Acta Pacis Westphalicae II A 3 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 3: 1645 - 1646 / Karsten Ruppert

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Rezepisse auf Beilage D zu nr. 108.

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Nun khönnet ihr euch dises hochwichtige, gueten theilß auff eywerer getreyeifferigen
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und furdersammen negociation beruehendes fridenswerckh so embsig, sorgfältig und vor-
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sichtig nicht angelegen sein lassen, daß es nicht ihrer Kayserlichen mayestät dero hoch-
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lobliches hauses, des ganzen heyligen Römischen Reichs und aller desselben angewand-
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ten ständt vor augen stehende eisseriste gefahr, noth und betrangnuß zum höchsten er-
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fordern thue. Wir wollen auch an ewerer bestgemeindten intention und starckher bemü-
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hung nochmahlen gantz nicht zweiflen, allein wirdt negst Gottes segen und beystandt
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alles an deme gelegen sein, daß man das werckh am rechten orth angreiffen und eines
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nach oder mit dem andern also abhandlen und ordenlich ins werckh richten thue, wie
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es zu der mehreren ehr des Allerhöchsten, erhaltung der catholischen religion, conser-
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vation des Reichs und abwendung so grosser gefahr und unhailß am ersprießlichsten ist,
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auch die noth und recta ratio selbsten an handt gibt.

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Wir haben zwar empfangen und ersehen, waß fur eine replic die Schwedische pleni-
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potentiarii eüch und eyweren mitabgesandten zu Oßnabrugg eröffnet und waß fur eine
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abtail- und ordnung sye darin gebraucht, daß sye auch vorderist die vergleichung der
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gravaminum, und zwar daß disse gantze handlung nacher Oßnabrugg gezogen werden
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soll, begert haben, ob aber solche ordtnung und petition sowohl der catholischen reli-
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gion alß sonsten dem gemeinen Reichswesen zu nutz und besten oder nicht vihlmehr
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allein zu der cron Schweden und der protestirenden grösseren vortl und dahin gemeint
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sey, weiln sye, die Schwedische, wohl wissen, daß man mit den gravaminibus, man
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wolle dan ihnen in allem ihres gefallens condescendiren, so baldt nicht an ein orth
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khommen, sondern noch vihl zeit darzue gehoren wirdt, daß sye underdessen ihre
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gefehrliche dissegni fortsezen und den Kayserlichen erb-, königreich und landen,
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denen sye albereith widerumb zum herzen nachen, vollendt den stoß geben, und alßdan
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auch die yberige ständt deß Reichs desto leichter in ihre gwaldt bringen könden, lassen
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wir dahingestelt sein, und wird es der effectus bald zaigen. Dan daß ihnen ernst seye,
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waß sye vorgeben, wan nemblich der punctus gravaminum und amnistiae richtig, daß es
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alßdann ihrer praetensionen halber khein so grosse difficultet mehr haben werde, khönn-
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den wir so wenig glauben, alß wenig solches auß den postulatis ihrer satisfaction und
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ihren bißher sowohl vor alß bey den fridenstractaten gefihrten consiliis und actionibus
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abzunemmen ist. Sie verstehen dan es dahin, daß sye den protestirenden under angereg-
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tem titul der gravaminum und amnisti ihre wider Gott und das gewissen streitende,
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auch zue gänzlicher eversion des catholicismi in dem Römischen Reich angesehene begeh-
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ren und neben anderen den catholischen mit unrechtem gewaldt abegetrungne geistliche
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stüffter und güeter, in specie auch diejenige, welche sie, die Schwedische, pro satisfac-
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tione praetendiern, durchzutruckhen und alßdan von ihnen, den protestierenden, fur
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einen danckh zu erhalten, und gleichwohl ihrer Kayserlichen mayestät in dero aigenen
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erblanden den friden theur gnueg anzuschlagen, bey sich selbsten albereith geschlossen
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und resolvirt haben.

