Acta Pacis Westphalicae II B 6 : Die französischen Korrespondenzen, Band 6: 1647 / Michael Rohrschneider unter Benutzung der Vorarbeiten von Kriemhild Goronzy und unter MIthilfe von Rita Bohlen
c. Die Beziehungen Frankreichs zu seinem schwedischen Verbündeten und zu Kurbayern
Ähnlich schwierig wie die Verhandlungen Serviens mit dem niederlän-dischen Allianzpartner gestalteten sich im Sommer und Herbst 1647 auch die französischen Bemühungen, das Einvernehmen mit dem schwedischen Verbündeten zu wahren bzw. wiederherzustellen. Insbesondere die Poli-tik Kurbayerns stellte in diesem Zeitraum eine große Herausforderung und zugleich eine schwere Belastungsprobe für die französisch-schwe-dischen Beziehungen dar. Denn Kurfürst Maximilian nahm einerseits spä-testens mit der Aufkündigung des Ulmer Waffenstillstandes im September 1647 und seiner erneuten Parteinahme für den Kaiser den Konfrontations-kurs gegen Schweden wieder auf. Er war andererseits jedoch schon im Vorfeld und ebenso in der Folgezeit darauf bedacht, es nicht zum Bruch mit Frankreich kommen zu lassen und somit indirekt auch von den offen-kundigen französisch-schwedischen Spannungen zu profitieren
Vgl. hierzu
Riezler,
Frk.;
Dickmann,
424–427;
Albrecht,
Maximilian I., 1063–1079;
Tischer,
Diplomatie, 305–310.
. Die französische Regierung sah sich daher nicht erst seit der Wiederaufnahme der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Schweden und Kurbay-ern vor das Erfordernis gestellt, die Interessen des schwedischen Allianz-partners in Einklang zu bringen mit einer Politik, die sich die Option einer dauerhaften Instrumentalisierung Kurbayerns im Sinne einer Schwächung der politisch-militärischen Position des Hauses Österreich offen hielt. Li-onne, der Sekretär Mazarins und Königin Annas, hat diese höchst proble-matische Grundkonstellation in einem Schreiben an Servien vom 13. Sep-tember 1647 treffend zum Ausdruck gebracht, indem er, Mazarin zitie-rend, das besagte Dilemma der französischen Außenpolitik in das Bild ei-nes doppelten Abgrundes kleidete: Frankreich habe im Falle eines ausbleibenden Friedensschlusses im Reich entweder den Verlust des
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schwedischen Bündnispartners oder ein erneutes militärisches Eintreten Kurbayerns auf kaiserlicher Seite zu befürchten
.
Die Sorge vor einem Bruch in den Beziehungen mit Schweden war in der zweiten Hälfte des Jahres 1647 in der Tat eine Konstante der außen-politischen Erwägungen der französischen Regierung. Wie ein Alpdruck lastete auf der französischen Politik die Perspektive, der schwedische Alli-ierte könne – ähnlich wie zuvor bereits die Generalstaaten – zu einer Separatverständigung ohne Einschluß Frankreichs gelangen
Vgl. z.B. nr.n 13, 35, 55, 63, 70, 79, 179, 198, 203, 219, 232 und 250.
. Grund zur Besorgnis bestand allemal, hatte man doch Schweden im Gefolge des Ulmer Waffenstillstandes in doppelter Hinsicht brüskiert, indem man die Subsidienzahlungen
Zu den frz. Subsidienzahlungen an Schweden 1647 vgl.
Lorenz, Hilfsgelder, 98, 103 und 105.
eingestellt und Turenne aus dem Reich in die Spa-nischen Niederlande beordert hatte
Zur internen Begründung dieser Entscheidung vgl. insbes. das Memorandum Mazarins für d’Avaux, Paris 1647 März 15 (APW
II B 5/2 nr. 179). Servien zählte diese beiden Punkte neben den frz.-kurbay. Allianzverhandlungen zu den choses qui leur
[i.e. den Schweden] sont les plus sensibles
(vgl. nr. 31, hier 102 Z. 35f).
