Acta Pacis Westphalicae II A 5 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 5: 1646 - 1647 / Antje Oschmann

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Auf ein kf.lich-sächsisches

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Wurde nicht ermittelt.
und ein gleichlautendes ksl.

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Vgl. Anm. 8.
Schreiben. Wie unß nun und
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allen getrewen reichsstenden obliget, ihrer Kayserlichen majestät oder dero plenipo-
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tentiariis aus schuldiger devotion in denen puncten, so mit den cronen zu tractieren
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und daß Römische Reich concernieren (mit dem punct der gravaminum ecclesiastico-
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rum, welche die stende allein angehen und da ihre Käyserliche majestät neben den
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catholischen ständen hoch interessiert seindt, hat es vil eine andre beschaffenheit, und
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will sich gewissens halben anders nicht leiden, alß daß sich die evangelischen ihres
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eigenen freyen voti miteinander gegen die catholischen gebrauchen, soofft es nöthig)
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zu erlangung des lieben friedens trewlich beyzuspringen, also haben wir allweege
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unsere consilia und unsere Instruktion darauf ausgestellt, die Trennung unter den
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Reichsständen zu verhüten. Unser Ges. hat sich bisher immer daran gehalten. Die ev.

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Deputation ist von den kath. und den übrigen ev. Ständen anerkannt worden. Die weil
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dan kundtbar, daß insonderheit aus den überheüfften gravaminibus ecclesiasticis
3
wider den Paßawischen vertrag, religionfriedt und demselben anhengige andere
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reichsabschiedte undt declarationes gleichsamb als einem zunnder daß schädliche
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mißtrawen unter den reichsstenden und der daraus entstandene bluetige krieg und
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gegenwertiger ganz gefehrlicher zustandt deß geliebten vatterlandts Teütscher nation
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seinen ursprung genommen und, wo denselben nicht aus dem grunde remediert
8
wirdt, nimmermehr ein bestendiger friede zu hoffen, gestalt die frembde cronen in
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ihren replicis darauf ihr fundament sezen

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Vgl. [nr. 81 Anm. 5] . In ihrer Replik vom 28. Dezember 1645/7. Januar 1646 (Druck der den
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Reichsständen mitgeteilten Fassung des Protokolls ihrer Eröffnung: Meiern, APW II S.
183–190 ) waren die schwed. Ges. auf diese Forderung zurückgekommen.
und die bestendige beylegung der
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gravaminum vor eine unumbgengliche condition eines sicheren friedens achten, so
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halten die evangelischen darfür, die friedensverhinderung beruehe allein darauf, daß
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den eingerissenen gravaminibus nicht mit rechtem ernst abgeholffen werden wolle
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und die catholischen nicht allein ihrestheils der evangelischen gravamina wider sie
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fast darniderschlagen, sondern auch dargegen sich mit andern weder in iure noch
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facto gegründeten wider die evangelischen behelffen oder, wan es hoch kombt, daß
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alte liedt wider anstimmen, es wolle eines und anders ihnen einzugehen wider ihr
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gewissen lauffen, alß wan ihnen etwas newes angemuethet wurde und frey stünde, zu
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willigen oder nicht, da die evangelische doch durchaus nichts mehr wegen der
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geistlichen güetter und anders von den catholischen begehrten, alß daß darüber steiff
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und vest gehalten werden solle, was bey regierung der in aller welt hochberüembten
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bey den Römischen kaiser Caroli V. und Ferdinandi primi glorwürdigster gedechtnus,
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reifflich erwogen und verglichen, die hochgeehrten vorfahren mit ihrem unsterbli-
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chen nachruehmb zu erweiterung der ehre Gottes und seines heyligen, seeligmachen-
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den wortts einmahl durch einhelligen schluß aller reichstende erlanget und der
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religionsfriedt, dessen als eines augapfels zu schonen, ad literam außtruckhlich
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besaget, welcher in den reichsabschieden anno 1557, 1559 und 1566

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Vgl. Punkt 7 des Regensburger RA vom 16. März 1557 (Druck: Sammlung III S. 136–152,
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hier S. 138), Punkt 5 des Augsburger RA vom 19. August 1559 (Druck: Ebenda S. 163–199,
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hier S. 164) und Punkt 6 des Augsburger RA vom 30. Mai 1566 (Druck: Ebenda S. 211–244,
46
hier S. 213–214).
aufs newe von
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allen reichsstenden widerholet und becrefftiget, auch deß außtruckhlichen inhalts ist,
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wan schon wegen der religion kein generalconcilium, nationalversamblung, collo-
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quien oder reichshandlungen erfolgen würde, alßdan nichtsdestoweniger den frie-
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denstandt in allen oberzelten puncten und articuln bey cröfften biß zu entlicher
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vergleichung der religion- und glaubenssachen stehen und bleiben und solchergestalt
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und sonst in alle andere weege ein bestendiger, beharrlicher, unbedingter für und für
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ewigwehrender friede aufgerichtet und beschlossen sein und bleiben solle, darbey es
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anno 1555 ungeachtet der königlichen resolution und damahliger beypflichtung der
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catholischen besage der übergebenen duplic unverendert bleiben müessen

