Acta Pacis Westphalicae : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 7: 1647 - 1648 / Andreas Hausmann

[p. LXVII] [scan. 67]

III. Die Verhandlungen mit den Reichsständen und Schweden

1. Die Ausgangslage der Verhandlungen in Osnabrück

Mit der Ankunft Volmars aus Münster war die kaiserliche Gesandtschaft in Osnabrück am 14. November 1647 vollständig . Dennoch sollte der Beginn substantieller Verhandlungen über das Friedensinstrument noch mehrere Wochen auf sich warten lassen. Zum einen verzögerte sich das Eintreffen der Gesandten der katholischen Reichsstände, da diese sich im Vorfeld nicht auf eine Deputation verstän-digen konnten und deshalb jeweils einzeln zu den Verhandlungen nach Osnabrück reisten

Vgl. [Nr. 2 Anm. 7] . – Kf. Maximilian von Bayern hatte sich stark für die Bildung einer Deputation mit Ges. aus Reihen der kath. Prinzipalisten eingesetzt. Nun mißbilligte er zutiefst, daß auch die Maximalisten ( contradicenten) ihre Ges. nach Osnabrück abordne-ten, da er hierdurch den Erfolg der Verhandlungen gefährdet sah (vgl. [Beilage [1] zu Nr. 29] ).
. Als erster traf am 21. November der kurbayerische Gesandte Ernst in Osnabrück ein. Erst eine Woche später waren bis auf Kurköln, Österreich, Burgund und Osnabrück alle katholischen Reichs-stände durch Gesandte vertreten. Die Ankunft eines kurkölnischen Ge-sandten zog sich noch bis zum 3. Dezember 1647 hin

Vgl. [Nr. 7] , [ 10] , [16] , [ 27] .
. Die hieraus resul-tierende Verzögerung des Verhandlungsbeginns bis Anfang Dezember wurde von allen Beteiligten in erster Linie dem kurkölnischen Primarge-sandten Wartenberg angelastet

Vgl. [ Nr. 4] , [ 11] , [ 22.] Wartenberg kehrte erst am 25. November 1647 aus Bonn zurück, wo er mit dem kurbg. GR Schwerin über einen Tauschplan betr. das Hst. Osnabrück verhan-delt hatte (vgl. [Nr. 12] ; zur Reise Wartenbergs und dem Tauschplan vgl. [Nr. 4 Anm. 4] ). – Den Ksl. dürfte die allgemeine Schuldzuweisung an Wartenberg nicht ungelegen gekom-men sein, da sie selbst für die Verhandlungen noch nicht instruiert waren.
.
Während die anwesenden Diplomaten noch das Eintreffen der katho-lischen Gesandten abwarteten, mußten die Kaiserlichen bei der Vorberei-tung der kommenden Verhandlungen bereits einen empfindlichen Rück-schlag hinnehmen. Ursache war die Vereinbarung über den künftigen Verhandlungsmodus: Die protestantischen Reichsstände plädierten für einen Modus, bei dem zunächst Kaiserliche und Schweden verhandeln sollten und die Reichsstände erst dann hinzugezogen würden, wenn es in diesen kaiserlich-schwedischen Verhandlungen zu unüberwindbaren Dif-ferenzen kommen sollte. Während der Kaiserhof am 27. November 1647 noch davon ausging, daß die Gesandten wie geplant unmittelbar zwischen den Reichsständen beider Konfession vermitteln würden, hatten diese am 20. bzw. 21. November bereits nolens volens dem vorgeschlagenen Ver-handlungsmodus zugestimmt, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen,

[p. LXVIII] [scan. 68]

die Verhandlungen mutwillig in die Länge zu ziehen

Vgl. [ Nr. 2] , [ 6] , [ 7] , [ 14] , [ 16] .
. Durch diese Zwi-schenschaltung der schwedischen Gesandten war den Kaiserlichen schon vor Verhandlungsbeginn der Weg verbaut, eine protestantisch-katholische Einigung über die Regelungen der Amnestie und des Reichsreligionsrechts zu Lasten Schwedens zu vermitteln und die Protestanten auf diesem Wege aus ihrem Verbund mit Schweden herauszulösen.
Erschwerend kam hinzu, daß die schwedisch-protestantische Seite sich lediglich gewillt zeigte, über diejenigen Punkte zu verhandeln, die im Sommer noch offen bzw. unverglichen geblieben waren

Vgl. [ Nr. 10] , [ 16] , [ 33] .
.
Hiermit war ein Grundproblem der kommenden Verhandlungen berührt, denn welche Punkte in welcher Form verglichen waren, wurde von den Verhandlungsparteien bewußt offengelassen. Der letzte schriftlich fixierte Verhandlungsstand war das „Instrumentum Trauttmansdorffianum“, aber auch hier waren einige Punkte strittig geblieben. Die Ergebnisse der anschließenden Verhandlungen in Münster hatten keine offiziellen Resul-tate erbracht, so daß im Ergebnis beide Seiten zu einem gewissen Grad für sich selbst definieren konnten, was nun strittig und was unstrittig war. Es existierte somit keine allgemein anerkannte, klar definierte Verhandlungs-grundlage, über die verhandelt werden konnte. Vor allem die Gesandten Schwedens und der protestantischen Reichsstände mieden eine klare Fest-legung und wiederholten statt dessen immer wieder ihre Forderung, es solle bei allem deme, waß im instrumento verglichen, sein verbleibens haben – was damit konkret gemeint war, blieb freilich offen

Zitat aus der Relation vom 5. Dezember 1647 ( [Nr. 27 bei Anm. 3] ). In einer späteren Konferenz erklärten die schwed. Ges. , daß sie [...] niehmahlen bedacht gewesen, von demienigen, so sie im auffsatz des instrumenti für vergliechen halten, daß geringste zu weichen (Relation vom 23. Januar 1648, d.i. [Nr. 96 bei Anm. 5] ). Lediglich einmal bezog sich Leuber konkret auf die zehn schriftlich fixierten, strittigen Verhandlungspunkte, welche die prot. Rst. zwei Tage vor Trauttmansdorffs Abreise im Juli 1647 beraten hatten (vgl. [Nr. 2 Anm. 14] ).
. Anderer-seits zögerten die schwedischen Gesandten nicht, vor Beginn der Verhand-lungen von den Kaiserlichen eine definitive Erklärung darüber einzufor-dern, welche Punkte sie als verglichen betrachteten .
Daneben brachte die Vorbereitung der neuen Verhandlungsrunde in Osnabrück für die kaiserlichen Gesandten eine weitere Hypothek: die Gegenseite hatte auf unbekanntem Wege einige Schreiben Kurfürst Maxi-milians von Bayern an den Kaiser sowie kaiserliche Weisungen an die Gesandten in Osnabrück erhalten

