Acta Pacis Westphalicae : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 7: 1647 - 1648 / Andreas Hausmann
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3. Verhandlungen mit den schwedischen Gesandten über Änderungen am Trauttmansdorffianum
Nach dem Eintreffen der Hauptinstruktion und dem Vorliegen einer offiziellen Erklärung der katholischen Reichsstände zum Trauttmans-dorffianum konnten die von den Protestanten vehement geforderten Ver-handlungen der Kaiserlichen mit den schwedischen Gesandten endlich beginnen. Verhandlungsgrundlage waren die im Namen der Katholischen herausgegebenen Korrekturvorschläge der kaiserlichen Gesandten. Da ein Großteil der Abweichungen dieser Korrekturvorschläge von der Haupt-instruktion durch die kaiserliche Resolution vom 18. Dezember 1647 ge-billigt wurde
, hatten die kaiserlichen Gesandten zumindest ihren Handlungsspielraum dahingehend erweitert, daß sie nun im Feld zwi-schen den herausgegebenen Korrekturvorschlägen und den Bestimmungen der Hauptinstruktion operieren konnten. Nach dem Erhalt der Haupt-instruktion gaben die Kaiserlichen zunächst unverzüglich den dort bei-gelegten Textvorschlag für den Vollzug und die Sicherung des Friedens heraus
– ein Regelungsbereich, der in dieser Phase der Verhandlungen zunehmend ins Zentrum der kaiserlichen Aufmerksamkeit rückte
In der Weisung vom 29. Januar 1648 (
[Nr. 102] ) erklärte der Ks. die Regelungen über die Friedenssicherung explizit zum
haubtpunct, alß darauf der effect und sicherheit des fri-dens beruhet. Diese Bewertung wurde auch dadurch verdeutlicht, daß dies der einzige Regelungsgegenstand war, der am Ks.hof zu keinem Zeitpunkt in der in Trauttmans-dorffs Friedensentwurf enthaltenen Form akzeptiert wurde. Außerdem drängte der Ks. die
Ges.
in Westfalen in der Folge wiederholt, eine Erklärung der schwed.
Ges.
zu dem ksl. Textvorschlag einzufordern (vgl. Nr. 95 bei Anm. 5, Nr. 102 sowie die Beratungen zur Weisung vom 24. Januar 1648 [d.i. zu Nr. 97]).
.
Die ersten konkreten Verhandlungen über den Friedensvertrag führten Lamberg, Krane, Volmar, Oxenstierna und Salvius schließlich am 31. Dezember 1647, womit seit der Ankunft Volmars in Osnabrück sechsein-halb Wochen vergangen waren. Nach wie vor galt die Prämisse, daß eine Gruppe bedeutender, katholischer Reichsstände unter der Führung Kur-mainz’ und Kurbayerns Druck auf den Kaiser ausübte, keine Zeit für Ver-handlungen über Änderungen am Friedensentwurf Trauttmansdorffs zu verwenden, worüber die schwedischen Gesandten wiederum sehr genau informiert waren und den Änderungsforderungen der kaiserlichen Gesand-ten dementsprechend gelassen entgegensehen konnten. Dessen ungeachtet sah Volmar den Verhandlungen zunächst zuversichtlich entgegen
Vgl. sein Schreiben an Trauttmansdorff vom 26. Dezember 1647 (
[Nr. 62] ).
.
Dieser Optimismus erfuhr indes nach der ersten Verhandlungsrunde einen herben Dämpfer
. Nachdem auch in weiteren Konferenzen am 3. und
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5. Januar 1648 relevante Fortschritte in weiter Ferne lagen
Vgl. die Relation vom 6. Januar 1648 (
[Nr. 73] ). Beispielsweise waren Ksl. und Schweden bei der Amnestie in 14 Fällen zu keiner Einigung gelangt. Diese Streitpunkte wurden daraufhin den prot.
Rst.
n zur Stellungnahme übergeben.
