonstration gegen inen
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vorzenemmen verschaffen, das meniglich verspüren solt, es were der cron
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Franckreich so hoch nit an diesen beeden subiectis gelegen, sondern das
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sie noch andere leüth zu disem hochwichtigen fridenswerkh zu gebrauchen
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wüste.

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Auf diese empfangne commission hat ermelter ambassador gleichwol sich
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undterstanden, mit inen ze handlen, aber vom conte d’Avaux die antwort
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empfangen, das er zwar seinestheils sich gern darzue verstehen wolte, er
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dependierte aber von anderen, ohne deren bewilligung er sich dißorts
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nichts derffte einlassen, hete deßwegen nacher Pariß geschriben, und erwar-
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tete mit negstem der antwort.

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Wir haben auch nachricht erlangt, das wegen dess herren churfürsten von
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Trier transportation nit nur der Venetianische ambassador, als wir in negster
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relation erwöhnung gethan, sondern auch der herr nuncius selbst, dessen
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er doch gegen mir, Volmarn, nit anredig sein wollen, nach Rom geschri-
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ben

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Vgl. V. Kybal S. 733. Zur Gefangenschaft des Kurfürsten von Trier vgl. H. Sturmberger .
und sich zwar summariter dahin bezogen, das die Franzosen nit für
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genuegsamb hielten, das ermelter herr churfürst in deß Päpstlichen nuncii
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handen dem aüsserlichen schein nach seie, ipso facto aber noch in Euer
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Mayestät custodia und iren erblanden ufgehalten werden solle, das dahero
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ein notdurfft wer, ine völlig in ire Päpstlichen heylichkeit handen tanquam
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in depositum ze nemmen, dessen zum fürwort das depositum mit dem Val-
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tellin

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Im März 1623 vereinbarten Frankreich und Spanien mit Zustimmung Savoyens, daß das Veltlin
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von den Spaniern, die es fast ganz besetzt hatten, übergangsweise in die Hände des Papstes
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gegeben werden sollte, vgl. H. Kretschmayr III S. 293.
allegiert und angezogen worden sein solle.

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Vorgestern hat mich, Volmarn, gedachter Venetianischer ambassador we-
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gen meiner leibsindisposition besuecht und in discurrieren auch der uneinig-

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keit zwischen beeden Franzößischen gesandten meldung gethan und dabei
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angehengt, er vermein, das der Servient eheist alhie möcht abgefordert und
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nach Rom verschickht werden, dann der ander von Pariß daselbsthin desti-
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nierte ambassador, monsieur Braslin

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Cesare du Plessis-Praslin ( 1598–1675 ), seit 1645 Marschall von Frankreich, vgl. Michaud
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XXXI ( 1813 ) S. 424–428, NBG X ( 1854 ) Sp. 252f. und V. Kybal S. 287 Anm. 1.
, were undterweegs nach Casal

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Casale Montferrato, Festung nördl. Alessandria im Hgtum. Mantua.
com-
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mandiert worden, weil sich ein intendiment mit den prinz Thomaso

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Prinz Thomas von Savoyen gehörte seit dem Vertrag von Turin vom 2. Dezember 1640 (Druck:
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J. DuMont VI 1 S. 195f.) zur französischen Partei.
über
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selbige vestung entdeckht haben solle. Sodann were die vom Parißischen
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currier mitgebrachte ordre gar scharpf und ernsthafft dahingestelt, das sie
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ohne allen verzug in den haubtfridenstractaten fortfahren und der reichs-
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ständten ankonfft lenger nit zuwartten solten. Destwegen auch der d’Avaux
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bis iezt sontag nach Oßnabrugg raisen und ob die Schweeden auch hierzue
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zu vermögen seyen sehen werde. Er, ambassador, hete dem Schweedischen
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residenten starckh zuegesprochen, das selbe gesandten kein vernünfftige
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ursach heten, die haubttractaten wegen der mediatständten verglaittung
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und deß Bodelli leichnambs entfüehrung aufzehalten. Man wurde in bee-
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den punctis wol zur satisfaction gelangen, dergleichen accidentia aber meri-
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tierten nit, das man darumb das universalweesen solte leiden lassen. Die
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Schweeden heten, sonderlich im letstern puncten, weder aus dem praelimi-
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narvergleich noch aus ihrem gegebnen pasß einig fundament nit, warumb
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sie nit offentlich gehandlet, so wurden solche difficulteten und begegnusen
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wol vermitten bliben sein. In vergleittung der mediatständten müeste gleich-
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wol uf das interesse irer oberen gesechen und ein gewisses determiniert
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werden, dann also in infinitum darein ze willigen, seye ia aller vernunfft
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zuwider.