Benannt in [Nr. 3] , [ 6] , [ 7] , [ 8] , [ 19] , [ 70] . Aufzählung aller abgefangenen Schreiben: [Nr. 27] .
. Hierdurch waren die protestan-tischen und schwedischen Gesandten darüber informiert, daß Kurbayern beim Kaiser auf die Annahme des Trauttmansdorffianums drängte und

[p. LXIX] [scan. 69]

Ferdinand III. seine Gesandten angewiesen hatte, einen Bruch der Ver-handlungen unbedingt zu vermeiden. In einem Fall hatten die protestan-tischen Gesandten sogar die vollständige Fassung eines kurbayerischen Schreibens an den Kaiser in den Händen, das die kaiserlichen Gesandten selbst lediglich auszugsweise erhalten hatten . Die denkbare Möglich-keit, daß die kurbayerische Gesandtschaft selbst die kurfürstlichen Schrei-ben an die Gegenseite lanciert hat, um die eigene Position gegenüber den Änderungsbestrebungen der Kaiserlichen und Teilen der Katholischen zu stärken, wurde jedoch in den kaiserlichen Korrespondenzen an keiner Stelle angedeutet, geschweige denn explizit geäußert

Statt dessen vermutete Volmar Unregelmäßigkeiten in den Kanzleien hinter den Vor-kommnissen (vgl. [Nr. 33 Anm. 10] ).
.
Die Erfolgsaussichten für die kaiserlichen Änderungsbestrebungen waren somit bereits vor Aufnahme der ersten Verhandlungen stark beeinträch-tigt: zum einen durch den Verhandlungsmodus, der keine direkte Ver-mittlung zwischen den Konfessionsparteien zuließ; zum anderen durch die Gewißheit der Gegenseite, daß die kaiserlichen Änderungsbestrebun-gen bei bedeutenden katholischen Reichsständen auf Ablehnung stießen und daß die kaiserlichen Gesandten gehalten waren, bei einem drohenden Scheitern der Verhandlungen die eigenen Forderungen nicht aufrechtzuer-halten. Und zum dritten hatten die Gesandten beim Eintreffen der letzten katholischen Gesandten noch keine verbindliche kaiserliche Instruktion in Händen, aufgrund derer ihnen eine zielgerichtete Verhandlungsführung möglich gewesen wäre. Die kaiserliche Hauptinstruktion für die weitere Verhandlungsführung traf erst am 25. Dezember 1647 in Osnabrück ein.

2. Auftakt ohne Instruktion

In der ersten Konferenz zwischen Kaiserlichen und Schweden am 25. November 1647 wurde der Beginn substantieller Verhandlungen bis zur vollständigen Anwesenheit der katholischen Gesandten verschoben. Die kaiserlichen Gesandten erfuhren von Oxenstierna und Salvius jedoch bereits die zentralen schwedischen Grundpositionen der kommenden Wochen: Forderung nach Aufnahme von Verhandlungen über die Rege-lung für die schwedische Armeesatisfaktion; grundsätzliche Ablehnung von Verhandlungen über diejenigen Punkte des Friedensinstruments, die sie als bereits verglichen betrachteten. Lamberg, Krane und Volmar wiesen diese Standpunkte weisungsgemäß zurück, erklärten sich aber im Gegenzug bereit, eine Aufstellung derjenigen Punkte zusammenzutragen, welche die katholische Seite als verhandlungsbedürftig betrachtete

Vgl. [ Nr. 10] . Bereits am 21. November 1647 hatten die schwed. Ges. von den Ksl. eine definitive Erklärung darüber gefordert, welche Punkte des Friedensvertrags noch verhan-delt werden sollten (vgl. Nr. 6).
. Um

[p. LXX] [scan. 70]

eine schnellstmögliche Einigung der katholischen Reichsstände auf einen solchen Schriftsatz zu erreichen, stimmten die kaiserlichen Gesandten zu-nächst eine gemeinsame Position mit den anwesenden Gesandten der katholischen Kurfürsten ab

Die Ausarbeitung der gemeinsamen Position erfolgte am letzten November-Wochenende (29. November – 1. Dezember 1647) mit den Ges. von Kurmainz, Kurtrier und Kur-bayern. Kurköln war an diesen Beratungen nicht beteiligt, da es erst ab dem 3. Dezember 1647 durch Ges. in Osnabrück vertreten war (vgl. [Nr. 22] ).
. Das Ergebnis dieser Beratungen, eine Liste mit Korrekturvorschlägen, übergaben sie den Katholischen am 3. Dezem-ber, als die katholischen Reichsstände durch die Ankunft der kurköl-nischen Gesandten vollständig vertreten waren

[Beilage [1] zu Nr. 22] . Zur Übergabe und der dazugehörigen Unterredung zwischen den Ksl. und den Ges. der kath. Rst. vgl. [Nr. 27.]
. Die katholischen Reichsstände willigten in diesem Zusammenhang in den vereinbarten Verhandlungsmodus ein, die Verhandlungen selbst mußten allerdings bis zum Vorliegen einer Erklärung der katholischen Reichsstände zu den Kompromißvorschlägen ruhen.
Derweil etablierte sich ein von Wartenberg leidenschaftlich verfolgter Tauschplan als regelmäßiges Thema in den Relationen der kaiserlichen Gesandten in Osnabrück. Wartenberg ging es dabei um den dauerhaften Erhalt des Hochstifts Osnabrück, für das die Kaiserlichen mit den Schwe-den eine alternierende Sukzession zwischen einem braunschweig-lünebur-gischen Administrator und einem katholischen Bischof für die Zeit nach Wartenbergs Ableben vereinbart hatten

Vgl. zum Tauschplan und der alternierenden Sukzession im einzelnen [Nr. 4 Anm. 4] bzw. [Nr. 27 Anm. 20] .
. Für die kaiserlichen Gesandten stellte sich der Plan Wartenbergs indes als hartnäckiges Verhandlungshin-dernis dar, da sie zutreffenderweise davon ausgingen, daß die betroffenen protestantischen Reichsstände hierzu niemals ihre Zustimmung geben würden

