Acta Pacis Westphalicae II A 4 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 4: 1646 / Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett
336. Ferdinand III. an Trauttmansdorff, Nassau und Volmar Wien 1646 September 9

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Ferdinand III. an Trauttmansdorff, Nassau und Volmar


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Wien 1646 September 9

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Ausfertigung: RK FrA Fasz. 92 X nr. 1457 fol. 401–406’, [ praes. 1646 September 29 ] = Druck-
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vorlage
– Kopie: KHA A 4 nr. 1628/41 unfol.

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Verhinderung eines Friedensschlusses durch derzeitige französische Verhandlungstaktik, daher
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Notwendigkeit einer endgültigen schriftlichen Erklärung der französischen Gesandten.

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Wir haben nr. 306, 314 und nr. 319 erhalten. Solches alles haben wir in reiffe
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deliberation gezogen

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Ein Ga. konnte nicht ermittelt werden, doch basiert die Weisung vom 9. September offensicht-
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lich auf einem solchen.
und sovil befunden, daß, obwohlen der Franzosen an-
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derwertig gethane contestation und gegenerklerung zue diser newen hand-
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lung einen schein zue einer bessern inclination zum friden von sich geben,
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iedoch wenig darauff zue bawen, sonder ein lauter betrüeglichs werckh und
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allein zue lengerer verweilung der tractaten, insonderheit aber zue unserer
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und der stände division und trennung angesehen seye. Dan erstlich schreiten
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die Franzosen auß dem bißhero gebrauchten methodo tractandi und, da sie
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auff ewere so schrifftlich alß mündtliche von euch gegebne erklerung haubt-
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sächlich antwortten sollen, bringen sie dagegen einen newen modum auff die
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bahn, daß man secreto und sub fide iuramenti beederseits die conditiones pa-
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cis uff einmahl richten solle, damit sie nur die sachen von dem rechten weeg
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abführen und in ein newe weitlaüffigkeit, ohne daß ihnen wegen lengerer
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verzögerung der tractaten hernach einige schuld weiter zuegemessen werden
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könne, bringen mögen.

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Zum andern bewilligen sie in den proponierten mediis pacificationis an sich
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selbst nichts newes oder mehrers, alß sie albereit vor disem gethan haben, ia
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sie lassen die fürnembste conditiones, auff welche ihr newere erklerung in
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puncto satisfactionis restringiret, ewerer selbst dessentwegen gethanen erin-
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nerung nach gantz auß.

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Restringieren auch fürs dritte alles daß, wessen sie sich aniezo pro pace
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ineunda erkleret, auff der Schweden consens und beliebung mehrer alß zuvor
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niemahlß, massen die acta mit sich bringen, daß sie sich vor disem nur dahin
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vernemmen lassen, daß sie mit denn Schwedischen gesanten zu Oßnabrugg
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vorhero communiciern und deren guettachten vernemmen müessten, ietz
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aber sezen sie dise condition dazue, daß wan die Schweden sich zue dem,
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wessen ihr auch mit ihnen (Franzosen) verglaichen, nit versehen, sondern ter-
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giversieren oder mit mangel gnuegsamber instruction entschuldigen wurden,
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so wolten sie alsobalt einen eignen currier nach Schweden zue der königin
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selbst schicken und deroselben disen schluß zue wissen machen, massen die

[p. 567] [scan. 647]


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wortt an sich selbst gantz clar: „Paratos se statim, postquam cum Caesareanis
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convenerint, Osnabrugas una se ad Suecos conferre et de singulis“ etc.

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Bezug auf nr. 314 Beilage [1] (vgl. APW III C 2, 689 Z. 25–31).
.

