Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert
203. Lamberg und Krane an Ferdinand III Osnabrück 1645 August 3

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Lamberg und Krane an Ferdinand III.


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Osnabrück 1645 August 3

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Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 48a, Konv. c ( Mai–August 1645) fol. 137–143, PS fol. 144,
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praes. 1645 August 16 = Druckvorlage – Kopie: ebenda Fasz. 92 V ad nr. 758 fol. 394–
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398’; Den Haag A IV 1628 nr. 17; Giessen 206 nr. 4 S. 46–60 – Druck: Gärtner V
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nr. 134 S. 616–625.

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Bekanntmachung des Lengericher Schlusses an die Reichsstände in Osnabrück. Streit zwischen den
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kurfürstlichen und den fürstlichen Bevollmächtigten wegen des Titels „Exzellenz“. Ausgleich des
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Sessionsstreits zwischen Pommern, Mecklenburg, Hessen, Württemberg und Baden. Widerstand
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der Reichsstände und der Schweden gegen den Lengericher Schluß. Frage eines Reichstags.

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Auf Drängen des Bischofs von Osnabrück haben die kurmainzischen Bevollmäch-
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tigten
die Reichsstände noch vor Rückkehr des von Löwen im Einverständnis mit
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den alhie verpliebenen Churbrandenburgischen (wiewohl dieselbe anfeng-
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lich ungern darzu sollen kommen sein, und der graff von Wittgenstein sich
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deütlich haben vernehmen laßen, das er seinen kopf darsetzen wölle, daß
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mit dem werck auf selben schlag, wie mans vorhabe, nitt würde vortzu-
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kommen sein) von dem Lengericher Schluß unterrichtet und dabei erinnert, daß zu
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deßen fernere execution auch ihrestheils concurriren und sich mitt nacher
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Münster erheben wölten. Es ist aber der actus intimationis ohne unser ein-
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rahten oder zuthun vorgangen; wier auch so wenig für alß nach deßen
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execution, zweiffelsohne weiln sich die churfürstliche selbst zu bescheiden
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gewust, daß für einlangung Ewer Mayestätt allergnädigsten befehl uns waß
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darzu zu reden nitt gebühren wölle, umb ichtwas deßwegen belangt wor-
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den, und haben nuhr beede rechtsgelehrte, der Dr. Krebs und Dr. Fritzen,
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den actum allein verrichtet, die ubrige churfürstliche gesandten aber sich mitt
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fleiß zu entflieung besorgender contradiction wegen des praedicats excel-
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lenz absentirt gehabt. Die stände sollen den vortrag ihnen schrifftlich mitt-
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zutheilen begehrt, solchs auch erlangt

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Summarischer begriff des jüngst zu Längerich circa modum consultandi gefallenen
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churfürstlichen collegialschlusses. Text: Meiern I S. 508 ( = I 5,35 N 1).
und alles in bedencken genohmen
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haben. Beede Churmentzische, der graff Cratz und Dr. Crebs, haben also-
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bald nach verrichtetem actu ihre reiß nacher Münster vortgesetzt, der von
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Brembser aber ist alhie verplieben.

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Nuhn haben unß auch immittels die fürstlichen vorgestern, den 1. dieses,
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durch beede fürstliche Heßen Darmbstattische und Mecklenburgische ge-
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sandten ihre erclehrung auff unsere bey denselben auff der churfürstlichen
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begehren wegen deß praedicats excellenz iüngsthin beschehene vortrag des

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inhalts zurückpringen laßen, daß sie, die sämbtliche fürstliche, nitt undet-
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laßen hetten, nachdeme sie fast mehrentheils in hoc passu nitt instruirt
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gewest, daß werck an ihre gnädige principaln gebürlich zu hinderbringen
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und sich nöttischen befehls zu erholen, hetten aber auß dern instruction
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und anthwortt, soviel dern zurückhommen, vernehmen müßen, daß die
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sachen von ihren principaln uber alle maß schwer und dergestalt wichtich
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gehalten würde, daß zu dern berathschlagung auch einer personalbey-
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kombst und underredung dern principaln selbst vonnöhten erachten werden
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wölle, dahero sie, fürstliche, derzeit sich zu nichts haubtsächlichs hierüber
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erclehren köndten. Befünden es zwar selbst und müsten es billich beklagen,
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das diese streittigkeitten den consultationibus in publico schädlich, wehren
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aber ihrestheils nitt darahn schüldig, sondern mögten wünschen, daß es
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bey dem alten gelaßen und alle dergleichen newerung, so nuhr zu mehrer
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trennung ursach geben, eingestelt würden; maßen ihnen, beeden fürstlichen
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deputierten, dan auch von denen sämbtlichen fürstlichen auffgeben wor-
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den, nitt allein diese füranthwortt an unß zurückzupringen, sondern unß
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auch in nahmen sämbtlichen fürstlichen dahin zu ersuchen, das wier denen
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churfürstlichen hierüber zusprechen und dieselbe zu begebung dieses unge-
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wöhnlichen newen tituls gegen die fürstlichen vermögen wölten, dan ein-
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mahl so vornehme alte fürstliche heüser, dern etlich von königen entspro-
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ßen, denen churfürsten hierin nit nachgeben köndten, für einß.

