Acta Pacis Westphalicae : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 7: 1647 - 1648 / Andreas Hausmann

II. Die kaiserlichen Verhandlungsziele im Winter 1647/48

Den Hintergrund für die kaiserlichen Beratungen und Überlegungen zum Friedensschluß bildete für den edierten Verhandlungszeitraum die Kon-stellation, wie sie sich im Sommer und Spätsommer 1647 herausgebildet hatte: Nach wie vor stand der vierte kaiserliche Entwurf für den Friedens-vertrag mit Schweden, das sogenannte „Instrumentum Trauttmansdorf-fianum“, im Raum, über das die Kaiserlichen mit den schwedischen Ge-sandten bis zum 30. Mai 1647 in Osnabrück verhandelt hatten, ohne da-bei in allen Verhandlungspunkten zu einer Einigung gelangt zu sein

Vgl. APW II A 6/1 Nr. 135. Zum Trauttmansdorffianum und seiner Aufnahme durch Schweden und die Rst. vgl. Ruppert, 296ff.
. In anschließenden Verhandlungen zwischen Kaiserlichen und Schweden in Münster wurden einige Ergänzungen und Änderungen vorgenommen

Die entsprechenden Schreiben und Protokolle werden ediert in APW II A 6. Zu dem ver-änderten Vertragsentwurf, der die Grundlage für das im folgenden gen. Ga. der kath. Rst. bildete, vgl. [Nr. 10 Anm. 25] .
und diese Korrekturen Anfang August 1647 den Gesandten der katho-lischen Reichsstände auf inoffizieller Ebene durch die kaiserlichen Ge-sandten übergeben, damit sie auf deren Grundlage ihre noch ausstehende Erklärung zu dem Friedensentwurf Trauttmansdorffs verfassen konnten

Nach der Publizierung des Trauttmansdorffianums im Sommer 1647 hatten die kath. Rst. u.a. Einwände gegen zentrale Bestimmungen in Religionsfragen erhoben. Für die weite-ren Verhandlungen war daher eine Erklärung nötig, in welchem konkretem Umfang die Bestimmungen in Trauttmansdorffs Friedensentwurf von den Katholischen mitgetragen wurden (vgl. APW II A 6 Nr. 173; Ruppert, 316f).
. Das Ergebnis dieser Beratungen, das die Gesandten der katholischen Reichsstände den Kaiserlichen schließlich am 11. Oktober 1647 präsentier-ten, war ein Gutachten, das zentrale Zugeständnisse der Kaiserlichen an

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die Protestanten ablehnte und durch die darin beschriebenen fundamen-tal-katholischen Positionen als Grundlage für weitere Verhandlungen un-brauchbar war

Zum ersten kath. Ga. vgl. [Nr. 1 Anm. 9] . So lehnten die kath. Rst. bspw. den Verzicht auf das 1624 prot. gewesene Kirchengut sowie die vereinbarten Abtretungen von Hst.en für Schweden und dessen Verbündete rundweg ab. Lamberg und Krane wiesen den Großteil der Forderungen indes nicht deshalb zurück, weil sie sie in der Sache für falsch hielten, sondern weil sie vor dem Hintergrund der militärischen Lage im Reich nicht durchzuset-zen seien ( [Nr. 17] ; vgl. außerdem [Nr. 22] und [Nr. 29 Anm. 222] ; Dickmann, 416f; Wolff, 171f; Ruppert, 318f).
. Damit stockten die Verhandlungen über das Trautt-mansdorffianum, bis die Parteien schließlich die Wiederaufnahme der Verhandlungen über die Amnestie und das Reichsreligionsrecht unter Beteiligung der katholischen Gesandten in Osnabrück vereinbarten, um einen abschließenden Vergleich zu erzielen.
Ferdinand III. mußte für die neue Verhandlungsrunde eine eigene Posi-tion zwischen dem Trauttmansdorffianum und den Forderungen der ihm traditionell verbundenen katholischen Reichsstände bestimmen.

1. Die Hauptinstruktion vom 6. Dezember 1647

Die Beratungen am Kaiserhof über die Reaktion auf das Gutachten der katholischen Reichsstände und die weitere Gestaltung der Friedensver-handlungen begannen Ende Oktober 1647

Die Relation Nassaus und Volmars vom 11. Oktober 1647, mit der das kath. Ga. über-sandt wurde, traf am 20. Oktober 1647 in Prag ein (vgl. APW II A 6/2 Nr. 248). Zu den Vorberatungen vgl. Auer, 170.
und dauerten zunächst bis in den November hinein an. Dabei erarbeiteten deputierte Räte ein Gut-achten zu den katholischen Forderungen bei den ersten fünf Artikeln des Friedensentwurfs

Vgl. [Nr. 29 Anm. 3] . Die Beschränkung des Ga. s auf diesen Teil des Vertragsentwurfs (betr. vor allem die Einzelfallregelungen zur Amnestie und das Reichsreligionsrecht) gibt einen Hinweis auf den Schwerpunkt des ksl. Verhandlungsinteresses.
, im Laufe des Novembers und zu Beginn des Dezem-bers folgten weitere umfangreiche Beratungen und Gutachten zu allen Regelungspunkten des künftigen Friedensvertrags

Eine detaillierte Beschreibung dieser Beratungen ist dem Text der Hauptinstruktion vom 6. Dezember 1647 vorangestellt (S. 94 Z. 7–42). – Zum ksl. Geheimen Rat und dem Gre-mium der dep. Räte vgl. Sienell, 26–47; Hengerer, 290–297.
. Am Schluß dieser intensiven Beratungen stand die Hauptinstruktion für die kaiserlichen Gesandten