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Daß der catholischen ständt gesandte und abgeordtnete zue Münster bedenckhens tragen,
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die abhandlung der gravaminum völlig nacher Oßnabrugg transferieren zlassen, ist
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nicht den Frantzösischen plenipotentiarien, welche bißher sich solcher translation nicht
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widersetzt oder etwaß mit den catholischen deputirten deßwegen negociirt haben, son-
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der ietzgedachter deputirter gethreyen wohlmeinung und gewissenhafften vorsorg zue-
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zueschreiben, welche vorhinain sechen und betrachten, wie nachtaillig und schedlich es
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der ehr Gottes und der allain seligmachenden catholischen religion fallen wurde, die
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gravamina, so man fast numehr in 100 jahren her bey viehlen reichs- und anderen,
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aigens deßwegen angestelten conventen nicht vergleichen khönden, einer solchen ver-
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samblung, da fast lauter protestierende und neben ihnen des Reichs und der catholischen
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religion offentliche feindt beysammen seindt, anzuvertrauen. Wan auch schon die Frant-
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zösische plenipotentiarii sich ob dem vorgenommenen modo tractandi formalisieren und
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wegen der vergebung der geistlichen stüffter und gietter ungleiches gedenckhen und

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reden, auch vielleicht entlich gelegenheit suechen möchten, einige dissension under den
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ständen zu erweckhen, wollen sye doch darfür halten, daß ihnen solches so hoch nicht
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fur ybel aufzunemmen, sondern genugsambe ursach darzue gegeben worden seye, indeme
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man mit den Schwedischen und protestirenden ganz allain und einseitig zue Oßnabrugg
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tractieren, sie aber mit ihrer replic, ia die catholische ständt zue Münster selbsten zu-
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ruckhstellen und aufs wenigist, wie sye suspiciren, vornämblich suechen thue, ihre ad-
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haerenten von ihnen zu abalienirn, inmassen seye dann solches so hoch empfünden, daß
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zu besorgen, sie werden erst dahero rechte anlaß nemmen, das fridenwerckh soviel mig-
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lich zu steckhen oder ihre praetensiones desto sterckher zu behaubten.

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Sonsten zweiflen wir nicht, ihr werdet vorhero verstanden haben, daß sie, die Frant-
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zösische plenipotentiarii, ihre replic wegen der von ihnen auß unwissenheit des Reichs
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herkhommen begehrten reichsdeputation gar nicht lang auffgehalten, sondern, da sye
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von dem bischoffen zu Oßnabrugg besser informirt worden, selbige alsbaldt eröffnet
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haben, dahero nicht sie, sondern die Schwedische und protestierende mit ihrem postu-
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lato, daß man die abhandlung der gravaminum allein nacher Oßnabrugg ziehen solle,
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den fortgang der tractaten verhünderen, welche, wan sys in den schranckhen des mit
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anwendung so viler zeit, mühe und uncostens entlich allerseits verglichenen modi
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tractandi et consultandi verpleiben und man ihnen nicht gleich ultro, ehe zuvor mit
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der gesambten ständt gesandten und abgeordneten des Reichs herkhommen gemäß
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collegialiter communicirt und ein gewisser schluß mit guettem vorbedacht gemacht
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wirdt, beyfahl geben thete, wurden vihl ungelegenheiten vermitten und die tractaten
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desto mehr befurdert. Es ist zu besorgen, theilß catholische deputirte dörfften es nit
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gar zum besten aufnemmen, daß si praeterirt worden und sich dessen bey den Frantzösi-
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schen plenipotentiarien, weiln man iederzeit guette hoffnung gehabt, dieselbe werden
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bey dem puncto gravaminum der catholischen religion vihl zum besten erhalten, wo
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nicht offentlich, iedoch sotto mano beschwähren, und gedachte plenipotentiarii erst
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daher ursach und gelegenheit suechen, under den ständen newe differentien zu erweck-
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hen, wohl auch etwann zu exaggieren, daß die Kayserlichen commissarii in so wichti-
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gen sachen inconsultis statibus vor sich selbst verfahren und statuiren, welches eben
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under denienigen beschwärden seye, so des Reichs herkhommen und der ständt freyheit
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und privilegien starckh zuwiderlauffen. Wir besorgen, wan mann den Schwedischen in
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disen puncten der gravaminum, sonderlich daß solche gänzlich nach Oßnabrugg sollen
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gezogen werden, also nach ihrem gefallen deferiert, so werden die Franzosen es alßbaldt
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in eine consequentz ziehen und hinwider begehren, daß man den punctum satisfactionis
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allein zue Münster tractiern solle, darvon besorglich diejenigen, so darbey vornämblich
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interessirt seind, ebensowenig vortel erlangen, alß die catholische bey der translation
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der gravaminum nacher Oßnabrugg zu hoffen haben werden.

