Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert
26. Mai: Im Hause Lambergs anwesend: Lamberg, Krane, Cratz, Brömser, Krebs, Löben.
Den kurfürstlichen Bevollmächtigten wurde vorgetragen, 1. was ich, Krane, zu Münster
in der Geleitbrieffrage verhandelt habe und wie die Kurfürstlichen in Münster votiert haben,
2. da Lampadius habe anzeigen lassen, daß er uns die Erklärung der Gesandten der Fürsten
und Städte in der Geleitbrieffrage für die Mediatstädte überbringen wolle und neben ihme
auch einer von der stette wegen erscheinen würdte , so wölte es fast daß ansehen
gewinnen, ob wölten sich fürsten und stette des iuris suffragii bei dieser handtlung
anmaßen und under sich ein corpus machen, weiln aber dardurch in effectu der
reichsdeputation vorgegriffen werden wölle, stündten wir ahn, ob wir eine solche
collegialabordtnung würden fürlaßen und anhören khönnen; ersuchen die kurfürst-
lichen Bevollmächtigten um ihren Rat. Wir seien der Meinung, Lampadius solle seine Er-
klärung nur im Namen seiner Herren abgeben, zumahln wir die fürstliche auch nit colle-
gialiter informirt, noch deren guttachen solchergestalt begehrt, sondern nur einen
ieden a parte darumb angelangt, die stette aber gar nit darumb ersucht hetten.
Die kurfürstlichen Bevollmächtigten schützten in der Geleitbrieffrage mangelnde Instruktion
vor; sie schlugen vor, mit den schwedischen Gesandten zu verhandeln, ob sie diesen Punkt möech-
ten salvo iure cuiuscunque außstellen und immitls ire proposition eröffnen. – In-
format der von Löwen, daß er vermerckt, daß der Churbrandenburgischen wegen
Stralsundt beschehene erclehrung nit recht seie eingenommen worden; es seie
dern meinung nit, daß selbe statt alleine solle vergleitet und dardurch der eingang
zu andern dergleichen municipalstetten gemacht werden, sondern daß man Chur-
brandeburgischer seithen wegen selbiger statt vergleitung, wan anderst die ubrige
stendte auch ihrestheils bei diesem punct würden nachgeben wöllen, khein be-
dencken machen werde, und solchs ploß umb die proposition zu befordern. Den
Schweedischen seie es nit soviel umb Stralsondt alß die vergleitung aller irer ad-
haerenten, sie sein, wer sie wöllen, zu thuen, die dörfften selbe noch wol gar auß
Ungarn vergleitet haben wöllen. Die stadt Stralsundt getraweten sie, Churbrande-
burgische, von der vergleitung wol zu eximirn, oder es bei denen Schweedischen
dahin zu bringen, das für selbe statt gar khein gleidt sölte begehrt werden. Es heten
die Schweedische gestern bei gehaltenem banquet (so wol königlich gewest seie,
darzu auch der graff von Wittgenstein und er, von Löwen, eingeladen worden)
dieser sachen gedacht gehabt; dern mainung seie dahin gerichtet, daß sie die ver-
gleitung in crafft des praeliminarvergleichs alß eine sache, so ihnen per pactum publi-
cum eingeraumbt sein sölle, praetendirn und darumb nit weichen wölten. Die Kurbran-
denburgischen hätten dagegen ihre Bedenken geäußert und gebeten, den Punkt zurückzu-
stellen und die Proposition zu eröffnen. Oxenstierna habe sich lediglich bereit erklärt, mit
Salvius darüber zu sprechen.
Zum zweiten Punkt vermeinten sie, nit undienlich zu sein, daß die collegialfürlaßung
glimpflich zu divertirn; stellten anheim, dem Lampadius mitzuteilen, er möge die Inter-
essen seiner Herren particulariter vortragen. Addidit der von Löwen, es müße aber be-
huitsamb mit diesem werck umbgangen und die stendte nit fur den kopff gestossen
werden, deren etliche dörfften leichtlich zu extremiteten und zu solcher resolution
bewögen werden, daß sich gar zu den Schweden schlagen dörfften.
Da Bedenken gegen den Vorschlag wegen Stralsund vorgebracht worden sind, haben wir uns
mit den Kurfürstlichen verglichen, den Schweedischen zuzusprechen, ob sich wölten
belieben laßen, die proposition zu eröffnen und immitls den punct wegen verglei-
tung der mediatstette beiseithen zu stellen. Wir haben die kurfürstlichen Bevollmäch-
tigten ersucht diese Kommission zu übernehmen. Diese haben zugestimmt.
Nach der Konferenz ließ von Löben Krane anzeigen, nach seiner Heimkehr habe er seine
Instruktion eingesehen und festgestellt, daß sie auf die Zulassung der Reichsstände cum iure
suffragii instruiert seien; er hat um eine neue Konferenz.
Am 27. Mai anwesend Lamberg, Krane, Löben, Krebs. Von Löben trug vor, daß seine
Instruktion ihn anweise, für das ius suffragii der Reichsstände einzutreten, es sei also zu be-
denken , ob Lampadius im Namen aller anwesenden Stände anzuhören sei. Die kurmain-
zischen Bevollmächtigten blieben bei ihrem vorherigen Votum. Wir erklärten, nicht sehen
zu können, wie neben dem corpere deputatorum alhie ein anders in reichsabschieden
nit erfindtliches corpus aus etlichen weenig stendten würde wöllen behaubtet werden.