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So hetten unß auch fürs ander bey solcher gelegenheit deren fünff fürstlichen
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heüser Pommern, Mecklenburg, Heßen, Wirttenberg und Baden alhie an-
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wesende gesandten zu wißen thun wöllen, waßgestalt dieselbe diese wochen
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zusammengetretten und die alte sessionsstreittigkeit, so sich zwischen sel-
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ben heüsern von so geraumer zeithero erhalten, gottlob glücklichen ver-
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glichen und auff eine gewiße alternation gerichtet, allein haffte eß noch
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etwas an Wirttenberg, so zwarn mitt den ubrigen heüsern gehrn, aber mitt
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Heßen undt Baden nitt alterniren wölle, sein doch auch mittln im vorschlag,
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wardurch man auch Wirttenberg verhoffe zu setzen, deßen gesandten hetten
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selbe ad referendum ahngenohmen. Immittels hetten bemelte fürstliche
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abgesandten unß solches darumb anzeigen wöllen, damitt Ewer Mayestätt
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wier davon gehorsambst berichten mögten, hielten sich versichert, daß die-
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selbe gnädigst gern darvon würden vernehmen wöllen.

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Wier haben nach genohmenen bedacht auf daß erste geanthworttet, daß
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sich die fürstliche abgesandten nach guttermaßen würden zu erinnern wißen,
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waßgestalt wier unß bey unser am 15. Julii bey denselben der praedicats-
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streitigkeit halben beschehenen vortrag außtrücklich auff der sämbtlichen
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churfürstlichen gesandten bey unß zu Längeringen beschehenen ansuchen,
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damitt wier dießortts unsere officia einwenden mögten, bezogen, wier unß
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auch dohmals deütlich erclert hetten, daß diese sach andergestalt nitt als
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nuhr ploß in terminis, wie sie an unß gepracht worden, an die fürstliche
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zu hinderbringen auffgenohmen, ohne daß unß einiger interposition dar-

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bey zu underfangen gemeindt; alles nuhr zu dem ende, umb zu versuchen,
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ob solche streittigkeit köndte verglichen und die hochnöhtige consulta-
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tiones bey dieser handlung soviell desto ehender zum standt gebracht wer-
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den. Weiln wier dan auß solcher in nahmen der sämbtlichen fürstlichen an
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uns zurückgebragten anthwortt soviell vermerckten, daß sich selbigs werck
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also schlechterdingen nitt wölle richten laßen, sondern von solcher Wichtig-
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keit erachtet würde, daß auch die principaln selbst deßwegen einer bey-
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kombst under sich vonnöhten zu sein erachten wöllen, so gebühre unß
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zwar von solcher füranthwortt an die churfürstliche wieder zu uberbringen,
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wolten auch darbey von angeheffteter erinnerung, ob sich dieselbe gnädig-
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stes praedicats gegen die fürstliche begeben wöllen, ploß in den terminis,
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wie es uns vorgehalten worden, gern gedencken, daß wier aber vor einem
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oder andern theil darbey waß negotiiren solten, wolte unß auß mangl
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instruction zu thun nitt erlaubt sein, maßen unß auch versehen theten,
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daß man unß beederseidts damit werde verschonen wöllen.

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Bei dem andern punct haben wier unß der beschehenen communicationhalben
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gebürlich bedanckt und Ewer Mayestätt davon gehorsambst zu hinderbrin-
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gen auffgenohmen, mitt vermelden, daß wier nitt zweiffleten, weiln selbe
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sessionsstreitigkeit hiebevorn bey gemeinen reichstagen und beykombsten
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viel schwierigkeit verursacht, daß dieselben von dern vergleichung aller-
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gnädigst gern vernhemen würden. Haben aber discursweiß vor uns selbst
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gefragt, wie eß dan inskünfftig mitt der Gülischen session würde gehalten
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werden. Darauff die abgesandten geanthworttet, wegen Gülich seie derzeit
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niehmandt dha, eß hetten nuhr die gegenwertige den vergleich unter sich
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gemacht.

