Acta Pacis Westphalicae II A 4 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 4: 1646 / Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett
Mercurii, 5. Septembris 1646, hab ich, der graff von Lamberg, dem Schweedischen gesand-
ten Salvio die revisita geben und unter anderm erinnert, daß ob ich zwar nit komme, negotia
zu tractirn, sondern nur ihn, Salvium, heimbzusuchen, so hette ich gleichwol nit unterlaßen
wöllen, ihne dhabey zu berichten, waß mir für antworth von ihr exzellentz, herrn graffen
von Trautmansdorff, über dasienig, waß er iüngsthin von mir mit derselben zu communi-
cirn verlangt hette , das vorgeschlagenes aequipollens der beyden fürstenthumb Sagan und
Großglogaw betreffend, zurückkommen, nehmblich daß, soviel den punctum satisfactionis
anlangt, kheine gedancken darauf zu machen, daß Kayserliche mayestätt einigen fueßbreit
von iren erblanden mehr zurücklaßen werden, alß sie albereits pacis publicae causa denen
Frantzosen verwilligt hetten, maßen dan auch unß bey heütiger ordinari gleichmäßige er-
clehrung von Kayserlicher majestätt selbst unter dato Wien, den 21. Augusti, zukommen ,
und könte ihm wol deßen festiglich versicheren, daß sich Kayserliche mayestätt hiebey nit
ändern würden.
So seie es auch an deme, daß wolgedachte ire exzellentz, herr graff von Trautmansdorff,
negster tagen ire reiß wieder zurück nacher Kayserlichem hoff nhemmen würden, seie unß
aber auch von Kayserlicher mayestätt diese wochen der befehl zukommen, die andeütung zu
thuen, daß solche avocation oder zurückreise kheinesweegs zu dissolution oder suspension
dieser tractaten angesehen, sondern daß wir und die zu Münster anweesende Kayserliche
gesandten die tractaten ferners verfolgen und denselben biß zu endt abzuwarten befehlicht,
verlangten derohalben, daß unß das instrumentum pacis, so die Schweedische aufgesetzt und
er, Salvius, mir iüngsthin vorgewiesen und in etlichen passibus abgelesen hette , förderlichst
möege außgeantwortet werden, dhamit man sehen könne, warin man noch different seie.
Der Salvius bedanckt sich der heimbsuchung halber, besorgt, der punctus satisfactionis
werde noch große difficultet geben. Sie, Schweedische gesandten, hetten nit allein insge-
sambt, sondern auch er, Salvius, in particulari etlichen senatoribus regni Sueciae zugeschrie-
ben und remonstrirt, daß sich das werck sonderlich wegen gantz Pommern schwerlich
werde wöllen behaubten laßen, hetten aber biß dato kheinen andern bevehl, alß prioribus
postulatis zu inhaerirn und von gantz Pommern nit zu weichen. Des alten pfaltzgraven
sohn, welcher derieniger sey, von deme man sage, daß es zwischen ihme und der königin
einen heyrath geben dörffte, hette ihme, Salvio, in vertrawen geschrieben
mit der königin selbst geredt und das werck mit guter manier angebracht hette, müße aber
behutsamb dhamit umbgehen und sorge, daß er vor dhamals abgangner ordinari nichts
darinnen würde richten können, hette ihnen also auf die negste, so künfftigen dienstag
[ 11. September] einlangen würde, auf relation von seiner verrichtung vertröstet, stündte zu
erwarten, waß alßdan für erclährung einkommen würde, dhavon er mir wölte parte geben,
müste es sönsten bekennen, daß ihnen, Schweedischen, nit allein die protestirende stendte,
so sich der sachen wegen Churbrandeburg fast eifrig intercedendo thäten annhemmen, son-
dern auch die Frantzosen selbst gerathen, auf halb Pommern zu gehen, und eben dhahin
ziele auch des herrn graven von Trautmansdorff excellentz, welche in allem kurtz und real
herausgiengen und offtmals ermahnt hetten, daß sie mit halb Pommern sich beschlagen
laßen sölten, auch allerhandt erhebliche bedencken und motiven dhabey eingeführt, und sey
von allen solchen sachen und umbständten durch sie, abgesandte, nacher Schweeden fideli-
ter uberschrieben worden. Es wölten aber dergleichen erinnerungen aldha nit verfangen,
derohalben sie auch für nötig erachten, daß einer von ihnen selbst sölte hineinreisen, umb
die königin und die senatores regni mündtlich zu informirn. Der Oxenstern habe ihme ein
solche reiß vorgenhommen, auch von seinen vatter sub dato 8. August schreiben empfan-
gen, daß es seiner erlaubnuß und abreiß halben kheine schwihrigkeit abgeben würde , het-
ten aber dhamals in Schweden von deßen ehewirthin tödtlichem abgang noch nit gewüst
gehabt und also deßen reise nuhmehr soviel desto weeniger difficultirt werde.
