Acta Pacis Westphalicae II A 4 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 4: 1646 / Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett

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Obwohl sich mein Hofkammerpräsident Mändl zu Verhandlungen am kaiserlichen Hof aufhält,
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kann ich nicht umhin, weil er mir unter anderem berichtet hat, daß Euer Mayestät anstehn
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wollen und schier albereit resolvirt weren, ihren obristen hofmaister bei der schlechten hoff-
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nung, die man von den friedenstractaten hat, widerumb abzuefordern, deroselben hiemit
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durch beyligenden extract in underthenigkeit zu communicirn, waß ich von meinen gesand-
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ten zu Münster eben bei ieziger ordinari bericht worden, auß welchem Euer Mayestät, wie
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sie von den ihrigen ohne zweifel ebenmessig nachricht haben werden, gleichwol sovil abzu-
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nemmen haben, daß sich nit allein zu vergleichung der religionsgravaminum und veraini-
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gung der stendt mit Eur Mayestät als deß Reichs oberhaubt, sonder auch mit den Franzosen,
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und durch vermitlung derselben auch mit den Schweden, newe apertur zu einem schluß
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erzaige, indem sich dieselben gegen denn mediatoribus selbsten außtruckhlich und iterato
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erkhlert und hoch contestirt haben, daß sie nit allein von ihrem begern der im Elsass gele-
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genen reichsstätten, sonder auch von der linea communicationis weichen und, sovil die cron
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Franckhreich und deren satisfaction belangt, schliessen wellen, wan ihnen nur noch die pro-
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tection und guarnison in der vestung Philipsburg gelassen und bewilligt wirdt.

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Und

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Zum folgenden vgl. APW III C 2, 688 Z. 21 – 689 Z. 36.
obwohln sie sich von den Schweden zu separirn und, was dergestalt mit ihnen ge-
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schlossen wirdt, noch dermaln zu signirn bedenckhens tragen, so erbiethen sie sich doch
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benebens gegen den mediatoribus, über die ihr endtliche erclerung solche assecuration zu
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thuen, daß man an ihren wortten zu zweiflen khein uhrsach haben, sonder zu geniegen
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versichert sein solle. Wollen auch sy, die Französischen plenipotentiarii, alle drey miteinan-
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der gehn Osnabrugg raisen und die Schwedischen gesandten zu gleichmessiger schliessung
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deß fridens nach miglikeit disponirn und, wan ia denn Schweden derzeit noch den friden zu
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machen nit gelegen sein solte, alßdan nacher Pariß ihrem könig alles weiter berichten und
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sechen, wie auch ohne die cron Schweden an seiten der cron Frankhreich ein andere resolu-
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tion zu hoffen und der friden mit Franckhreich allein zu erheben.

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Waß sich nun die Französischen dergestalt gegen den mediatoribus erkhlert, daß haben sie
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auch gegen meinen gesandten umbstendig widerholt und ebenmessig contestirt. Und ob-
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woln nit ohne, daß man vor disem schon erfahrn und daher uhrsach hat anzusehn, ob sich
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auf ihre wortt und erclerung zu verlassen seie, so ist aber gleichwol darneben zu erwegen, in
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waß fir einen ublen und gefehrlichen standt daß Römische Reich gerathen und waßgestalt
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auch nit allein mir, wie Euer Mayestät ich vor disem öffters durch meine abgeordnete und
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schreiben ausfierlich zu erkhennen geben und hiemit nochmalß semel pro semper widerholt
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und contestirt haben will, die nothwendige mittel zu weiterer continuation des kriegs genz-
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lich entgehn, sondern auch andere chur-, fürsten und stenndt vermög ihrer täglich einlan-
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genden lamentationen sich mit der impossibilitet ebensowol entschuldigen und deßhalber
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auf die augenscheinliche notorietet und erfahrung beziehen, waß auch uber diss alles Euer
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Mayestät erb- und meinen lannden für newe gefahr durch iezigen, der feindt vorbruech
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zuewaxe und daß dem allem nach einmahl hechstens vonneten, khein ainzige apertur zum
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friden, obschon dieselbig etwas ungewisßheit in sich halten möchten, zu verabsaumen, son-
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der vilmer alles zu versuechen, alß durch verwerffung ihrer ferneren vorschlägen und be-
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gern von den tractaten außzusezen oder sonsten in einicherlei weiß denn widerigen cronen
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zum bruch anlaß zu geben. Und scheint bei mir gar vermuetlich zu sein, daß die Franzosen
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zu diser ihrer resolution und gethanen erclerung darumben bewögt worden, weil ihnen ihr

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vorhaben nit allein in Italia vor Orbetello, sonder auch im Niderlandt dergestalt, wie sie
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verhofft, nit angangen ist, sonder neben dem daselbst erlittnen grossen schaden noch in
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sorgen stehn miessen, ob nicht die treves zwischen der cron Spannien und denn Hollendern
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ehender, alß ihnen lieb ist, endtlich verglichen und geschlossen werden mechten.

