Acta Pacis Westphalicae II A 3 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 3: 1645 - 1646 / Karsten Ruppert
87. Ferdinand III. an Trauttmansdorff, Nassau, Lamberg, Volmar und Krane Linz 1646 Januar 11

6
–/ 87 /–

7

Ferdinand III. an Trauttmansdorff, Nassau, Lamberg, Volmar und Krane


8
Linz 1646 Januar 11

9
Kopie

31
Diese Instruktion wurde mit Weisung von 1646 Januar 13 an die kaiserlichen Gesandten
32
überschickt. Vgl. S. 542.
: RK , FrA Fasz. 52b fol. 82–120’ = Druckvorlage; Giessen 210 nr. 8 S. 79–167
10
– Reinkonzept: RK , FrA Fasz. 52b fol. 5–73 – Druck: Gärtner VII nr. 75 S. 441–501.
11
Gutachten

33
Das Ga. ist inhaltlich, zum großen Teil auch wörtlich, mit der Instruktion identisch. Es
34
zeichnet sich gegenüber der Instruktion vor allem dadurch aus, daß die ksl. Stellung zu
35
manchem protestantischen Gravamen iuristisch ausführlicher abgestützt wird. Bedeuten-
36
dere sachliche Abweichungen werden angemerkt.
der deputierten Räte, s. l. 1645 Oktober 19, 20 und 21, und Conclusum des
12
Geheimen Rats, Linz 1645 Oktober 25

37
Das verbesserte Datum ist nicht eindeutig zu entziffern; vielleicht auch Oktober 23.
, zu den protestantischen Religionsgravamina des
13
Regensburger Reichstags [ von 1641 April 17 ]

38
Druck: M. C. Londorp V S. 205ff. Vgl. dazu auch K. Bierther S. 190ff.
: RK , FrA Fasz. 49b fol. 182–244; TA,
14
Ka. 107 fol. 416–482

39
Das Ga. wurde Trauttmansdorff 1645 November 12 zugestellt. Vgl.: RK , FrA Fasz. 50c
40
fol. 12.
[ Beide Kopien mit den Marginalien der Geheimratssitzung ]; RK ,
15
FrA Fasz. 48c fol. 78–140

41
Nichtzeitgenössische Kopie; der Schrift nach vermutlich aus dem 19. Jahrhundert.
.

16
Vorüberlegungen. Gültigkeit und Interpretation des Augsburger Religionsfrieden von
17
1555. Maiora in Religionsfragen und auf Reichsversammlungen. Kompetenz des Reichs-
18
hofrats in Religionssachen. Literarische Auseinandersetzung um den Religionsfrieden.
19
Session und Votum protestantischer Stiftsinhaber. Mediatstifter. lus emigrandi. Declaratio
20
Ferdinandea. Parteiische Urteile gegen Protestanten. Religionsverhältnisse in den Reichs-
21
städten . Reichsstädtisches ius reformandi extra muros. Protestantische Begräbnisse in
22
katholischen Territorien. Intraden und Gefälle aus fremdkonfessionellen Territorien.
23
Kaiserliche Gewalt über geistliche Güter. Katholische Ansprüche auf reformierte Klöster.
24
Franziskaner. Landständische Religionsprivilegien. Spezialbeschwerden der Reichsstädte.

25
Instruktion, wie sich unsere Gesandten zu verhalten und zu erklären haben,
26
wan die von der chur-, fürsten und ständten dess Reichs abgesandte zu con-
27
sultier - und erledigung der reichsgravaminum schreitten werden und
28
derentwegen von besagten gesandten etwas an sie gebracht wurd werden.

29
Demselben nach haben unsere Kayserlichen abgesandten in acht zu nemmen,
30
daß wir wegen erledigung der reichsgravaminum darbei in dreyerlei waiß

[p. 126] [scan. 174]


1
interessiert. Erstlich als deßselben Römischen Reichs oberhaubt und iudex
2
competens. Zum andern als advocatus ecclesiae catholicae et sedis aposto-
3
licae . Zum dritten als erzherzog zu Österreich und ein catholischer mit-
4
gestandt im Reich, warzue propter consequentiam alle unsere erbkönigreich
5
und lande im Römischen Reich zu ziechen sein. Darbey wir euch dann, was
6
bey ein und anderm gravamine ir diser drei considerationen halben zu beob-
7
achten habt, durch dise instruction andeütten wollen.

8
Wir seint zwar nit wennig angestanden, ob wir uns der zeit uber solchen
9
gravaminibus in etwas bestendig resolvieren könten, dieweil erstlich die-
10
selbe durch den iungsten reichsdeputationsabschidt zu Franckfurth

39
Gemeint ist wohl der Beschluß des Deputationstags über die Beilegung der Gravamina
40
vom 20. April 1645. Da sich die Versammlung nach und nach auflöste, scheint es keinen
41
offiziellen Abschied gegeben zu haben. Vgl. B. P. v. Chemnitz IV, 5 S. 29f.
uf ein
11
anderen convent, so allererst uf den ersten Maii dess ersteingangenen
12
1646sten jars anzufachen, nach ietztbesagtem Franckfurth außgestelt. Fürß
13
andere, weil wir dabey nit allein interessiert, besondern vilmehr die
14
catholischen chur-, fürsten und ständt und derentwegen billich vorher ir
15
guetachten zu erwartten. Drittens die Augspurgische confessionsverwahnte
16
in gleichem und also ohne beeder willen und consens vergeblich sein
17
möchte, wenig oder vil zu resolvieren. Wir haben aber gleichwol dieselbe zu
18
diesem ende berathschlagen lassen, das, wann beede, die catholische und
19
uncatholische ständt, sich selbst dess iungst gemachten Franckfurthischen
20
schluses ungeachtet, in loco tractatuum vergleichen wolten oder auch gar
21
nit vergleichen könten und gleichwol die notdurfft zu beförderung der all-
22
gemeinen reichsberuehigung ein vergleich erfordern thete, waß wir darbey
23
thuen solten und könten und wie wir euch zu instruieren. Deme zu folg nun
24
ist unser gnädigster bevelch, will und mainung, das ir zuvorderist in allen
25
und ieden puncten der ständt mainung und intention wol penetrieren thuet,
26
ob und wievil sich sie mit unserer friedferttigen mainung vergleichen möch-
27
ten oder nit.

28
Darbey wir aber euch gleich anfangs diß zu erynneren für ein noturfft
29
erachtet, das ob sich zwar aus denn gravaminibus sowol der catholischen
30
als uncatholischen ständte befindt, das sie sich uf alle ire vorige gravamina,
31
so sie uf offenen reichstägen von anno 1559 bis 1613 inclusive übergeben
32
berueffen und inen dieselbe, wie auch alle andere per expressum vorbe-
33
halten . Die acta nun haben wir der zeit nit bey handen gehabt, es seint uns
34
auch dieihenige abgangen, welche in anno 1629 bei consultierung dess
35
edicts

42
Restitutionsedikt vom 6. März 1629. Druck: M. C. Londorp III S. 1048ff. Vgl. auch
43
M. Ritter , Restitutionsedikt.
fürgangen. Dahero dann dise unsere instruction nur uf dieihenige
36
gravamina und schrifften gerichtet, welche bey iungstverwichnem reichstag
37
zu Regenspurg in anno 1641 fürkommen seint. Und seint nun dißorts
38
dreyerley schrifften in obacht zu nemmen. 1.º Der Augspurgischen confes-

[p. 127] [scan. 175]


1
sionsverwahnten gravamina, so doch nur undterm namen der fürsten und
2
ständen selbiger confession übergeben, das also Chursachsen und Branden-
3
burgs churfürstliche liebden sich offenlich dazue nit bekendt, so wol zu mer-
4
ckhen ist. Und halten die gravamina drey classes in sich. Vors erste quoad
5
ecclesiastica. Vors andere die politica et militaria. Vors dritte die justitien
6
sachen. 2. do Der catholischen ständt antwort

25
Antwort der kath. Reichsstände auf die Gravamina protestantischer Fürsten und Stände,
26
1641 Mai 16. Druck: M. C. Londorp V S. 326ff.
, welche doch nit weiter als auf
7
die religionsgravamina gerichtet und die gravamina in politicis et militaribus,
8
wie auch in denn justitiensachen auf die gemeine consultationes remittiert.
9
3.º Derselben gravamina contraria communia et particularia

27
Gravamina der kath. Kurfürsten, Fürsten und Stände, 1641 Mai 26. Druck: M. C. Lon-
28
dorp
V S. 321ff. und 330ff.
. Hierzue
10
kommen noch der stätt gravamina

29
Gravamina der protestantischen Reichsstädte, 1641 April 22: M. C. Londorp V
30
S. 219ff.
absünderlich und der freyen reichs-
11
ritterschafften

31
Die reichsritterschaftlichen Gravamina sind Bestandteil der allgemeinen Gravamina
32
(vgl. Anm. 4).
.

12
1. Gravamen protestantium.

13
Was der Augspurgischen confessionsverwahndten, und zwar die erste class,
14
betrifft, so ist diß das erste, das der religionfrid nur für ein temporalwerkh
15
pro mera tolerantia und pro pacto per vim et metum extorto gehalten
16
würdt, welches dieihenigen, so nit darein consentiert oder darwider pro-
17
testiert , nicht binden könte, derowegen so begeren sie solchen ufs newe
18
per formam pragmaticae sanctionis zu bestettigen.

19
Nun ist nit ohne, das etliche catholischen scribenten diser mainung sein und
20
solches offentlich im truckht außgeben, wie under anderm im buech von
21
freystellung der religion, authore Francisco Burchardo

33
Pseudonym für Andreas Erstenberger, ksl. Reichshofratssekretär, dessen Erster (Anderer,
34
Dritter) Thail des Tractatus De Autonomia, das ist, von Freystellung mehrerlay
35
Religion und Glauben. Durch weiland den Edlen und Hochgelehrten Herrn Franciscum
36
Burgkardum, beyder Rechten Doctorn, Churfürstlichen Cöllnischen Gehaimen Rath und
37
Cantzlern … zusammengetragen 1586 erschienen war. Vgl. M. Heckel , Autonomia;
38
hier S. 143f.
, vel potius Ersten-
22
bergero , item dess Pauli Windecke

39
Johann Paul Windeck (gest. 1620), kath. Theologe, seit 1605 Prof. an der Universität
40
Freiburg. Vgl. ADB XLIII S. 387f. Vgl. auch Addenda.
Die Räte beziehen sich hier auf: Joannes Paulus Windeck : Alter Tractatus, Seu Christina Deliberatio, De Optimo Religionis Status continendo, Seu quibus Remediis a Catholicorum Provinciis Sectae omnes Arceri, Aut ubi Nidificarunt, fundibus Evelli queant. in: J.P. Windeck : Prognosticon Futuri Status Ecclesiae ... Köln 1603. S. 161-433. Dieser Alter Tractatus hat dem Kolumnentitel Deliberatio de haeresibus exstirpandis; er wird zeitgenössisch meist mit einem vom Kolumnentiel abgeleiteten Titel allegiert. Freundlicher Hinweis K. Repgen
consultation de extirpandis haereticis,
23
item aus dess pater Conzens

41
Adam Contzen SJ (1573–1635), seit 1623 Beichtvater Kf. Maximilians I. Seine
42
Politicorum libri decem, in quibus de perfectae Reipublicae forma, virtutibus, et vitiis,
43
institutione civium … tractatur kamen 1620 in der 1. und 1629 in der 2. Auflage
44
heraus. Vgl. E. A. Seils . Vgl. auch Addenda. Ergänzend zu Seils jetzt auch Robert Birely : Maximilian von Bayern, Adam Contzen S.J. und die Gegenreformation in Deutschland 1624-1635. (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 13). Göttingen 1975. Hier S. 31ff.
politica und syncretismo mit mehrerm zu be-
24
finden .