. Die Revision dieser von schwe-discher Seite mit dem Vorwurf des Allianzbruchs beantworteten französi-schen Entscheidung wurde in der Folgezeit zu einer Dauerforderung des Verbündeten, die nicht zuletzt auch durch Oxenstierna und Salvius, die beiden schwedischen Kongreßgesandten, gegenüber ihren französischen Kollegen vehement vorgebracht wurde
So meldeten Longueville und d’Avaux dem frz. Hof am 1. Juli 1647, Oxenstierna habe verlauten lassen, er halte die frz.-schwed. Allianz angesichts der ausbleibenden frz. Sub-sidienzahlungen und des Abzuges Turennes aus dem Reich für beendet (vgl. nr. 13 sowie ferner nr. 78 und nr. 79).
.
Hinzu kam, daß sowohl die Ergebnisse der französisch-niederländischen Garantieverhandlungen als auch die militärischen Ereignisse in den Som-mermonaten des Jahres 1647 neues Konfliktpotential bargen, das die an-gespannten Beziehungen zwischen den beiden Kronen zusätzlich belaste-te. So gerieten die von Servien und La Thuillerie ausgehandelten Bestim-mungen von Artikel 5 des Garantievertrages vom 29. Juli 1647 zwischen-zeitlich in die Kritik des schwedischen Hofes
Zur ablehnenden schwed. Reaktion vgl. nr. 134 mit Anm. 2 und nr. 135.
. Dieser Artikel berührte unmittelbar das französisch-schwedische Verhältnis, da er die wechselsei-tige Verpflichtung der vertragschließenden Parteien vorsah, den jeweili-gen Alliierten zukünftig keine Assistenz gegen den Vertragspartner zu ge-währen. Nicht zuletzt angesichts der Fragilität des französisch-schwe-dischen Einvernehmens sah sich Servien zu einer Rechtfertigung seiner Verhandlungsergebnisse gegenüber Oxenstierna und Salvius veranlaßt und legte in einem ausführlichen Schreiben
Vgl. nr.n 151, 157 und 158, jeweils Beilage 1. Chanut meldete daraufhin am 12. Oktober 1647, daß diese
querelle vollständig aus der Welt geräumt sei (vgl.
[nr. 253 Anm. 6] ).
an den französischen Ge-
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[scan. 78]
sandten in Stockholm, Chanut, die Genese und Bedeutung des Artikels 5 dar, um – letztlich mit Erfolg – die Bedenken des schwedischen Hofes zu zerstreuen.
Dagegen sorgte die Inkorporation der meuternden Weimarer in die Ar-mee Königsmarcks für Unmut auf seiten der französischen Regierung
Servien schloß sogar nicht aus, daß die Meuterei der Weimarer auf Anstiftung Schwedens erfolgt war (vgl. nr. 111).
. Da sehr bald offenkundig wurde, daß nicht alle Meuterer wieder zum Gehorsam gegenüber Turenne zu bringen waren, sondierten die französi-schen Gesandten in Münster und Stockholm Möglichkeiten, von Schwe-den Rekompensation für den Verlust der übergetretenen Truppen zu er-halten. Allerdings verzichtete man bewußt darauf, diesen Streitpunkt mit allem Nachdruck am schwedischen Hof vorzubringen
Longueville, d’Avaux und Servien rieten noch am 11. November 1647 ausdrücklich davon ab, eine Klärung dieses Streitpunktes mit Schweden zu forcieren (vgl. nr. 250).
, da die politische und militärische Gesamtlage im Herbst 1647 durch das Verhalten Kur-bayerns eine für die Kronen gefährliche Wendung nahm, die es nicht an-geraten erscheinen ließ, die Beziehungen zu Schweden unnötig zu bela-sten. Immerhin konnte man sich damit trösten, daß die vormaligen Trup-pen Turennes nun zu einer militärischen Stärkung des in Bedrängnis gera-tenen schwedischen Alliierten beitrugen
Vgl. nr.n 114, 147 und 161.
.
Die Frage größerer Konzessionsbereitschaft gegenüber den beiden stereo-typen Forderungen Schwedens nach einer Fortzahlung der französischen Subsidien und einem Rückmarsch Turennes ins Reich wurde für die fran-zösische Regierung in dem Moment akut, als im Gefolge der Meuterei der Weimarer Truppen und des Abfalls Jan von Werths verstärkt zu befürch-ten war, Schweden werde schnellstmöglich einen Friedensschluß mit dem Kaiser suchen
Zu den großen Sorgen, die auf frz. Seite hinsichtlich der schwed. Reaktion auf den Abfall Jan von Werths auftraten, vgl. nr.n 33, 40, 41, 43, 60 und 97.