Vgl. [ Nr. 4] , [ 27] , [ 48] , [ 53] und besonders [Nr. 33.]
. Andererseits mußten sie den Forderungen Wartenbergs jedoch in einem gewissen Maße nachgehen, da sie die Unterstützung Kurkölns in den kommenden Verhandlungen über den Friedensvertrag benötigten

Am 7./8. Januar 1648 trugen die ksl. Ges. den Tauschplan bei den Ges. Braunschweig-Lüneburgs und Kurbg.s vor, die diesen erwartungsgemäß ablehnten (vgl. [Nr. 78 Beilage 2] ). Die Ges. rechtfertigten sich später ggb. Ferdinand III. für diese Verhandlungen, sie hätten wegen des massiven kurkölnischen Drängens keine andere Möglichkeit gesehen, als den Tauschplan pro forma anzusprechen (vgl. [Nr. 113] ).
. Die Beratungen der Katholischen über die ersten fünf Artikel des Trautt-mansdorffianums

Hierzu zählten als wichtigste Punkte die Amnestie und das Reichsreligionsrecht.
waren am 11. Dezember 1647 abgeschlossen, und das Ergebnis offenbarte in erster Linie eines: die Spaltung der katholischen Reichsstände in solche, die mit möglichst wenigen Änderungen am Trautt-mansdorffianum einen schnellstmöglichen Friedensschluß anstrebten, und

[p. LXXI] [scan. 71]

solche, die in der Tradition des ersten katholischen Gutachtens vom 7. Oktober 1647 zentrale Bestimmungen des Trauttmansdorffianums im katholischen Sinne ändern wollten. Raigersperger überbrachte den kaiser-lichen Gesandten am 13. Dezember den ersten Teil des zweiten katho-lischen Gutachtens. Der Umstand, daß er das Gutachten allein, und nicht, wie üblich, als Mitglied einer Deputation überbrachte, zeigte bereits for-mal, daß eine Reihe katholischer Reichsstände das Gutachten nicht akzep-tierte und inhaltlich ablehnte

Vgl. [Nr. 48] ; Dickmann, 449. Die kath. Declarationes ultimae vom 23. Januar 1648 wur-den den Ksl. wiederum von einer Deputation kath. Ges. übergeben (vgl. [Nr. 109] ).
. In der Sache wurde der kurmainzische Kanzler entsprechend deutlich: Die katholischen Reichsstände seien in den Fragen der Amnestie und des Reichsreligionsrechts nimmermehr zu einer gemeinsamen Haltung zu bringen, das vorliegende Gutachten soll-ten die kaiserlichen Gesandten lediglich intern zur Kenntnis nehmen und in den Verhandlungen mit den schwedischen Gesandten nicht berücksich-tigen. In diesem Sinne hatte der kurbayerische Gesandte Ernst bereits vor der Aushändigung des Gutachtens durch Raigersperger die Mißbilligung der katholischen Prinzipalisten

Namentlich nannte Ernst neben Kurbayern die übrigen drei kath. Kf.en sowie Würzburg und Bamberg. Raigersperger erwähnte bei der Übergabe des Ga. s auch die Ablehnung durch Salzburg.
deutlich gemacht und getreu der kur-bayerischen Linie einen Vorgriff des Kaisers über die Forderungen der katholischen Maximalisten hinweg gefordert. Eine gemeinsame Haltung mit der Gesamtheit der katholischen Reichsstände schied damit Mitte Dezember 1647 endgültig als realistische Verhandlungsoption für die kai-serlichen Gesandten aus.
Weil ie auff die in ihrm concluso enthaltene formb nit vortzukommen

So die Bewertung des ersten Teils des zweiten kath. Ga. durch die ksl. Ges. (vgl. [Nr. 48, S. 180 Z. 18–19] ).
, weil für die Verhandlungsführung bis dato nur unverbindliche Vorant-worten anstelle einer verbindlichen kaiserlichen Instruktion vorlagen und die protestantischen Reichsstände bereits seit Ende November zuneh-mend ungeduldig auf den Beginn der Verhandlungen zwischen Kaiser-lichen und Schweden drängten

Vgl. [ Nr. 16] , [ 18] , [ 22] .
, griff die kaiserliche Gesandtschaft in Osnabrück zur Selbsthilfe. In den folgenden Tagen verfaßten die kaiser-lichen Gesandten eine eigene Aufstellung von Korrekturvorschlägen für das Trauttmansdorffianum, auf deren Grundlage sie sich eine Einigung erhofften, die alle beteiligten Parteien zufriedenstellen würde

Die gen. Korrekturvorschläge der ksl. Ges. (s. [Anm. 134] ) werden, gemeinsam mit zwei weiteren Schriftsätzen, im Quellenteil des Bandes als *KEIPO5* bezeichnet (vgl. aus-führlich [ Nr. 29 Anm. 245] ).
.

[p. LXXII] [scan. 72]

Nach Darstellung der kaiserlichen Gesandten wurden diese Korrekturvor-schläge auf der Grundlage der bis zu diesem Zeitpunkt eingetroffenen Vorantworten, der Korrekturvorschläge vom 3. Dezember 1647 und dem nun vorliegenden katholischen Gutachten erstellt

Vgl. [Nr. 48] .
. Entsprechend dem Gutachten der katholischen Reichsstände, welches am 13. und 19. Dezem-ber 1647 in zwei Teilen an die Kaiserlichen übergeben wurde , händig-ten diese auch die Korrekturvorschläge zu den Artikeln I–XIV des Frie-densentwurfs am 17. und 22. Dezember in zwei Teilen an die Gesandten Schwedens und der protestantischen Reichsstände aus – und zwar im Namen der katholischen Reichsstände

Vgl. [Nr. 53 Beilage B] und [Nr. 56 Beilage B[.1]] . Ein Textvorschlag für den Vollzug und die Sicherung des Friedens (Art. XV *KEIPO5* ) wurde am Ks.hof verfaßt und lag der Hauptinstruktion vom 6. Dezember bei (Nr. 29 Beilage [3]).
. Der erste Teil der Korrekturvor-schläge war inhaltlich zu großen Teilen mit den Korrekturen vom 3. De-zember identisch, wich aber in einigen Punkten von den Vorantworten des Kaiserhofs zur vorläufigen Verhandlungsführung ab