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Unsere meinung gehet aber nicht dahin, daß mann die vergleichung der gravaminum,
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weiln es doch nicht wohl mehr sein khan, ganz zuruckhstellen, sonderen daß man den
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punctum satisfactionis darneben, unnd zwar alß den nöttigsten, principaliter tractiren
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solte, dan gleich wie ihre Kayserliche mayestätt und die catholische zweyerlay gegen-
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theil haben, nämblich die inwendige und außwerttige, also ist vonnöthen, soll mann
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anderster zu einer bestendigen rhue im Römischen Reich gelangen, daß mit beeden frid
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gemacht werde. Darbey zaigt aber die vernunfft selbsten, daß mann vorderist sich
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befleissen soll, am ersten mit demienigen sich zu vergleichen, von welchem man die
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grösste gefahr zu gewarthen hat, welcher auch ohne die wenigiste beschwährnuß des
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gewissens und nachtail der reliogion contentirt und durch dessen accommodation die
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andere widersächer mehrers geschwächt werden khönden.

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Wir haben eüch und anderen unsere gedanckhen und die aisseriste gefahr, darinnen
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daß heilige Römische Reich steckht zum thail beraiths in unserem vorigen schreiben

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Kf. Maximilian I. an Trauttmansdorff, München 1646 Januar 31. Ausfertigung: TA,
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Ka. 109 unfol.