. Gewissermaßen reflexartig reagierte der französische Hof mit der Weisung an die französischen Gesandten in Münster, im Sinne einer möglichst engen Anbindung des nordischen Alliierten an Frankreich zu wirken
Vgl. v.a. nr.n 35, 52, 53, 60 und 72.
und dazu die bewährten Mittel – die Zusicherung weiterer Subsidien sowie die Ankündigung erneuter militärischer Operationen Tu-rennes im Reich
Zur Haltung des frz. Hofes in dieser Frage im zeitlichen Umfeld des Abfalls Werths vgl. nr. 52 und nr. 53.
– einzusetzen. Einigkeit herrschte zwischen dem Hof und den Gesandten in Münster zu Anfang des Monats Juli darüber, daß neuerliche Subsidien für Schweden zwar im Falle eines schnellen Friedens-schlusses überflüssig, jedoch bei einer gemeinsamen Fortführung des Krie-ges unerläßlich seien
. Am 13. Juli, also noch vor dem Bekanntwerden des Scheiterns Jan von Werths, erging die Weisung des Hofes an Longueville
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[scan. 79]
und d’Avaux, den schwedischen Gesandten gegebenenfalls die bis dahin zurückgehaltene Zahlung der Ende des Vormonats Juni fälligen Subsidien zuzusichern
Vgl. nr. 35. Bereits am 29. Juni 1647 hatte Brienne Longueville und d’Avaux von der Weisung an Chanut berichtet, mit der schwed. Kg.in über die Fortsetzung der frz. Sub-sidienzahlungen zu verhandeln. Diese erfolgten in der Regel halbjährlich (vgl.
Lorenz, Hilfsgelder, 98; allerdings mit Nennung des 15. Mai und des 15. November als jeweils vereinbarte Zahlungstermine) und waren 1647 für den 30. Juni und 31. Dezember vor-gesehen (vgl. nr. 35 und nr. 214).
. In der Folgezeit blieb es bei der Entscheidung, die zu-nächst ausgesetzten Hilfsgelder für Schweden vollständig nachzuzahlen. Selbst die von Chanut gemeldete Bereitschaft der schwedischen Königin Christina, auf die Hälfte des fälligen Subsidienbetrages zu verzichten, än-derte nichts mehr an der Überzeugung der französischen Regierung, zur Sicherung einvernehmlicher französisch-schwedischer Beziehungen die vereinbarten Subsidien in vollem Umfang zahlen zu müssen
Nur die Hälfte des fälligen Betrages zu zahlen, hielten Longueville und d’Avaux für ge-fährlich, da dies erneut Verstimmungen seitens des schwed. RR und der schwed. Armee nach sich ziehen könne (vgl. nr. 99).
. Am 23. August meldete der französische Hof die Übersendung der ent-sprechenden Wechselbriefe
, der französische Resident in Osnabrück, La Court, erhielt die Weisung, den schwedischen Gesandten die Zahlung der Subsidien in Aussicht zu stellen
, und am 5. September konnte Servien Chanut melden, er habe Oxenstierna und Salvius die Wechselbriefe vor-gezeigt
. Forderungen Salvius’ nach einer Erhöhung der Subsidien wur-den von französischer Seite in der Folgezeit allerdings mit der Begrün-dung zurückgewiesen, daß eine derartige Mehrbelastung angesichts der gegenwärtigen finanziellen Lage nicht getragen werden könne
Vgl. nr.n 203, 214, 215, 219, 231 und 250.
.
Daß die französische Regierung in der Subsidienfrage insgesamt gesehen merkliches Entgegenkommen demonstrierte und somit im Sinne einer Sta-bilisierung des Bündnisses mit Schweden wirkte, war angesichts der zu-nehmenden Verschlechterung der französisch-kurbayerischen Beziehun-gen im Herbst 1647 nur zu verständlich. Noch im Frühsommer des Jahres schien einiges darauf hinzudeuten, daß sogar der Abschluß einer franzö-sisch-kurbayerischen Allianz kurz bevorstehe
Angesichts der seiner Auffassung nach erkennbaren Disposition des frz. Hofes zu einem frz.-kurbay. Bündnisabschluß bezeichnete Brienne Kurbay. am 29. Juni 1647 als
desjà allié (vgl. nr. 7, hier 30 Z. 2).