Wölte es sönsten dhafürhalten, daß Churbrandeburg khein ursach hette, sich wegen Pom-
mern viel zu spreitzen, 1. der seie niemaln in possess gewesen, 2. sie, Schweeden, hetten das
landt iure belli innen, 3. also ius in re und der churfürst nur ius ad rem, 4. der letzter hertzog
in Pommern hette sich offtmals gegen den abgelebten könig in Schweeden erclährt, daß er
auß dem landt zu weichen nit schüldich, biß er seine völlige satisfaction habe, 5. Churbran-
deburg seie wegen Preüßen in die acht erclährt worden und noch biß dato nit absolvirt
Mgf. Albrecht von Brandenburg-Ansbach (1490–1568; 1511 Hochmeister) hatte als Hochmei-
ster des Deutschen Ordens im Jahre 1525 das Ordensland Preußen in ein weltliches Ft. umge-
wandelt und den ev. Glauben als Bekenntnis festgelegt. Dafür wurde er 1532 vom Ks. in die
Acht erklärt. Das Kft. Brandenburg war erst seit 1618 mit dem Hgt. Preußen in Personal-
union verbunden, nachdem bg. Kurfürsten seit 1577 die Vormundschaft für den regierungs-
unfähig gewordenen Hg. Albrecht Friedrich geführt hatten ( Gundermann).
6. habe die drei stiffter Lebus, Havelberg und Brandeburg ohne rechtmeßigen titul in
banden und dern schon hundert jahr genoßen, dem Reich aber niemaln dhavon die schül-
digkeit geleistet. Vermeine, daß derselbe gantz Pommern wol könne zurücklaßen, wan ihme
dhagegen Halberstadt sambt solchen drey stifftern mit nachsehung der daran verfallenen
schüldigkeiten sölten ubergelaßen werden.
Waß irer exzellentz, herrn graven von Trautmansdorff, abraiß anlangt, dha zweifle er nit,
daß Kayserliche majestätt erhebliche bedencken zu dero zuruckforderung haben würden. Er
hette sonst seinstheils wol wünschen möegen, daß dieselbe biß zu endt den tractaten hette
mit abwarten möegen, iedoch weiln es irer mayestätt anderst gefallen, so müsten sie es ires-
theils beschehen laßen, seie ihme nur lieb zu vernhemmen, daß solche avocation zu abrum-
pirung der tractaten nit angesehen, sondern wir denselben ferners abzuwarten befehlicht.
Sie hetten irer exzellentz den paßbrief schon zugeschickt, würden gnugsamb dhamit ver-
wahrt sein, doch wan sie ie noch einen von der Schweedischen generalitet zu haben verlang-
ten, so seie der Schweedische general Dorstensohn in der nähe und könten gleichsamb alle
stundt von demselben einen haben, dan er, Salvius, halte es dhafür, ir exzellentz würden iren
weeg etwoh auf Leipzig nhemmen, woh nit gar nacher Glückstadt
Glückstadt im Hgt. Holstein (gegründet 1617) war zeitweilig Residenz des Adm. s von Bre-
men, Hg. Friedrich (vgl. [nr. 20 Anm. 10] ) ( HHStD I, 67; HEG III, 990). – Wieso verlautet
wurde, Trauttmansdorff reise nicht nach Österreich, sondern nach Holstein, ist unklar.
hette.
Soviel das instrumentum pacis
Vgl. [nr. 323 Anm. 3] .
gebracht gewest, hettens aber der ursachen halben biß dato nit außantworten wöllen, weiln
viel puncta noch nit vergliechen, derentwegen nichts determinate darin aufgesetzt werden
können, es hetten auch die Frantzosen dhafür gebetten, mit der außantwortung biß zu dero
herüberkhombst einzuhalten, die wölten es gern zuvor sehen und ihr instrumentum auch
darnach einrichten und sich mit ihnen vergleichen, daß beyde instrumenta zugleich und zu
einer zeit in beyden maalstätten möegen außgeantwortet werden.