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Eher nun dergleichen currier fortgeschickt und von Stockholm wider abge-
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ferttiget wurde, möchte wol ein halb iahr oder mehr darüber zuegebracht und
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immittelst alles, waß man mit der cron Franckreich gehandlet und beschlos-
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sen hette, auff der cron Schweden willkuhr und belieben in suspenso aufge-
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halten werden, sintemahlen die Franzosen sich dabey nit erkleren, ob sie un-
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erwarttet der königin in Schweden resolution dennoch den schluß exequiren
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und sich alsobalt würcklich von den Schweden separieren wolten. Und ist
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leichtlich zue erkhennen, daß die consilia in Schweden von denen, so die
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Schwedische zue Oßnabrugg führen, nit different werden sein und eben daß-
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ienige von Stockholm alß von den Schwedischen ministris zue Oßnabrugg
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zue hoffen sein, massen in allem vilmehr daß contrarium ex verbis subse-
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quentibus zue colligieren, indem sie sezen, sobalt alß die capitula pacis zwi-
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schen euch und der cron Franckreich abgesanten wurden stabiliert sein ( wel-
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ches wir vor den schluß verstehen), so solle dise clausul hinzuegesezt werden,
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daß obschon unterdessen (zue verstehen, weil der currier aussen ist) unter
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beeder theilen kriegsvolckh ein schlacht geschehe, so solle doch dardurch di-
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ser tractat nit gebrochen oder auffgehoben sein biß zue end deß monaths
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Augusti, dabey wir zwar sachen wohl in acht nehmen, auß denen man der
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Franzosen captiositet mit disem tractat zue sehen. Die eine, daß auch nach
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dem schluß, biß solcher von der königin in Schweden approbirt oder es ent-
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lich uff einen andern weeg der cron Franckreich gefellig ist, wir unß keines
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fridens mit bestandt getrösten können, sondern einen weeg alß den andern
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dem glüekh und unglüekh der waffen unterworffen bleiben müessen, die an-
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dere , daß nit gesezt würdt, eß solte einen alß den andern weeg, eß schlage
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auch daß glüeckh der waffen auß, auf welche seit es wolle, nichtsdestoweni-
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ger (wie hiebevor im Regenspurgischen amnistiaeedict

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Edikt vom 20. August 1641 (Druck: Sammlung III, 551–554).
von unß verwilliget)
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bey dem gemachten schluß gelassen, sondern allein, daß die tractaten hier-
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durch nit rumpiert werden, welches einen grossen unterschid und den Fran-
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zosen lufft macht, die conditiones ihres gefallens nach dem lauff der waffen
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einen alß den andern weeg zue endern oder zue verbessern.

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[ 4. ] Und obwohl die Franzosen noch dises mit anhengen, daß sie bereit we-
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ren , sobalt man beederseits geschlossen haben wurde, ein armistitium zue-
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wege zue bringen, so ist doch alles uff schrauben gestelt und propter antece-
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dentia , indeme der würckliche genuß des fridens uff der cron Schweden dis-
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cretion beruhete, sich uff nichts gewisses zue verlassen. Eß wurde auch ein
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solches armistitium, wan es allein zwischen unß und Franckreich angesehen,
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unß und unserm loblichen ertzhauß wenig helffen, indeme nichtsdestomin-
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der die cron Schweden mit zueziehung Französischer hilffe directe oder indi-
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recte die waffen wider unß und deß churfürsten in Bayrn liebden continuiren

[p. 568] [scan. 648]


1
dürffen, die Franzosen auch unterdessen umb sovil desto sicherer alle ihre
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cräfften wider die cron Spanien brauchen könten.

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Auß disem allem nun erscheinet, daß diser newe tractat kein sicheres funda-
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ment habe, zuemahln unß keinen nutzen bringe. Der schaden aber, so darauß
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erfolgen könte, ist vors fünffte auß disem abzuenehmen, daß die Franzosen
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nichts schrifftliches von sich gegeben, dagegen aber von euch eine schrifftli-
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che versicherung desienigen, waß ihnen in puncto satisfactionis schließlichen
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eingewilliget werden solle, haben wollen, von Philipsburg nit weichen, bey
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selbiger vestung nit allein daß ius praesidii et liberi transitus (welches von
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ganzen regimentern und armaden kan verstanden werden), sed eiusdem pro-
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tectionis tendieren, mit Spania den friden ohne zuruglassung Catalonien uff
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ebensovil iahr und zeit, alß die Holländer erlangt, nicht schliessen und Loth-
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ringen in disen friden nit einnemmen noch restituiren wollen. Dan wan ihr
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ihnen weiter eine schrifftliche versicherung in puncto satisfactionis geben
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und nichts dagegen von ihnen wider Schweden hettet, so werden dieienigen,
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zue deren praeiudiz umb fridens willen so vil landt und leüth hinwegggege-
17
ben worden, sich (wie von etlichen schon wegen deß den Schweden hinauß-
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gegebnen instrumenti pacificationis