[p. 128] [scan. 176]


1
Es mag auch bey etlichen hochen und nideren orten an dem willen nicht
2
ermanglet haben, diser mainung nachzugehen und den religionfriden als ein
3
temporalwerckh, da man fueglich darzue kommen könte, über hauffen zu
4
werffen.

5
Und wann man dise quaestion ad principia theologica, canonica et juridica,
6
der rechten schärpfte nach examiniren wolte, möchte noch im zweifel
7
stehen, ob dieselbe mainung unrecht wer.

8
Es erkleren sich aber darauf die catholische in irer antwortt, das sie solcher
9
mainung nit sein, sondern den religionfrid nach dessen inhalt für und für
10
ze halten, anerbiettig. Berueffen sich deßwegen uf die hernach gefolgte
11
constitutionen und recessus Imperii de anno 1557, 1559 und 1566

39
Vgl. die Reichsabschiede von Regensburg 1557 März 16, Speyer 1557 August 16,
40
Augsburg 1559 August 19, Augsburg 1559 Dezember 29 und Augsburg 1566 Mai 30.
41
Vgl. Reichsabschiede III S. 137–201 und S. 211–244.
, deß-
12
gleichen die Kayserliche wahlcapitulation

42
Wahlkapitulation Ferdinands III. vom 20. Dezember 1636. Druck: J. Du Mont VI, 1
43
S. 137–146. Vgl. auch H. Haan S. 211ff.
und Prager fridenschluß, in
13
welchen allen der religionfridt als ein ewiges fundamentalgesäz dess
14
Reichs verneüert und bestettigt wurd; beschweren sich dargegen, das uf der
15
anderen seiten allerhandt declarationes und interpretationes wider den
16
buechstaben dess religionfridens fürgenommen, auch etliche haubstuckh
17
heraußgezogen und verworffen und derselbe nur in passibus utilibus gehal-
18
ten werden wolte.

19
Es ist auch hierauf bey iungstem reichstag zu Regenspurg in anno 1641
20
solcher frid uf neüe solenniter besteligt [!] und in desselben reichtags-
21
abschidt § „als auch bey noch unverglichner“ außtrückenlich gesezt
22
worden, es erfolge die in vorigen reichsabschieden angedeüte religionsver-
23
gleichung über kurz oder lang oder zumal gar nit, das doch nichts desto-
24
weniger obangezogener religion- und landtfrid sambt handthaab und
25
execution desselben, allermassen wie es anno 1555 verabschidet, höchlich
26
zuegesagt und versprochen, auch ieztgehörter gestalt wider verneüert, in
27
allen seinen cräfften bestendig bleiben, auch steet, vest und unverbrüchlich
28
gehalten und niemandt darwider beschwert werden solle, alles bey denen
29
darynnen und in nachgefolgten reichsabschiden einverleibten straffen, wel-
30
chen paragraph dann die catholische ständt in dem reichsabschidt also
31
zu sezen, an die handt geben haben.

32
Durch dise sazung ist diß der Augspurgischen confessionsverwahnten. erstes
33
gravamen schon erledigt; und wann dasselbe weiter gerüehrt werden solte,
34
habt ir euch darauf lädig zu berueffen und im notfahl noch dahin zum
35
überfluß zu erkleren, das uns nit zuentgegen, das solches ufs neüe durch
36
einen allgemeinen reichsabschidt bey erster zuesamenkunfft, wie auch bey
37
disen allgemeinen fridenstractaten, bestettigt werde. Gestalt wir dann
38
gedachten religionfriden als andere reichsabschidt für eine pragmaticam

[p. 129] [scan. 177]


1
sanctionem, weil selbiger in sovil underschidlich darauf erfolgten reichs-
2
tägen , wie auch durch den Pragerischen fridenschluß (welcher in sich selb-
3
sten begreifft, das er ein pragmatica sanctio sein soll) confirmiert und
4
bestettigt worden, halten thuen. Dahero, wann ex parte der protestierenden
5
darauf getrungen werden solte, das der religionfrid ein pragmatica sanctio
6
iezo und inskünfftig sein und verbleiben solle und die catholische churfür-
7
sten und ständt selbsten dahin gehen, das derselb gehalten werden solle und
8
inen solches nit zuwider sein lassen werden, als könt ir disen punct in
9
namen unser genzlich verwilligen.

10
2. gravamen.

11
Das andere ist dises, das ohne zueziechung aller ständt einige declarationes
12
und decisiones über denen aus dem religionfriden endtstandenen contro-
13
versiis gemacht werden wolten, welches contra naturam pragmaticae sanc-
14
tionis lieffe, quae non posset declarari vel mutari, nisi cum Imperatoris et
15
omnium statuum consensu. Darauf die catholische geantwortet: sie wusten
16
sich einiger declaration dess religionfridens nit zu erynneren. Wann aber ein
17
standt von dem andern wider desselben buechstaben beschwert wurde und
18
deßwegen an gehörigen orten umb hilff anrueffe und solche erlangte, were
19
dasselb vor keine declaration zu halten.

20
Wir müessen aber wissen, ob mit diser antwortt fortzukommen möchte sein,
21
zumaln nachdem wir uns uf beider cronen Franckreich und Schweden pro-
22
ponierten fridenspuncten, quod si inposterum sint novae leges ferendae vel
23
veteres interpretandae, quod hoc non debeat fieri, nisi in publicis comitiis
24
Imperii et cum communi statuum consensu, articulum Gallicum 7 et Suecicum
25
5, begertermassen erklert, auch in unseren darauf gethanen instructionibus
26
dasselbe also bewilliget. Ist derowegen unser gnädigster bevelch, wann diß
27
gravamen wurde gerührt werden und die catholischen churfürsten und
28
ständt sich nit besser und milter, als albereit geschechen, darauf erkleren
29
wurden, das in namen unser ir euch zu benembung alles widerwertigen un-
30
gleichen verdachts und beschuldigungen dahin erkleret und vernemmen
31
lasset, in welchen fählen der religionfrid in seinem buechstablichen inhalt
32
klar und lauter were, da bedürfft es keiner declaration, wir begeren auch
33
keine darüber zu machen, sondern allein crafft unsers tragenden Kayser-
34
lichen ambts, vermög geschwornen wahlcapitulation darauf zu halten und
35
einen theil sowol als den anderen dabey Kayserlich zu schüzen. In welchen
36
fählen aber uber dessen verstandt gestritten wurde und solche bereit nit ver-
37
glichen weren oder noch verglichen wurden, da wollen wir der chur-, fürsten
38
und stände raths gebrauchen und mit deroselbigen guetachten und belie-
39
ben procedieren, solches auch dem Kayserlichen camergericht also in acht
40
zue nemmen anbevelchen. Mit diser erklerung wurde unsere Kayserliche
41
jurisdiction, die ausser einer solchen milterung noch hefftiger möchte ange-
42
fochten werden, noch erhalten, denn catholischen nichts genommen, die
43
vorigen declarationes und decisiones seint ohnedessen durch den Prager fri-

[p. 130] [scan. 178]


1
den , wo nit ganz cassiert, doch fast in infinitum suspendiert. Man wurdt
2
auch wegen der vier clostersachen

37
Im Vierklosterstreit (Reform bzw. Einzug von vier mittelbaren Klöstern durch Reichs-
38
stände zwischen 1570 und 1598) entschied das Reichskammergericht zwischen 1593 und
39
1599 zugunsten der Klöster. Vgl. R. Smend S. 191.
, Straßburgischen und Nürnbergischen

40
In beiden Städten ging es um den Besitz einiger Kirchen. Vgl. die reichsstädtischen
41
Spezialgravamina weiter unten.

3
kürchendeputats und anderer dergleichen händl sich nit aufzuhalten
4
haben, weil dieselben, wann sie gleich inter res verè iudicatas zu achten,
5
dannoch in processen executionis vil exceptiones leiden, welche durch den
6
Prager fridenschluß den possessoren vorbehalten.

7
3. gravamen.

8
Das drite gravamen ist, das man in puncto religionis per maiora durch-
9
tringen wollen.

10
Respondent catholici: es habe dises sein erledigung im religion- und Prager
11
friden und sie nicht deme zuwider etwas per maiora zu beschliessen wolten,
12
aber nit hoffen, das man aus allen streittigkeiten eine religionsache machen
13
und die maiora contra jura gentium, auream bullam, leges imperii et rectam
14
rationem ganz außmustern wolle.

15
Nun seint wir in denn gedanckhen begriffen, man werde auch mit diser
16
antwort nit bestehen, dann was die religion an ir selbsten anlangt, ist extra
17
dubium, das quoad ipsam die maiora nit statt haben, wie dann von reli-
18
gionssachen auf reichstägen nicht gehandlet, weniger in judiciis geurtheilt,
19
sondern dergleichen alles von catholischen und protestierenden absönder-
20
lich in iren selbst aignen zuesamenkunfften tractiert würdet, wie unsers haus
21
Österreiches directorium in seinem voto anno 1598 wol erynnert hat. Ur-
22
sach , quod utrique religioni cautum sit, per transactionem Patavicam

42
Passauer Vertrag vom 2. August 1552. Druck: J. Du Mont IV, 3 S. 42–47. Vgl. auch
43
H. Lutz .
et
23
pacem religiosam, ne persona alteram in ea turbet vel impediat, derowegen
24
so kan diß gravamen de religione ipsa nit verstanden werden und conse-
25
quenter ist auch die antwortt der catholischen nit adaequiert oder suffi-
26
cient ; sondern wir verstehen das gravamen aigentlich von dem, wessen sich
27
die Augspurgischen confessionsverwandten hiebevor beschwert, das nemb-
28
lichen in allen controversiis, die aus dem religionsfriden iren ursprung heten
29
und etwan die geistliche güetter oder dergleichen betreffen, in welchem der
30
underscheid der religion den streit und misßverstandt veruhrsachte, die
31
catholischen am Kayserlichen hof- und camergericht wie auch in denn ge-
32
meinen reichsdeliberationen die maiora machen und hierdurch die andere
33
übervortheilen wolten.

34
Weiln nun nach disem verstandt von denn catholischen uf diß gravamen
35
nit geantwortet, so ist vonnöten, das wir solchen mangl ersezen. Daher habt
36
ir in unserm namen euch dahin vernemmen zlassen: Erstlich, waß den

[p. 131] [scan. 179]


1
punctum religionis an sich selbst belangt, liessen wir es bey der catholischen
2
chur-, fürsten und ständten erklerung bleiben und begerten in demselben
3
keine enderung zu machen. Fürs andere, was aber dieihenige streitigkeiten
4
anbelangt, welche aus dem religionfriden iren ursprung haben und noch nit
5
verglichen sein, da derselbigen einige fürkommen solten, wollen wir, wie
6
bey dem vorigen gravamine vermeldt, mit rath und guetbeduncken der
7
gesambten stände procedieren. Sonsten bleiben die maiora nach aller
8
völckher rechten und dess heiligen Reichs constitutionibus und sazungen
9
billich in irem esse, es weist auch die vernunfft, das man inter plures dissen-
10
tientes anders nit als per maiora kan zu einem schluß gelangen.

11
4. gravamen.