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Er hat auch nit undterlassen, von Churbayrn vorhabender beschickung
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dises congress anregung ze thuen und zu sagen, das seine churfürstliche
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durchlaucht mit nachdencklichen particularpropositionibus ahn die Fran-
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zosen umbgiengen, als de armistitio, neutralitate und anderm, che so io,
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sagte. Er gab sein iudicium darüber, er wüste nit, was dabey gesuecht wurde,
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dann sovil die neutralitet oder andere vorschläg anlangte, wurden die Fran-
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zosen ime, wann er die waaffen behalten wolte, nimmermehr trauen, son-
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dern ine disarmieren machen, alßdan wurde er doch verlohren gehen.

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Ich habe ime geantwortet, das wir darvon genuegsamb nachricht heten, und
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müesten es vor dißmal an sein orth gestelt sein lassen. Daran were aber
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gelegen, das man dermaleinist zu ergreiffung dess haubtwerckhs schreiten
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thet, darzue ich doch mir wenig hoffnung machen könte, die Franzosen sag-
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ten und versprechen gleich, was sie wolten.

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Über diss repliciert er weiter, er und herr nuncius heten genzlich verhofft,
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disen winter hindurch die sachen wenigist dahin ze bringen, das man in den

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vornembsten haubtstuckhen so weit einig werden solt, das gegen dem her-
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beynachenden früejar durch ire principales, als die Päpstliche heyligkeit
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und die republic zu Venedig, die kriegende potentaten heten durch ansechen-
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liche und aigene schickhungen umb ein stillstandt der waaffen mögen er-
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suecht und angelangt werden, welche intention er auch neülich dem herrn
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bischoff zu Oßnabrugg angedüttet. So müeste er aber verspüren, das darzue
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einige hoffnung nit ze machen, und die feldtzüge vil ehender im werckh
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sein, ehe man von einiger haubtproposition zu denn fridensmitlen vergli-
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chen sein wurde. Dises hat mir ursach geben, ime zu sagen, das es an Euer
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Kayserlichen Mayestät nimmer ermanglen wurde, wann nur einige hoff-
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nung zu dem friden erscheinen könte, und die gegentheil sich darzue im
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werckh bequemmen theten, alles das ze thuen, was ein unparteyischer rich-
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ter ze beschleinigung der haubtsachen dienstlich sein erachten köndte. Aus
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diser anzeig erscheint aber, das dess herrn bischoffs von Oßnabrugg laut
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unserer vom 13. huius abgangener relation in hoc puncto an uns gebrachte
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anzeig, wie die deßwegen vom Venetianischen ambassadoren beschechen
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sein solle, nit recht verstanden worden, dann uf dise formb, wie es er, am-
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bassador , aniezt an mich, Volmarn, qualificiert, wurde sich noch wol mit
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reputation Euer Kayserlichen Mayestät von disem puncto handlen und
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reden lassen.

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Sonsten sagt diser ambassador noch weiter, das der bißher zu Oßnabrugg
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geweste Franzößische resident baron de Rorttée nach Schweeden verschickht
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werden solt, allein der ursachen, selbige cron destomehr zu ergreiffung der
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fridenshandlungen zu vermögen und die widrige consilia, so etwan von
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dem Oxenstern und Salvio subministriert werden möchten, abzehalten.
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Dann die Franzosen verspürten, das dise gar wenig lust zu beschliesßung
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eines friedens erzeigen theten. Die quaestion aber stüende mit diser schi-
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ckung noch an deme, ob er, Rortée, als ein resident, dessen er sich beschwe-
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ren thet, oder als ein ambassador verschickht werden solt, darüber man
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noch von Pariß uf der alhießigen Franzößischen plenipotentiarien recom-
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mendation weitern bevelchs erwartten thet. Uns ist aber anderwerts im
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vertrauen referiert worden, das die Franzosen in misßgedanckhen stecken,
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ob suechten Ewer Kayserliche Mayestät absönderliche mitel, sich mit
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Schweeden zu befriden, und heten derentwegen dise ambasciata mit dem
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Rortée zu dem ende vorgenommen, damit selbe cron hiervon ab und zu
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continuation dess kriegs aufgestifftet werde, so wir wenigist aus des cardi-
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nals Mazzarini geheimben instructionibus herfliessen glauben.

