Acta Pacis Westphalicae II A 5 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 5: 1646 - 1647 / Antje Oschmann

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Sein des fürstlichen hauß Braunschweig Lüneburgh gesandten, Langerbeck, Lampadius
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und Köhler, bey irer excellentz herrn obristhofmeister, praesente illustrissimo comite de
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Lamberg, Volmar und Crane, erschienen und angezeigt, daß man sich noch gutermaaßen

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würde zu erinnern wißen, waß sie, fürstlich Braunschweig Lüneburgische, sambt dem
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ertzbischöflichen Magdeburgischen gesandten für weenig tagen in nahmen irer gnädigen
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fürsten und herrn wegen dern ahn denen ertz- und stifftern Magdeburg und Halberstatt
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habenden interesse fürgetragen und, dhamit selbe ertz- und stiffter dem herrn churfürsten
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zu Brandeburg zu praeiuditz des fürstlichen haußs Braunschweig Lüneburg nit ubergela-
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ßen werden möegten, erinnert hetten

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Am 8. Februar 1647 (vgl. nr. 253 Beilage 2).
. Nuhn wehren sie in hofnung gestanden, es
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würden sölche erhebliche und von denen Kaißerlichen herren abgesandten selbst für
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billich erkente, dhamals zu gemüth geführte rationes und fundamenta bey dennselben
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verfangen haben, derentwegen sie auch und in solcher zuversicht, daß ihnen mit einer
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wilfährigen resolution begegnet werden sölte, bey irer seithero geführten negotiation
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allen glimpff gebraucht und lieber iussionem secundam von iren gnädigen fürsten und
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hern erwarten alß daßienig, waß sie schon dhomals bevehlicht gewest, volnziehen wöllen.
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Hetten sich aber auch versehen gehabt, wan ie mit diesem werck einige veränderung
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vorgenhommen werden sölte, man würde zum weinigsten vorhero mit inen darauß
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communicirt haben. Nachdeme inen aber immitls ferner bericht zukommen und es fama
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publica seie, daß dem herrn churfürsten zu Brandeburg obgemelte beede ertz- und stiffter
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ungeachtet solcher irer, der fürstlich Braunschweigisch Lüneburgischen, dhawieder
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angefüegten bedencken cedirt und uberlaßen worden, so könten sie bey so bewandten
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sachen nit geübrigt sein, daßienig darbey zu beobachten, waß ihnen zu thuen anbefohlen
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worden. Erachteten unnötig, des fürstlichen hauß Braunschweig Lüneburg bey denen in
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Niedersachßen gelegenen ertz- und stifftern zustehendes recht und gerechtsamb außzu-
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führen, seye an sich selbst offenkündig, und begehrten ir excellentz mit weitlauffichen
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wiederholung, waß deswegen von ihnen iüngsthin angezogen worden, nit verdrüßig zu
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fallen. Wölten auch den stifft Ratzenburg, bey welchem daß hauß Braunschweig
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Lüneburg die coadiutoriam erlangt

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Hg. Friedrich von Braunschweig und Lüneburg (1574–1648); 1606 Dompropst in Bremen,
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1637 Koadjutor in Ratzeburg ( Pütter S. 194; Stammtafeln I Tafel 65).
, nit berühren, weiln noch unwißendt, ob der hertzog
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von Mecklenburg gegen zurücklaßung seiner landtgütter selbigen stifft annhemmen
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werde oder nit und solches letztern falß dem hauß Braunschweig Lüneburg sein ius
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integrum et salvum pleibe. Wölten sich für diesmahl in terminis der beeden ertz- und
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stiffter Magdeburg, Bremen und Halberstatt auffhalten: Bey Magdeburg seie ein coadiu-
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tor auß dem fürstlichen hauß Braunschweig Lüneburg legitime erwehlt, imgleichen
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auch schon für 3 iaren bey dem ertzstifft Bremen

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Am 30. Dezember 1643/9. Januar 1644 war Hg. Georg Wilhelm von Braunschweig und
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Lüneburg (1624–1705; 1648 F. in Kalenberg, 1665 F. in Lüneburg, 1689 Hg. von Sachsen-
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Lauenburg) zum Koadjutor von Bremen gewählt worden ( Lorenz, Koadjutorwahl).
, und zwar ahn beeden örtern ex causa
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beeder ertzbischoven vorgestandten heyrats