. Seit dem 15. Juni verhan-delten die kurbayerischen Gesandten Krebs und Gronsfeld am französi-schen Hof mit dem vorrangigen Ziel, eine Defensivallianz zur gegenseiti-gen Garantie des auf dem Westfälischen Friedenskongreß gewonnenen
[p. LXXX]
[scan. 80]
oder angestrebten Besitzstandes abzuschließen
Zum Inhalt der Instruktion für Krebs und Gronsfeld vgl.
Riezler,
Frk., 502ff;
Immler,
Kurfürst, 481f;
Albrecht,
Maximilian I., 1066f;
Pillorget,
522.
. Bereits am 25. Juni lag ein kurbayerischer Allianzentwurf vor, der vier Tage darauf mit der Bitte um Geheimhaltung zur Begutachtung an Longueville, d’Avaux und Ser-vien nach Münster bzw. Den Haag übersandt wurde
Vgl. nr. 8 mit Beilage 3 und nr. 9 mit Beilage 2.
. Der französische Hof verzögerte zunächst die Verhandlungen, da die schwedische Ratifika-tion des Ulmer Waffenstillstandes noch nicht erfolgt war
Vgl. nr. 8. Die vom 30. Mai[/9. Juni] 1647 datierende schwed. Ratifikation des Ulmer Waffenstillstandes wurde von Wrangel erst am 2. August 1647 an Kf. Maximilian über-sandt (vgl.
[nr. 7 Anm. 17] ).
und eine wei-tere Brüskierung Schwedens nicht geraten schien.
Longueville, d’Avaux und Servien reagierten einhellig mit Ablehnung auf die kurbayerische Offerte. Weder biete der Vertrag, so antwortete Servien am 9. Juli, Frankreich nennenswerte Vorteile, noch bestehe französischer-seits zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Notwendigkeit, vor dem Friedens-schluß ein derartiges Abkommen einzugehen, das unvermeidlich den Ver-lust der bisherigen Verbündeten nach sich ziehen werde
Vgl. nr. 31; vgl. darüber hinaus auch nr. 69 sowie die am 15. Juli 1647 von Longueville und d’Avaux übersandten Observations sur le projet de Bavières
(nr. 40 Beilage 1).
. Die französi-schen Gesandten hatten erkannt, daß der Vertragsentwurf eine deutliche Stoßrichtung gegen Schweden enthielt, an der die französische Regierung aus bündnispolitischen Erwägungen kein Interesse haben konnte
So die zutreffende Bewertung bei
Tischer,
Diplomatie, 307.
. Ma-zarin stimmte daraufhin Serviens erheblichen Bedenken, vor dem Frie-densschluß eine Allianz mit Kurbayern abzuschließen, ausdrücklich zu
. Er legte den Allianzentwurf jedoch in der Folgezeit keineswegs zu den Ak-ten, sondern richtete sein Augenmerk nunmehr verstärkt darauf, um die Zustimmung Schwedens zu einem engeren Einvernehmen mit Kurbayern zu werben, und wies die Gesandten in Münster dementsprechend an
Vgl. in diesem Kontext v.a. nr.n 97, 103, 106, 119 und 125.
. Als sich die Anzeichen
Kf. Maximilian hatte die Ratifizierung des Ulmer Waffenstillstandes ggb. Schweden ver-weigert sowie Haslang aus Münster und Krebs aus Paris abberufen (vgl. nr. 147).
nach der kurkölnischen Aufkündigung des Ulmer Waffenstillstandes und der Regelung der Pfalzfrage
im kurbayerischen Sinne häuften, daß auch Kurfürst Maximilian kurz davor stehe, erneut für den Kaiser Partei zu ergreifen, erlangte Servien bei seinen Verhandlungen in Osnabrück zu Anfang des Monats September in der Tat das grundsätz-liche Einverständnis Oxenstiernas und Salvius’ zu französisch-kurbayeri-schen Verhandlungen, um den drohenden kurbayerischen Neutralitäts-bruch doch noch zu verhindern
Vgl. nr. 133 und nr. 141.