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Vgl. dazu den doppeldeutigen und in der Konsequenz paradoxen Art. [12] des ARF von 1555
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September 25 (Druck: Brandi, ARF S. 48–49), der dem Frieden bis zur gebotenen
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Wiedervereinigung Dauergeltung verlieh ( Heckel S. 115, 129), und dazu als Vorakten die
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kg.liche Resolution von 1555 August 30 (Druck: Lehenmann I S. 32–36) sowie die Duplik
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der Reichsstände von 1555 September 7 (Druck: Ebenda S. 39–43).
, und
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keine temporalitet zulasse. Und obwohl anno 1555 die catholischen in daß concept
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ieztgeregtes religionfriedens bey dem puncten der verruckhung der ordentlichen
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residenzen die clausul „mit vorwissen und willen ihrer ordentlichen obrigkeit“ und
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daß sie in den ganzen religionsfriedt weiter nicht willigen wolten, alß was sie

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1
gewissens und ambts halben thuen könnten, zu bringen begehret, so seye doch in der
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stende und zweifelsohne Euer Gnaden eigenen archiven die gründtliche nachrich-
3
tung, das es ihnen glat abgeschlagen und von den anderen stenden zu gemüeth
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gefüehret worden, sie solten als fürsten, stende und mitglider des Reichs, deme sie
5
mit aiden und pflichten verwandt, ohne beschwerung ihres gewissens die gemaine
6
constitution deß religionfriedens bewilligen, und die clausul außen gelassen wor-
7
den

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Vgl. Art. [4] und [12] des ARF (Druck: Brandi, ARF S. 44, 48–49) und dazu als Vorakten
45
das Bedenken des KFR, das vom FR mehrheitlich angenommen wurde, s. d. (Druck:
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Lehenmann I S. 20–21), das Bedenken der weltlichen F.en im FR, praes. dem KFR 1555
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Mai 21 (Druck: Ebenda S. 21–23), sowie das Bedenken der beiden oberen Kollegien von
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1555 Juni 19 (Druck: Ebenda S. 24–26).
. Man wiste im Römischen Reich von keiner anderen ordentlichen obrigkeit.
8
Hetten die catholische stende nun damahls den religionfrieden unverleztes gewissens
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und pflicht einzugehen kein bedenckhen getragen, so konnten sie sich iezo viel
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weniger mit dem praetext aufhalten, da daß Pabstliche recht, darauf der catholischen
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pflicht und gewissen sich allermeist gründet, wider den religionfriedt nicht mehr
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angezogen werden möge und in eines ieden wihlkhur nicht stehe, etwas auss deme,
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was wider Gottes wortt nicht laufft, vor eine gewissenssache eigenes gefallens in
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praeiudicium tertii anzuziehen.

15
Sonsten seindt Euer Gnaden hochwichtige motiven, warumb ehr ein gewisses
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anerbiethen zu placidieren als sich dem ungewissen außgang frembder völckher
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waffen zu vertrawen seye, billich in gebührenden respect zu halten. Were auch wohl
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zu winschen gewesen, die reichsstende hetten strackhs anfenglich zu guetlichen
19
mitteln gegriffen und solche mechtige frembden völckher nicht auf des Reichs boden
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kommen lassen.

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Und obwohl der punct wegen der hohen immediaterz- und stiffter, so der geistliche
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vorbehalt genennet würdt, der allerwichtigiste einer, auch von dern hochloblichen
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vorfahren gnuegsamb behaubtet, daß die evangelische zum wenigsten eben so vil
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rechts daran haben als die catholischen, dieweil aber aus dem religionfrieden
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offenbahr, daß die stände beider religionen sich noch niemahls darüber haben
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vergleichen können, so ist kein zweifel, es werden alle friedtliebende evangelisch
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stende sich wegen solcher hohen stiffter wohl zu einer temporalitet auf gethane
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vorschlege oder ander billiche maase verstehen, wan nur die catholische stende sich
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zu einer gleichheit und reciprocation bequemmen, daß die künfftige fälle, wan ein
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oder daß andere immediatstifft reformiert werden solte, darunter begriffen und
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solche temporalitet nicht bloß auf die albereit reformierten stiffter restringiert und
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darfür gehalten werden möchte, ob hette man sich dises allerwichtigisten puncts zu
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ewigen zeiten begeben, were von der vorfahren dapfern resolutionen abgewichen und
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wolte unserer wahren christlichen religion eine unaußleschliche mackel aufbürden
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lassen, so gegen Gott und der wehrten posteritet schwerlich zu veranthworthen.