Viele der Abweichungen von den Vorantworten wurden in der ksl. Resolution vom 18. Dezember 1647 zu den Korrekturvorschlägen der ksl. Ges. vom 3. Dezember nachträg-lich gebilligt, sofern ihre Erlangung keine zu große Zeitverzögerung bedeuten würde (vgl. [Nr. 55 Beilage [1]] ).
. Die schließlich den Schweden und Protestanten übergebenen Korrekturvorschläge waren damit im wesentlichen ein Vermittlungsversuch auf der Grundlage dessen, was die kaiserlichen Gesandten mit den Gesandten der Kurfürsten von Mainz, Trier und Bayern vom 29. November bis zum 1. Dezember 1647 vereinbart hatten. Sie unterschieden sich in mehreren Punkten von der späteren Hauptinstruktion des Kaiserhofs – ein Umstand, der später wesentlich zu der deutlichen, internen Kritik der kaiserlichen Räte an den Korrekturvorschlägen der Gesandten beitrug

Vgl. das Ga. zur Weisung vom 18. Januar 1648 (Nr. 91; Text: S. 295 ab Z. 18).
.
Die Korrekturvorschläge waren der Versuch der Kaiserlichen, vor dem Eintritt in die Verhandlungen mit den schwedischen Gesandten unter Be-rücksichtigung der katholischen Änderungswünsche einen tragfähigen Kompromiß zwischen den Reichsständen zu erarbeiten und gleichzeitig die Zeit bis zum Erhalt der Instruktion für die Verhandlungen sinnvoll zu überbrücken. Kurze Zeit später, am 25. Dezember 1647, traf die drin-gend benötigte kaiserliche Hauptinstruktion für die Verhandlungen mit den Schweden in Osnabrück ein

Noch am 23. Dezember 1647 hatten die Ges. an den Ks.hof geschrieben, daß sie die Hauptinstruktion nunmehr dringendst benötigten (vgl. [Nr. 56] ).
.

[p. LXXIII] [scan. 73]

3. Verhandlungen mit den schwedischen Gesandten über Änderungen am Trauttmansdorffianum

Nach dem Eintreffen der Hauptinstruktion und dem Vorliegen einer offiziellen Erklärung der katholischen Reichsstände zum Trauttmans-dorffianum konnten die von den Protestanten vehement geforderten Ver-handlungen der Kaiserlichen mit den schwedischen Gesandten endlich beginnen. Verhandlungsgrundlage waren die im Namen der Katholischen herausgegebenen Korrekturvorschläge der kaiserlichen Gesandten. Da ein Großteil der Abweichungen dieser Korrekturvorschläge von der Haupt-instruktion durch die kaiserliche Resolution vom 18. Dezember 1647 ge-billigt wurde

Wie [Anm. 135] . Die Weisung mit der ksl. Resolution traf am 4. Januar 1648 in Osnabrück ein (vgl. APW [ III C 2/2, 934 Z. 12–14)] .
, hatten die kaiserlichen Gesandten zumindest ihren Handlungsspielraum dahingehend erweitert, daß sie nun im Feld zwi-schen den herausgegebenen Korrekturvorschlägen und den Bestimmungen der Hauptinstruktion operieren konnten. Nach dem Erhalt der Haupt-instruktion gaben die Kaiserlichen zunächst unverzüglich den dort bei-gelegten Textvorschlag für den Vollzug und die Sicherung des Friedens heraus

Vgl. [Nr. 62] .
– ein Regelungsbereich, der in dieser Phase der Verhandlungen zunehmend ins Zentrum der kaiserlichen Aufmerksamkeit rückte

In der Weisung vom 29. Januar 1648 ( [Nr. 102] ) erklärte der Ks. die Regelungen über die Friedenssicherung explizit zum haubtpunct, alß darauf der effect und sicherheit des fri-dens beruhet. Diese Bewertung wurde auch dadurch verdeutlicht, daß dies der einzige Regelungsgegenstand war, der am Ks.hof zu keinem Zeitpunkt in der in Trauttmans-dorffs Friedensentwurf enthaltenen Form akzeptiert wurde. Außerdem drängte der Ks. die Ges. in Westfalen in der Folge wiederholt, eine Erklärung der schwed. Ges. zu dem ksl. Textvorschlag einzufordern (vgl. Nr. 95 bei Anm. 5, Nr. 102 sowie die Beratungen zur Weisung vom 24. Januar 1648 [d.i. zu Nr. 97]).
.
Die ersten konkreten Verhandlungen über den Friedensvertrag führten Lamberg, Krane, Volmar, Oxenstierna und Salvius schließlich am 31. Dezember 1647, womit seit der Ankunft Volmars in Osnabrück sechsein-halb Wochen vergangen waren. Nach wie vor galt die Prämisse, daß eine Gruppe bedeutender, katholischer Reichsstände unter der Führung Kur-mainz’ und Kurbayerns Druck auf den Kaiser ausübte, keine Zeit für Ver-handlungen über Änderungen am Friedensentwurf Trauttmansdorffs zu verwenden, worüber die schwedischen Gesandten wiederum sehr genau informiert waren und den Änderungsforderungen der kaiserlichen Gesand-ten dementsprechend gelassen entgegensehen konnten. Dessen ungeachtet sah Volmar den Verhandlungen zunächst zuversichtlich entgegen

Vgl. sein Schreiben an Trauttmansdorff vom 26. Dezember 1647 ( [Nr. 62] ).
.
Dieser Optimismus erfuhr indes nach der ersten Verhandlungsrunde einen herben Dämpfer . Nachdem auch in weiteren Konferenzen am 3. und

[p. LXXIV] [scan. 74]

5. Januar 1648 relevante Fortschritte in weiter Ferne lagen

Vgl. die Relation vom 6. Januar 1648 ( [Nr. 73] ). Beispielsweise waren Ksl. und Schweden bei der Amnestie in 14 Fällen zu keiner Einigung gelangt. Diese Streitpunkte wurden daraufhin den prot. Rst. n zur Stellungnahme übergeben.
, betonten die Gesandten bereits deutlich, daß sie weitere Verhandlungen über Ände-rungen am Friedensvertrag mit den schwedischen Gesandten für sinnlos hielten

Vgl. [ Nr. 73] ; in der ihm eigenen Deutlichkeit auch Volmar ggb. Trauttmansdorff in [Nr. 74] . Später wiederholt in [Nr. 78] , [ 79] und [99] .
. Das Fehlen einer Perspektive auf ernstzunehmende Fortschritte und den in ihren Augen nicht vorhandenen Friedenswillen der Schweden sahen die kaiserlichen Gesandten in unmittelbarem Zusammenhang mit dem frühen schwedischen Feldzugsbeginn und gingen deshalb davon aus, daß die Schweden zunächst den Erfolg der begonnenen Kampagne ab-warten und bis dahin keine Zugeständnisse von ihnen zu erwarten sein würden . Zusätzlich verstärkt wurde dieser Eindruck durch die zeitwei-lige Abberufung des schwedischen Residenten in Münster, Biörenklou, nach Stockholm, vor dessen Rückkehr nach Westfalen kein Friedensschluß zu erwarten sei