Unter denienigen sachen, so noch nit vergliechen, seie die vornhembste die Pfaltzische sach,
die würde noch große difficultet haben. Der hertzog in Bayern wölte zugleich die chur und
auch die Oberpfaltz behalten, seie unbillich und zuviel, wiewol sich derselb vernhemmen
ließ, daß er endtlich die Oberpfaltz so hoch nit achte, wan er dhagegen das landt ob der Enß
bekomme. Man müße aber die reichsständte herzuziehen, sich mit denselben uber dise sach
vergleichen und endtlich sagen, wie die formalia gelautet, sic visum est coronis et Imperio
rem taliter dirimere.
So lige auch die Heßen Caßlische sach sowol quoad punctum satisfactionis alß wegen der
Marpurgischen succession noch in weege, doch circa satisfactionem müße man die sachen
dhahin vermitlen, daß man der fürstlichen frau landtgrävin sechsmahl hunderttaußendt
reichsthaler verwillige und die inhabende stiffter und plätze so lang in handen laße, biß
solche summa völlig abgeführt. Bey der Marpurgischen successionsach müsten beyde theil
die hälffte von irer praetension sollen laßen und die streitige sach außgestelt pleiben. Imglei-
chen müße Baden Durlach auch völlich restituirt oder ie uber selbige sach ein vergleich
getroffen werden, dan es ie unbillich, daß pars adversa, alß welche kheine fürsten, sondern
ex concubinatu gebohren wehre
Der seit 1622 in der Mgft. Baden-Baden (obere Mgft.) regierende und dort eine energische
Rekatholisierungspolitik betreibende Mgf. Wilhelm von Baden-Baden (1593–1677; Stamm-
tafeln I T. 131–132) entstammte einer 1591 eingegangenen, unstandesgemäßen Ehe seines
Vaters, des Mgf.en Eduard Fortunat (1565–1600). Neben der finanziellen Mißwirtschaft war
seine morganatische Ehe ein Argument gewesen, mit dem Mgf. Ernst Friedrich die Okkupation
der Mgft. Baden-Baden 1594 legitimiert hatte ( Press, Baden, 139).
Endtlich begehrten die protestirende fürsten und stendte, daß die compositio gravaminum
dem instrumento pacis ad longum möegte inserirt werden, dha würde auch fürhero vonnö-
then sein, selbige handlung zum schluß zu befordern, ehe dan mit dem instrumento pacis
waß früchtbarlichs könte gerichtet werden. Wie dem allem, so erwarten sie der Frantzosen
ankhombst und wölten sich mit denselben der außantwortung halber vergleichen.
Ego habe zu diesem allem nur dieses erinnert, daß er wegen der marggraffen von Baden
abkhombst zu milt berichtet seie, die wehren auß ehelicher geburth entsproßen, obs zwar
an mütterlicher seithen der standt nit so hoch, solches aber gebe oder nhemme dem matri-
monio nichts, und würde selbigen fürsten schmertzlich fürkommen, wan dieselbe vernhem-
men solten, daß die Schweedische abgesandte einen solchen ungleichen bericht und und
meinung von dern herkommen haben sölten. Ille: Er sey also berichtet worden, vernhemme
es aber gern, daß sich die sach anderst verhalte, begehre dern standt nitt zu nachtheil zu
reden. Ego: So seie es auch wieder Gott und die billigkeit, waß wegen der landtgrävin zu
Heßen in vorschlag komme.
Ille: Der vorschlag komme von dem duc de Longueville her, recommendirt aber vornhemb-
lich punctum satisfactionis Suecicae, dan daran würde das mehriste gelegen sein, und kön-
ten die Kayserliche viel dhabey thuen. Ego: Solang man auf gantz Pommen stehe, werde es
schwehrfallen und nit wol zu erheben sein. Ille: Wan die catholische ständte neben den
Kayserlichen gesandten den punctum satisfactionis, wie ihn die Schweedischen begehrten,
mit unterschreiben würden, so würden alßdan auch die protestirende leichtlich zu bewegen
sein. Ego: Daß würden die catholische vorhero nit thuen, müße ex consensu communi ge-
schehen. Ille: Es hetten ir exzellentz, herr graff von Trautmansdorff, von solchem vorschlag
hoffnung gemacht. Ego: Könte es nit glauben. Ille rogat, daß zum weenigsten wir unter-
schreiben wölten, waß man ihnen zu überlaßen gemeindt mit außlaßung der reservatori
clausul ratione consensus interessatorum. Ego: Eine solche subscription würde von nichten
sein, wir könten einem andern das seinig nit vergeben, seie auch wieder unsere instruction
und nit in unser macht.
