Acta Pacis Westphalicae III C 3,2 : Diarium Wartenberg, 2. Teil: 1647 - 1648 / Joachim Foerster
1648 XI 7

40
1648 XI 7
Samstag Hessische Kontribuenten bei den Mainzern; Prä-
41
zedenzstreit
mit Neuburg. – Bericht Schorlemers (Osnabrück): Bei der
42
Konferenz mit den Lüneburgern wurden die Religionsfragen auf die
43
Schweden geschoben; sonsten hetten sich in etlichen minutiis die politica

[p. 1182] [scan. 522]


1
betreffend zimblich erklehrt. Oxenstierna hat ihn rufen lassen, dem er die
2
von den Lüneburgern vorgebrachten novitates berichtet hat. Dieser hat
3
geantwortet, wegen Ritterschaft und Ständen müsse es bei dem Herkom-
4
men
bleiben, die Lüneburger könnten nicht mehr verlangen als bei anderen
5
Stiftern im Fall der Koadjutorie, die Religionsfrage gehöre vor Ksl. und
6
Schweden.

7
Bericht Galens: Hessische Kontribuenten beim Mainzer Direktorium;
8
Präzedenzstreit mit Neuburg. Nach dort getroffener Abrede kommen
9
heute die deputati ordinarii et extraordinarii in der hessischen Sache
10
zusammen.

11
W bei Oxenstierna. Gegenseitige Beteuerungen des Friedenswillens.

12
Oxenstierna: Tam ratione conscientiae (wie die formalia gelauttet) alß
13
temporalium wird der Kaiser den Frieden kaum lange halten. [...] Er wird,
14
wie es in den Erblanden geschehen, auch im Reich die Alleinherrschaft der
15
katholischen Religion durchsetzen wollen, was nur mit Gewalt möglich
16
ist. W: Das gleiche läßt sich umgekehrt auch von Schweden sagen; der
17
Krieg ist nicht durch den Kaiser, sondern den Pfälzer und dessen Vorgehen
18
gegen die böhmischen Katholiken begonnen worden. Oxenstierna:
19
Schweden ist erst durch Wallensteins Vordringen zur Ostsee zum Kriegs-
20
eintritt
veranlaßt worden, es hat nie gegen das Reich, sondern nur gegen
21
das Vordringen Österreichs gekämpft; eine Gefährdung der deutschen Frei-
22
heit
waren auch Trauttmansdorffs mehrfache Anregungen, ohne die Stände
23
abzuschließen, deren Mehrheit man dann auf einem Reichstag gewinnen
24
könne. [...] W: Im instrumento pacis hab man zwarn libertatem
25
electionis, welches das beste kleinod, wie auch statuum assecurirt. Danach
26
aber seyen dem adler etliche federn gestutzt, wo nit ganz ausgezogen, und
27
dardurch viele stend umb ihre libertet gebracht worden. Und wan das reich
28
wollte in ein ander modell gebracht werden, stunden I. H. G. an, ob es auch
29
nit den benachbarten cronen und potentaten mehr schedlich als nuzlich sein
30
wurde, welches der Ochsenstern assecurirt. Und continuirten I. H. G., man
31
müße verhoffen, daß dieser fried alles wieder ersetzen werde und das reich
32
zu vorigem standt gerathen, sonderlich weyln iezt die stend desto mehrer
33
würden zusammenstehen. Allein must mans also machen, daß im reich ein
34
religion bey der andern, auch in einer statt und land pleiben konne, nit
35
aber, daß gesucht werde, wie einer die ander contra leges patriae, ipsam
36
rationem et humanam societatem möge außrotten. Hat gleich zu Anfang
37
seiner Regierung in Osnabrück nichtkatholische Räte übernommen und
38
seither in politischen Sachen gebraucht, weshalb ihm der Widerstand der
39
Stadt Osnabrück um so unverständlicher ist. Bericht über seine Erhebung in
40
Osnabrück, die er selbst nie gesucht und nur widerstrebend angenommen
41
hat. Die Stadt hat noch vor seiner Ankunft im Stift Dänemark herbeige-
42
zogen
und unter der Gewalt fremder Truppen widerrechtlich die Bestellung
43
eines dänischen Koadjutors erzwungen

44
Vgl. oben S. 194.
. Danach ist bis 1628 das Stift für

[p. 1183] [scan. 523]