Vgl. [ Nr. 92] .
.
In der Sache waren die zentralen Streitpunkte, in denen sich kaiserliche und schwedische Positionen unvereinbar gegenüberstanden, die Fragen der Amnestie und Autonomie in den kaiserlichen Erblanden. Für den Kaiser waren diese Punkte nicht verhandelbar: Die vollständige Restitu-tion der 1618 aus den Erblanden vertriebenen Personen kam für ihn eben-sowenig in Betracht wie eine grundsätzliche Einschränkung seines lan-desherrlichen Reformationsrechts

Vgl. Ruppert, 361f.
. Entsprechend hatte er seine Osna-brücker Gesandten am 6. Dezember instruiert

Vgl. [Nr. 29 bei Anm. 68] bzw. [ 122] und [Nr. 30] ; bekräftigt in [Nr. 55 bei Anm. 47] und in [Nr. 82.]
: In der Regelung über die Autonomie im Reich sollte das uneingeschränkte ius territoriale durch die Streichung mehrerer Bestimmungen des Trauttmansdorffianums durchgesetzt werden, für welchen Fall im Friedensvertrag bezüglich der Erblande keine gesonderte Regelung nötig gewesen wäre. Sollte jedoch das landesherrliche Reformationsrecht durch die Autonomiebestimmun-gen durchlöchert werden, so hatten sich die Gesandten für einen entspre-chenden Vorbehalt für die kaiserlichen Erblande einzusetzen. Dement-gegen forderten die schwedischen Gesandten konsequent die restitution der proscribirten und [die] freystellung der religion in besagten erblanden und lehnten schließlich die nach Maßgabe des Kaiserhofs verfaßten Text-vorschläge der Kaiserlichen ab

Vgl. [ Nr. 99] . Zum Scheitern einer Einigung über die Amnestie und Autonomie in den ksl. Erblanden vgl. außerdem [Nr. 73] , [ 83] und [100] .
. Es gelang Lamberg, Krane und Volmar

[p. LXXV] [scan. 75]

bis Mitte Januar 1648 folglich nicht, in diesem für den Kaiser zentralen Punkt ein Entgegenkommen, geschweige denn eine Zustimmung der schwedischen Gesandten zu erreichen. Der Umstand, daß ihnen die direkte Vermittlung zwischen den katholischen und protestantischen Reichsständen anstelle der Verhandlungen mit den Schweden verwehrt worden war, machte sich in dieser Situation um so schmerzlicher bemerk-bar. Auch in der am Kaiserhof mit hoher Priorität verfolgten Frage des Friedensvollzugs bzw. der Friedenssicherung konnten die kaiserlichen Ge-sandten lediglich eine knappe mündliche Zustimmung der schwedischen Gesandten zu dem kaiserlichen Textvorschlag erlangen, nicht jedoch die wiederholt eingeforderte schriftliche Erklärung .
Begünstigt wurde diese auf Blockade zusteuernde Entwicklung durch den Umstand, daß Oxenstierna und Salvius in den Konferenzen unnachgiebig eine Behandlung der für sie relevanten Fragen, nämlich der Satisfaktion für die schwedische Armee sowie der verbündeten Landgräfin von Hessen-Kassel einforderten . Aus Sicht der schwedischen Gesandten war dies verständlich, denn aus rein verhandlungstaktischen Gründen konnte ihnen nicht an einer Befriedigung der reichsständischen Interessen bei der Autonomie und beim Reichsreligionsrecht gelegen sein, wenn ihre vitalen Interessen dabei gleichzeitig ausgeklammert blieben

So auch Ruppert, 330. Volmar äußerte bereits vor Beginn der substantiellen Verhand-lungen mit den schwed. Ges. die Vermutung, daß diese die Hauptverhandlungen zugun-sten ihrer Armeesatisfaktion blockieren würden (vgl. [Nr. 57] ).
. Denn eines war klar: wären die Interessen der Reichsstände und des Kaisers einmal befrie-digt, würden die Kaiserlichen im Verbund mit den immer stärker nach Frieden strebenden Reichsständen leichtes Spiel haben, den Schweden Zu-geständnisse mit dem Argument abzupressen, sie dürften den Friedens-schluß wegen ihrer eigenen Forderungen nicht mehr unnötig aufhalten.
Im Fall der schwedischen Armeesatisfaktion konnten die kaiserlichen Ge-sandten das schwedische Streben erfolgreich unterbinden, wobei ihnen entscheidend zugute kam, daß sie in dieser Frage die uneingeschränkte Unterstützung der Reichsstände genossen, welche zu diesem Zeitpunkt eine Regelung dieses sensiblen Punktes vor der Unterzeichnung des Friedens ebenfalls ablehnten

Vgl. [Nr. 61 Beilage [1]] , [ 70] . Ferdinand III. hatte in der Hauptinstruktion vom 6. Dezem-ber 1647 ausführlich dargelegt, warum er Verhandlungen über die Satisfaktion der schwed. Armee vor dem Friedensschluß ablehnte (vgl. oben bei Anm. 84). Diese Haltung unterstrich er im folgenden mehrfach (vgl. Nr. 82, 84).
. Dagegen konnten die Kaiserlichen nicht verhindern, daß die schwedischen Gesandten die Territorialsatisfaktion für das nordische Königreich erneut als Verhandlungsthema aufbrachten, indem sie den Kaiserlichen hierzu Textvorschläge präsentierten, die

[p. LXXVI] [scan. 76]

Neuerungen zu dem im Februar 1647 unterzeichneten Vorvertrag zum schwedischen Satisfaktionsartikel enthielten . Ebensowenig konnten die Kaiserlichen verhindern, daß ihre konsequente Weigerung, die Satisfak-tion Hessen-Kassels zu thematisieren, den Verhandlungsfortgang massiv behinderte und das Zustandekommen weiterer kaiserlich-schwedischer Konferenzen tagelang blockierte

Vgl. [Nr. 86] und [92] . Analog zu der Frage der schwed. Armeesatisfaktion benutzten die schwed. Ges. diesen Verhandlungspunkt nach Meinung der ksl. Ges. ebenfalls, um die Verhandlungen über das Reichsreligionsrecht zu behindern ( [Nr. 86] ).
. In der Summe bilanzierte Volmar am 16. Januar 1648 den Verhandlungsstand zwischen Kaiserlichen und Schweden: wir stekhen also allerseits