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Der Bischof von Osnabrück hat uns berichtet, daß die kurbayerischen Gesandten in
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Hamm angekommen sind. Sie seien entschlossen hierher zu kommen, hätten aber
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vernommen, daß die Botschaften der fremden Mächte Bedenken wegen ihrer empfa-
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chung und ertheilung deß praedicats di eccellenza erheben. Der Bischof
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begerte, von uns zu vernemmen, ob dergleichen an uns gebracht, und was
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unser mainung wer, mit dem anhang, das nit allein Churbayrn, sondern

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auch das ganze churfürstliche collegium die resolution gefast, von solcher
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praeeminenz nit zu weichen, und ehender, es gehe gleich wie da welle, die
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irige nit alhero kommen ze lassen. Und heten die Churbayrischen, als er
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wol wuste, den gemessenen bevelch, niemanden diesen titul zu geben, man
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gebe inen dann selbigen auch, es were auch, wer da wolle.

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Wir haben darauf geantwortet, uns were destwegen von niemanden nichts
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angebracht worden, ausserhalb das herr nuncius von uns zu wissen begert,
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ob wir den bemelten Churbayrischen die waagen entgegenschicken wolten,
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so wir mit ja beantwortet, weil wir dessen von Euer Kayserlichen Mayestät
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also bevelcht weren. Was aber das berüerte praedicatum anlangt, dessen
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hete sich gegen uns niemandt nichts vernemmen lassen. Weren iedoch
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erbietig, hiervon mit denn Spanischen gesandten ze reden. Nun hat er, herr
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bischoff, sich gleich darauf selbst zu denn Spanischen verfüegt, wie wir
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folgendts dessentwegen mit denselben zu communicieren auch nit undter-
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lassen haben. Die verbleiben aber noch derzeit sowol gegen ime, herrn
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bischoffen, als uns darauff, das inen dise neüe quaestion etwas zu schwär
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vorkomme, und sich darauf in ersechung irer instruction nit zu resolvieren
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wüsten, wiewol sie nit zweifleten, ir genedigister könig und herr, als selbst
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ein mitinteresßierter fürst dess reichs, werde nichts undterlassen, was zu
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gemeiner chur, fürsten und ständten des reichs praeeminenz und hochheit
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gelangte. Wolten verhoffen, man werde inen nit übel außdeüten, das sie
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sich wenigist bey dem herrn marchese Castel Rodrigo

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Castel Rodrigo, marqués Manuel de Moura, conde de Lumiares, 1641–1644 spanischer Bot-
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schafter am Kaiserhof, 1644–1647 Gouverneur der spanischen Niederlande, gest. 1648.Vgl.
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APW [ II C 2 S. 47 Anm. 3 ] , BN XV (1899) Sp. 317–319 und V. Kybal S. 185 Anm. 2.
, als primo plenipo-
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tentiario , darundter bescheidts erhollen theten.

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Diser resolution ist herr bischoff nit wol zufriden gewesen, sondern ver-
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meinte , die Spanischen solten mit irem exempl dises praedicat auch bey der
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anderen potentaten ministris facilitieren, sonsten, im fall es dise bewilligten,
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wurde der widerwill beschechener verwaigerung allein bey denn Spanischen
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hafften. Wir an unserm ortt müessen es dahin gestelt sein lassen, und haben
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mit fleiß uns in abstracto gehalten, das er, herr bischoff, von uns einige
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erclärung pro vel contra zu begeren, wie wir es ze halten gedächten, nit
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ursach nemmen möchte. Wollen uns auch nochmaln in solchen terminis
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zu stehen, und das wir über dasihenig, was im reich zwischen Kayserlichen
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und chur- auch fürstlichen gesandten herkommen, ze schreiten nit genötigt
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werden, möglichst zu verhüetten angelegen sein lassen.

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Dieweil wir aber auch nit gesichert, ob sich dise und andere churfürstliche
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gesandten in solchem schranckhen werden halten lassen, und ob nit entlich
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die frembde cronen oder deren ministri selbst hierundter nachgeben möch-
38
ten , bitten wir um Instruktion. – Paß für Reise Carrettos durch Frankreich.

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