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Bezug auf den ksl. Textvorschlag für das IPO vom 8. Mai 1646 (vgl. nr. 88 Beilage 1).
und von Lothringen wegen gethaner ob-
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lation der stiffter Metz, Tull und Verdun

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Bezug auf das ksl. Angebot vom 10. Dezember 1645 (vgl. APW III C 2, 494 Z. 12–14 sowie
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II A 3 nr. 26).
geschehen) wider unß beklagen
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und wir ihnen dagegen auß mangel schrifftlich gegebner versicherung von
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den Franzosen nichts bestendiges opponiren können.

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So seind auch wir wegen Philipsburg allezeit sehr angestanden, ob man es
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den Franzosen lassen oder nur daß praesidium darin gestatten solle. Und hat
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sich bißhero mit dem gar füeglich entschuldigen lassen, daß es ohne der
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stende willen nit geschehen könne, die stendte aber niemahlß ihren willen
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hierzue recht geben dörffen, weilen wir es allezeit abgeschlagen und nit for-
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maliter in consultationem kommen lassen. Jezo aber, nachdem die Franzosen
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ein newen gusto zum friden von sich geben, so gehet bereit der churfürstliche
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schluß dahin, wan der frid hieran hafften thette, daß mans nachgeben solle,
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und zwar ex eo fundamento, weilen Churtrier alß bischoff zue Speyr solches
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schon vorhero bewilliget und dessentwegen sich mit Franckreich albereit ver-
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glichen , ohne daß man den vergleich iemahlß unß, alß dem oberhaubt und
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lehensherren, gebürlich fürgebracht.

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Hierdurch begehrt man unß die ganze fridenshandlung umb ein guets schwe-
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rer zue machen, dan wan wir Philipsburg den Franzosen weiter denegirten,
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so wurde der unglimpff, alß wan der friden unserseits haften thette, uff unß
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fallen. Thun wir aber darein bewilligen, und um daß fundament diser bewil-
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ligung sowohl von dem churfürstlichen collegio alß den Franzosen selbst uff
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des churfürsten zue Trier gedachten vergleich gestellet würdt, so kan leicht-
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lich ex eodem fundamento der ganze ertzstifft Trier in der Franzosen hände
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balt also gespilet werden.

[p. 569] [scan. 649]


1
Man sihet auch, daß die Franzosen mit ihren scheinbarn anerbiethen, sich
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von den Schweden zue separieren und Churbayrn und die Wilhelmische lini
3
bey der chur zue manutenieren, item den protestierenden in puncto gravami-
4
num nichts weiter nachzugeben, nichts anders suechen, alß bemeltes churfür-
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sten liebden und andere catholische stendte von unß abzueziehen und dero
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waffen zue intepidirn, biß sie etwan den vor Orbitello und in Niderlanden
7
erlittenen verlust besser reparirn können, massen dan auß bemeltes churfür-
8
sten in Bayrn liebden einkomnen schreiben, dessen abschrifft wir dir, unserm
9
oberhoffmeistern und principalgesanten, dem graven zue Trautmanstorff,
10
zueschicken

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Vgl. nr. 337 Beilage A.
, gnuegsamb zue vermercken, wie weit diser newe scheintractat
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ihrer liebden vor etlich wochen bezeigten starcken eyffer zue besserer fortse-
12
zung der waffen alteriert habe, und stehet zue besorgen, da man solchem nit
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beyzeiten die maschera recht abziehen solte, daß er noch mehrere alteratio-
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nen verursachen möchte.