[Nr. 89 bei Anm. 6] . Am 30. Januar 1648 berichtete Volmar schließlich vom Scheitern der Verhandlungen (vgl. [Nr. 105] ).
.
Der Kaiserhof verfolgte die aus der Not geborene Verhandlungsführung seiner Gesandten überwiegend mit Mißfallen. Die Weisungen an Lam-berg, Krane und Volmar beschränkten sich auf konsequente Verweise auf die ihnen erteilte Hauptinstruktion vom 6. Dezember 1647, worüber sie eine umfassende Erklärung der Schweden einholen sollten

Vgl. [Nr. 91] und [ 95] . Zur Kritik des Ks.s an der Verhandlungsführung der Ges. vgl. auch oben [S. LVII bei Anm. 63] . Verweise auf die Hauptinstruktion enthalten auch die Wei-sungen [Nr. 40] , [ 41] , [ 46] , [ 51] , [ 55 Beilage [1]] , [ 91] , [ 95] .
. Während der Kaiser noch in den Weisungen vom 18. und 22. Januar 1648 auf die kaiserlich-schwedischen Verhandlungen setzte, waren die Gesandten be-reits dazu übergegangen, bei den Reichsständen für die Unterstützung der in der Hauptinstruktion enthaltenen kaiserlichen Änderungswünsche am Trauttmansdorffianum zu werben.

4. Versuch einer Übereinkunft mit den Reichsständen

Erster Ansprechpartner der Kaiserlichen waren, wie bereits im November und Dezember 1647, die Gesandten der katholischen Kurfürsten, die jedoch keine klare Bereitschaft zur Unterstützung der kaiserlichen Ziele signalisierten. Bereits am 11. Januar 1648 sondierten Lamberg, Krane und Volmar bei ihnen, wie sie zu einem Vorgriff auf der Grundlage eines im kaiserlichen Sinne geänderten Trauttmansdorffianums stünden. Die Gesandten erklärten für den (in der Praxis nicht anzunehmenden) Fall, daß Schweden und Protestanten den kaiserlichen Änderungswünschen zu-stimmen würden, einen Vorgriff gegenüber den katholischen Maxima-listen nur gemeinsam mit den Schweden und Protestanten militärisch durchsetzen zu wollen. Und auch für den (wahrscheinlichen) Fall, daß die Schweden die kaiserlichen Änderungswünsche ablehnen würden, blieb eine verbindliche Aussage aus: Die kaiserlichen Gesandten sollten dann

[p. LXXVII] [scan. 77]

zunächst die Haltung der protestantischen Reichsstände vernehmen und die kurfürstlichen Gesandten so lange mit diesem Szenario verschonen . Vor diesem Hintergrund verfaßte Volmar Mitte Januar 1648 einen neuen kaiserlichen Gesamtentwurf für einen Friedensvertrag mit Schweden auf der Grundlage der Änderungsbestimmungen in der Hauptinstruktion. Dieser Entwurf blieb bis auf weiteres intern, da Volmar die Zustimmung der protestantischen Reichsstände zunächst in Gesprächen mit den Ge-sandten Kursachsens, Kurbrandenburgs sowie der Herzöge von Braun-schweig-Lüneburg absichern wollte

Vgl. [Nr. 89] .
. Die kaiserliche Seite sah bei den genannten Reichsständen folglich die günstigsten Ansatzpunkte, um die Gesamtheit der protestantischen Reichsstände in ihrem Sinne zu beein-flussen.
Um so verhängnisvoller war es für eine erfolgreiche Verhandlungsführung der kaiserlichen Gesandten in Osnabrück, daß die Sondierungen bei den Gesandten der beiden protestantischen Kurfürsten so lange in einer Sack-gasse steckten, bis die Missionen Schröders und Blumenthals an die kur-fürstlichen Höfe einen Abschluß gefunden hatten

Die Ges. der beiden prot. Kf.en entschuldigten sich gegenüber den Ksl., über die ksl. Än-derungswünsche am Trauttmansdorffianum noch nicht instruiert zu sein (vgl. Nr. 88, 92). Auch die ksl. Räte in Prag rieten, zunächst das Ergebnis der Verhandlungen Schröders bei Kf. Johann Georg von Sachsen abzuwarten ( Ga. zur Weisung vom 18. Januar 1648, d.i. [Nr. 91] ).
. Da Blumenthal die Reise an den Hof Kurfürst Friedrich Wilhelms wie gezeigt gar nicht erst antrat

Vgl. [ S. LXVf] . Die Ges. erhielten die Nachricht von der Unterbrechung der Mission Blu-menthals am 9. Februar 1648 (vgl. [ Nr. 103] ).
, hing das Wohl und Wehe der kaiserlichen Gesandten von einem schnellen Erfolg Schröders bei Kursachsen ab, weil ohne eine entspre-chende kurfürstliche Weisung die notwendige Unterstützung für die kai-serlichen Änderungswünsche am Friedensentwurf durch den kursächsi-schen Gesandten Leuber nicht zu erlangen war. Erschwerend kam hinzu, daß Leuber ohne eine entsprechende Weisung die kaiserlichen Änderungs-bestrebungen in keiner Weise unterstützte, sondern offenbar im Rahmen seiner Möglichkeiten versuchte, diese zu hintertreiben. Volmar bilanzierte Anfang Februar, daß Leuber seinen Befehlen nicht nachkomme und offensichtlich der schwedenfreundlichen Partei unter den protestantischen Reichsständen anhänge

Vgl. [Nr. 100] ; dazu auch [Nr. 113] , wo es darum geht, daß Leuber den Weisungen Kf. Johann Georgs offenbar nur verspätet und dann nicht in vollem Umfang nachkomme. Leuber war wohl auch maßgeblich an der Verfassung der prot. Rationes, warum die be-reits verglichenen Punkte des Friedensvertrags nicht mehr verhandelt werden sollten, be-teiligt (vgl. [Nr. 97 Anm. 7] ). Darüber hinaus machte er sich mit der Forderung nach grö-ßerer Autonomie für die AC-Verwandten in den ksl. Erblanden und bes. Schlesien am Ks.hof unbeliebt (vgl. die Ga. zu [Nr. 97] ; die ksl. Räte attestierten Leuber, fortwährend böße officia zu leisten).
.