.
[p. LXXXI]
[scan. 81]
Indes drängte Krebs
Gronsfeld war bereits am 2. August 1647 vom frz. Hof abgereist und hatte sich zur Ar-mee begeben (
Riezler, Frk., 513).
Mitte September am französischen Hof trotz der sich verdichtenden Gerüchte über einen Kurswechsel seines Dienstherren ungebrochen auf den Abschluß der projektierten französisch-kurbayeri-schen Allianz und warf in den Verhandlungen das konfessionelle Argu-ment in die Waagschale, indem er eine französische Erklärung forderte, was man im Falle einer zukünftigen Unterdrückung der katholischen Re-ligion durch Schweden und die protestantischen Reichsstände zu tun ge-denke
Vgl. nr. 147 und nr. 171.
.
Trotz des nach wie vor erkennbaren Interesses Mazarins, die Option einer Verständigung mit Kurbayern nicht zu verlieren, wurde bereits vor dem Bekanntwerden der kurbayerischen Aufkündigung des Waffenstillstandes in den Allianzverhandlungen mit Krebs und dem Residenten Mayer
Mayer war von Kf. Maximilian beauftragt worden, die Bündnisverhandlungen am frz. Hof nach der Abreise Krebs’ allein fortzusetzen (
Riezler, Frk., 526).
deutlich, daß eine verstärkte Hinwendung Frankreichs zu Kurfürst Maxi-milian nur bei einer kurbayerisch-schwedischen Verständigung zu haben war. Dies offenbarten in aller Deutlichkeit die Bestimmungen des von französischer Seite vorgelegten französisch-kurbayerischen Bündnis-entwurfes vom 18. September 1647
. Der Entwurf sah unter anderem die Ratifikation des Ulmer Waffenstillstandes mit Schweden und Hessen-Kassel durch Kurfürst Maximilian vor
und gab somit unmißverständlich zu verstehen, daß Frankreich nicht gewillt war, einen Keil zwischen sich und seine Verbündeten treiben zu lassen. In diesem Sinne äußerte sich auch d’Herbigny, der Ende August im Auftrag der französischen Gesand-ten an den kurbayerischen Hof reiste
D’Herbigny reiste sehr wahrscheinlich am 27. August 1647
(APW III C 1/1, 362, 1647 VIII 27; laut nr. 116 sollte er bereits am 26. August 1647 abreisen) an den kurbay. Hof ab und traf am 23. Oktober 1647 wieder in Münster ein (
Babel, Friedenskongreß, 25).
. Er ließ dort verlauten, der baye-rische Kurfürst könne nicht gleichzeitig Schweden zum Feind und Frank-reich zum Freund haben
Vgl. nr. 179. Diese Äußerung d’Herbignys stieß allerdings auf Kritik des frz. Hofes, da sie entgegen der zum damaligen Zeitpunkt auf Dissimulierung abzielenden Politik Frk.s ggb. Kurbay. zu deutlich zu verstehen gegeben habe, daß an eine frz.-kurbay. Verständi-gung ohne Einbeziehung schwed. Interessen nicht zu denken war (vgl. nr. 209 und nr. 210).
. Als die gesicherte Nachricht am französischen Hof eintraf, daß Kurfürst Maximilian seine Neutralität gegenüber Schwe-den aufgekündigt habe
Für den Fall eines kurbay. Neutralitätsbruchs hatte man französischerseits sogar in Er-wägung gezogen, Krebs und Mayer am frz. Hof festzuhalten (vgl. nr. 176).
, erübrigten sich erst recht alle weiteren kur-bayerischen Bemühungen, Frankreich auf einen antischwedischen Kurs zu manövrieren: Die französisch-kurbayerischen Bündnisverhandlungen
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wurden in der Folgezeit nicht mehr ernsthaft fortgeführt und blieben letztlich Episode.
Dennoch verfolgte Mazarin auch nach der Klärung der Lage eine lavie-rende Politik. Einerseits zielte er nach wie vor darauf ab, daß der bayeri-sche Kurfürst Frankreich möglichst gewogen bleibe, und versuchte dement-sprechend, die schwedische Zustimmung zum Aufschub eines schnellen, de-finitiven Bruchs Frankreichs mit Kurbayern zu erlangen
Vgl. z.B. nr. 219 und nr. 232.