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Wir haben bißhero bey disen fridenstractaten und unsern gethanen grossen
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offerten dise zwen scopos vor unß gehabt, den einen zwar, daß wir den friden
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dardurch erlangen, den andern, wan der frid ie nit zu erlangen were, daß wir
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dan der ganzen weit und sonderlich denen chur-, fürsten und stendten deß
19
Reichs, die allezeit solche grosse hoffnung darauff gesezt, kundtbarlich zei-
20
gen könten, daß es an unß nit ermangelt und daß die cronen keinen ernst
21
zum friden hetten, sondern allein krieg begehrten und hierzue die stände des
22
Reichs durch simulierte und langwürige fridstractaten von unß zue separiern
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und unter sich selbst zue trennen, folgents einen nach dem andern unter ihr
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joch zue bringen und also daß ganze Reich miteinander zue theilen suechen.
25
Wan daß erste were erhalten worden oder noch erhalten werden könte, so
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were es unß lieb und angenehmb. Eß haben aber alle oblationes nichts ver-
27
fangen , und wan man schon Philipsburg auch dahinden liesse, so ists doch
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auch nit zue hoffen.

29
Der andere zwekh aber ist gleichwol seither, nachdeme die Schweden und
30
Franzosen dise tractaten so lang aussgezogen und nichts von allem deme,
31
waß sie zue befürderung deß fridens versprochen, gehalten haben, dergestalt
32
kundt worden, daß Churbayrn und andere, die sonst den friden also starck
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urgirt und dessen sich versichert geschäzet, vor etlich wochen solchen aller-
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dings gantz desperieret und derowegen mit unß, alß ihrem oberhaubt, sich
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wider besser zue unieren und zue coniungieren gesuecht, Chursachßens lieb-
36
den auch sich nunmehr (wan anderst ein solches schreiben, wie von unserm
37
gesanten zue Oßnabrugg in copia einkommen

43
Nr. 316 Beilage [ 1 ].
, von ihro an die hertzogen
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zue Lüneburg abgangen) dahin bewegt, daß seine liebden sich offentlich er-
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kleret , wan die protestierende in puncto gravaminum dem, waß wir und die
40
catholische letzlich offeriert, nit vergnüegt sein wolten, bey ihnen dißfalß
41
weiter nit zue stehen, sondern vilmehr zue unß und andern, die damit zuefri-

[p. 570] [scan. 650]


1
den sein, zue tretten. Allen disen nutz und vorthel suechen nunmehr die
2
Franzosen durch disen newen scheintractat unß wider auß der handt zue spi-
3
len und mit newen fridenshoffnungen alle stendte zue addormentieren.

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Derowegen wir euch dises alles mit mehrerm gnedigst anzuefüegen für eine
5
notturfft erachtet; und weilen ihr die unsicherheit dises tractats mit umbsten-
6
den und auß denen bey ein und anderm punct unß hierin zue gemüeth gehen-
7
den erheblichen motiven zur gnüege vornehmen könnet, alß habt ihr wohl-
8
gethan , daß ihr also tieffer euch gegen den mediatoribus nit eingelassen, und
9
wir befehlen euch ferner hiemit genedigst, daß ihr uff ein entliche richtige
10
erklerung uber vorige unsere postulata und oblata dringen und insonderheit
11
dises bey aller weitern conferenz in obacht nehmen sollet, daß die Franzosen
12
sich rund erkleren, ihr auch dessen gnuegsamb versichert möget sein, ob sie
13
daßienige, waß mit ihnen dißfalß geschlossen werden wurde, auch ohne der
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Schweden willen und gefallen, exequiren und volstreken wollen.

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Hielten auch dem werckh vor sehr nutzlich, wan ihr es dahin bringen kön-
16
net , daß sich die Franzosen offtvertröstermassen deß instrumenti pacis ein-
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mahl bequembten und eines entlichen hierin herausliessen

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Nach der Vereinbarung der frz.-ksl. Satisfaktionsartikel vom 13. September 1646 (vgl. nr. 344
30
Beilage B) bestand für die frz. Seite zur Abfassung eines vollständigen Friedensvertragsentwurfs
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kein Anlaß mehr. Der erste vollständige frz. Textvorschlag für ein IPM stammt vom 19. Juli
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1647 (Druck: Meiern V, 141 –161).
, dan ohne daß
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aller tractat mit der cron Franckreich in ewiger ambiguitet verpleiben wurde,
19
also daß wir nit sehen, waß biß dorthin einzige unsere erklerung wegen Phi-
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lipsburg unß und dem vatterlandt dienen könte.

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