[p. LXXVIII] [scan. 78]

Immerhin gelang es den kaiserlichen Gesandten, die protestantischen Reichsstände gegen den Widerstand der schwedischen Gesandten

Die schwed. Ges. waren bestrebt, direkte Verhandlungen der prot. Ges. mit den Ksl. zu unterbinden (vgl. [Nr. 78] , [ 88] ). Volmar berichtete, daß viele prot. Rst. mit der schwed. Verhandlungsführung unzufrieden seien, sich aber nicht trauten, eigenständig die Initia-tive zu ergreifen und mit den Ksl. zu verhandeln ( [vgl. Nr. 100] ).
zu einer schriftlichen Erklärung zur Amnestie und zum Reichsreligionsrecht zu bringen – den Declarationes ultimae der protestantischen Reichsstände, welche diese den Kaiserlichen und den Katholischen am 21. Januar 1648 übergaben

Vgl. [Nr. 96] , dort auch zum folgenden; zum Inhalt vgl. May, 484; Schneider, 387ff.
. Ihre Erklärung war allerdings nicht dazu angetan, die Zu-versicht der kaiserlichen Gesandten in eine Unterstützung ihrer Ände-rungswünsche durch die protestantischen Reichsstände zu mehren. Lam-berg, Krane und Volmar stellten im Gegenteil ernüchtert fest, daß auf der Grundlage der protestantischen Erklärung das Scheitern einer Eini-gung auch mit den Protestanten absehbar sei. Indem nun wiederum die katholischen Reichsstände eine Erklärung zu den protestantischen Decla-rationes ultimae abgaben

Declarationes ultimae der kath. Rst. vom 2. Februar 1648 (vgl. [Beilage [1] zu Nr. 109] ; May, 484; Schneider, 390ff). Der kurmainzische Ges. Vorburg behauptete ggb. Leuber, die ksl. Ges. hätten die kath. Declarationes ultimae selbst verfaßt und ursprünglich ent-haltene Zugeständnisse wieder gestrichen (vgl. Meiern IV, 932 li. Spalte).
, war es den Kaiserlichen zwar gelungen, die beiden Konfessionsparteien unmittelbarer in die Verhandlungen mit ein-zubeziehen, eine erfolgversprechende inhaltliche Annäherung blieb hier-durch jedoch ebenfalls aus.
Dementsprechend führten auch die Verhandlungen mit den schwedischen Gesandten zu keinen nennenswerten Fortschritten mehr – sofern sie denn überhaupt noch stattfanden. Zwischen dem 14. und dem 22. Januar 1648 wurde die Fortsetzung der Konferenzen mehrfach verschoben

Vgl. [ Nr. 92] .
. Nach der Aushändigung der protestantischen Declarationes ultimae trafen sich Kaiserliche und Schweden noch weitere drei Mal, ohne dabei die Differen-zen in zentralen Punkten, wie der Amnestie in den kaiserlichen Erb-landen, überwinden zu können

Die drei Konferenzen fanden am 22., 26. und 29. Januar 1648 statt (vgl. [ Nr. 96] , [ 99] , [ 104] ).
. Da die kaiserlichen Gesandten bis zum Ende des Monats von keiner relevanten Seite eine konkrete Zusage zur Unterstützung der kaiserlichen Änderungsbestrebungen am Trautt-mansdorffianum erlangen konnten, endeten ihre Bemühungen zunächst in einer Sackgasse.
Die Weisungen des Kaiserhofs begleiteten die Verhandlungsführung der kaiserlichen Gesandten in der zweiten Januarhälfte zunächst auf dem durch die Hauptinstruktion vorgegebenen Weg. Ferdinand III. be-schränkte sich darauf, eine umfassende Erklärung der schwedischen

[p. LXXIX] [scan. 79]

Gesandten zu den kaiserlichen Kompromißvorschlägen aus der zweiten Dezemberhälfte einzufordern

Vgl. [ Nr. 91] und [95.] Mit den Korrekturvorschlägen sind die in Nr. 29 Anm. 245 gen. Schriftsätze zu allen Punkten des Trauttmansdorffianums gemeint.
. In Anbetracht der aus Osnabrück be-richteten Aussichtslosigkeit der kaiserlich-schwedischen Verhandlungen wurde dieser Befehl schließlich dahingehend ausgeweitet, daß die Gesand-ten nun auch bei den protestantischen Reichsständen um Zustimmung zu den kaiserlichen Änderungswünschen werben sollten

Weisung vom 22. Januar 1648, d.i. [ Nr. 95] . In der Weisung vom 29. Januar (Nr. 102) konkretisierte der Ks. den Kreis der vorrangig gemeinten Rst. auf Kurbg., Kursachsen und Braunschweig-Lüneburg.
– ein Vorhaben, das Lamberg, Krane und Volmar zur selben Zeit bereits für hoffnungslos erklärten

Vgl. die Relation vom 23. Januar 1648 ( [Nr. 96] ).
. Insofern war die folgende Weisung vom 24. Januar 1648 für die kaiserlichen Gesandten von großer Bedeutung, denn sie erhielt erst-mals die Ermächtigung, einen neuen Gesamtentwurf nach Maßgabe der Hauptinstruktion herauszugeben, falls eine Einigung mit den protestan-tischen Reichsständen auch weiterhin nicht zu erreichen wäre

Vgl. [ Nr. 97] . Am 28. Januar 1648 drängte Salvius die ksl. Ges. ebenfalls zur Herausgabe eines neuen Gesamtentwurfs zur Überwindung der festgefahrenen Verhandlungen (vgl. [ Nr. 104] ).
.
Diese Ermächtigung wurde dann, offenbar unter starkem Drängen der kurbayerischen und kurmainzischen Gesandten am Kaiserhof, in der Wei-sung vom 1. Februar 1648 in die vorbehaltlose Aufforderung umgewan-delt, einen neuen Gesamtentwurf für einen Friedensvertrag mit Schweden nun schnellstmöglich herauszugeben und ohne weitere Verhandlungen über einzelne Punkte eine Erklärung der Gegenseite über diesen Gesamt-entwurf einzufordern

Vgl. [Nr. 108] , wiederholt in [Nr. 112] . Mändl und Waldenburg unterstützten somit die schwed. Position, daß die ksl. Ges. einen neuen Gesamtentwurf vorlegen sollten, bevor die Schweden sich selbst erklärten.
. Die Entwicklung der Ereignisse in Osnabrück überholte jedoch die Zustellung der Weisung, denn bereits vier Tage vor deren Eintreffen wurden die kaiserlichen Gesandten zum Handeln ge-zwungen.