12
Das vierte gravamen ist, das die religionssachen dess anderen theils unsers
13
Kayserlichen reichshofraths decision undterworffen werden wellen. Dann,
14
wann gleich demselben assessores von beederseits religionsverwahndten in
15
gleicher anzaal adiungiert wurden, so bleiben doch maiora vota penes
16
catholicos.

17
Respondent catholici: dises were albereit im Prager friden verglichen und
18
sie wolten nit verhoffen, das man anderseits unsere reichshofraths iuris-
19
diction contra tenorem capitulationis Casareae, pacis Pragensis et religiosae
20
et contra rectam rationem in zweifel ziehen oder in die catholische beysizer
21
ein misstrawen sezen wurde, massen sie auch ires theiles gegen die Augspur-
22
gische confessionsverwandte solches zu thuen nicht gedacht. Weiln aber
23
hieraus, wie auch aus dem anderen gravamine in iustitien sachen klar er-
24
scheinet , das die protestierende disfals beim Prager friden nicht verbleiben
25
und unserm Kayserlichen reichshofrath die cognition in solchen und derglei-
26
chen sachen nicht gestehen wollen, obgleich demselbigen von beider religion
27
zuegethanen ständen assessores adiungiert weren, so seint in berathschla-
28
gung dises puncti zwo fragen fürgefallen. Erstlich, ob wir unser Kayser-
29
lichen reichshofraths iurisdiction verfechten oder fahren lassen sollen. Fürs
30
andere, da man unsere Kayserliche hofiurisdiction manutenieren wolt, wie
31
es mit den maioribus zu halten.

32
Auf die erste fraag haben wir uns resolviert, das wir uns unserer hofraths
33
iurisdiction in disem fahl so wenig als in anderen begeben wollen, aus
34
nachfolgenden ursachen. Erstlich seint wir deren in crafft unser wahl-
35
capitulation , Prager fridenschlusses und dess religionfridens selbst § „ Penul-
36
timum “ und dessen darauf erfolgten reichsabschidt de anno 1566 auch der
37
Augspurgischen confessionsverwahnten selbst aignen bekandtnus de anno
38
1576

41
Vermutlich in der protestantischen Schrift vom 29. Juni 1576. Vgl. M. Ritter I
42
S. 504f.
offentlich berechtigt. So ist fürs ander dises fast das einige stuckh,
39
welches wir de summo imperio übrig haben, nam cum sint quatuor prae-
40
cipuae partes summi Imperii: ius legis ferendae, magistratuum constituen-

[p. 132] [scan. 180]


1
dorum , pacis et belli et denique iudiciorum. So seint die erste drei stuckh bis
2
anhero einem Römischen Kayser nach und nach dergestalt beschniten
3
worden, das er in denselbigen fast nichts sine communi statuum vel ad
4
minus electorum scitu et consensu thuen kan. Das vierte stuckh ratione
5
iudiciorum ist in disen und anderen pro conservatione pacis publicae et
6
administratione iustitiae fürfallenden wichtigen sachen noch bißher conser-
7
viert worden, wann dises auch zurugschlagen solte, wusten wir nit, waß
8
einem Römischen Kayser mehr von seinem tragenden Kayserlichen ambt und
9
munere advocatiae pro ecclesia et regnante religione catholica solt übrig blei-
10
ben . Dann die catholischen heten weiter keinen richter, bei dem sie sich schuz
11
und trosts erholen könten, weiln es mit denn cameralprocessen vil zu lang-
12
samb dahergehet und auch daselbsten die protestierenden ex eadem ratione,
13
das die catholischen gleichwol maiora vota heten, keinen richter leiden
14
wurden. Zum driten haben wir in disem stuckh ein beyfall an den catholi-
15
schen , es werden auch nit alle der Augspurgischen confessionverwahnte
16
ständt darwider sein, wie dann unsers lieben oheimbs, dess churfürsten zue
17
Sahsen liebden

41
Christian II. (1583–1611) Kf. 1591, Regierungsantritt 1601, Bruder des ihm folgenden
42
Johann Georg I. Vgl. ADB IV S. 172f.
, auf dem tag zu Fulda anno 1608 solche selbst ansechenlich
18
hat defendieren helffen. Zum wenigisten haben die außländische cronen in
19
iren proponierten fridenspuncten nit begert, das wir uns unserer hofiuris-
20
diction in solchen fählen ganz und gar begeben solten, sondern vilmehr
21
quod antiquae leges et constitutiones Imperii et laudabiles consuetudines
22
inviolabiliter observari debeant. Betreffend die ander frag, wie es mit denn
23
maioribus zu halten, wann die hofrathsiurisdiction uns verbleiben solte, da
24
lassen wir es bei voriger unser erklerung über das ander und dritte grava-
25
men allerdings bewenden und habt ir deßwegen eüre antwortt in namen
26
unser dahin zu stellen, wir könten uns nit einbilden, das aller und ieder
27
Augspurgische confessionsverwahnten mainung bey disem gravamine dahin
28
gerichtet were, uns unserer Kayserlichen richterlich richterambt in fählen,
29
da ein theil von dem andern wider den klaren buechstaben dess religion-
30
fridens beschwert wurde, zu entziechen, sondern allein, daß sie wegen
31
undterscheidts der religion nicht mögten mit ungleichen uhrtheilen und pro-
32
cessen beschwerdt werden. Nun erklerten wir uns nochmals dahin, das
33
wir in denen fählen, wo man über den verstandt dess religionfridens strittig
34
werde und dieselbe nit bereit verglichen weren oder noch verglichen wur-
35
den , mit rath und guetachten der gesambten ständen verfahren wolten,
36
damit sich irer keiner einigen ungleichen urtheils oder ausschlags über unser
37
Kayserliche hofiurisdiction und der maiorum halber zu beschweren fueg
38
und ursach hete.

39
5. gravamen.

40
Das fünffte gravamen ist, das über den religionfriden offentlich disputiert

[p. 133] [scan. 181]


1
und gefragt worden, wer eigentlich der Augspurgischen confession ver-
2
wahndt , derowegen alle dergleichen disputationen und schrifften, insonder-
3
heit das Dillingische buech

34
Pacis Compositio inter Principes et Ordines Imperii Romani Catholicos atque
35
Augustanae Confessioni adhaerentes in comitiis Augustae anno MDLV edita … Dillin-
36
gen
1629. Anonym erschienen; verfaßt von Paul Laymann SJ, Professor für Kanoni-
37
sches
Recht und bedeutender Moraltheologe, unter Mitwirkung von Lorenz Forer SJ,
38
Beichtvater des Augsburger Bf.s Heinrich von Knöringen. Vgl. L. Steinberger S. 10–
39
12; M. Heckel , Autonomia und K. Repgen , Römische Kurie I, 1 S. 212–216.
, zu cassieren und aufzuheben.

4
Respondent catholici: das andererseits vilmehr scripta und disputationen
5
über den religionfriden außgegangen, welche allzugleich müssen proscri-
6
biert werden, wann man der catholischen scripta cassieren wolte.

7
Und das ist an ime selber wahr, dann die catholischen den religionfriden nit
8
so starckh, als theils uncatholische selbst disputieren, und wann man ad
9
speciem gehen wolte, hetten sich die uncatholische über das Dillingische
10
buech in disem punct so hoch nit zu beschweren, dann obgleich in capitulo 5
11
quaestione 29 dise frag moviert wurdt, „an libertas religionis Augustanae
12
confessioni adhaerentibus statibus promissa in perpetuum inviolabiliter et
13
absque ullo relaxationis vel rescissionis remedio observari debeat“ und pro
14
parte negativa etliche argumenta proponiert worden, so folgt doch die
15
conclusio pro affirmativa mit disen wortten: „his argumentis nihil obstanti-
16
bus responsio debet esse affirmativa; foedus publicum cum quibuscumque
17
etiam haereticis circa religionem eorum sicut initum fuit, ita omnimode
18
observandum esse. Haec est communis theologorum sententia, ut videre est
19
apud Joannem Molanum

40
Johannes Molanus (1533–1585), Kirchenhistoriker, seit 1570 Prof. an der Universität
41
Löwen. Vgl. LThK VII Sp. 524.
liber 1 „de fide haereticis servanda“ capitulum
20
25 et sequentes tamen tomus 3, disputandum 1, quaestio 9, dubium 4 „ratio
21
est, quia foedera publica gentium iure introducta sunt, quod omni generi
22
humano cummune est. Idque propter necessitatem, quia nisi foedera publica
23
seu inter diversos principes aut respublicas seu inter principes aut magistra-
24
tum et subditos eius verbi 〈gratia〉 rebellantes initia omnimode servanda
25
essent, nulla pax aut societas inter humanum genus consistere posset, una
26
tarnen limitatio ex omnium dominorum sententia adhiberi debet, videlicet
27
omni reciprocae promissioni, contractui, foederi eam conditionem suapte
28
natura in esse, dummodo pars altera promissis steterit et cetera haec
29
authores libri compositionis.“

30
So haben auch die Augspurgischen confessionsverwahnten selbst die
31
quaestion, ob die Calvinisten im religionfrid mitbegriffen, hiebevor aller-
32
meist moviert und eines theils pure negiert, wie undter anderem aus dess
33
Hutteri

42
Leonhard Hütter (1563–1616), seit 1596 Professor für Theologie in Wittenberg. Vgl.
43
RGG III Sp. 468.
scriptis contra Paraei Irenicum, deßgleichen Dr. Hoës

44
Dr. Matthias Hoëv. Hoënegg (1580–1645), Sohn eines protestantischen Reichshofrats,
40
lutherischer Theologe, seit 1613 Oberhofprediger in Dresden, hatte wichtigen Anteil an
41
der kursächsischen Annäherung an den K., bes. am Prager Friedenv. 1635. Vgl. ADB
42
XII S. 541–549 .
scriptis

[p. 134] [scan. 182]


1
contra Calvinistas, insonderheit über die frag, ob Chursahsen umb irentwil-
2
len den krieg wider ire Kayserliche mayestät continuieren sollen, genueg-
3
samb zu befinden. Ir habt euch aber bey disem gravamine nit lang aufze-
4
halten , sondern simpliciter zu sagen, es were mit unserer und der catholi-
5
schen antwortt und erklerung auf das erste gravamen albereit erledigt und
6
heten wir der reformierten halber uns bereit in unserer antwort auf der
7
cron Schweeden proposition genuegsamb erklert, darbey wir es bewenden
8
liessen.

9
Ferner so seint der Augspurgischen confessionsverwahnten gravamina bey
10
dem 6., 7., 8., 10., 15., 16., 17., 18. und 21. puncten dahin gerichtet, das
11
einigem uncatholischen die session und vota auf reichstägen, wie auch die
12
investituren super regalibus deßgleichen die reformation der mediatclöster,
13
sonderlich deren, die in zeiten dess interims

43
Druck des Augsburger Interims vom 15. Mai 1548: Reichsabschiede II S. 550–574.
von denn religiosen wider
14
eingenommen, verweigert, sie mit eilferttigen processen und urtheilen, nicht
15
weniger auch durch das edict irer kürchen und geistlichen intraden, entsezt;
16
ingleichem eines Römischen Kaysers gwaldt, ob er von kürchengüetteren
17
macht zu disponieren habe, in zweifel gezogen, item per tolerantiam unius
18
vel alterius religiosi, deßgleichen per protestationem die possession für die
19
catholische bestritten; die Franciscaner und andere orden, welche keinen
20
dioecesanum erkennen, von observation dess religionfriden für exempt
21
gehalten werden wolten und dann, das man dermaln einß uf seiten der
22
Augspurgischen confessionsverwahndten die accommodation dess streits von
23
dem geistlichen vorbehalt verhoffe et cetera.

