Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert

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Am Freitag, den 27. Oktober, haben wir die schwedischen Gesandten besucht und aufgefordert,
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über die von uns herausgegebene Antwort auf ihre Proposition mit uns zu konferieren und sich
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zu erklären, auf wene sie endtlich beruchen und dieses kriegs ein endt einmahl zu

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machen gesonnen wehren. Die schwedischen Gesandten haben zwar zugestimmt, mit uns
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unmittelbar zu verhandeln, allein würden sich zuvor mit iren confoederirten, den Fran-
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zosen, super materia ipsa underreden müeßen. Stünde also ahn deme, daß man sich
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eins gewißen modi, wie die immediata tractatio anzustellen, vergleichen thete, ob
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solchs in loco tertio zu thuen oder aber per modum visitae in unsern losamenten,
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oder wie es sönsten am füeglichsten anzugreiffen. So heten sie aber auch die nach-
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richtung, daß Ewer Mayestätt der Venetianischen republiq die interposition deferirt;
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wie es dan dhamit solte gehalten werden?

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Respondimus; soviel die Venetianische interposition ahnlange, selbe pleibe in ihrem
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weesen und khönte der mediator das seinige thuen, wir aber nichtsdestoweeniger
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unter unß handlen, zumaln weiln derselbe noch nit zur stelle sey. Circa modum hielten
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wir es dhavor, man könne sowohl die Visite in den Quartieren oder an einem dritten Ort
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versuchen, und dann den günstigsten auswählen. Man solle darüber nachdenken, inzwischen aber
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discursweiß und unverfänglich über auftauchende Schwierigkeiten sprechen. Worauf die
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Schweden erwiderten, daß sie in der Geleitbrieffrage für die Mediatstände noch keine Satis-
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faktion
erhalten hätten. Wir haben geantwortet, daß es bei ihnen stünde, die Mediatstände, für
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die sie Geleitbriefe haben wollten, namhaft zu machen.

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Illi: seie ihnen unmöeglich, dieselbe zu designirn, heten sich auch deren seithero
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noch niemandt mehr alß die stadt Erffurdt angemeldet, müsten es aber vermuthen,
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daß sich deren noch andere, die sie derzeit nit wüsten weeniger designirn khönten,
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angeben dörfften, khönten ihnen also durch solche designation die hände selbst nit
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binden.

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Nos: so vermerckten wir, daß sie bey diesem passu eine indefinitam suchten und
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offene handt behalten wolten, daß es in irer macht stehen solte, soviel dern media-
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torum herzuzuziehen, alß ihnen gefällig. Solches lauffe in eine infinitet hinaus, und
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würde man solchergestalt niehmahl zum haubtwerck khommen khönnen; man
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würde es dießeits ehender bey dem buchstaben des praeliminarvergleichs müßen
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bewenden laßen, alß solchs nachgeben.

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Illi: berieffen sich auch auf den praeliminarvergleich, und nachdem man eine geraume
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zeit darüber pro et contra, waß lenger alß unß lieb gewest, weiln wir sie gern auf
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die haubtmateri gezogen hetten, discurrendo zugebracht, hat der Oxenstern erinnert,
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daß es ihr meinung gar nit sey, das werck dhamit aufzuhalten, sondern müsten der
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cronen reputation dhabei beobachten. Man solte zuvorderist vor Erfurdt die gleidts-
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briefe geben, würden sich alßdan die sachen schicken, und sie uns etwoh ferners bey
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diesem punct nit uberlästig sein.

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Nos: wan wir versichert sein khönten, daß es nur umb selben paßbrieff zu thuen und
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alsdan ferners fur kheine andere mediatis instantz gemacht werden solte, so wolten
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wir mit den Churmentzischen daraus reden und sehen, wie der sach zu thuen sey.
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Es müße aber dhamit dieser punct seine völlige richtigkeit haben.

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Illi: Khönten sich zwar dhazu nit verbinden laßen, bleiben aber bey dem, daß sie
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unß alßdan ferners nit begehrten überlästig sein, es seie dan, daß sie von einem oder
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andern mediatstandt darümb anglangt würden. Und erinnerte Salvius dhabei, daß
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sich auch wol zutragen khönte, daß ein oder ander officyr von der Schweedischen
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armee daher möegten geschickt werden, selbe müsten auch vergleitet werden.