Dum sumus in hoc discursu, adferuntur literae des Schweedischen residenten Rosenhaan, in
Schweedischer sprach abgefast, so der Salvius verlesen und mir verdolmetschet. Warn dieses
inhalts
von 7 biß 9 uhr abendts zusamen gewest. Er vernheme, ob solte die sach mit den Frantzosen
richtig sein, weiln die Kaiserliche auch wegen Philipsburg condescendirt, doch haffte es
noch an weenig conditionen und würden under anderm zu den offerirten millionen noch
anderthalb begehrt und zwey theil von den schülden zu übernhemmen. Die Frantzosen
könten sich irer herüberkhombst halber vor eingelangter negster post, so auf heüd einzu-
kommen pflege, nit resolvirn. Er, Rosenhaan, aber vermeine, daß diese der Frantzosen ent-
schüldigung nur zum praetext würde fürgewendet, dhamit sie sich der zeit bedienen und
noch bey gegenwarth irer exzellentz, herrn graven von Trautmansdorff, richtigkeit machen,
doch nit schließen, sondern etwoh alßdan neben irer exzellentz hiehero kommen und die
sach alhie gleichergestalt zum schluß befördern helffen wölten, dan sie, Schweedische,
gnugsamb versichert, daß alles, waß zwischen den Kayserlichen und Frantzösischen würde
verhandtlet werden, so lang unverbündtlich sein würde, biß mit den Schweedischen auch
alles zur richtigkeit gebracht.
Endtlich erinnerte der Salvius, daß auch würde müßen auf bezahlung der militiae gedacht
werden. Die würde sich nit wöllen mit papyr abweisen laßen, und wan solches nit baldt
beschehe, würden sie dies jahr nit in Schweeden zu bringen sein, sondern die winterquartier
im Reich suechen. Ego: Ein iede parthey würde die ihrige zu zahlen wißen. Der Schweedi-
schen soldatesca bezahlung gienge diese parthey nit an. Ille: Es hetten ire exzellentz, herr
graff von Trautmansdorff, den vorschlag gethan, daß die stendte die zahlung der militiae
ubernhemmen und ein theil die Schweedische, der ander theil die Kayserische und Churbay-
rische zahlen sölte, welches auch die Frantzosen vorgeschlagen hetten. Ego: Dhavon seie
mir nichts bewust, könte es auch nit glauben, daß sich ire exzellentz darüber sölten haben
herausgelaßen in erwegung, wir nit anders instruirt, alß daß es ire mayestätt bey irer ercleh-
rung ad propositionem Suecorum et Gallorum bewenden ließen und sich zu übernhem-
mung einiger zahlung der cronen irer soldatesca nit schüldig erkenneten
Die Kronen hatten in ihren Propositionen vom 1./11. Juni 1645 von ihrem Kriegsgegner Ab-
dankungskosten für ihre eigenen Truppen als sogenannte Militärsatisfaktion gefordert. Da die ksl.
Responsionen vom 25. September darauf nicht eingegangen waren, hatten sie diese Forderung in
ihren Repliken vom 7. Januar 1646 wiederholt. Die ksl. Dupliken vom 1. Mai (an Schweden) und
5. Mai (an Frankreich) hatten das abgelehnt und als eigene Sache aller Kriegführenden bezeichnet
( Meiern I, 438 und 442 [Schweden] sowie 445 [Frankreich], ebenda II, 188 und 198 [Schwe-
den] sowie 202 [Frankreich], ebenda III, 60 [Schweden] und 17 [Frankreich].
auch die cron Schweeden so ansehenliche stücke von des Reichs boden, daß darauß ire
militiam wol würde zahlen können. Ille manet in suo proposito, daß die zahlung würde
übernhommen werden müeßen.