24
Respondent catholici: das solche alle in dem streitt dess geistlichen
25
vorbehalts und geistlicher güetter restitution einlauffen und in dem Prager
26
friden albereit erledigt, welchen sie ires theils, wie schwer es inen auch
27
fallen thuet, festiglich zu halten gemeint, versechen sich demnach, es
28
werden die Augspurgische confessionsverwahnte alle dise schon erledigte
29
gravamina mit und benebens inen beyseits stellen, da aber denselben
30
gefällig, sich noch undter wehrendem reichstag derihenigen ständt halben
31
von beeden religionen nach veranlasßung dess Prager fridens zu ver-
32
gleichen und hiernegst, wann durch göttliche verleichung dem heiligen
33
Reich etwas mehr sicherheit und ruhe verschafft sein würdet, dises werkh
34
vor die handt zu nemmen, ist man catholischer seits darzue nit abgeneigt,
35
sondern mehr zu der sachen beförderung allen möglichen fleiß anzuwenden
36
erbietig. Weil nun die Augspurgische confessionsverwahnte mit dem Prager
37
friden in allen puncten nit zufriden, auch bey gegenwerttigen gemeinen
38
fridenstractaten auf erledigung diser gravaminum tringen, und darinnen
39
wo nit bey der cron Schweeden patrocinium und beyfall haben, und ohne

[p. 135] [scan. 183]


1
grössere gewalt schwerlich darvon abzubringen sein, so haben wir ein not-
2
durfft erachtet, euch uber alle dise articul unser absönderliche erklerung
3
zuekommen zlassen.

4
6. gravamen.

5
So ist nun das sehste dises, das den Augspurgischen confessionsverwahnten
6
wegen irer innhabenden erz- und stiffter, session und votum auf reichs-
7
tägen nit verstattet, auch die investitur uber die regalien und weldtlich-
8
keiten verwaigert würdet, derowegen fragt sichs hier, ob man dieselbe inen
9
umb besseren fridens willen soll verwilligen.

10
Nun will es iezt zur zeit das anseehen haben, das das ius in armis ex parte
11
acatholicorum stehe und das die uncatholische, solang sie das hefft in
12
handen haben, sich mit rationibus iuridicis nit werden stillen lassen; zum
13
anderen, das die iura civilia und canonica wegen der geistlichen erz- und
14
stiffter durch den religionfridt lengst beyseits gesezt, indem die Lutheri-
15
schen , und nunmehr auch die Calvinischen, sub titulo et nomine Augustanae
16
confessionis a crimine haereseon in effectu et quoad usum temporalium
17
bonorum et iurium absolviert sein und das auch wider sie die geistliche
18
iurisdiction quoad religionem genzlich suspendiert und eingestelt und conse-
19
quenter , das sie als cives et status liberi Imperii Romani aller iurium et
20
privilegiorum feehig sein, wie andere catholische reichsständt, nisi quatenus
21
et in quantum aliquid de his expresse est exceptum, ergo et sessionis et voti
22
nec non regalium de iis regionibus seu ditionibus, quas possident immediate
23
ab Imperio et in hac regula videantur habere fundatam intentionem donec
24
ea per exceptionem specialem fuerit elisa.

25
So ist zwar im religionfriden austruckenlich versechen, das kein standt den
26
andern von seinem landt und leithen wegen der religion verdringen, noch
27
einer den andern in seiner religion turbieren soll, ingleichen, das da ein
28
geistlicher von der catholischen religion sich zur Augspurgischen confession
29
begeben wurde, das ime solches zwar an seinen ehren unschedlich sein,
30
iedoch er dardurch alspald sein erzbistumb und stifft verlohren und ein
31
anderer geweyhter catholischer geistlicher nach alten rechten und herkom-
32
men in die stell tretten soll, damit also die übrige geistliche erz- und stiffter
33
bey der catholischen religion erhalten werden möchten. Es gestehen aber
34
die Augspurgischen confessionsverwahnte nit, das sie die ständt der catholi-
35
schen religion von iren landt und leithen vertrungen oder in irer religion
36
turbiert haben, sondern geben für, das sie zu denen innhabenden erzbistum-
37
ben und stiffteren durch ordentliche wahl und postulation der thumbcapitul
38
kommen und consequenter rechtmässige titulierte possessores und innhaber
39
derselben lande weren und obwol solche wahlen und postulationes scheinen
40
dem geistlichen vorbehalt zuwider lauffen [!], so heten sie doch nie in sol-
41
chen vorbehalt gewilligt, denselben alspaldt und für und für bis iezo wider-
42
sprochen .

43
Zum wenigisten aber nur insoweit guet sein lassen, quatenus una vel altera

[p. 136] [scan. 184]


1
tantum persona deficiat, non vero totum capitulum, sich auch dardurch in
2
der possession gemelter erz- und stiffter conserviert, darauß sie unerkanten
3
rechtens nicht gesezt werden könten und weil sie der gestalt legitimi et titu-
4
lati possessores wehren, könten inen auch die iura sessionis et voti sambt
5
den investituris über die regalien und weldtlichkeiten nit verweigert
6
werden, bis im standt dess rechtens wider sie ain anders außgefüehrt.

7
Pro tertio ist eben dises, das man inen session und votum auf reichstägen
8
sowol die investitur an Kayserlichen hof verwaigert und irer eines theils
9
der possession destituiert, den anderen auch gleichmässige privation durchs
10
Kayserliche edict anbetrohet, undter anderm nit ein geringe ursach dises
11
schweren langwirigen kriegs gewesen, die entlich auch Chursahsen mit darin
12
gezogen, welcher krieg mit besagts churfürsten liebden nit ehender gestilt und
13
aufgehoben werden können, bis man inen die possession per pacem Pragen-
14
sem bis uf vierzig jar hinauß bestettigt und noch darzue gewilliget, das nach
15
verfliessung diser vierzig jar, im fahl die sachen nit weiter verglichen wur-
16
den , ein ieder in dem standt, wie er in anno 1627, den 12. Novembris stylo
17
novo, sich befunden, solt gelassen werden, sich eines rechtens, so guet oder
18
schwach dasselbe damals gewest, zu halten und zu gebrauchen, und das deß-
19
wegen ohne ordenliche erkandtnuss keines weegs mehr zu denn waaffen solt
20
gegriffen, auch solch erkandtnus anderst nit, als mit zueziehung beederseits
21
religionsverwahnten in gleicher anzaal, fürgenommen werden. Wardurch
22
dann ire possession in effectu perpetuiert und den catholischen fast alle hoff-
23
nung benommen worden, via facti oder iuris wider zu dennselben erz- und
24
stiffteren nach denn alten geist- und weltlichen reichsrechten zu gelangen,
25
massen die catholische ständt in irer antwortt ad gravamina protestantium
26
außtrückenlich selbst bekennen, das, obgleich der Prager frieden quoad sus-
27
pensionem actionum nur temporae, so seye er doch, quo ad excclusionem
28
facti pro transactione perpetua nit unbillich zu halten. Per viam iuris aber
29
wirdts langsamb gescheehen, weil dergleichen fürstenthumb und lande
30
durch process nit wol genommen werden können, ob nun wol dem Prager
31
fridenschluß einverleibt, das mitler zeit die sessiones und vota auf reichs-
32
tagen in suspenso bleiben sollen, welches ebenmässig auch von denn investi-
33
turen zu verstehen, so ist doch zugleich wegen diser und anderer so weit
34
hinauß gestellten strittigkeiten diß verseehen, das man zu verhüetung
35
künfftigen weiteren kriegs und bluetvergüessens noch in zeit diser vierzig
36
jaren versuechen soll, ob man solche streittigkeiten genzlich und zugrundt
37
vergleichen könte und solle zum wenigisten hierzue der anfang innerhalb
38
10. jaren nach publication gemelten Prager fridens darzue gemacht werden.
39
Es haben sich auch die catholische in irer obgehörten antwortt zu beförde-
40
rung solches vergleichs außtruckenlich anerbotten, und hierauf ist von
41
beiden theilen mit beliebung unser verglichen, auch dem iungsten reichs-
42
abschidt zu Regenspurg einverleibt worden, das bey negstfolgendem
43
deputationtag zue Franckfurt ratione personarum et temporis gehandlet

[p. 137] [scan. 185]


1
werden solte, durch welche ständt und zu was zeit solche vergleichung fort-
2
zustellen , massen dann dieselbe auf gewisse ständt, die derentwegen auf den
3
ersten Maii dises eingangnen jars zusamenkommen sollen, schon veranlast,
4
nunmehr aber ad loca tractatuum verwisen worden und weises [!] die
5
praxis Imperii et aliorum regnorum, wann ein theil dem andern wider
6
seinen willen in civilibus dissentionibus zu güetlichen tractaten gezwungen,
7
das der gezwungene theil gemeiniglich etwas dahinden lassen müessen,
8
massen solches auch von weyland Kayser Carln dem fünfften noch ante
9
Patavicam transactionem et pacem religiosam von jaren zu jaren
10
bescheehen ist, und sonderlich im reichsabschid de anno 1541

42
Regensburger Reichsabschied vom 29. Juli 1541: Reichsabschiede II S. 428–444.
§ „Dieweil
11
wir nun“ et § „Und damit im heiligen reich“, da zu erhaltung einer allgemei-
12
nen reichshilf contra Turcam alle cameralprocessus und aachtserklerungen
13
contra Lutheranos, insonderheit die statt Goßlar, eingestelt und aufge-
14
hoben , item anno 1544

43
Speyerer Reichsabschied vom 10. Juni 1544: Reichsabschiede II S. 495–517.
§ „Nachdem wir unß“ et § „Sovil“ da ex eadem
15
caussa Lutherische assessores von gleicher anzaal in das cammergericht
16
mitgenommen worden, consequenter, wanngleich die catholischen recht
17
über recht haben, so haben sie doch umb fridens willen von irem gueten
18
rechten weichen und zu erhaltung dess übrigen noch mehr nachgeben oder,
19
da sie dises nit thuen wollen, alles vollendts uf die spitz sezen und den
20
außgang dem Allmächtigen bevelchen müessen, dessen doch allen ungeach-
21
tet , befinden wir, das die uncatholische wegen der inhabenden geistlichen
22
stiffteren die session und votum zu praetendieren nit befuegt sein, dann
23
sie der gehörigen qualiteten zu disen erz- und bisthumben ermanglen.
24
1. propter defectum religionis catholicae, 2. status clericalis, 3. canonicae
25
electionis, § „De iure Imperii Romano Germanici“, seint sie darzue gleich-
26
fals nit befuegt, dieweil der geistliche vorbehalt sie von dergleichen erz-
27
und stifftern zumaln ganz und gar und consequenter auch von session
28
und voto excludiert. Inmassen sie auch iederzeit daher von session und voto
29
auf reichstägen außgeschlossen und inen die investitur super regalibus et
30
temporalibus verweigert worden. Der Prager friden hat inen allein ius
31
retinendi episcopatus iam quaesitos bis uf 40 jar hinaußgegeben; iedoch mit
32
der außtrückenlichen modification, das auf offenem reichs-, deputations-,
33
visitations- und revisionstägen die sessiones und vota beyseits gestellet und
34
selbige conventus und verrichtungen nichts destoweniger von [!] Römischen
35
Kayser und anderen darzuegehörigen reichsständten respective ausgeschrie-
36
ben , fortgestelt und verrichtet werden sollen, textus in § „Anlangend die ses-
37
siones “. Diser frid ist durch iungsten reichsabschidt in effectu bestettigt und
38
selbigen gemeß die exclusio protestantium a iure sessionis et voti in comitiis
39
beim iungsten reichstag zu Regenspurg, beim newlichen deputationtag zu
40
Franckfurth schon practiciert worden, und seint nunmehr die catholischen
41
über 90 jar in possessione exclusionis der uncatholischen in sessione et voto.

