Acta Pacis Westphalicae II A 4 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 4: 1646 / Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett

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Rezepisse auf Beilage [ 1]. Und verhalte derselben nit, daß ich von meinen abgesandten die
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nachricht habe, daß das werkh dahin gebracht solle werden oder schon gebracht seye, daß
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man zu dem armistitio greiffen und undter selbigem dieses newe, gantz unverhoffte petitum
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wegen Breysach abhandlen solle, bey welchem ich vor unnotwendig erachte, Ewer Liebden

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außführlich zu remonstriren, waß sich gegen deroselben der cardinal Mazarini

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Jules Mazarin (Giulio Mazarini) (1602–1661), zunächst im diplomatischen Dienst der Kurie,
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1634 Vizelegat, seit 1638 in frz. Dienst, 1641 Kardinal, 1642 leitender Minister ( GDEL VII,
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6772f., 7232).
auß eigenem
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mundt der königin in Frannkreich liebden

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Anna von Österreich (1601–1666), Schwester Kg. Philipps IV. von Spanien, heiratete 1615
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Kg. Ludwig XIII. von Frk. Nach dessen Tod 1643 führte sie die Regentschaft für ihren Sohn
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Ludwig XIV. ( Kleinman) .
vermittelst des nuncii

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Gemeint ist der Nuntius Bagno in Paris, zur Sache vgl. Immler, 250–256.
vernehmen laßen und
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waßgestalt iederzeit die hoffnung gemacht worden, daß auch mit einem stuekh von Elsaß
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der fried erhoben könte werden, welches dan eben auch dahin bewegt, daß ich umb frie-
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denß willen und weil ich mich versichert, die cron Franckreich solle hiebey beruehen, so
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liberaliter und mit so grossem schaden meines haußes uff beede Elßäß und daß Suntgeü
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erkleret, nit zweiflend, eß wurde dem werckh hierdurch dermahleins ein end gemacht wor-
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den sein.

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Nun lasse ich Euer Liebden selbsten erachten, wan wider alle zueversicht man an seiten
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Franckreich auf disem begehren der vestung Preysach beharren solte, waß vor ein frid und
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ruhe daß Römische Reich sich zue getrösten wurde haben, indeme die Franzößischen mini-
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stri selbst unter andern rationibus sich zue behaubtung des ganzen Elßäß vorterst dises ar-
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gumenti bedienet, daß keine limites reales, also nichts alß occasiones zue newem mißver-
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standt und unnachbarschafft vorhanden wurden sein. Ich geschweige, daß die haubtstatt
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deß Preißgaw Preisach ist und nichts anderß alß ein sehr nachdenckliches aussehen haben
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kan, daß man meinem hauß dieses orth zuerughalten und daß ubrige lassen will. Euer Lieb-
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den ist selbst wissendt, daß dieienige, so die Französische monarchiam am allerweitisten zue
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extendiern gesuecht, solche der orthen biß an, aber nit uber Rhein zue erweittern sich vor-
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gesezt, da aber ihre fines und intentiones noch tieffer in daß Reich und uber Rhein gerichtet
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solten sein, so ist leicht zue erachten, daß die cron Franckreich andere alß fridensgedancken
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führen müesse und daß ganze werckh Gott und der gerechten sachen, in dessen handen
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allein alle monarchien stehen, zue vertrawen sein.

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Gleichwie ich also nit zweifle, eß werden Euer Liebden mit mir darin genzlichen eins sein,
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daß dises der cron Franckreich petitum oder zue superiren oder zue erkennen sein werde,
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daß uff daßienige, wessen man sich von Pariß auß vernehmen lassen, nichts sichers zue
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bawen und die intention zue particular- oder universalhandlungen an seiten Franckreich nit
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also, wie sie venditiert würdt, müesste sein, also getröst ich mich nochmahlß gegen dieselbe
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und ersueche Euer Liebden darumb freündt-, vetter- und schwägerlich, sie wollen den ihren
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gemessen befehlen, daß sie mit und neben den meinigen sich diser zuruglassung der statt
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und vestung Preisach uffs eüsserist opponiern, die Französische ministros deß Ewer Liebden
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vom königlichen Franzößischen hoff außgegebenen wortts nachtrucklich erinnern und ih-
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nen gantz beweglichen zue gemüeth führen, waßgestalt dises der weeg, frid mit dem Römi-
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schen Reich zue stifften, nit, sonder nur zue ewiger unruhe, mißverstandt, krieg und newer
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empörung seye, der genzlichen zueversicht, eß werden sogestalte remonstrationes entlichen
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bey Franckreich verfangen und selbe sich mit demienigen, waß ich umb fridens willen mich
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erkleret, vor ein entliches begnüegen und die cron und derselben ministri auch Euer Lieb-
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den, vermög ihro gegebnen wortts, dißorts nit stecken lassen, dessen ich mich dan umb sovil
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mehr mit guetem effect getröste, weil ich von gueten und sichern orthen die gewisse nach-
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richt habe, daß wan man nur standthafftig und zuegleich sich wegen Preisach opponieren
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werde, daß die Französische ministri befelcht sein, darauff nit zue beharren.