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Ich stell derowegen zu Euer Mayestät hochvernunfftigen nachgedenckhen, waß es den fri-
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denstractaten für einen stoß geben wurde, wan dieselben ihren obristen hofmaister eben
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aniezo, da sich die Französischen plenipotentiarii so starckh und austruckhlich ercleren, fir
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ihr satisfaction über daß, waß ihnen bereit anerboten worden, weiter nichts zu begern, wan
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ihnen allein noch mit der protection und guarnison über Philipsburg wilfahrt werde, von
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Münster ab- und zu dero hofstatt abzefordern, und ob nit eben daßjenig, waß Eur Mayestät
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vor disem öffters von mir in gethreuer wolmainung erinnert worden, heraußkhommen
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wurde, daß nemblich alle bißhero nunmehr sovil jahr zue erhebung des so hochnothwendi-
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gen und von meniglich mit seiffzen erwarttenden fridens angewendte müehe und arbeit auf
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einmahl zu boden fallen und die schuldt dessen Euer Mayestät vorderist zuegemessen wer-
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den mechte. Gleichwie aber dieselben sich bißhero in mehr weg rhuemblich uberwunden
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und dem friden durch allerhandt mittl eüfferig nachsezen lassen, also zweifle ich ganz nicht,
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will auch Euer Mayestät hiemit in underthenigkeit ersuecht haben, sie wollen dero obristen
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hofmaister gemessen auftragen, daß, weil er doch mit seiner bekhantden sorgfalt die sach
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mit denn Franzosen und andern so weit gebracht habe, er auch denn noch übrigen tractaten,
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bevorab uber die von denn Franzosen erst jungstlich erfolgte categorische resolution

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Gemeint ist wahrscheinlich die am 3. Juni 1646 den ksl. Ges. ausgelieferte response des plé-
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nipotentiaires vom [ 1. Juni 1646] (vgl. nr. 151 Beilage 1).
, ab-
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wartten und eher nit, biß gleichwol alle hoffnung zu dem friden verlohren und ihme von
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Euer Mayestät weitere expressbevelch deß abraisens halber zuekhommen ist, abraisen, son-
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der auf diss der Franzosen erbietten daß werckh mit der cron Franckhreich so weit fangen
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und einrichten solle, damit aufs wenigist mit ieztbesagter cron und durch dero plenipoten-
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tiarien anerbotne vermitlung, auch mit der cron Schweden deß fridens halber mit dem Rö-
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mischen Reich ein schluß gemacht und die tractaten zue einem endt gebracht werden.

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Wie es dan meines unmaßgeblichen ermessens bei iezigen laidigen zuestandt des Reichs mit
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der auf Philipsburg von den Franzosen praetendirten protection und guarnison desto weni-
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ger bedenckhen geben solle, daß selbige auf die obangezogne conditiones und anerbietten
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zu bewilligen, weil ich von meinen räthen alberait bericht bekhommen, daß es zwischen der
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cron Franckhreich und Churtriers liebden schon ein verglichne sach, und die Französische
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plenipotentiarii selbsten gar den dariber aufgerichten originalvergleich meinen abgesandten
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vorgewisen, welches die Trierischen gesanndten in dem curfirstlichen collegio, alß man dar-
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von deliberirt, offentlich vorgebracht, bekhent und den beifahl von denn übrigen curfirstli-
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chen gesanndten bereit erhalten haben . Ist auch nit zu zweiflen, wan von disem schluß die
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andern zwen reichsräth, daß ist der fürsten- und stättrath, nachricht bekhommen, daß sye
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sich ebenmessig darzue verstehn und den lieben friden wegen dises ainzigen orths, welches
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Euer Mayestät gesanndten vor diesem, umb Preisach dardurch zu erhalten, ohnedaß schon
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offerirt haben, lenger nit aufziechen und endtrathen werden wollen, bevorab weil sie vor
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disem, alß mit Philipsburg denn Franzosen das anbott absolute geschechen ist, gar nit ge-
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fragt worden, iezt aber, da die Franzosen dieselb allein besazungsweiß begern und ire postu-
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lata darmit zu beschliessen sich außtruckhlich ercleren, auch die stenndt zu disem mitl
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selbst rathen, allererst difficulteten gemacht werden solten.

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Es wirdt derohalben, doch ohne masßgebung, die unumbgenckhliche notturfft erfordern,
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daß Euer Mayestät dem grafen von Trautmanstorf, weil sich derselbig mit dem defectu deß
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gewaldts entschuldiget, aufs firderlichist nothwendige instruction und bevelch, wan er in-
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mittelst dergleichen noch nit empfangen hette, wegen Philipsburg zuekhommen lassen und
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bei dieser neuen apertur abermal tentirn und versuechen, ob denn Französischen gesanndten
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rechter ernst sey oder nit, weil doch alles anerbietten unverbindtlich und ohnedaß dahin

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angesechen und conditionirt ist, daß, wan die Französische plenipotentiarii den friden her-
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gegen mit dem Römischen Reich nit schliessen, auch halten und volziechen, waß sye sich
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obverstandtnermassen anerbotten, auch disseits die offerta unverfenckhlich sein sollen. Und
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stiende zu hoffen, wan man zum wenigisten mit denn Französischen sich dergestalt verglei-
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chen und ihren begehrn deferiern wurde, sie mechten alßdan ihre hostiliteten gegen dem
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Reich nit also, wie man iezt sicht, continuirn, sonder ire mit denn Schweden und Hessen
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coniungirte völckher ab- und zurukhziechen und dardurch die gefahr mit Euer Mayestät
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erb- und meinen lannden auch leichter werden.