[p. 138] [scan. 186]


1
Und zwar der innhaber dess erzstiffts Magdenburg contradiciert, auch
2
iungst zur session zuegelassen worden, so gibt doch sein derentwegen gege-
3
bener revers selbst und bezeigt umb so vil mehr, das er und andere zur
4
session kein jus nit haben, indem sie den actum bey unverglichenen sachen
5
selbsten pro non actu halten und gehalten haben wollen. Wann auch entlich
6
die protestierenden von aller diser erz- und stiffter wegen solten zur session
7
und stimm verstattet werden, wurden sie maiora vota machen und den
8
religion- und prophanfriden vollendts ganz nach irem willen und gefallen
9
declarieren, ia in kurzer zeit die andere noch übrige erz- und bisthumb und
10
stiffter im heiligen Reich an sich bringen und dardurch die christliche catho-
11
lische religion im Römischen Reich Teütscher nation vollendt zugrundt rich-
12
ten . Ebenmässige bewantnus hat es mit der investitur über die regalien und
13
weltlichkeiten, weil vermög der concordaten zwischen dem Römischen stuel
14
und Teütschen nation uns nicht erlaubt, einige erzbischoff oder anderen
15
geistlichen immediatstandt und fürsten dess Reichs zu investieren, er habe
16
sich dann vorher durch ordenliche wahl oder postulation bey irer Päbst-
17
lichen heiligkeit gebürlich legitimiert und von derselben die confirmation
18
erlangt und ex hoc capite et fundamento seint denen protestierenden auch
19
seither dess religionfridens nicht allein die investituren, sondern auch gar
20
die blosse indulta über solche erzbisthumb und stifft vom Kayserlichen hof
21
verwaigert worden, dahero die protestierenden nit ursach haben, dises pro
22
gravamine anzuziechen, sondern es haben vilmehr die catholische sich zu
23
beschweren, das inen nit allein vor, sondern auch nach dem Passauischen
24
vertrag und religionfriden wider desselben klaren inhalt und buechstaben
25
sovil erz- und stiffter entzogen worden und solten sich die protestierende
26
billich vergnüegen lassen, das inen dieselbe durch den Prager fridenschluß
27
so lang zeit hinaußgelassen worden. Es were inen auch solches billich zu ge-
28
müet zu füehren und ufn notfahl anzedeüten, das wir nit sechen könten, wie
29
man inen salva pace religionis, salva etiam pace Pragensi et salvis concor-
30
datis nationis Germanicae und ohne grosse zerrittung dess gemeinen
31
weesens disfals etwas mehrers

37
31 einzuwilligen] Im Gutachten folgen noch die Vorschläge: Kursachsen um Einfluß-
38
nahme auf die Protestanten zu bitten, damit sie dieses Gravamen fallen lassen; den
39
Inhaber des Erzstifts Magdeburg zu erinnern, daß ihm nach dem Prager Frieden Sitz
40
und Stimme auf dem Westf. Friedenskongreß nicht zustehe; den Papst von der Gefahr,
41
die von diesem Verlangen drohe, zu informieren; die Gesandten am Kongreß anzuwei-
42
sen , die Haltung der kath. Reichsstände in dieser Frage zu eruieren.
einzuwilligen.

32
7. gravamen.

33
Das 7. gravamen ist, das den Augspurgischen confessionsverwahnten die
34
reformation deren in iren territoriis gelegenen mediatstifft und clösteren,
35
welche die catholischen zeit dess Passauischen vertrages auch in possessione
36
gehabt, verwehrt werden wollen. Diss gravamen ist im Kayserlichen edict

[p. 139] [scan. 187]


1
genuegsamb abgelaint und in demselben klar außgefüehrt, das die uncatho-
2
lische nit befuegt sein, solche clöster und stiffter ires gefallens einzuziehen
3
und von irer alten christlichen catholischen religion zu tringen, dann dero
4
religionfrid in § „Dargegen“ will haben, das die confessionisten die ständt
5
der alten religion, geistlich und weldtlich, sambt und mit iren capituln (nota
6
bene) und andern geistlichen standts, auch ungeachtet, ob und wohin ire
7
residenten sie verruckht heten, bei irer religion, glauben, kürchengebräuchen,
8
ordnung und ceremonien, auch iren haab und güetteren, landen und lei-
9
then , herrschafften, obrigkeiten, herrligkeiten und (nota bene) „ gerechtig-
10
keitten “ fridlich und geruehig bleiben lassen sollen, und weiln in § „Dieweil
11
aber“ den Augspurgischen confessionsverwahnten nur dieihenige stifft, clö-
12
ster und andere geistliche güetter, welche denenihenige, so dem Reich ohne
13
mitl underworffen und reichsständt sein, nit zuegehörig und (nota bene)
14
deren possession die „geistlichen“ zu zeit dess Passauischen vertrages oder bis
15
dahin nit gehabt, zu erhaltung eines bestendigen ewigen fridens gelassen
16
worden. So weist sichs von ime selber, das sie andere geistliche stifft und
17
güetter, die entweder reichsständen zuegehörig oder deren possession die
18
geistliche zeit dess Passauischen vertrages oder bis zur zeit dess religion-
19
friden innengehabt, nicht angreiffen, sondern sich mit denen mediatis, so sie
20
noch ante Patavicam transactionem eingezogen, contentieren und vergnüe-
21
gen lassen sollen. Weil sie aber ex § „Und damit“ den religionsfriden in hoc
22
puncto anderst interpretieren, indem darin stehet, das die catholischen sie
23
nicht von der Augspurgischen confessionsreligion, glauben, kürchengebräu-
24
chen , ordnungen und ceremonien, so sie aufgerichtet oder (nota bene) „noch
25
aufrichten möchten“, in iren fürstenthumben, landen und herrschafften
26
tringen sollen und eben dises auch ein ursach dess noch wehrenden bluttigen
27
kriegs gewesen, als ist im Prager friden § „Waß aber anlangen thut“ ver-
28
glichen worden, das alle dieselbe mediatstifft (darunter dann auch die freye
29
weltliche stifft, sodann die maisterthumben und commentureyen der ritter-
30
lichen orden mitbegriffen) denen Augspurgischen confessionsverwahnten
31
chur-, fürsten und ständen, sovil sie deren anno 1627, den 12. Novembris
32
stylo novo, innengehabt, besessen und gebraucht, nichts außgeschlossen, wie
33
es auch benendt werden möchte, ohne einigen ahn- und zuespruch, undter
34
waß praetext, schein oder fürwandt es geschechen könte oder möchte, uf 40
35
jar von dato mehrgemelten Pragerischen fridenschluß (das ist vom 30. May
36
anno 1635 an zu rechnen) geruehiglich verbleiben, auch was einem und
37
anderm ein zeit her dran entzogen, völlig, iedoch ohne erstattung einiger
38
nuzung, schaden oder uncosten, restituiert werden sollen, mit welchem also
39
das gravamen bis uf 40 jar hinauß seine erledigung bekommen. Wann nun
40
die Augspurgischen confessionsverwahnte darauf tringen, daß die sach in
41
futurum möcht verglichen werden, wie es nach den 40 jahren entlich ze
42
halten, und aber dem Pragerischen fridenschluß § „Damit auch nach ver-
43
fliesßung “ außtruckenlich einverleibt, das noch vor außgang der bewillig-

[p. 140] [scan. 188]


1
ten 40 jaren durch zuesamensezung friedliebender ständte beyderlei reli-
2
gionen in gleicher anzaal oder dero hierzue gevollmächtigter räth, pott-
3
schafften und gesandten, alle aüssriste bemücheung, sorg und fleiss dahin
4
angewendt werden solle, ob die sach mit beyder theil belieben auf einmal
5
könte zugrundt verglichen werden; solchen vergleich auch zu unsero gnä-
6
digsten ratification fürbringen, darüber wir uns dann noch beschaffenheit
7
der sachen allergnädigst erkleren wolten. Und mit diser unserer resolution
8
und antwortt könnet ir nit allein die protestierende bey iezigen fridenstrac-
9
taten , wann sie sogar starkh auf ein beharrliche und imerwehrende erledi-
10
gung dises gravaminis tringen wurden, sondern auch denn außländischen
11
cronen, welche sich derselbigen annemmen theten, pro prima vice uf das
12
sicheriste und beste begegnen.

13
So könt ir auch bey diesen tractaten die fürsechung thuen, das, weiln noch
14
etliche clöster in dem erzstifft Magdenburg und Bremen verhanden, die nit
15
allein bis uf den 12. Novembris 1627 jars, sondern noch lange zeit hernach
16
das catholische exercitium und ir einkommen gehabt und theils derselben
17
noch haben, deren specification euch hiebey kommen thuet, das ir daran
18
sein wollet, das da denselbigen etwas seither besagtes 12. Novembris diss
19
1627 jars an den einkommen entzogen oder sie sonsten in irem exercitio
20
catholicae religionis turbiert worden, das die entzogene immobilia, stent
21
und einkommen, denselben widerumb restituiert und sie hinfüro in dem
22
exercitio der catholischen religion weiter nit allein nit turbiert werden, son-
23
dern auch in dem im Prager fridenschluß bestimbten termin der 40 jaren
24
darbey erhalten und conserviert werden. Dannenhero ir bey disem sibenden
25
gravamen billich zue sechen habt, das bey solchem vergleich außtrückenlich
26
disponiert und verordnet wurdt, das hinfüro weiter kein geistlich gestifft,
27
es sey mediat oder immediat, dessen die catholische den 12. Novembris
28
stylo novo 1627 in possession gewest, undter keinerlei schein und praetext
29
es immer wolle, denen catholischen entzogen werden

40
29 möchte] Das Gutachten führt in diesem Zusammenhang noch ein Sondervotum an,
41
das im äußersten Fall, mit Berufung auf Justinian, die Überlassung der am 12. Novem-
42
ber 1627 protestantischen Mediatstifter vorschlägt.
möchte.

30
8. gravamen.

31
Das achte gravamen ist, das sonderlich die reformation derihenigen mediat-
32
stifft und geistlichen güetter denn Augspurgischen confessionsverwahnten
33
in iren territoriis verwehret werden wollen, welche etliche geistliche allein
34
durch interim recuperiert und die Augspurgische confessionsverwahnte
35
zuvor innengehabt, dann die Augspurgische confessionsverwahnte mainen,
36
das dieselbe interimspossessio kein vera et legitima possessio gewesen.

37
Diß gravamen hat mit vorigen sein erledigung und ist dahero unnöttig zu
38
disputieren, ob das interim denen catholischen eine wahrhafftige possess
39
gegeben oder nit.

[p. 141] [scan. 189]


1
9. gravamen.

