Acta Pacis Westphalicae II A 5 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 5: 1646 - 1647 / Antje Oschmann

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Haben die protestirende ständte durch ihren gewöhnlichen außchuß bey unß fürtragen
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laßen, daß wir unß gutermaßen würden zu erinnern wißen, wie die compositionshand-
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lung in puncto gravaminum zwischen denen catholischen und protestirenden stendten
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seithero getrieben, wie dieselbe erstmals von einer mündtlichen conferentz iren anfang
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genhommen, hernacher zur schrifftwechßlung kommen und endtlich die sach von
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beeden theilen denen Kayserlichen und Schweedischen herren abgesandten zu verglei-
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chen anheimb gegeben worden. Nun hetten die protestirende stendte verhofft gehabt, es
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würden die catholische bey sölchen einmahl beyderseits beliebten modo verharret sein.
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Nachdeme aber dieselbe unsere iüngste ihnen beschehene vortrag under sich berath-
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schlagt und wol erwogen, so hetten sie so viel darauß vermercken müeßen, daß der
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catholischen ständte gedancken in effectu auf eine variation gerichtet, umb von solchem
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modo außzusetzen und das werck auf einen andern weeg zu richten. Weiln aber der sach
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dardurch nit wölle geholffen, sondern dieselbe gar involvirt werden, es auch denen
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protestirenden stendten bedencklich falle, sich auß demienigen weege, den man einmahl
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eingetretten, abführen zu laßen, und man solchergestalt nimmermehr würde zum schluß
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gelangen, alß hetten die protestirende stendte für nöttich erachtet, solches unß anzuzei-
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gen und zu ersuchen, die sach dhahin zu befordern, dhamit 1. die abhandtlung solcher
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gravaminum von denen Kayserlichen und königlich Schweedischen gesandten alß
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beederseits beliebten interpositorn moege under banden genhommen, sodan 2. die
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catholische stendte zu einer abordtnung anhero, umb mit ihnen, protestirenden, darüber
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zur mündtlichen conferentz zu tretten, vermöegt werden. Und weiln wir ihnen auch für
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weenig tagen von des herrn graven von Trautmannsdorff excellentz vorhabenden
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zuruckreiß angezeigt, so hetten sie, protestirende stendte, solchs ungern vernhommen,

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auch nit underlaßen, ihren mitverwandten stendten zu Münster darüber zuzuschreiben,
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dhamit dieselbe ihre excellentz selbst anlangen und von solchem vorhaben divertirn
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wölten, sintemaln sie der hoffnung lebten, es solten vermittels deren authorität und
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zuthuen die sachen zum vergleich gepracht werden. Hetten aber auch unß nochmals
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instendig ersuchen wöllen, bey irer excellentz erinnerung zu thuen, dhamit dero abreiß
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moege eingestelt pleiben.

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Wir haben geantwortet, daß man sich versehen gehabt, es sölten die protestirende
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stendte ihre erclehrung auf dieienige vorschläg, so den 12. Julii außgeantwortet worden,
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waß gemiltert und sich also dhabey bezeigt haben, dhamit die Kayserliche gesandten
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hetten ursach und anlaaß haben möegen, denen catholischen ferners zuzusprechen und
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die sach zum vergleich zu pringen. Nachdemahl wir aber auß ietzbeschehener vortrag so
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viel vermercken, daß itzo allererst circa modum ipsum, wie die compositionshandtlung
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zu führen, disputirt werden wölle, unangesehen man schon eine geraume zeit in selbiger
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handlung zugebracht, einen gewißen modum darbey gehalten und sich darin zu ändern
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kheine ursach habe, die catholische stendte sölches auch nit verlangten, noch auch von
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iemandt andern darzu ursach gegeben, sondern vielmehr dieses begehrt würde, daß alle
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extrema möegen vermietten und auf die letztere außgeantwortete vorschläge eine solche
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erclehrung, warauf ferners handlung gepflogen werden könte, abgeben werden, so
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würde selbigs anbringen den Kaiserlichen gesandten sowol alß catholischen stendten
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umb so viel desto mehr befrömbt vorkommen, weiln man sich dießeits nit wiße zu
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erinnern, daß iemals von beeden theilen denen Kaißerlichen und Schweedischen
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abgesandten diese sach zu vergleichen solte anheimb gestelt sein. Sondern es seie
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vielmehr auß der catholischen stendte letztere erclehrung abzunhemmen, daß dieselbe
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nit zum besten dhamit zufrieden gewest, daß die Kaiserliche gesandten die iüngste
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vorschlagsmitle waß weenig extendirt gehabt. Waß wölte dan für vermuthung
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geschöpfft werden können, daß dieselbe wolgemelten abgesandten ein so wichtigs
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werck mit denen Schweedischen zu vergleichen ledichlich sölten untergeben und
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anheimb gestelt haben? Mit der insinuirten abordtnung der catholischen stendte würde
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es auch schwehr hergehen. Die hetten gleichwol schon zum dritten mahl die ihrige
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anhero abgeordtnet