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Es haben sonsten auch selbe gesandten in discursu soviel zu verstehen geben,
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daß daß Lengerische conclusum schwerlich würde zur execution zu beför-
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dern sein und fast niemand von den ständen damit zufrieden, noch auch
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darauf nach Münster folgen wölten. Die Schweden würden sich auch oppo-
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niren, machten ein reputationwesen darauß, gleichsam dadurch der cron
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Franckreich mehr ehr ahngethan werden wölle, daß die consilia zu Münster
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allein solten gehalten werden, als der cron Schweden, mitt vorgeben, daß
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sowohl alhie zu Oßnabrück collegia et consilia statuum angestelt werden
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müsten als zu Münster, und zwar in pari qualitate ac numero und wolten
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den Hamburger praeliminarschluß dahin außdeüten. Dagegen wier erinnert,
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daß der praeliminarschluß gar von keinem consilio statuum meldung thue,
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sondern seie ein newes wieder den buchstaben selbiges praeliminarschlus
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von den außwertigen cronen zu lenger der sachen auffendthalt herfürge-
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suchtes postulatum, daß man die status imperii dahero haben wölle. Wan
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die Frantzosen und Schweden auf ihre propositiones nuhr anthwortt bekom-
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men, so hetten sich dieselbe ferners nicht zu bekümmern, woh die consilia
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hergenohmen oder gehalten werden, wie man dan endtlich mitt den con-
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sultationibus vortkommen. Würde solchergestalt etwo beßer sein, die con-

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ventus zusammen, oder wenigst die reichsdeputation ad locum tertium zu
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verlegen, seie im Römischen reich unerhört an zweien örttern zu einer zeit
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reichscollegia zu halten oder ein reichscollegium an zwey örtter abzuthei-
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len. Darauff die abgesandten: daß denen Schwedischen alle solche und mehr
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andere erinnerung, sonderlich wegen verlegung der collegiorum imperia-
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lium ad locum aliquem intermedium schon vorgehalten seie, die wolten
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aber gar nitt darzu verstehen, noch ferners davon hören, sondern ließen
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sich deütlich verlauten, ehender zurück- und darvonzugehen alß zuzugeben,
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daß in Münster allein oder auch in loco tertio die reichsconsultationes solten
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gehalten werden, sondern wölten es praecise behaubten, daß an beeden ört-
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tern die collegia imperialia in gleicher zahl und qualitet den consultationi-
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bus abwartten müsten. Sie, abgesandten, wollen es unß nuhr zur nachrich-
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tung angezeigt haben, damit wier darauß abnehmen mögen, wie wenig
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durch daß Lengerische conclusum, wan solches schon von Ewer Mayestätt
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approbirt werden mögte, der sachen würde geholffen sein. Sie sehen aber
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kein anders und füglichers mittl, allen difficulteten abzuhelffen, alß daß
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alle alhie anwesende chur-, fürstliche und stände gesanden beyeinandertret-
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ten und sich eins gewißen modi, wie die consultationes einzurichten sein,
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vergleichen theten, alsdan würden die Schweden nichts darwieder zu reden
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haben. Warauf wier erwehnet, so würde eß endtlich zum reichstag kommen
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müßen, sonsten sich die ubrige nitt anwesende stände an der gegenwertigen
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conclusa auch nitt würden wöllen binden laßen und man also in ewigkeit
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nitt können zur berathschlagung kommen. Die abgesandte: Zum reichstag
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verspürten sie, daß auch schlechte inclination bey denen Schwedischen so
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wenig alß denen ständen seie, und sehen sie außer angezogenem mittl dem
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werck nitt geholffen.

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Wier haben unß der eröffnung halben gegen die abgesandten gebührlich
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bedanckt, Ewer Mayestätt aber von diesen umbständen, dan ferners auch
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dieses allerunderthänigst zu berichten für eine notturfft zu sein eracht, wie
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daß sich alhie die protestierende uber alle maßen sehr verhauffen, also daß
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von denen weltlichen ständen auff der fürstenbanck, wie unß gemelte abge-
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sandten berichtet, niehmandt mehr abgehet, von graffen und stetten wierdt
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auch alles hinzugezogen. Die Naßaw Sarbrückische sein diese wochen auch
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ankommen, haben gestern bey unß ihre werbung abgelegt und ihre sachen
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nitt soviel auff insinuation zur außöhnung, alß auf eine iustification und
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angebene unschuld gerichtet, gleichsamb selbiger graff bey Ewer Mayestätt
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unverschuldterdingen durch seine mißgünstige in ungnad gebracht sein
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solle und niemaln zu gehör kommen können.

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PS Es sein vorgestern beede Frantzösische abgesandten, der monsieur
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d’ Avaux und Servient alhie ankommen, von dern negotiation wier noch
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nichts erfahren können, haben doch auff gutte kundtschafft außgelegt.

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