5. Interkonfessionelle Separatverhandlungen

Am 29. Januar 1648 fand die vorerst letzte Verhandlungsrunde zwischen Kaiserlichen und Schweden in Osnabrück statt

Vgl. [ Nr. 104] .
. In den folgenden Tagen verhinderten die Abschiedsbesuche Longuevilles, die Herausgabe der katholischen Gegenerklärung zu den protestantischen Declarationes ultimae sowie eine vorzeitig abgebrochene Reise Oxenstiernas nach Münster das Zustandekommen einer weiteren kaiserlich-schwedischen

[p. LXXX] [scan. 80]

Konferenz

Vgl. [Nr. 109] und [113] . Die kath. Rst. übergaben ihre Declarationes ultimae am 2. Februar 1648 den Ksl., welche sie am folgenden Tag den prot. Rst. n aushändigten.
. Zwölf Wochen waren inzwischen seit der Ankunft Volmars in Osnabrück vergangen, ohne daß Kaiserliche und Schweden relevante Fortschritte auf dem Weg zum Friedensschluß vorweisen konnten. Lam-berg, Krane und Volmar hielten den neuen Gesamtentwurf, zu dessen Herausgabe sie durch die ihnen nunmehr vorliegende Weisung vom 24. Januar 1648 ermächtigt waren, jedoch noch zurück, um zunächst eine Er-klärung der Protestanten zu den Declarationes ultimae der katholischen Reichsstände vom 2. Februar abzuwarten

Vgl. [Nr. 113] . Das Risiko für die Herausgabe des neuen Gesamtentwurfs wurde auch in der Relation vom 30. Januar 1648 als zu groß eingestuft (vgl. [Nr. 104] ). Die Weisung vom 24. Januar 1648 lag den ksl. Ges. in Osnabrück erst am 5. Februar vor.
.
Eine kleine Gruppe Reichsstände beider Konfessionen begann dagegen bald nach dem Erhalt der katholischen Declarationes ultimae am 3. Februar 1648 mit der geheimen Vorbereitung von Separatverhandlungen – zu hoffnungslos erschien ihnen in Anbetracht der katholischen Er-klärung die Aussicht auf eine Einigung zwischen den beiden Konfessions-parteien unter Einschluß der katholischen Maximalisten

Zu den Vorbereitungen der interkonfessionellen Separatverhandlungen vgl. Dickmann, 458, sowie die auf Akten prot. Provenienz beruhende Darstellung in Meiern IV, 931 –944. Zur Darstellung der Vorgänge aus Sicht der ksl. Ges. vgl. grundlegend die Relation vom 10. Februar 1648 ( [Nr. 118] ) sowie das Schreiben Volmars an Trauttmansdorff vom selben Tag ( [Nr. 119] ). – Die treibende Kraft hinter den rst. Aktivitäten war nach Dar-stellung Volmars der würzburgische Ges. Vorburg. Dieser habe den Mainzer Kf.en Johann Philipp von Schönborn mit der Behauptung, die Ksl. würden die Friedensver-handlungen zugunsten Spaniens verschleppen, dazu gebracht, ihn zu geheimen Verhand-lungen mit ausgewählten prot. Rst. n zu ermächtigen. Den Protokollen bei Meiern zu-folge setzte sich auf prot. Seite auch der kursächsische Ges. Leuber stark für das Zustan-dekommen der Geheimkonferenzen ein.
. Die kaiser-lichen Gesandten erhielten kurz vor dem Zustandekommen der ersten geheimen conferentz Kenntnis von den reichsständischen Bestrebun-gen, und sahen, um diese zu unterbinden und die Verhandlungsführung nicht aus der Hand zu geben, keinen anderen Ausweg, als am 8. Februar 1648 unverzüglich einen Teil ihres neuen, sechsten Gesamtentwurfs herauszugeben. Dieser umfaßte die ersten fünf Artikel des Vertragsent-wurfs und damit die für die Reichsstände relevanten Punkte der Amnestie und des Reichsreligionsrechts

Vgl. [Nr. 89 Anm. 10] und Nr. [118 Anm. 9] ; May, 484f; Schneider, 392ff. Die Beschrän-kung auf die ersten fünf Artikel des Gesamtentwurfs entsprang einer Empfehlung der Ges. von Kurmainz und Kurbayern (vgl. [Nr. 118] ).
. Dessen ungeachtet fanden am gleichen Tag zwei der geplanten interkonfessionellen Konferenzen in Osnabrück statt, an denen sich Gesandte der Reichsstände Kursachsen, Kurbranden-burg, Sachsen-Altenburg, Braunschweig-Lüneburg, Reichsstadt Straß-

[p. LXXXI] [scan. 81]

burg, Kurmainz, Kurtrier, Kurbayern, Würzburg und Bamberg betei-ligten .
Die beiden Konferenzen am Vor- bzw. Nachmittag des 8. Februar 1648 blieben zunächst die einzigen ihrer Art. Nichtsdestotrotz war das Miß-trauensvotum der Reichsstände an die Adresse der kaiserlichen und schwedischen Gesandten nachhaltig. Der schwedischen Verhandlungsfüh-rung im Winter 1647/48 hatten die Reichsstände entnehmen müssen, daß sie der Erfüllung ihrer eigenen Hauptforderungen Priorität gegenüber einer Einigung über die Amnestie und das Reichsreligionsrecht einräumte. Die Erklärungen der katholischen Reichsstände, an denen die Kaiserlichen ihre Verhandlungsführung bis Anfang Februar 1648 ausrichteten, hatten gezeigt, daß die Maximalisten zu keiner konsensfähigen Haltung zu be-wegen waren. Die aus diesen Rahmenbedingungen folgende Bilanz des Stillstands quittierte die genannte Gruppe bedeutender Reichsstände bei-der Konfessionen

Dickmann, 443–446 und Albrecht, Maximilian I., 1046, bezeichnen die überkonfessio-nelle, reichsständische Gruppierung als „dritte Partei“; vgl. auch APW [III A 3/5, XLV Anm. 13.]
mit einer eigenen Verhandlungsinitiative, der die kai-serlichen wie die schwedischen Gesandten in der Zukunft Rechnung tra-gen mußten. Das Mitwirken einer am politischen Ziel eines vorbehaltlos schnellen Friedens orientierten reichsständischen Partei, die sich vor dem Hintergrund des faktischen Scheiterns der Verhandlungen im Winter 1647/48 gefunden hatte, wurde zu einer Grundkomponente der letzten Verhandlungsmonate bis zum Friedensschluß im Oktober 1648.

Documents