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selbsten der notturft nach eröffnet, zum thail durch unsere gesandte zue Münster
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mündtlich mit mehrern außführung eröffnen lassen; und dasienig hieran gethan, waß
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wir darfir gehalten, das wir gewissens und unserer schwähren pflicht halber zue thuen
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schuldig seyen, und miessen numehr den effect dem lieben Gott und dem khünfftigen
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außgang heimbstellen. Allain khönden wir lenger nicht hinumb, unß numehr und hiemit
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eventualiter zue verwahren, auf den fahl das fridenswerckh allerhandt respect halber
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noch lenger verzogen und die feindtsgefahr, welche unß am meisten yber den halß
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khommet, nicht zeitlich durch diejenige mitel, welche ihr an handt und von ihrer
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Kayserlichen mayestät in eurem gewalt habt, abgewendet werden, das wir des laidigen
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erfolgs nicht erwarthen, sonder unß ernstlich angelegen sein lassen wollen, wie wir
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deren ainst auß dieser noth und gefahr aufs best alß miglich eluctiren khönden. Dan
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ob wir zwar niemand maß und ordnung zue geben haben, noch begehren, ob und wie
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einer oder der ander sich und daß Reich salviern oder vollendt zu grundt richten lassen
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woll oder nicht; so khönden wir iedoch fir unsern theil in unserm gewissen nicht
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befünden, wie wir es unserer schwähren pflicht halber gegen Gott und der werthen
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posteritet zu verantwortten haben, das wir umb anderer verzügligkeit willen unsere
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liebe angehörige und anverthraute landt und underthanen zueglaich mit andern in das
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vor augen stehende eüsseristes zeitliches und zumahl wegen höchst periclitierender reli-
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gion in ewiges verderben und undergang stürzen lassen sollen, sonder wir werden bey
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diesem extremae necessitatis casu wider unseren willen gezwungen und getrungen, unß
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und sye beyzeiten, allweil res noch integra ist, durch anderwerte verandtworttliche
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mitel, so guet wir khönden, zue retten und vor angedeütem unhayl zu erhalten. Wir
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thuen aber hiemit in omnem eventum vor Gott, dem gantzen Römischen Reich, ia der
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gantzen erbaren weldt bestermassen protestiren und sye selbsten zu gezeugen nemmen,
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das wir an allen weiters entspringenden ybel und deß Reichs besorgenden gänzlichen
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undergang khein schuldt tragen, sondern die eusseriste nott und gefahr an allen orthen,
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wo und wie wür khöndt, zeitlich genug mit höchster sorgfalt und gethreyistem eyfer
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inständig und unablässig erinnert haben. Gestalten wir unsere gesandte albereith ex-
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presse instruiert haben, das sye auf angeregten fahl der längeren protraction des fridens,
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dise unnsere endtliche entschuldigung und protestation aller gehörigen und nothwendi-
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gen orthen von unsertwegen gleichfahls vorbringen und einwenden sollen. Und obwoh-
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len ihr euch vielleicht aniezo gedanckhen oder hoffnung schöpffen möchtet, das wir
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unsers der churdignitet halber hirunder versirenden interesse halber solche resolution
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zu werckh zu sezen bedenckhen tragen werden, so versicheren wir euch jedoch bestän-
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dig, das wir nicht gedenckhen, unß diesen respect an unserer auß noth gefaster resolu-
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tion hindern zu lassen, zumahlen wir ohnedas nicht sehen, waß unß dergleichen digni-
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tet ohne landt und leüth nuzen oder wie alßdan wir oder andere, sogleich mit zu
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grundt gangen, unß nur bey dem blossen titul manuteniren, geschweigendt mit einigem
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bestandt zu dem verlohrnen restituieren khönden oder werden. Wir sezen aber nochmah-
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len zu euch daß guette verthrauen, ihr werdet angeregter massen ohne einigen längern
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verzug cum effectu remedieren, und euch mit der schwähren verandtworttung deß son-
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sten unfelbarlich erfolgenden unhailß selbsten nicht beladen wollen, gestalten ihr auß
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mitkhommenden beylagen ersehen khöndet, waß unß von der ie mehr und mehr zue-
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nemmenden gefahr deß beschwährlichen kriegsstatus im Reich fir weitere avisen einge-
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langt seindt.

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Daß sonsten unsere gesandte zue Münster, wie euch der Volmar geschriben, selbsten
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gegen ihme bekhent haben sollen, daß das mehriste in compositione gravaminum
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bestehen thue, khombt unß desto befremblicher vor, weiln wir zum öfftern ihnen ein
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anders demonstrirt und anbefohlen, dahero wir nicht underlassen haben, ihren bericht
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hieriber zu begehren.

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Beilagen zu B


2
[1] Reuschenberg

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Johann Freiherr von Reuschenberg, ksl. und bay. General. Vgl. H. Lahrkamp und
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J. F. Foerster passim.
an Kf. Maximilian I., s. l. 1646 Februar 1. Kopie: TA., Ka. 109 unfol

3
[2] Geleen

47
Gottfried Huyn, Graf von Geleen, ksl. und bay. Feldmarschall, von 1644–1645
48
Kommandant der Westf. Kreistruppen, von 1645–1647 Kommandant der bay. Armee.
49
Vgl. J. F. Foerster passim.
an Kf. Maximilian I., Taus

50
Ort am Osthang des Böhmerwalds.
1646 Januar 31. Kopie: TA, Ka. 109 unfol.

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