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Sonsten vernimbe ich auch auß meiner Münsterischen räth uberschickhten berichten, daß,
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obwohln auß denn protestierenden etlich mit deme, waß ihnen von Euer Mayestät commis-
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sarien angebotten worden

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Bezug auf die weiteren und endtlichen Compositionsvorschläge vom 12. Juli 1646 (vgl.
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nr. 257 Beilage 1).
, noch nit zufriden sein wollen, iedoch andere, und zwar der
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mehrere thail, den andern nit allerdings beistimben, sonder mitiora consilia fiehren und
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sogar die zu Münster anwesende protestierende gesanndte denen zu Osnabrugg ire widersi-
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nige vorschleg und petita wider zuruckhgeschickht haben und es gleichwol iezt an deme
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seye, waß die Lengerisch zusammenkunfft endtlich schliessen und mit sich bringen werde,
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dessen dan, wanß nit immitelst schon erfolgt ist, noch zu erwartten sein wirdt

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Kf. Maximilian I. von Bayern fußt auf dem Informationsstand vom 23. August (vgl. Beilage
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A.1 zu nr. 337).
.

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Allein trag ich die beisorg, wan der graf von Trautmanstorf so starckh, wie er biß daher
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gethan, under andern conditionen auch auf diser, daß man ohne die cron Spanien den friden
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zwischen dem Römischen Reich und der cron Franckhreich nit schliessen khindt noch
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welle, bestehn solte, daß die protestierenden, wie sie sich neben denn Schwedischen albereit
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hin und wider vernemmen lassen, hierdurch noch mehr disgustiert und, indem man diesel-
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ben zu gewinnen und auf dise seitten zu bringen verhofft, vilmehr abalienirt und sich ires
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allzugrossen vortls noch mehr zu bedienen anlaß mechte gegeben werden, zwar umb sovil
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mehr, weil Euer Mayestät vor disem schon bericht worden, waßgestalten in allen drey
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reichsräthen der einhellige schluß ergangen, wan zwischen beeden cronen Spanien und
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Franckhreich uber die angewendte bemiehung dermalen der friden je nit zu erheben sein
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wurde, daß die stenndt des Reichs den friden mit Franckhreich absonderlich ze schliessen
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fir rhätlich und nottwendig halten, von welchem gemainen schluß ich mich dan auch nit
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hab und künfftig nit würde separirn khinden.

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Ich geleb also der zueversichtigen hoffnung, Euer Mayestät werden dero obristen hofmai-
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ster nit allein noch zur zeit nit abfordern, sonder auch demselben wegen Philipsburg und
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anderm die notturfft aufs firdersambst anbevelchen, damit sich die handlung, insonderheit
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bei oberzelten neuen apertur, wegen mangl des gewaldts nit steckhe. Militaria.

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PS Ich habe bei demjenigen, waß ich in disem haubtschreiben wegen des fridens zwischen
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beeden cronen Spania und Franckhreich angezogen, noch disß erindern wollen, daß Euer
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Kayserliche Mayestät sich vor disem in einem handtbriefel gegen mir

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Wurde nicht ermittelt.
gnädist erclert, daß
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sie, da besagter friden zwischen Spania und Franckhreich sobaldt nit zu erheben sein wurde,
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deßhalber den friden im Römischen Reich nit aufziehen noch weniger verhindern, sonder
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nichtsdestoweniger schliessen wollen.

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Wiewol ich nun ausser allen zweifel stell, Euer Mayestät werden bei solcher mainung auch
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nochmals bestendig verbleiben, in gnädigster erwegung der reichsfeindten grossen krigs-
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macht und in handen habender und ie lenger, ie mehr erlangender vilfeltiger vorthln, entge-
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gen aber an seithen deß Reichs aller orthen ermanglenden genuegsamen resistenz und de-
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fensionsmitl, wie ich dan ainmahl bei diser annahenden gefahr nunmehr nit zu helffen noch
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die mitl zu finden waiß, mich und meine landt gegen solchen mechtigen feindten zu beschi-
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zen und zu erretten, zu geschweigen, den krieg erst noch lenger hinauß vortzusezen, so hab
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ich doch nit underlassen wollen, Euer Mayestät obangezogner irer erclerung hiemit und

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zwar darumb in disem postscripto in gehorsamister wolmainung zu erindern, weil sie mir
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vor disem gnädigst angedeit, daß wenig auß der rhäten etwaß darvon wissen, derwegen ich
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bedenkhen gehabt, in dem haubtschreiben, welches in der rhät und andre hendt khomen
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möcht, waß dergleichen zu melden.

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