Warauf der von Löwen: es gebühre einmahl den stendten daß ius suffragii, khön-
ten sich deßen gebrauchen, wan sie wölten, der hierhero erscheinen würde, der
khönte sich dessen geprauchen, der außpliebe, hete es ihm selbst zu imputirn, warumb
er nit herzukommen und sein recht in acht genommen. Dhagegen wir erinnert,
daß es im reich sein gewiße maaß und ordtnung hab, wie und wan sich die stendte
des iuris suffragii gebrauchen khönten, alß nemblich auf reichs-, craiß- und depu-
tationstagen, ausserhalb solcher ordtnung khönten sich kheines suffragii fur andern
stendten anmaßen, müße auch alßdan eine ordentliche convention und abladung
vorherogehen, die stendte auf gewiße zeitt und mahlstatt betagt werden, dern
alhie kheins vorhanden. Der von Löwen: es seie itzo ein anderer zustandt im reich,
so unsere voreltern nit heten fürsehen khönnen, würden sonsten auch leges dar-
nach gemacht haben, darümb müsten itzo pro rerum necessitate et emergentia
die consilia anhandt genommen werden. Wir: Zum weenigsten würde noitig sein,
daß sich die stendte zuvor auf offenen reichstage dem herkhommen gemeeß eins
solchen newen modi und legis vergleichem müßen, würde von etlichen weenigen
nit können eingeführt werden. Ille: wolte es nit viel disputirn, die stendte würden
es aber behaubten wöllen .
Eodem a prandio ist Lampadius auf unser Begehren allein erschienen, dem wir vorgehalten,
es könne ein ieder nach seinem belieben zu unß khommen und bei uns anbringen
und negotiiren, waß ihme beliebig, aber in forma collegii wüsten wir unß der-
zeitt mit niemandt anders alß der reichsdeputation einzulaßen. Lampadius antwortete,
daß die anweesende stende sich des iuris suffragii nit begeben wöllen. Er sehe nicht,
wie die reichsdeputation ihre angemaste authoritet und gewalt bei diesem con-
ventu werde behaubten khönnen. Seine gnädige herrn, obzwar selbst inter depu-
tatos sein, gestehen dannoch nit, daß die deputation dergleichen authoritet und
gewalt ex lege imperii haben khönne, alß man deroselben zuschreiben wölte;
die habe ihre limites und gewisse fälle, sich ad ius pacis et belli nit würden wöllen
ziehen laßen, es würde noch große schwirigkeit dhamit geben.
Dagegen wir erinnert, daß bei der reichsdeputation zu Franckfurt fast niemandt
eifferiger der deputirten authorität und macht, daß deroselben in specie uber die
materi die friedenshandtlung betreffendt zu reden und zu handtlen gebühre, und
gnugsamb darzu plenipotentiirt seie, verfochten, alß eben daß hauß Braunschweig
Luneburg, auch zu der translation eingerathen; also wölle es sich nit wol schicken,
wan dieselbe itzo von selbiger seithen solle bestrietten werden.
Der Lampadius geantwortet, wüste sich solchs wol zu erinnern und habe die in-
struction, so denen Braunschweig Lüneburgischen deputirten mitgeben worden,
selbst abfaßen helffen. Seiner gnädigen fürsten und herrn gedancken sein bei diesem
werck alzeit dahin gangen, das zu verhüitung großer confusion daß erträglichste
mitl sein würde, die deputation ad loca tractatuum zu verlegen und den ubrigen
stendten ihre sachen durch die deputatos anzubringen, anheimbzustellen. Eß laße
sich aber mit selbigem werck noch gar schlecht ahn, seie fast niemandt von denen
deputatis vorhanden, Österreich selbst noch nit zur stelle, ihme Lampadio noch
khein bevehl, der deputation beyzuwohnen, zukhommen und scheine, daß die depu-
tation bei diesem wichtigen negotio weenig werde richten khönnen, laße es dahin
gestelt sein, würde von diesem werck noch müeßen geredt und die sach auf einen
richtigen fueß gesetzt werden. Immitls seie für allen dingen noitig, die propo-
sition zu befordern und daß obstaculum, so noch im weeg ligge, nhemblich den
streittpunct wegen vergleitung der mediatstette außm weeg zu raumen. Waß seiner
gnädigen fürsten undt principaln gedancken und meinung darbei sey, habe er
iüngsthin angezeigt, nhemblich daß dieselbe die vergleitung der mediatstette und
unterthanen wol khönten beschehen laßen. Khönte unß auch wol fur sein particular
und in privato anzeigen, daß die ubrige fürstliche sowol alß stättische bei diesem
passu ebenergestalt dahingiengen, daß sie sich ihres dabei underlauffenden inter-
esse begeben wölten, ob zwar sönsten nit gemeindt wehren, den praeliminarver-
gleich zu berühren, oder sich in die quaestion, wehr zwischen denen interessirten
partheien recht oder unrecht habe, einzumischen, und solchs ploß umb die pro-
position zu beforderen, dahin man billig zu sehen, und müsten dergleichen neben-
fragen nit so genaw beobachtet werden.