, betonten die Gesandten bereits deutlich, daß sie weitere Verhandlungen über Ände-rungen am Friedensvertrag mit den schwedischen Gesandten für sinnlos hielten
. Das Fehlen einer Perspektive auf ernstzunehmende Fortschritte und den in ihren Augen nicht vorhandenen Friedenswillen der Schweden sahen die kaiserlichen Gesandten in unmittelbarem Zusammenhang mit dem frühen schwedischen Feldzugsbeginn und gingen deshalb davon aus, daß die Schweden zunächst den Erfolg der begonnenen Kampagne ab-warten und bis dahin keine Zugeständnisse von ihnen zu erwarten sein würden
. Zusätzlich verstärkt wurde dieser Eindruck durch die zeitwei-lige Abberufung des schwedischen Residenten in Münster, Biörenklou, nach Stockholm, vor dessen Rückkehr nach Westfalen kein Friedensschluß zu erwarten sei
.
In der Sache waren die zentralen Streitpunkte, in denen sich kaiserliche und schwedische Positionen unvereinbar gegenüberstanden, die Fragen der Amnestie und Autonomie in den kaiserlichen Erblanden. Für den Kaiser waren diese Punkte nicht verhandelbar: Die vollständige Restitu-tion der 1618 aus den Erblanden vertriebenen Personen kam für ihn eben-sowenig in Betracht wie eine grundsätzliche Einschränkung seines lan-desherrlichen Reformationsrechts
. Entsprechend hatte er seine Osna-brücker Gesandten am 6. Dezember instruiert
: In der Regelung über die Autonomie im Reich sollte das uneingeschränkte
ius territoriale durch die Streichung mehrerer Bestimmungen des Trauttmansdorffianums durchgesetzt werden, für welchen Fall im Friedensvertrag bezüglich der Erblande keine gesonderte Regelung nötig gewesen wäre. Sollte jedoch das landesherrliche Reformationsrecht durch die Autonomiebestimmun-gen durchlöchert werden, so hatten sich die Gesandten für einen entspre-chenden Vorbehalt für die kaiserlichen Erblande einzusetzen. Dement-gegen forderten die schwedischen Gesandten konsequent die
restitution der proscribirten und [die] freystellung der religion in besagten erblanden und lehnten schließlich die nach Maßgabe des Kaiserhofs verfaßten Text-vorschläge der Kaiserlichen ab
Vgl.
[ Nr. 99] . Zum Scheitern einer Einigung über die Amnestie und Autonomie in den ksl. Erblanden vgl. außerdem
[Nr. 73] ,
[ 83] und
[100] .
. Es gelang Lamberg, Krane und Volmar
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bis Mitte Januar 1648 folglich nicht, in diesem für den Kaiser zentralen Punkt ein Entgegenkommen, geschweige denn eine Zustimmung der schwedischen Gesandten zu erreichen. Der Umstand, daß ihnen die direkte Vermittlung zwischen den katholischen und protestantischen Reichsständen anstelle der Verhandlungen mit den Schweden verwehrt worden war, machte sich in dieser Situation um so schmerzlicher bemerk-bar. Auch in der am Kaiserhof mit hoher Priorität verfolgten Frage des Friedensvollzugs bzw. der Friedenssicherung konnten die kaiserlichen Ge-sandten lediglich eine knappe mündliche Zustimmung der schwedischen Gesandten zu dem kaiserlichen Textvorschlag erlangen, nicht jedoch die wiederholt eingeforderte schriftliche Erklärung
.
Begünstigt wurde diese auf Blockade zusteuernde Entwicklung durch den Umstand, daß Oxenstierna und Salvius in den Konferenzen unnachgiebig eine Behandlung der für sie relevanten Fragen, nämlich der Satisfaktion für die schwedische Armee sowie der verbündeten Landgräfin von Hessen-Kassel einforderten
. Aus Sicht der schwedischen Gesandten war dies verständlich, denn aus rein verhandlungstaktischen Gründen konnte ihnen nicht an einer Befriedigung der reichsständischen Interessen bei der Autonomie und beim Reichsreligionsrecht gelegen sein, wenn ihre vitalen Interessen dabei gleichzeitig ausgeklammert blieben
So auch
Ruppert, 330. Volmar äußerte bereits vor Beginn der substantiellen Verhand-lungen mit den schwed.