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Nachdem auch am Kayserlichen hoff- und cammergericht zu Speyer offt sehr
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wichtige sachen fürgehen, daran landt undt leüthen gelegen, so wolte die hohe
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notturfft erfordern, daß zu verhüettung alles verdachts nicht allein umb derer aus
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dem religionfriedt herrüehrenden, sonder auch aller anderer politischen sachen
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willen beide hohe gerichte mit qualificierten assessorn undt reichshofräthen beeder
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religionen in gleicher anzahl besezt, eben also auch mit den advocaten, agenten und
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procuratorn, wie zu kaiser Maximiliani, Rudolphi und Matthiae zeiten gehalten

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Nachdem im RA 1555 § 106 (1555 September 25; Druck: Zeumer II nr. 189, hier S. 361)
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AC-Verwandte zum RKG zugelassen worden waren, hatte die Visitationskommission von
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1560 darüber hinaus den Kammerrichter bei der Zusammensetzung der Senate in Prozessen
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über den Religionsfrieden auf den Grundsatz der konfessionellen Parität verpflichtet. Diese
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Verfahrensregelung ist wahrscheinlich in der Praxis eingehalten worden, doch blieb das RKG
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insgesamt kath. bestimmt, namentlich der Posten des Kammerrichters und der zwei oder drei
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Präsidenten. In der wechselnden Zahl der Assessoren verfügten die Kath. meist über die
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qualifizierte Mehrheit ( Weber, Parität S. 121–122; Rabe S. 272–273). – Unter die zwölf bis
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achtzehn oder mehr Räte des RHR , die vom Ks. allein ernannt wurden, waren von
35
Maximilian II. (1527–1576; 1562 Römischer Kg. und Kg. von Böhmen, 1563 Kg. von
36
Ungarn, 1564 Ks.) ( ADB XX S. 736–747 ), Rudolf II. (1552–1612; 1572 Kg. von Ungarn,
37
1575 Kg. von Böhmen, 1575 Römischer Kg., 1576 Ks.) ( Evans; Vocelka) und Mathias I.
38
(1557–1619; 1578 Generalstatthalter der Ndl., 1608–1618 Kg. von Ungarn, 1611–1617 Kg.
39
von Böhmen, 1612 Ks.) ( ADB XX S. 629–654 ) einige AC-Verwandte aufgenommen worden,
40
die Ferdinand II. (1578–1637; 1619 Ks.) übernahm, ohne selbst neue zu ernennen. Konfessio-
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nelle Parität war hier jedoch nie erreicht worden, und von 1630 bis 1655 war der RHR sogar
42
rein kath. besetzt ( Gschliesser S. 69, 74–75, 514; Weber, Parität S. 126–127).
,
43
undt allweege bey absterben eines cammerrichters per vices eine abwechßlung eines

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1
catholischen und evangelischen angeordnet würde, wie Euer Gnaden selbst vor
2
dissem rüehmblich haben fürschlagen lassen

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Schon bei den Verhandlungen des PF (1635 Mai 20/30; Druck: Londorp IV S. 458–470)
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hatte Kursachsen – ohne Erfolg – für den RHR die paritätische Besetzung der Ratsstellen und
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für das RKG die Parität bei den Präsidenten und Assessoren sowie die Alternation im
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Kammerrichteramt verlangt ( Gschliesser S. 55; Weber, Parität S. 122–123, 127).
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Summarisch wiederholt wurden diese Forderungen in den Vermittlungsvorschlägen der
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kursächsischen Ges. betr. die Gravamina vom 13./23. Juni 1646 (Druck: Meiern, APW III
S. 188–189 ; vgl. Schreckenbach S. 39).
.

3
Was die landesfürstliche obrigkeit und darvon dependierende iura betrifft, wirdt
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billich eine solche gleichheit zwischen den stenden beeder religionen gehalten, daß,
5
wofern nicht andere concessionen und pacta verbanden, alles, wessen sich ein theil in
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seinen landen und stifftern gebraucht, dem andern auch gebühre. Und würde
7
unveranttwortlich sein, denselben ein wideriges durch kriegswaffen aufzutringen,
8
iedoch daß gleichwol die landsfürstliche obrigkeit nit wider den religionfriedt und
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sonsten, zumahl bey anfallenden newen landen oder eines reichsstandt unverhoffter
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enderung seiner religion zu weit und auf die gewissenzwingliche reformation oder
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außschaffung der underthanen extendieret werde, inmassen wir dan nicht zweiflen,
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Euer Gnaden werden an ihrem hohen wohlvermögenden orth steiff undt veste darob
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halten und darneben aus sonderbahrem christlichen eyfer gegen unsere wahre
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evangelische religion nit allein die catholische chur- und fürsten, sondern auch
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zuforderst allerhochstgemelte Römisch Kayserliche majestät intercedendo dahin zu
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bewegen sich bemüehen, daß sie in ihren eigenen erblanden und königreichen, so daß
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publicum exercitium zuvor noch niemahls gehabt, dasselbe auf der underthanen bitt
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und begehren, zum wenigsten nur an einem oder zweyen orth, in allergnädigster
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erwegung [ ziehen und,] wan der Kayserliche hoffrath, wie obstehet, zur helffte mit
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evangelischen subiectis besezet werden solle, daß demselben solch publicum exerciti-
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um nit abzustrickhen sein werde, verstatten wolten.

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Was wir ferners zu beschleünigung des höchstnothwendigen edlen friedens werden
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cooperieren können, darzue erkennen wir uns als ein getrewer reichsfürst allerdings
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schuldig.

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