2
Das 9te gravamen ist de iure emigrandi. Da beschweren sich die uncatholi-
3
sche , das solches denen underthanen nit als ein freywilliges werkh, dessen
4
sie sich gebrauchen möchten oder nicht, an etlichen orten auch ganz nit
5
gestattet werden wolte, sodann das auch die underthanen mit demselben
6
übereilt und in verkauffung irer güetter entweder gar oder gueten theils mit
7
ansezung allzu geringer terminis daran mercklich gehindert und durch die
8
nachsteür und abzug alsobald davon nicht anders, als wann sie würcklich
9
verkaufft weren, eingezogen; inen der zuegang zu denselben mit bawen und
10
sonsten, bis sie selbige zu gelt bringen können, verwehrt; geburtsbrief und
11
andere ehrliche gezeügnus verweigert, die gefallene erbschafften nit ge-
12
folgt , ja wol gar die kinder auf- und hinderhalten und sie also auch hier-
13
durch von dem sonst erlaubten beneficio emigrationis genzlich abgehalten
14
wurden. Die catholischen antwortten hierauf quoad primum, das sie inen in
15
iren landen eben sowenig als die Augspurgische confessionsverwahnten zihl
16
und maaß geben lassen könten. Die underthanen, wann sie von irer religion
17
abtretten oder deroselbigen sich nit bequemmen wollen, außzuschaffen und
18
komme inen auch der religionfrid § „Es soll auch kein stand“ und § „Item
19
wo irer Kayserlichen mayestät“ genuegsamb zustatten, vermög dessen auch
20
am Kayserlichen camergericht iederzeit auf zuetragende fähle, also ist ge-
21
uhrteilt worden und wann der außzug den underthanen nur ein freywilli-
22
ges ding were und libertas credendi inen nachgeben worden, hette es nit be-
23
derfft , bey dem religionfriden vor die unmitlbare ritterschafften und
24
reichsstätte absünderlich zu erhandlen.

25
Quo ad secundum autem de impedimento huius beneficii, wollen sie nit
26
darfürhalten, weniger wissen, das dergleichen beschwert mit bestimmung
27
gar zu kurzer zeit fürgangen; seint gleichwol erbiettig, da etwas derglei-
28
chen beschechen solte, solches zu remedieren und dahin zu sechen, damit
29
fürbaß beharrliche masßigung und temperantia gehalten werde.

30
Diss gravamen betrifft uns sowol als andere catholische von wegen unser
31
erblanden, so zum Reich gehören, und beruehet uf zwayen quaestionibus.
32
Primo, wie weit die underthanen sich dess beneficii emigrandi zu bedienen
33
haben, ob dasselbe necessarium vel voluntarium. Secundo, ob demselben
34
beneficio von denn catholischen auf angeregte weiß zuwider sey gehandlet
35
und da es geschechen, wie demselbigen zu remedieren.

36
Sovil die erste quaestion betrifft, ist im edictum § „Wann auch endtlich“
37
ausfüehrlich deduciert, das solches beneficium seye necessarium und das die
38
underthanen, welche nicht zu irer obrigkeit religion sich bekennen wollen,
39
schuldig, außzuweichen sein, da sie die obrigkeit nit leiden will, und solches
40
in crafft dess religionfridens § „Eß soll auch“ et § „Wo aber“ alda nach
41
lang gewehrtem disputat, ob denn underthanen die religion freystehen soll,
42
entlichen verglichen, das kein standt dess andern underthan zu seiner reli-
43
gion tringen, abpracticieren oder wider ir obrigkeit in schuz und schirm

[p. 142] [scan. 190]


1
nemmen, noch verthädigen solle; wo aber der Kayserlichen mayestät chur-,
2
fürsten und ständt underthanen der alten religion oder Augspurgischen
3
confession anhengig, von solcher religion wegen, auß der Kayserlichen
4
mayestät auch der churfürsten, fürsten und ständten dess Reichs landen mit
5
iren weib und kinderen an andere orth ziechen und sich niderthuen wolten,
6
das demselben solcher ab- und zuezug, auch verkauffung irer haab und
7
güetter gegen zimblichen billichen abtrag der leibaigenschafft und nachsteür
8
wie eines ieden orts von alters her gebracht, unverhindert meinigliches zue-
9
gelassen , inen auch an iren ehren unnachteilig sein solle. Mit welcher dispo-
10
sition dann sovil für die underthanen erhalten worden ist, das die obrigkeit
11
sie zu irer religion nit zwingen können, wie sonsten wol denn rechten nach,
12
bey vermeidung schweren leibs- und lebensstraff geschechen möchte, son-
13
dern der underthan hat dise genad, das er mag außweichen und gemelte
14
straff dardurch verhüetten, und wie gemelt, wan einem ieden, so gar denn
15
underthanen die religion freystuende, hete es nit bederfft, das solche frey-
16
heit der reichsritterschafft in specie vorbehalten und bedingt worden
17
were.

18
Auf die declaration dess Kaysers Ferdinandi I

41
Die Declaratio Ferdinandea vom 24. September 1555. Druck: Religionsvergleiche
42
S. 68–69.
, so denn Augspurgischen
19
confessionsverwahndten für etlicher catholische geistlicher fürsten und
20
ständt underthanen bey aufrichtung dess religionfridens soll gegeben wor-
21
den sein, das nemblichen dieselb, bey der zuvor hergebrachten Augspurgi-
22
schen confession verbleiben solten, antwortten die catholische anderswo,
23
das solche declaration erst anno 1576 nur in copia ans tagliecht kommen
24
und vor niemals produciert oder gesechen, vil weniger approbiert und guet-
25
gehaissen worden; auch wann sie gleich ergangen were, das solche doch, als
26
dem religionfrid zuentgegen, unverbündtlich und uncräfftig were, und dar-
27
bey noch dises zu erkennen gebe, das wann der religionsfriden denen under-
28
thanen die religion freygestelt, so wurde es keiner anderen sonderbaren
29
declaration, und zwar nur für etlicher geistlichen ständt underthanen, be-
30
derfft haben, welches auch in dem edict noch weiter ausgefüehrt.

31
Derowegen in hac quaestione nicht zu weichen, sonderen es bey dem reli-
32
gionfriedt allerdings ze lassen, wie dan Ferdinandus primus bey aufrich-
33
tung dess religionfridens denen ständen der Augspurgischen confession, als
34
sie so starckh auf die freystellung der religion für der catholischen ständt
35
underthanen getrungen, schrifftlich angezeigt, ehe wolte er die freye hand-
36
lung ganz zerschlagen lassen, als die extension dess religionfridens auf die
37
underthanen eingehen.

38
Die andere frag de impedimento emigrationis bestehet ganz in facto und
39
negieren die catholischen die geklagte übereylung und verhinderung, er-
40
bietten sich darneben, wie gedacht, zur remedierung.

[p. 143] [scan. 191]


1
Bey dieser erklerung lassen wir es auch unsers orts bewenden und dahero
2
die Augspurgischen confessionsverwahnten sich damit nit contentieren
3
wollen, stehet inen frey, ad speciem zu gehen und dasselbe ordenlicher
4
weise aufzufüehren.

5
10. gravamen.

6
Das zechende gravamen ist, das von langen jaren hero vilen standten dess
7
Reichs durch ubereylte process, ertheilte commissiones, auch propria authori-
8
tate , wie nit weniger durch das edict und sonsten durch ergangne paritori
9
urtheilbescheidt, da doch in sachen weder submittiert, noch sonsten formb-
10
lich procediert, sondern vilmehr iurisdictio durch eingewandte exceptiones
11
decliniert worden, selbige sachen pro rebus iudicatis gehalten, die execution
12
hierüber fürgenommen und also vil underschidliche kirchen, ministeria,
13
gefäll und andere intraden entzogen und gesperret werden wollen.

14
Dises gravamen gehet fürnemblich uns als oberhaubt und richter zugleich
15
ahn und gehört aigentlich zu der vergleichung der geistlichen güetter, hat
16
aber mit demihenigen, was wir uns auf das sibendt gravamen erklert, sein
17
erledigung, iedoch habt ir dises dabey zu erynnern und in obacht zu nem-
18
men , das die process und urtel, welche wegen restitution der geistlichen
19
stifft und güetter ergangen, umb deßwegen, das die Kayserliche jurisdic-
20
tion darinnen decliniert, nit für unrecht zu halten, weniger zu annullieren,
21
weil wir in solchen fählen iudex competens, wie oben bey dem dritten gra-
22
vamine schon ausgefüehrt.

23
Und wann pars rea nit gebürlich submittiert, so ist die sach billich ex offi-
24
cio in contumaciam für submittierter und beschlossener anzunemmen und
25
zu halten und darauf, waß recht ist, zue erkennen und zue sprechen, auch
26
zur execution zu bringen; derowegen sich die uncatholischen ob disem mit
27
fueg ordenlich nit zu beschweren.

28
So aber sonsten einige substantialunformblicheit in denn processen oder
29
einige andere verordnungen und excessus zu befinden oder da inskünfftig
30
einige vorgehen sollen, seint wir auf erfolgende specialerleüterung densel-
31
bigen abzuhelffen erbiettig, massen dann im Prager friden § „Da sie auch
32
sonst“ iuncto et sequentes außtruckenlichen versechen, das die ständt der
33
Augspurgischen confession sich wider den religion- und prophan- oder auch
34
Prager friden in etwas beschwerdt befinden, sollen sie befuegt sein, dessent-
35
wegen uns an unserm Kayserlichen hof oder bey dem Kayserlichen camer-
36
gericht anzulangen; die sollen dann nach außweißung dess religion- und pro-
37
phan -, auch Prager friden und anderer reichsconstitutionen und ordnun-
38
gen , die heylige justitz administrieren.

39
Das edict ist im [!] religionfriden und desselben rechten verstandt aller-
40
dings gemäß, es habens auch etliche der Augspurgischen confessionsver-
41
wahnten ständte, als herzog Christian der elter zu Braunschweig Lüne-

[p. 144] [scan. 192]


1
burg

39
Hg. Christian von Braunschweig-Lüneburg (1566–1633), folgt 1611, in Grubenhagen
40
1617. Vgl. W. K. v. Isenburg I Tafel 74.
und der Pfalzgraf zu Pürckenfeldt

41
Georg Wilhelm, Pfalzgf. zu Birkenfeld (1591–1669), folgt in Birkenfeld 1600. Vgl.
42
W. K. v. Isenburg I Tafel 37.
und andere mehr selbst vor
2
recht und billich funden, ahn allein sich über etliche angegebene excessus,
3
die bey dessen execution fürgangen sein sollen, beschwerdt und demselben
4
allergnädigst abzuhelffen, gebetten, wie aus denselben acten mit mehrern
5
zu erweisen, dann es seint nit mehr, als die drey puncten darinnen resol-
6
viert .

7
1. das denen Augspurgischen confessionsverwahnten nit gebüret, dieihenige
8
mediatstifft und clöster einzuziechen, deren possession die catholische geist-
9
liche zeit dess Passauischen vertrags gehabt,

10
2. vilweniger die immediat-erzbistumb und stifft, welche reichsständt sein,

11
3. das auch das beneficium emigrationis für underthanen nit voluntatis,
12
sondern necessitatis; alle dise drey puncten seint rechtmässig, allermassen
13
bey vorgehenden 6., 7. und 9. gravamine probiert.

14
Derohalben ist auch diss zechende gravamen nit erheblich, und obgleich das
15
edict quoad 1. et 2. punctum in dem Prager friden suspendiert oder gar
16
beyseits gestellet und ipso facto aufgehoben, so ist doch darumb an ime
17
selbst nit unrecht, quia multae bonae leges, quamvis sint iustissimae, sepe ob
18
temporis iniuriam tollantur vel cassantur.

19
11. gravamen.