1
ihn zurückerobert worden. Schon gegen frühere Bischöfe hat sich die Stadt
2
empört, er hat ihr nichts als die Rückgabe zweier unrechtmäßig den Katho-
3
liken
genommener Kirchen zugemutet. In Minden, das ihn gutwillig aufge-
4
nommen
hat, hat er wie in Hachenburg keine Veränderungen zum Nachteil
5
der Protestanten vorgenommen. Hieraus wolten den herrn graffen selbst
6
schließen laßen, ob sie die andere religion zu undertrucken begehrten und
7
ob nit, wan ye etwas zu Osnabruck solte geschehen sein, solches die rebelli-
8
sche , von denen sie 2½ jahr lang ausm stifft und von der possession muet-
9
willig und rebellisch abgehalten, veruhrsacht und wol ein anders were ver-
10
diehnt worden. Oxenstern: Vernehm diesen bericht gern, wolte alles wol
11
zu beobachten und sichs zu bediehnen nit underlaßen. W: Das Verhalten
12
der Stadt hat ihn gezwungen, auf den Bau einer Residenz außerhalb der Mau-
13
ern
auch im Interesse seiner Nachfolger zu sehen, die auch für die Bürger
14
weniger Beschwernisse als die Residenz innerhalb der Stadt hat. Oxen-
15
stierna
: Die Stadt argumentiert, die herkömmliche Residenz sei Iburg; mit
16
der Petersburg wolle W die Stadt in Zwang halten. W: Das Beispiel
17
anderer Bistümer zeigt, daß dem Bischof der freie Zutritt zu seiner Dom-
18
kirche
offen bleiben muß, auch wenn die gewöhnliche Residenz anderswo ist;
19
die Behauptung, der Kurfürst von Köln dürfe nicht länger als drei Tage in
20
der Stadt Köln bleiben, ist falsch. Wäre die Petersburg zur Beherrschung der
21
Stadt gedacht, wäre sie an anderer Stelle besser gebaut worden. Er mochte
22
doch selbst erkennen, wie billich sie zu empfinden, daß, da sie der statt
23
zweymal so ansehenliche amnistiam uber begangene rebellion gegeben, die-
24
selbe nun gleich den andern tag des publicirten friedens und amnistiae ahn-
25
statt der danckbarkeit newe motus gegen sie anfingen. Oxenstierna:
26
Hat die hiesigen Vertreter der Stadt schon zu größerem Respekt gegen den
27
Landesherrn ermahnt, sie wollen nach Osnabrück berichten. Auch die
28
schwedische Regierung hat mit den Unabhängigkeitsbestrebungen der Stadt
29
Schwierigkeiten gehabt; mehr als vor 1624 soll ihr nicht eingeräumt
30
werden, doch fürchtet sie Unterdrückung durch W. W: Möglichkeit
31
besonderer Abmachungen, wie sie etwa Volmar zwischen Abt und Stadt
32
St. Gallen wegen der Residenz vermittelt hat. Oxenstierna: Vernehme
33
die nachricht gern, wolle auch desto lieber darzu cooperiren, weyln er sehe,
34
daß I. H. G. zu temperamentis erpiethig seyen. Bezüglich der Kapitu-
35
lation
seye in dem ein error begengen, daß im instrumento das wort capitu-
36
latio gesetzt worden, zumaln das werck keine capitulation, sondern pars
37
dises tractatus und darzu der interessenten fünff seyen, alß I. H. G., das
38
dhombcapitul, Braunschweig Lünenburg, ritterschafft und die statt, die sich
39
in vielen sachen miteinander nit würden vergleichen konnen, also noth-
40
wendig res fidei et religionis (wie ers genend) zu determination der Kayser-
41
lichen und Schwedischen außgesezt werden müsten. Es hetten mit den
42
sachen I. H. G. zwar nit viel zu thun, weyln ohnedas, was im instrumento
43
verglichen, gehalten werden müße, concernir auch das werck die Lünen-
44
burgischen erst post mortem I. H. G., und müsten auch andere capitulation,

[p. 1184] [scan. 524]


1
alß bey den andern bischoffen brauchig gewest, nicht machen, dan sie zum
2
stifft Oßnabruck de iure anders nicht kehmen, und sey es mit den stifftern,
3
die secularisirt würden, ein weitt anders. [...] Drängt auf Einrichtung
4
eines Konsistoriums. W: Das widerspricht dem Stand von 1624, doch
5
wird man sich einigen können, wenn den Katholiken das exercitium
6
publicum, die Rückgabe der Franziskaner- und Jesuitenklöster sowie die
7
Kollationen zugestanden werden, also daß die religionsverwandten ruhig-
8
lich und friedlich beyeinander wohnen konnen, welches das primarium ab-
9
sehen sein mieste, daß kein tail den andern gegen gebir verforteile, sondern
10
unitas erhaltten werde. [...] Gegen den Lüneburger Vorschlag, das Stift in
11
einen katholischen und einen protestantischen Teil zu zerlegen; auch dort,
12
wo den Protestanten die Pfarrei zusteht – daß die meisten Pfarreien 1624
13
katholisch waren, erbietet er sich durch das Zeugnis noch lebender Geist-
14
licher
zu beweisen – muß den Katholiken freie Religionsausübung zuge-
15
standen
werden. Oxenstierna: Stimmt zu, daß in diesen Sachen ein
16
Kompromiß gesucht werden muß. Marsch Lamboyscher Truppen

41
Es handelte sich um sechs Regimenter unter dem Kommando des Generalwacht-
42
meisters Gf. Waldemar Christian von Schleswig-Holstein (1622–1656); vgl. zu ihm
43
DBL XXV S. 44ff.
in die
17
Gebiete von Osnabrück, Minden, Diepholz und Hoya, was militärische
18
Vorsichtsmaßnahmen der benachbarten schwedischen Garnisonen zur Folge
19
haben muß. Da die Ksl. sich sehr zurückhaltend zeigen, möge W sich für
20
die Rücknahme dieser Maßnahme einsetzen. W: Hat deshalb schon an
21
Kurköln und Lamboy geschrieben; die Gründe für den Marsch sind, daß
22
einmal Lamboy die bei Friedensschluß zusammengezogenen Truppen nicht
23
länger beisammen halten kann, sie wegen der Haltung der Hessen aber
24
nicht zum Rhein wegschicken will, und daß zum anderen Schwierigkeiten
25
bei der Abdankung zu befürchten sind, wenn die Truppen keine Winter-
26
quartiere
haben, weshalb man sie dorthin gehen lassen muß, wo sie ihre
27
assignation gehabt. Oxenstierna: Will mit den Hessen reden; schlägt
28
vor, daß in Münster wegen der Restanten von Ksl., Schwedischen und
29
Hessischen ein Vergleich mit den Interessierten geschlossen wird.

30
Vertreter der Osnabrücker Ritterschaft bei W. – Bericht Steins: Die
31
hessischen Kontribuenten haben sich auf die 100 000 Reichstaler nicht ein-
32
lassen wollen, wenn nicht die Aufteilung auf das ganze Reich sichergestellt
33
ist.

Dokumente