Ges.
die Vermutung, daß diese die Hauptverhandlungen zugun-sten ihrer Armeesatisfaktion blockieren würden (vgl.
[Nr. 57] ).
. Denn eines war klar: wären die Interessen der Reichsstände und des Kaisers einmal befrie-digt, würden die Kaiserlichen im Verbund mit den immer stärker nach Frieden strebenden Reichsständen leichtes Spiel haben, den Schweden Zu-geständnisse mit dem Argument abzupressen, sie dürften den Friedens-schluß wegen ihrer eigenen Forderungen nicht mehr unnötig aufhalten.
Im Fall der schwedischen Armeesatisfaktion konnten die kaiserlichen Ge-sandten das schwedische Streben erfolgreich unterbinden, wobei ihnen entscheidend zugute kam, daß sie in dieser Frage die uneingeschränkte Unterstützung der Reichsstände genossen, welche zu diesem Zeitpunkt eine Regelung dieses sensiblen Punktes vor der Unterzeichnung des Friedens ebenfalls ablehnten
Vgl.
[Nr. 61 Beilage [1]] ,
[ 70] . Ferdinand III. hatte in der Hauptinstruktion vom 6. Dezem-ber 1647 ausführlich dargelegt, warum er Verhandlungen über die Satisfaktion der schwed. Armee vor dem Friedensschluß ablehnte (vgl. oben bei Anm. 84). Diese Haltung unterstrich er im folgenden mehrfach (vgl. Nr. 82, 84).
. Dagegen konnten die Kaiserlichen nicht verhindern, daß die schwedischen Gesandten die Territorialsatisfaktion für das nordische Königreich erneut als Verhandlungsthema aufbrachten, indem sie den Kaiserlichen hierzu Textvorschläge präsentierten, die
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Neuerungen zu dem im Februar 1647 unterzeichneten Vorvertrag zum schwedischen Satisfaktionsartikel enthielten
. Ebensowenig konnten die Kaiserlichen verhindern, daß ihre konsequente Weigerung, die Satisfak-tion Hessen-Kassels zu thematisieren, den Verhandlungsfortgang massiv behinderte und das Zustandekommen weiterer kaiserlich-schwedischer Konferenzen tagelang blockierte
Vgl.
[Nr. 86] und
[92] . Analog zu der Frage der schwed. Armeesatisfaktion benutzten die schwed.
Ges.
diesen Verhandlungspunkt nach Meinung der ksl.
Ges.
ebenfalls, um die Verhandlungen über das Reichsreligionsrecht zu behindern (
[Nr. 86] ).
. In der Summe bilanzierte Volmar am 16. Januar 1648 den Verhandlungsstand zwischen Kaiserlichen und Schweden:
wir stekhen also allerseits
.
Der Kaiserhof verfolgte die aus der Not geborene Verhandlungsführung seiner Gesandten überwiegend mit Mißfallen. Die Weisungen an Lam-berg, Krane und Volmar beschränkten sich auf konsequente Verweise auf die ihnen erteilte Hauptinstruktion vom 6. Dezember 1647, worüber sie eine umfassende Erklärung der Schweden einholen sollten
. Während der Kaiser noch in den Weisungen vom 18. und 22. Januar 1648 auf die kaiserlich-schwedischen Verhandlungen setzte, waren die Gesandten be-reits dazu übergegangen, bei den Reichsständen für die Unterstützung der in der Hauptinstruktion enthaltenen kaiserlichen Änderungswünsche am Trauttmansdorffianum zu werben.