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Wegen der session und des voti ist Euer Liebden wissent, waßgestalt mein ertzhauß wegen
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aller seiner Österreichischen länder bißhero nur ein votum geführt, ungeachtet andere
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stendte sich so viler gebrauchen, also daß wegen Elßaß den catholischen kein stimb abgehet.
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Eß seind sovil vornemme andere reichslehen, die gleichwol weder sessionem noch votum
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haben, auch selbe nit begehren. Unfelbar ist, daß newe strittigkeiten ratione sessionis et voti

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bey unterschidlichen stenden sich erregen und gar leicht durch selbe das ganze fridens-
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werckh leiden möchte, dahingegen sich die catholische sehr geringen rucks an seit der cron
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Franckreich zue versichern haben, weniger getrösten können, daß sie, die cron Franckreich,
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deren principia status, die sie auf anderwertige dissensiones, bevorab in religionssachen,
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haubtsächlich sezet, diser session halber verendern solte.

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Bremen, Verden und daß die Schweden sich mit halb Pommern und beeden styfftern doch
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dergestalt contentiern lassen wolten, daß ietzermelte stiffter der cron Schweden alß feuda
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Imperii conferiert wurden und sie desthalben sessionem et votum haben solten, betreffendt,
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waß auch Euer Liebden hiebey vor difficulteten und temperamenta beygefallen, da kan ich
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Euer Liebden nit verhalten, daß ich von denienigen die eigentliche nachricht noch nit habe,
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ob mit halb oder gantz Pommern entlichen die cron sich contentieren wolle lassen, und
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wolt ich selbst vor vorträglicher erachten, daß Bremen und Verden völlig reserviert und mit
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gantz Pommern daß werckh geschlichtet könte werden, massen Euer Liebden sich versi-
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chert können halten, daß, so schwer mir falt, von meines haußes landen den friden zue
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reclinieren, so hart kombt mich an auch anderer stenden landten zuruglassung und bevorab,
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waß von stifftern und geistlichen güetern nachgesehen solle werden.

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Meine abgesanten werden bey der Schwedischen praetendierten satisfaction eüsserst sich
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bemüehen, waß nur mensch- und müeglich, zue erhalten. Da aber ia ein und anders nit zue
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erheben were, so zweifle ich nit, man werde derentwegen zue continuation des kriegs
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ebenso ungern alß sonsten kommen. Und obschon einerseits sehr schwer falt, diese stiffter
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sowohl ratione der geistlichkeit alß situs den Schwedischen einzueraumen und dahero die
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meinige hirin eüsserst an sich halten werden, so werden doch Euer Liebden auch nit wohl
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vor verantwortlich halten, daß man diser uncatholischen stifft halber

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Anspielung auf die tatsächlichen kirchlichen Verhältnisse im Est. Bremen und Hst. Halber-
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stadt.
alle meine, Euer
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Liebden und anderer catholischen stendte, landte und leüthe in gefahr sezen und wohl gar
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dem erbfeind christlichen nahmens exponiern solle, dahero hoffentlich sich nit entgegen
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sein laßen, wan es ia zue etwas dergleichen nachsehung müeste khommen oder der fried
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sich zu zerstoßen haben, hierin mit mir allerdings eins zu sein und gern gegen dieienigen
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assistiren, so mit unzeitigem eifer einerseits zwar die difficulteten remonstriren, andererseits
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aber kheine mittel ahn die handt geben, wie der frieden und etwan mit wenigerm ohne
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meinen noch mehrerm weit unverantwortlichem entgeldt zu erheben möchte sein. Ich hoffe
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auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Euren und meinen Gesandten.

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