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Nos: Solchs gehöre auch nit under den praeliminarvergleich. Es würde gleichwol
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derentwegen zu respect der Schweedischen gesanten dergleichen paß ex courtesia vor
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ein oder andern privatcavaglier von unß nit abgeschlagen werden, sonderlich wan
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man zum haubtwerck waß näher tretten würde. Ist entlich dieser praeliminarpunct
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in suspenso gelaßen und zu erhister beykhombst außgestelt worden.

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So erinnerten die Schweedische auch circa terminum amnistiae, daß die sach müße
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ad annum 1618 reducirt werden. Nos: daß könne die cron Schweeden nit praetendi-
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ren, weiln dieselbe allererst anno 1630 mit Ewer Mayestätt vorfahren am reich in
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krieg khommen; der könig in Schweeden auch in seinen dhomals in truck gegebenen

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manifeste

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Manifest Kg. Gustavs II. Adolf, Stralsund Juli 1630. Text: S. Goetze S. 349–365; vgl.
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auch [S. 62–67.]
deütlich vermelde, daß er biß zu selbiger zeit mit dem Römischen Kaiser
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und reich eine ungeferbte nachbar- und freundtschafft gehalten, consequenter habe
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demselben ex iure belli kheine actio vor selbiger zeitt anwachßen khönnen. Es seie
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auch anno 1618 ein solcher status im reich gewest, daß nothwendig ein krieg habe
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erfolgen müßen, also nit zu verhoffen, daß ein potentat in der christenheit sein würde,
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der unß einen solchen statum gönnen, zu geschweigen wieder darein setzen solte.
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Die cron Schweeden habe große reputation und ehr eingelegt, daß sie es ad terminos
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de anno 1630 gebracht, dhamit sölte man sich begnügen laßen.

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Salvius erinnert, es seie zwar der könig in Schweden erstlich anno 1630 aufs reichs-
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boden khommen, aber die ursach des kriegs habe sich lengst zuvor, nhemblich
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anno 1628 durch den in Preußen geschickten succurs angesponnen

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Im April 1628 rückte ein kaiserliches Hilfskorps von 10 000 Mann unter Hans Georg von
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Arnim (1583–1641) in Preußen ein und verhalf am 17. Juni 1629 auf der Stuhmer Heide den
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Polen zu einem Sieg über die schwedische Hauptarmee unter Kg. Gustav II. Adolf.
; 2. so rühre die
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ursach dieses gantzen unweesens von dem Boheimbischen krieg her, consequenter
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muße solche ursach außm grundt hinweggeraumbt werden.

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Nos: durch den zugeschickten succurs habe man sich nit zur parthey wieder Schwee-
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den gestelt, noch krieg angefangen. Der Bethlem Gabor seie mit seiner gantzen
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macht zu succurs des proscribirten pfaltzgravens gar biß vor die stadt Wien gerückt

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Gemeint ist die Belagerung von Wien im November 1619.

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und es doch nit zur ruptur oder feindtschafft außgedeütet haben wollen. Die Staden
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von Hollandt beten noch in iüngsten Dennischen krieg wieder den könig in Denne-
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marck eine gantze schiffflota der cron Schweeden zum succurs geschickt und sich
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dannoch pro mediatoribus bei selbiger friedenshandlung gehalten.

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Illi: selbigs werck würde noch anstoiß leiden, es würden die pfaltzgraven völlig
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wieder wöllen restituirt sein, auch die stendte in Boheimb ihre vorige freyheit der
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freyen wahl, auch den maiestatsbrieff wieder gegeben haben wöllen

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Durch die „Verneuerte Landesordnung“ von 1627 waren die Rechte der Stände, wie sie sich vor
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allem im Böhmischen Majestätsbrief vom 9. 7. 1609 darstellten, weitgehend aufgehoben worden.
, sönsten werde
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man schwerlich vortkhommen. …

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Am 31. Oktober haben die schwedischen Gesandten uns durch Milonius ihre Replik wegen der
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Geleitbriefe für die Mediatstände zugestellt.

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