. Dies verweist nachdrücklich auf die Bedeutung, die der Kardinalpremier der politischen und militärischen Rolle Kurfürst Maximilians beimaß: Weder konnte Frankreich es sich nach Mazarins Ansicht leisten, unvorbereitet militärisch gegen die kurbayerischen Truppen zu agieren, noch wollte er leichtfertig diejenigen Möglichkeiten aus der Hand geben, die sich aus einem probaye-rischen außenpolitischen Kurs zu ergeben schienen
Vgl. hierzu die Ausführungen Mazarins über die Bedeutung des Kf.en in nr. 232.
. Andererseits wurden Longueville, d’Avaux und Servien seit Anfang Oktober angesichts der erneut akuten Gefahr überstürzter schwedischer Reaktionen angewiesen, bereits aufkommenden Gerüchten
energisch entgegenzusteuern, die kur-bayerische Aufkündigung der Neutralität sei im Einverständnis mit Frank-reich erfolgt
Vgl. hierzu v.a. nr.n 187, 210, 231 und 239. Mitte November 1647 wurde zudem La Court angewiesen, ggb. Oxenstierna und Salvius ausdrücklich die frz. Bündnistreue her-vorzuheben (vgl. nr.n 250, 253, 254, 255 und 261).
. Zudem hatte sich zu diesem Zeitpunkt am französischen Hof die Überzeugung durchgesetzt, daß es infolge der Kehrtwendung der kurbayerischen Außenpolitik zwingend erforderlich sei, sich verstärkt an den schwedischen Bedürfnissen zu orientieren
So wurde u.a. der Vorschlag Salvius’ positiv aufgenommen, einen frz.-schwed. Garantie-vertrag nach dem Vorbild des zwischen Frk. und den Gst. abgeschlossenen Garantieab-kommens in die Wege zu leiten (vgl. nr. 216).
, wollte man die Allianz nicht gefährden. Dies schloß ausdrücklich die Bereitschaft zum Bruch mit Kurbayern ein, sollte Schweden dies verlangen
Vgl. insbes. nr.n 187, 244 und 257.
.
Die Ereignisse der Sommer- und Herbstmonate des Jahres 1647 verdeut-lichen somit nachdrücklich die Prioritäten, die Mazarins Gestaltung der französischen Außen- und Bündnispolitik im Spannungsfeld von Alli-anztreue gegenüber Schweden einerseits und Wahrung der Handlungs-spielräume im Hinblick auf Kurbayern andererseits in diesem Zeitraum zugrunde lagen: Alles in allem dachte man in der französischen Regierung 1647 an nichts weniger als an eine Distanzierung von Schweden
Tischer, Diplomatie, 309.
Tischer verweist jedoch in diesem Zusammenhang zu Recht auf die abweichende Haltung d’Avaux’, der Schweden phasenweise vorwarf, keinen Frie-denswillen erkennen zu lassen, und vor diesem Hintergrund die Allianz der Kronen in Frage stellte (
ebd., 151 und 307f; vgl. hierzu insbes. auch nr. 132).
.
Daß diese außenpolitische Grundausrichtung jedoch keinesfalls gleichbe-deutend war mit einer vorbehaltlosen Unterstützung der schwedischen
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Interessen
So stand man französischerseits beispielsweise einem weiteren schwed. Machtzuwachs im Reich ablehnend ggb. (vgl. nr. 35). Dies zeigt deutlich die interne frz. Reaktion auf den Anfang August 1647 geäußerten Vorschlag Oxenstiernas einer Fortführung des Krieges auf der Grundlage einer erneuerten frz.-schwed. Allianz mit dem Ziel, die territorialen Satisfaktionsbestimmungen für Frk. und Schweden auszuweiten (vgl. nr.n 90, 103 und 104).
, zeigte sich in der zweiten Jahreshälfte 1647 nicht nur in bündnispolitischer Hinsicht, sondern auch im Rahmen der Verhandlungen auf dem Westfälischen Friedenskongreß, die es nachfolgend noch zu schil-dern gilt.