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Zum ersten Mal war eine kath. Deputation im Dezember 1645 nach Osnabrück gereist, in
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erster Linie um die Admission des Adm. s von Magdeburg zu regeln. In der Zeit vom 2./12.
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April bis zum 25. April/5. Mai 1646 hatten direkte Verhandlungen zwischen Deputationen
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beider Konfessionsparteien dort stattgefunden, und zum dritten Mal war eine Abordnung der
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kath. Stande im Juni 1646 zusammen mit Trauttmansdorff nach Osnabrück gefahren
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( Meiern, APW II S. 127–129; Wolff S. 154–155, 159–160).
, dhahingegen aber die protestirende noch niemaln einige abordt-
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nung nacher Münster zu denen catholischen gethaen. Wegen des herrn graven von
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Trautmansdorff excellentz vorhabenden abreiß hetten wir schon heüd so viel nachrich-
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tung, daß dieselbe wol könte rückstellich gemacht werden, wan nur ihre excellentz
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versichert sein, daß man ernstlich zur sachen thun, von allen extremis abweichen und zu
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billichmeßigen mitlen werde tretten wöllen.

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Illi persistirn in deme, daß sie von iren mitständten also instruirt, dieses also bey unß
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anzubringen und von denen materialien noch nit zu reden, maßen auch erstlich modus
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tractandi richtig sein müeße und darin nit variirt werden, ehedan die materialia könten
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abgehandtlet werden. Die Schweedische gesandten könten dhabey ohne große offension
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nit praeterirt werden. Die hetten den punctum gravaminum in proposition gebracht,
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seien auch sölchergestalt dhabey interessirt, daß ire assecuration darauf setzten, daß die
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stendte des Reichs under sich müesten vergliechen werden. Und würden die catholische
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stendte ire abordtnung so viel desto weiniger zu difficultirn ursach haben, weilen selbe
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materi zu diesem convent gehörig, die Schweedische auch nit zugeben wölten, daß
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dieselbe solle nacher Münster gezogen werden.

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Nos: Es seie einmahl eine rechte reichssach, so die stendte allein angehe, dhabey khein
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außwertiger potentat solchergestalt interessirt sein könte, daß derselb auch ad tractatum
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ipsum müße gezogen werden. Seie gnug, wan nur finis ipse, nhemblich die einigkeit
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zwischen den stendten, erlangt werde, und hetten sich die cronen darbey super modo
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ipso, qualiter et quomodo finis obtineatur, nit zu bekümmern, maßen dan auch die
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Schweedische gesandten selbst iedesmals bey denen mündtlichen conferenzien den
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punctum gravaminum alß eine sach, so die stendte angehe, willig gern hetten außstellen
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laßen.

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Der Dr. Lampadius: Wegen der gravamina würde der krieg geführt; man habe fast von
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hundert iahren hero in kirchen und schulen daruber disputirt, biß man entlich
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miteinander in die wapffen kommen, dha würde sich die kriegende parthey nit wöllen
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außschließen laßen. Die cron Schweeden hette auch ex alio capite, weilen sie nhemblich
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sölte für einen reichsstandt aufgenhommen werden, darzu zu reden und könte nit
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vorbeygangen werden.

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Nos: Solches seie noch in fieri, und könte daraus khein recht oder befugnuß ad praesens
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erzwungen werden. Wir wölten alles ad referendum annhemmen und dhavon gehörigen
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orts gebührlich hinderpringen. Ersuchten aber die stendte nochmals, den sachen waß
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mehr nachzudencken und sich waß näher auf die außgeantwortete vorschläge zu
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erclehrn oder ire vorige erclehrung zu moderirn, dhamit die handlung möege fortgesetzt
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und zu völlicher richtigkeit gebracht werden. Würde nit zu verantworten sein, wan man
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die handtlung bey so weith gebrachten sachen sölte zerschlagen laßen.

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Illi inhaerent prioribus und sagten unß under gesicht, man solte nitt darauf zulagen, daß
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die Schweeden würden frieden schließen, solang nit auch der punctus gravaminum
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richtig, dan darauf hetten die Schweedische ein solches absehen, daß sie denselben pro
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principali parte suae satisfactionis hielten und alle oblationes factas nit achteten, solang
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nit auch dieser punct seine richtigkeit habe.

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