20
Das eülffte gravamen ist dises, daß wo etwan, sonderlich in stätten, das exer-
21
citium religionis coniunctim hergebracht, dasselbe den Augspurgischen con-
22
fessionsverwahndten wider das uhralte herkommen durch die particular-
23
accord und gleichsamb selbige statt nit wie andere chur-, fürsten und ständt
24
im religionfridt begriffen, abgestrickht, benommen und mit denen darzue
25
auch von inen, denn protestierenden selbst, gethanen stifftungen entzogen
26
werden wollen, inmassen auch zu Augspurg, Kauffbeüren und anderen
27
orten mehr geschechen.

28
Respondent catholici: der religionfried gebe zihl und maaß, wie es nemb-
29
lich in denn stätten der religion halber zu halten, dabey liessen sie es be-
30
wenden und solches umb sovil mehr, weil der Prager friden sich uf den-
31
selben in hoc passu specialiter beziechet; ingleichem die specialaccorden, so
32
mit ein oder anderer statt getroffen und bestettigt, dannenhero sie verhof-
33
fen wolten, die Augspurgischen confessionsverwahnten wurden es auch
34
dabey bewenden lassen, damit es nit das ansechen habe, als wann nur die
35
catholische dasihenige, waß inen zun abbruch verhandlet, zu halten schul-
36
dig . Es were auch der statt Augspurg das exercitium nit benommen, son-
37
dern nur die kürchen den catholischen und ordenspersonen, denen sie vor-
38
hin zuegehört, wider eingeraumbt; dagegen den Augspurgischen confes-

[p. 145] [scan. 193]


1
sionsverwahnten eine aigne kürchen zu irer religionsübung zu bawen, nit
2
verwehrt, sondern vorbehalten und freygestelt worden.

3
Nun ist de civitatibus imperialibus in genere zu reden nit ohne, das etliche
4
catholische der mainung sein, das denen selben nicht wie anderen ständen
5
die religion der Augspurgischen confession freygestelt, sondern nur denen,
6
in welchen zeit aufgerichten religionfridens beede, die catholische und
7
Augspurgische confession, in üebung gewesen und solches ex hoc funda-
8
mento , das der articul von freystellung der religion für die Augspurgische
9
confessionsverwahnte im § „Und damit“ außtrückenlich auf ire fürsten-
10
thumber , lande und herrschaften lautet, und also nur von höcheren ständen,
11
welche mit regalien von uns verlichen, zu verstehen were; wegen der reichs-
12
stätt aber ein absönderlicher articul in § „Nachdem aber“ dises innhalts
13
eingesezt.

14
„Nachdem in vilen frey- und reichsstätten die beyde religionen, nemblich
15
die alte religion und der Augspurgischen confessionsverwahnten religion,
16
ein zeithero im gang und brauch gewesen, so sollen die hinfüro auch also
17
verbleiben und in solchen stätten gehalten werden, auch derselben frey-
18
und reichsstätte, burgere und andere einwohnere geist- und weldtlichen
19
standts fridlich und ruheig bey- und nebeneinander wohnen, und keine theil
20
des andern religion, kürchengebrauch oder ceremonien abzuthuen oder in
21
davon zu tringen, sondern ieder theil den andern laut dises fridens bey sol-
22
cher seiner religion, glauben, kürchengebrauchen, ordnungen und ceremo-
23
nien , auch seinen hab- und güetteren und allem anderen, wie oben bey der
24
religion reichsständt halber verordnet und gesezt, ruehiglich und fridlich
25
bleiben lassen.“

26
Bey welchem es auch unserseits und was darauf im Prager fridenschluß
27
befindtlich, sein bewendung hat.

28
Demnach aber gleichwol in etlichen reichsstätten den 12. Novembris anno
29
1627 catholische burger befindtlich gewesen, als habt ir dahin zu trachten,
30
das daselbsten die catholische burger erhalten und conserviert werden.

31

41
31 einlassen] Das Gutachten befaßt sich in diesem Zusammenhang etwas ausführlicher
42
mit der Frage, ob die Reichsstädte Landesherrlichkeit besitzen und ihnen daher das ius
43
reformandi zustehe.
Im übrigen aber, ob denn reichsstätten das ius reformandi zuestendig, euch
32
keinesweegs einlassen.

33
Sovil dann etliche stätt in specie betrifft, als Augspurg und Kaufbeyrn,
34
weiln dieselbe ire gravamina principaliter wider die particularaccord
35
stellen, könnet im namen unser ir dieselbige similiter auf die getroffene und
36
in dem Prager fridensschluß bestettigte accord verweisen und daneben diß
37
anzeigen, wie es denn Augspurgischen confessionsverwahnten wolgefalle,
38
das sie bey demihenigen, was sie für sich insgemein oder einer und der
39
andere absönderlich durch den religion- und Prager friden, auch andere
40
particularaccord erhalten, ruhiglich und unturbiert gelassen werden, obs

[p. 146] [scan. 194]


1
gleich uns und denn catholischen sehr hart und schwer ankomme, also
2
müessten sie es auch vice versa der vernunfft und billicheit nach uns und
3
denn catholischen guet sein lassen, obgleich inen denn Augspurgischen con-
4
fessionsverwahnten nit wol thete, sonsten wurde man sich nimmermehr auf
5
einigen vergleich und fridenschluss verlassen können, sondern in steetsweh-
6
renden mißtrawen und gezänckh

36
6 verbleiben] Sondervotum des Gutachtens : Falls der Bf. von Augsburg und der kath.
37
Senat der Stadt mit Hilfe der Vermittler oder Frankreichs sich um Verbesserungen für
38
den Katholizismus bemühten, solle der K. sich dabei aus politischen Rücksichten
39
zurückhalten.
verbleiben.

7
12. gravamen.

8
Das zwelfte gravamen ist, das auch denn stätten, ausser denen 4 ausschrei-
9
benden , durch ungleiche interpretation eines nebenrecessus das praeiudi-
10
cium zuegezogen werden wolte, ob solte denselben das exercitium Augusta-
11
nae confessionis allein in iren stätten, keinesweegs aber denen inen mit
12
aller obrigkeit zuestehenden flecken und dorfschafften, zuezelassen sein.
13
Catholici respondent: gleich wie sy von disem nebenrecess bis uf selbige zeit
14
niemals einige wissenschaft gehabt, also könten sie umb sovil desto weniger
15
ungleichen außdeütung desselben beschuldiget werden.

16
Es ist aber hiebey zu wissen, das bey abhandlung dess Prager fridenschluss
17
diss verglichen und darüber zu Prag eine absönderlich bekandtnus von
18
denen Kayserlichen abgesandten sub eodem dato, quo diploma pacis Pra-
19
gensis außgeferttiget worden, das zu beförderung dess lieben fridens und
20
damit derselbe durch diß incidens nit schwerer gemacht wurde, ire Kayser-
21
liche mayestät Ferdinandt der ander allerchristmildtister gedechtnus, den 4
22
ausschreibenden stätten, Nürnberg, Ulm, Straßburg und Franckfurt am
23
Mayn, wann sie den fridenschluß annemmen und sich selbigem gmeß er-
24
zeigen wurden, die freye übung der Augspurgischen confession in deniheni-
25
gen standt, wie dieselbe anno 1627, den 12. Novembris stylo novo, gehabt,
26
inn- und ausserhalb irer ringmauren und aufm landt, so weit sich ire terito-
27
rialiurisdiction erstreckhet, hinfüro ungehindert lassen, auch darüber ein
28
Kayserliche resolution undter derselben Kayserlichen handt und signet er-
29
theilen wolten.

30
Die ursach dessen ist gewesen, das bey der Pürnischen notul

40
Pirnaer Noteln vom 24. November 1634. Druck: Friedens Pacten S. 9–65.
den reichs-
31
stätten insgemein bemeltes exercitium sowol ufm landt, als in der ringmaur
32
versichert gewesen, solche notul aber zu Prag verändert, und alles wegen
33
der entzwischen beschechnen übergab der statt Augspurg

41
Der Übergabevertrag, der Löwenburger Akkord, datiert vom 13. März 1635. Druck:
42
P. v. Stetten II S. 360–365; vgl. auch S. Riezler V S. 491.
uf die special-
34
accord und den religionfrid restringiert worden, darumb der churfürst an-
35
gehalten , das man uf das wenigiste die 4 ausschreibende durch ein particu-

[p. 147] [scan. 195]


1
larrecess in specie besser versorgen wolte; sonst wurden sie den Prager
2
friden nit annemmen und grosse ungelegenheit erweckhen. Ob nun zwar
3
solcher recess auf anhaltung der statt Nürnberg abgeordneten aufgesezt, so
4
ist er doch nachgehendts nie sollicitiert worden und also unausgeferttigter
5
verblieben.

6
Weil dann diß gravamen eigenlich von denn vorgehenden dependiert, so
7
könnet ir das werckh dahin gestelt sein lassen, bis von denn reichsstätten
8
etwas urgiert würdet. Dann wann denn stätten insgemein, wie anderen
9
ständen dess Reichs, in irem territorio zu reformieren erlaubt, so ist disem
10
gravamini schon abgeholffen. Da aber nicht, so bleibts billich bey demihe-
11
nigen , was disfals nur für die vier stätt versprochen worden; als ist un-
12
nöttig , sich alhie darüber weiter aufzuhalten.

13
13. gravamen.

14
Den Protestanten wird in katholischen Territorien außerhalb der Friedhöfe
15
ein ehrbares Begräbnis gestattet.

16
14. gravamen.

17
Das vierzechende gravamen ist, das vilen ständten, so geistliche güetter in
18
handen, die darzue gehörige, aber in anderen herrschafften ligende intra-
19
den , gefäll und einkommen gänzlich gesperret wurden.

20
Auf dises gravamen findet man keine antwort bey der catholischen gegen-
21
schrifft weder in genere noch in specie, weder remissive noch definitive,
22
wurdt dahero vermuetet, das sie mit fleiß dasselbe mit stillschweigen über-
23
gangen und etwa solches selbst nit allerdings ungegründet befinden.

24
Es weiset aber der religionfrid im § „Und damit“ versus „doch das es mit
25
bestellung“ und im § „Als auch den ständen“ clärlich auß, das dergleichen
26
intraden, wann sie deren in zeit dess religionfridens im besiz gewesen, dem
27
andern theil ohne underschiedt der religion richtig gefolgt werden sollen et
28
in paragraphum sequentem „Und ob solcher bestellung halben“ würdt ver-
29
ordnet , das dafern wegen bestellung der ministerien missverständt und zwi-
30
spalt fürfihlen, so sollen sich die parteyen etlicher schidtspersonen verglei-
31
chen und nach summarischer verhörung beider theil in sehs monaten erken-
32
nen , was und wievil solle gegeben werden und zue selbigen schiedtspersonen
33
soll ieder theil ein oder zwo benennen und da dieselb sich der sachen nit
34
vergleichen könten, sollen sie einen unparteyischen obmann erwehlen, der
35
nochmals die sachen mit inen möge entscheiden.

36
Derowegen so habt ir wegen diss gravamen im namen unser den Augspur-
37
gischen confessionsverwahndten so vil anzudeuten, es gebe der religion-
38
friedt klare zihl und maß, wie es disfals gehalten werden solle, darbey
39
liessen wir es allerdinges bewenden, und wann denen Augspurgischen con-
40
fessionsverwahnten etwas von denn wenigen intraden, deren possession sie
41
in zeit dess religionfridens gehabt, were entzogen worden, seye billich, das

[p. 148] [scan. 196]


1
es inen restituiert werde und sie hinfüro bey denselben ruhiglich gelassen
2
wurden.