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Der Heirat des Adm. s Friedrich von Bremen (1609–1670; 1648 Kg. von Dänemark) mit
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Sophie Amalia von Braunschweig und Lüneburg (1628–1685), die am 1./11. Oktober 1643
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vollzogen wurde, hatte das Bremer Domkapitel nur nach langem Zögern und schwierigen
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Verhandlungen sowie unter dem Vorbehalt zugestimmt, einen Koadjutor mit Sukzessionsrecht
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wählen zu können ( Lorenz, Koadjutorwahl). – Hg. August von Sachsen-Weißenfels
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(1614–1680; 1628/1635 Adm. von Magdeburg) hatte am 20. November 1646 (st..?) Hg.in
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Anna Maria von Mecklenburg (1627–1669) geheiratet ( Stammtafeln I Tafel 45; zur
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Koadjutorwahl vgl. [nr. 218 Anm. 2] ).
. Beym stifft Halberstatt seien zween
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hertzogen von Braunschweig Lüneburg thumbhern, und könte einem unter diesen die
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succession mit entstehen, wan nur selbiger hochstifft in seinem freyen waalstandt gelaßen
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würde. Solten nun obgemelte stiffter in solchen iren freyen waalstandt unverrückt
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gelaßen, daß fürstliche hauß Braunschweig Lüneburg auch in seinem successionsrecht nit
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beeintrechtigt werden, so begehre selbigs anderer landt und güeter nit. Solte aber
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angeregter ertz- und stiffter status geendert und solches vornhemmen mit gewaldt wöllen

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behaubtet werden, so wehren die hertzogen zu Braunschweig Lüneburg nit weiniger alß
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Churbrandeburg befuegt, ein billichmeßigs aequivalens zu begehren, gestalt sie dan zu
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solchm endt die stiffter Hildesheimb, Minden und Oßnabruck solchergestalt darzu theten
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vorschlagen, daß die itzige possessorn und einhaber zwar bey selbigen stifftern gelaßen,
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aber coadiutores auß dem fürstlichem hauß Braunschweig Lüneburg noch bey gegenwer-
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tigem convent anzunhemmen schüldich und gehalten sein sölten. Würde aber darunder
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kheine status-immutation bey denen stifftern einzuführen, sondern vielmehr dieses
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gesucht, daß dieselbe in irem freyen waalstandt erhalten werden sölten. Ersuchten
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demnegst ire excellentz und ubrige Kaißerliche herren abgesandten und plenipotentiarios,
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daß entweder die beede ertz- und stiffter Magdeburg und Halberstadt in dem lang
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hergebrachten freyen waalstandt, die hertzogen von Braunschweig Lüneburg auch bey
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iren erlangten successionsrechten möegen gelaßen oder aber dhagegen zum aequivalente
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obgemelten 3 stiffter, welche ahn iahrlichen intraden die beede ertz- und stiffter
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Magdeburg und Halberstatt bey weithen nit erreichen, auf gewiße maaß eingeraumbt und
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darbey crafft des generalfriedenschluß gehandthabt werden.

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Den abgesandten ist auf genhomenen bedacht geantwortet worden, daß man sich noch
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gutermaaß wiße zu erinnern, waß sie, gesandten, noch hiebevorn eben dieser stiffter
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halber angebracht. Seie inen aber dhomals auch ire unbefuegnuß und warumb sich das
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fürstliche hauß Braunschweig Lüneburg diesorts zu wiedersetzen keine ursach hab, für
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augen gestelt worden. Darbey laße mans nochmals bewenden. Man gönne dem fürstli-
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chen hauß Braunschweig Lüneburg sein aufnhemmen, praesupponiere aber auch, selbiges
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werde des friedens sowol alß andere stendte vonnöthen haben. Weillen ohne zurückla-
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ßung selbiger ertz- und stiffter Magdeburg und Halberstatt darzu nit zu gelangen, so
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hette man gleichsamb auß getrungener noth, umb dem nothleidenden vatterlandt zu
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helffen, in zurücklaßung bemelter ertz- und stiffter verwilligen müeßen, und seie es
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dhamit nit mehr res integra. Man wölte sich gegen hochgemeltes fürstliches hauß so viel
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desto weiniger versehen, daß selbigs sich hiebey opponiren und selbigs werck mit
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allerhandt newen einströwungen schwehrer machen sölten, zumahl demselben ahn seinen
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erblanden nichts entzogen würde. Wie es mit angegebener coadiutoreywaal zu Magde-
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burg hergangen, laße man an sein ort gestelt sein. Erinnere sich gleichwol auß denen
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geistlichen rechten, daß zu erhebung einer solchen coadiutoreywaal gewiße requisiten
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vonnöthen; ob dieselbe nun alhie vorhanden, wölte man nit disputiren. Einmahl seie es
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gewiß, daß solche waal in fraudem pacis und nachdeme man gewust, daß dergleichen
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verenderung mit bemelten ertzstifft pro bono pacis obhanden gewest, vorgenhommen
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worden. Bey dem stift Halberstatt laße man denen herren hertzogen von Braunschweig
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Lüneburg ire canonicatus. Gebe aber keine nothwendige consequentz, daß sie gleich
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darumb, daß sie aldha canonici sein, auch nothwendig bischove werden müsten. Hetten
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unsers ermeßens nit mehr recht zu der succession, alß andere ire mitcapitulares und
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thumbhern hetten. Gleichwie nun solchergestalt dern zu behaubtung ihrs angezogenen
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interesse gelegtes fundament zerfalle, also wöllen auch die insinuirte praetensiones ratione
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aequivalentis unfundirt sein, maßen man dan auch dieselbe also beschaffen befinde, daß
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sie wieder die vernunfft, geist- und weltliche rechten, auch den religionfrieden und itzo
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under handen schwebenden compositionshandtlung gelegten principiis directo lauffen
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thuen. Wölten also die fürstliche Braunschweig Lüneburgische gesandten ersucht haben,
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von dergleichen unbefuegnuß abzustehen, daß friedenswerck nit schwehrer zu machen,
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sondern vielmehr dhahin ire consilia richten, zu helffen, dhamit daß Römische Reich zu
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seiner beruhung gelangen und nit in gefahr des undergangs gestürtzet werden möege. Wir
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wüsten sönst Kaiserliche majestätt gegen selbigs fürstliche hauß Braunschweig Lüneburg
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also gesinnet, daß dieselbe nit underlassen würden, selbigs auf alle begebenheit mit
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Kaißerlichen gnaden und hülde zu bedencken. Und für unsere weinigkeit seie man
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dennselben im ubrigen zu dienen begierich.

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Illi facta inter se communicatione replicant, daß sie auß unser antwort vernhommen, daß
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man die fundamenta ires bey diesem werck versirenden interesse und consequenter auch

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die darauf begründete praetensiones aequipollentium für ungültig praesupponire. Müsten
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solches dhahin laßen gestelt sein, könten unß aber dhabey versichern, daß es der weeg
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zum frieden nit sein würde. Seie es Churbrandeburg recht gewesen, gegen seine
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hinderlaßene erblande (so derselb doch ex mera gratia Caesaris hab) andere erblande zu
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suchen, so sey dem fürstlichen hauß Braunschweig Lüneburg auch nit unrecht, gegen
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hinderlaßung eines waallandes auch hingegen ein ander waallandt zu suchen. Pitten also
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die Kaißerliche herren abgesandten, die sach auf solchen schlag einzurichten, dhamit dem
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hauß Braunschweig Lüneburg darin möege satisfaction wiederfahren und selbiges nit
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allein seie, so mit schimpff und spott von diesem convent abgewiesen werde. Wiedrigen-
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fals müsten sie iren gnädigen fürsten und hern alle zulangende remedia außtrücklich
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bedingen und vorbehalten, die wehren dergestalt hiebey fundirt, daß es ihnen nullo iure
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könte abgeschlagen werden. Addebat Langerbeck, daß er seinstheils lieber wünsche, nit
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gebohren zu sein, alß die zeit erlebt zu haben, daß seinem gnedigen fürsten und hern ein
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solcher schimpff und schmach sölte angethan werden.

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Ir excellentz herr obristhofmeister: Man trage gegen daß fürstliche hauß Braunschweig
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Lüneburg allen schüldigen respect, befinde daßelb aber hiebey solchergestalt nit interes-
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sirt, daß sich zu beschwehren ursach hab. Es seie selbigen hertzogen beßer bekandt, in
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waß für noth und gefahr daß Römische Reich begrieffen. Werden vielmehr, umb den
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lieben frieden zu erheben, mit beytragen alß denselben mit dergleichen oppositionen
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noch schwehrer machen wöllen. Lampadius: Ohne obvermelte ex parte selbigs fürstlichen
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haußes gesuchten aequipollenti seie kein friedt zu verhoffen. Daß hauß Braunschweig
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Lüneburg wölte sein aequipollens sowol alß Churbrandtburg haben, würde es auch nit
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nachgeben, wehre schon deßwegen der Schweedischen assistentz versichert. Ir excellentz:
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Ob man unß dan einen newen krieg zu machen gemeindt, so müße mans erwartten und
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Gott die sach befehlen. Illi: Man begehre deswegen keinen krieg zu machen, es müße aber
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daß hauß Braunschweig Lüneburg gegen zurücklaßung des seinigen wiedererstattung
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haben. Selbigs hauß habe den krieg nit verursacht, so könten demselben auch die
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kriegscösten zu tragen nit auferlegt werden. Man solte selbe cösten dieienige tragen laßen,
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so zum krieg ursach geben. Pitten die Kaißerliche gesandten, den sachen noch waß mehr
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nachzudencken, auf billigmeßige terminos zu richten und inen nit in unguten zu
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vermercken, daß sie, alß gehorsambe diener, daßienige, waß sie anzudeüten befehlicht
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sein, erinnern müeßen. Ir excellentz: Sie wehren deswegen gar nit zu verdencken, theten
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daran, waß trewen dienern zu thuen obligt. Hingegen aber würden auch die Kayserliche
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gesandten nit zu verdencken sein, daß sie ebenmeßig hiebey die notturfft und warauf sie
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sich instruirter zu sein befinden, anzeigen müeßen et cetera.

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