3
Wir könten auch wol leiden, da etwan der ministerien und kürchen bestel-
4
lung halber von solchen intraden stritt fürfihle, das beede theil sich ietz-
5
besagten außtrags halten möchten. Da aber die sach etwan solche intraden
6
betreffe, deren possession die Augspurgische confession zu zeit dess Passau-
7
ischen vertrags und religionfridens nicht gehabt, sondern erst hernach mit
8
einziechung eines oder andern stiffts erworben, so hete es ein andere be-
9
deütung und wären die Katholiken dazu zu hören.

10
15. gravamen.

11
Im fünfzechenden gravamine dicunt protestantes, das daher auch ein grosß
12
mißtrawen entstuende, das man darfür halten wollen, es stuende in unserer
13
und dess Reichs macht nit, von denn geistlichen güetteren auch von denen,
14
so vom Reich zu lechen rüehren, zu disponieren.

15
Die Katholiken nehmen das 15.–18., das 21. und letzte Gravamen mit
16
einigen anderen zusammen und beziehen alles nur auf den Prager Frie-
17
den
. Wir befinden, das diß gravamen meistentheils daher entstehet, das
18
man in Dillingischen compositionibus eines Römischen Kaysers macht in
19
geistlichen sachen nit allein quoad religionem, sondern auch quoad bona
20
ecclesiastica in etlichen puncten zimblich eng gespannet, deßgleichen auch
21
in anderen schrifften zu befinden. Dessen doch ungeachtet verbleiben wir
22
diß orts bey denn catholischen principiis und regulis, quoad sint distincta
23
imperia, regnum et sacerdotium und das weltliche dem geistlichen in seiner
24
iurisdiction nit einzugreiffen, sondern vilmehr dises bey dem seinigen zu
25
schüzen habe.

26
Müssen aber dabey bekennen, das wir weder in dem Dillingen buech, noch
27
in anderen catholischen schrifften finden, das sie einem Römischen Kayser
28
die macht benemmen, in casu necessitatis vel utilitatis publicae und ob
29
salutem publicam einige disposition de bonis ecclesiasticis pro pace publica
30
Imperii zu machen, dummodo intendat pro virili avertere maius periculum
31
et aliunde damnum resarcire.

32
Derowegen ir uf diß gravamen sovil kürzlich zu antworten habt: wir
33
wüsten unserseits nit, wohin dasselbe gemeint were, wir begeren auch uns
34
und dem Reich nit mehr zu arrogieren, als uns von Gott und rechts wegen
35
erlaubt were und pro salute publica Imperii gebüren thete; welches wir uns
36
und und dem Reich auch nit entziechen lassen wolten.

37
16.–19. Gravamen.

38
Ob ein katholischer Klosterinsasse allein das Kloster dem Katholizismus
39
erhalten könne und ob per protestationem den Katholiken die possessio
40
civilis an Klöstern erhalten bleiben könne, soll zusammen mit dem 7. Gra-

[p. 149] [scan. 197]


1
vamen beigelegt werden. Wenn sich die Franziskaner, da sie keinen
diocesa-
2
num im Reich anerkennen, nicht an den Religionsfrieden halten, können sie
3
auch nicht dessen Schutz genießen. Da sich beide Konfessionen darin einig,
4
daß in re communi prohibente socio non licita sit reformatio, so geht es hier
5
nur darum, wer tatsächlich gegen diesen Grundsatz verstößt.

6
20. gravamen.

7
Vicesimum gravamen ist, das mann den landtständten, die durch privilegia,
8
pacta, et alios titulos legitimos erlangte iura religionis eiusque liberi exer-
9
citii nit lenger gönnen, sondern sie darinnen turbieren oder gar privieren
10
und berauben wolte. Die catholische sagen, man könne sich irerseits darauf
11
solang und -vil nit erkhleren, es werden dann die exempla specifice beyge-
12
bracht und ein iedes mit seinen umbständten absönderlich erwogen.

13
Bey disem gravamine ist unser mainung nit, das ir euch der catholischen
14
ständt gebrauchter antwortt bedienet, dan es derffte dardurch unseren erb-
15
königreich und landen ein gefehrliches disputat erweckht werden; sondern
16
habt ir euch disfals simpliciter auf das 9te gravamen und das beneficium
17
emigrationis zu remittieren, wie wir dann alle dise protestantischen For-
18
derungen
auf unsere erbkönigreich und landt ganz und gar nit verstehen,
19
noch verstanden haben wollen, so ir fleissig zu beobachten.

20
21. gravamen.

21
Beim Geistlichen Vorbehalt hoffen die Protestanten, man werde auf catho-
22
lischer seiten sich nit zuwider sein lassen, den punctum dess geistlichen
23
vorbehalts fürzunemmen und in handlung zu bringen, aus ursachen, so
24
in vorigen reichstägen weitlaüfftig außgefüehrt worden, sonderlich in
25
denn fählen, wan ein bischoff oder praelat mit seinem capitul und
26
convent sich zu der Augspurgischen confession begeben hette oder noch
27
begeben wolte, in bedenkhung, von disem casu in dem religionfriden nichts
28
zu befinden. Warauß gleichwol sovil zu spühren, das die Augspurgischen
29
confessionsverwahnte solchen vorbehalt nit mehr so sehr ex eo capite, das
30
sie darin nit consentiert, als nur ex eo, das derselb einen absaz hette, wan
31
ganz capitula sich selbsten reformierten, anzufechten willens. Diss grava-
32
men ist beim sehsten gravamine albereit resolviert, das de iure denn pro-
33
testierenden dergleichen erz- und stiffter keinesweegs gebühren und con-
34
sequenter auch die session und vota nit. Destowegen wir es dann beim reli-
35
gion - und Prager friden allerdings bewenden lassen, und habt ir von dem
36
geistlichen vorbehalt keinesweegs zu weichen.

37
Folgen gravamina in particulari.

38
Beschwerden protestantischer Städte quoad ecclesiastica in genere et specie.
39
In genere wider das Dillingische buech, den reichshofrath und Spey-
40
risches camergericht. Wider das Dillingische buech, das vermög desselben

[p. 150] [scan. 198]


1
inen das ius reformandae religionis nit gebüren solte und wo das interim
2
zeit dess Passauischen vertrags in üebung gewest, da heten sie sich dess
3
religionfridens nicht zu erfrewen. Es könten auch die stätte, so zeit dess
4
religionsfridts das exercitium Augspurgischer confession gehabt, dasselbe
5
auffm landt und in irem gebüeth nicht einfüehren und hiengen die iura reli-
6
gionis der geistlichen obrigkeit, nicht aber der civili an. Aach und Dona-
7
werth weren contra pacem religionis vilfeltig beschwert, piten demnach,
8
weil hieran das Theütsche verthrawen hange, wir wolten cum statibus in
9
denen fahlen, da einige ferrere declaration oder erleütterung vonnöthen,
10
solche mögen iedoch denen maioribus kein statt geben [!].

11
Wider unseren reichshofrath ist ire beschwerdt in genere dise, das religions-
12
sachen vom Kayserlichen camergericht avociert und mit mandaten und
13
commissionen verfahren. Wider unser Kayserliches camergericht zu Speyr,
14
das ire supplicationes in religionssachen beyseits gelegt, inen wider die
15
höchere ständt in anderen sachen bey unerseztem camergericht nach inhalt
16
der camergerichtsordnung, partem 1 titulum 12., keine process ertheilt wur-
17
den , exempli gratia Straßburg und Regenspurg. Passive aber müsten sie die
18
iustitia über sich ergehen lassen. Petunt, weil die ersezung iezo schwer her-
19
gehet , erleüterung dicti tituli 12 oder die sachen dahin zu richten, damit sie
20
der iustiz genüessen möchten.

21
Petunt denique universalem amnistiam, sonsten wurden die accordierte
22
deterioris conditionis sein als die exclusi, weil sie doch von denn chur- und
23
fürstlichen berichtet worden, das die stättischen von inen nit sowol in inten-
24
tione et fundamento als ratione mediorum et modi procedendi different.

25
Augsburg verwirft den Löwenburger Akkord, da er gegen den Religions-
26
frieden
sei; bei der Exekution sei die Stadt 1620 wahllos um alle politischen
27
und religiösen Rechte gekommen. Straßburg, Nürnberg, Dortmund, Mem-
28
mingen
, Kempten, Speyer, Kaufbeuren, Regensburg, Aachen, Lindau,
29
Wimpfen, Wetzlar, Gelnhausen, Biberach, Dinkelsbühl, Ravensburg, Col-
30
mar
und Weißenburg am Morgau bringen Beschwerden nur lokaler Bedeu-
31
tung
vor. Alle Städte zusammen verlangen die Rechte, die den vier aus-
32
schreibenden
im Prager Nebenrezeß gegeben worden sind, für sich. Nun
33
seint alle dise der protestierenden stätt gravamina durch obgesezte unsere
34
ertheilte erklerung uf der fürsten und ständt gravamina resolviert und erle-
35
digt . Dann was das Dillingische buech anbelangt, bleibt es diser und ande-
36
rer scribenten halben unverhindert beym religionfridt.

37
Wegen unsers Kayserlichen reichshofraths wissen wir uns nit zu erynneren,
38
das einige sach vom camergericht were avociert worden, die daselbst recht-
39
hängig were gewesen. Jedoch ein oder andere statt in specie deßwegen, wie
40
auch unordenlicher commissionen, mandaten und process halber, sich mit
41
fueg und billicheit zu beschweren ursach hat und dasselbige nominatim dar-
42
thuen wirdt, seint wir solches allergnädigst abzustellen geneigt und erbietig.

43
Und daferrn unser Kayserliches camergericht zu Speyr excediert, so hat

[p. 151] [scan. 199]


1
man die camergerichtsordnung

35
Neu herausgegeben von A. Laufs .
, die gibt klar ziehl und maaß, wie die
2
beschwerdt theil sich dessentwegen per revisionem und sonst zu erholen. Es
3
gehört auch die gebettene declaration uber der camergerichtsordnung zu
4
dem justitienpunct und ist bereit in dem guetachten der deputierten zue
5
Franckfurth und unser darauf erfolgten allergenedigisten resolution

36
Ksl. Resolution vom 4. August 1643. Druck: Gaertner I S. 513–517.
zum
6
theil erlädigt und von deswegen davon weiter geredt werden.

7
Der amnistiae halber lassen wir es deßwegen bey unseren publicierten
8
patenten allerdings verbleiben.

9
Wegen dess exercitii religionis für die underthanen ufm lande ist auch
10
schon geredt, das solches denenihenigen gelassen werden möchte, die es her-
11
gebracht . Die übrigen particularien beruhen theils in facto und hangen zu-
12
recht , daselbst sie billich vollendts außzutragen, andere aber müessen sich
13
specifice darzu legitimieren, und könnet ir dennselben allen miteinander nit
14
besser begegnen, als das ir denselbigen andeüttet, das wir uns dahin erklä-
15
ren , daferren ein oder die andere gebürlich darthuen und erweisen, das sie
16
wider den religionfriden beschweret worden, so soll dennselbigen geholffen
17
werden; hingegen werden sie sich auch mit fueg nit zu beschweren haben,
18
wann wir denn catholischen zu dem, was sie befuegt und der relgionsfrid
19
klärlich mit sich bringet, verhülfflich sein.

20
Die Instruktion erfolgte, um Euch neu zu informieren. Berichtet, was beide
21
Seiten weiter vorbringen. Wenn sich die Dinge zuspitzen, erfolgen neue
22
Anweisungen.

Dokumente