[Nr. 29] . Auch Kurmainz, Kurbayern, Kursachsen, Kurköln und Ehg. Leopold Wilhelm er-hielten in der Folge Exemplare der Hauptinstruktion (vgl. [Nr. 60 Anm. 1] ).
, die am 25. Dezember 1647 in Osnabrück eintraf und die Grundlage für die Verhandlungsführung der kaiserlichen Gesandten in den Verhandlungen des Editionszeitraums bildete. Zwischen dem Erhalt des katholischen Gutachtens und dem Eintreffen der kaiserlichen Reak-tion waren für die kaiserlichen Gesandten somit knapp zehn Wochen ver-

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gangen, in denen sie ohne verbindliche Instruktion für die weitere Ver-handlungsführung gewesen waren.
Die Hauptinstruktion umfaßt eine einleitende Ausführung über die Not-wendigkeit eines schnellen Friedensschlusses, daran anschließend eine Kor-rekturliste mit den kaiserlichen Positionen bzw. Änderungswünschen zu nahezu allen Regelungsgegenständen des Trauttmansdorffianums sowie argumentative Ausführungen über den Vollzug und die Sicherung des Friedens

Nur die Ausführungen zu diesem Punkt wurden auch durch einen ausformulierten Text-vorschlag konkretisiert ( [Nr. 29 Beilage [3])] .
, die Frage der Armeesatisfaktionen und die Voraussetzungen für eine Vorgriff durch die kaiserlichen Gesandten.
Der Inhalt der Hauptinstruktion gibt somit Aufschluß über die kaiserliche Haltung in zwei grundlegenden Fragen eines Verhandlungszeitraums, den Karsten Ruppert gut 330 Jahre später als Krise des Kongreßwinters 1647/48 bezeichnet hat

Ruppert, 330.
: Wieweit war der Kaiser bereit, auf die Forde-rungen des katholischen Gutachtens einzugehen und damit das von Trauttmansdorff gemachte Angebot zumindest in Teilen wieder zurück-zuziehen? Und wie verhielt sich der Kaiser im Gegenzug zu den hart-näckig vorgetragenen Forderungen seines einzig relevanten militärischen Bündnispartners Kurbayern nach einem schnellstmöglichen Friedensschluß durch einen Vorgriff, nötigenfalls nach den Bestimmungen des Trautt-mansdorff’schen Friedensentwurfs?
Zum einen ließ Ferdinand III. keinen Zweifel daran, daß ein schneller Friedensschluß das zentrale Verhandlungsziel der kaiserlichen Gesandten zu sein habe

So auch Ruppert, 322. Zu den Bestimmungen der Hauptinstruktion vgl. ebenda, 319–322.
, was sich unter anderem daran zeigte, daß der Kaiser das Gros der katholischen Forderungen ablehnte und besonders in den Einzel-fallregelungen zur Amnestie nur sehr wenige Änderungen am Trautt-mansdorffianum anstrebte

Die ksl. Zurückhaltung bei den Amnestiebestimmungen des Trauttmansdorffianums re-sultierte primär aus der Überlegung, daß durch umfangreiche Neuverhandlungen eine Einigung in der Amnestiefrage, und damit der Friedensschluß insgesamt, unverhältnis-mäßig stark verzögert würde. Daher wurden die ksl. Ges. gehalten, einzelne Fragen gar nicht bzw. nur in einem zeitlich begrenzten Rahmen zu verhandeln (vgl. bspw. die Wei-sungen betr. Württemberg, Falkenstein oder die Nichtigkeit erpreßter Rechtsgeschäfte, d.i. Nr. 29 bei Anm. 36, 53 und 66).
. Auch die vereinbarte Territorialsatisfaktion für Schweden und die Entschädigungsregelungen für Kurbrandenburg, die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und Mecklenburg, den ehe-maligen Administrator von Magdeburg sowie Hessen-Kassel (später Art. X–XVIPO) blieben in der Hauptinstruktion unangetastet.

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Andere Punkte dagegen war der Kaiser nicht bereit zu akzeptieren, wobei er Forderungen nach Änderung bzw. (Neu-)Einrichtung

Über einige Verhandlungspunkte, wie bspw. die Regelung über die Autonomie in den ksl. Erblanden, hatten Ksl. und Schweden bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Einigung er-reicht (vgl. [Nr. 73 Anm. 7] ).
erhob, von denen er auch im weiteren Verlauf des Editionszeitraums nicht abwich

Die Hauptinstruktion wurde im weiteren Verlauf des Editionszeitraums in einigen Punk-ten leicht modifiziert. Zu nennen ist hier in erster Linie die Resolution Ferdinands III. vom 18. Dezember 1647 ( [Beilage [1] zu Nr. 55] ), in der einige Weisungen der Hauptin-struktion geändert bzw. den ksl. Ges. in einigen Verhandlungspunkten ein größerer Ver-handlungsspielraum eingeräumt wurde. Die im folgenden gen. Kernpunkte blieben hier-von unberührt.
. Als Regelungsgegenstände, deren Änderung nach dem Willen Ferdinands III. Voraussetzung für einen Friedensschluß auf der Grundlage des übri-gen Trauttmansdorffianums sein sollte, lassen sich aus der Hauptinstruk-tion fünf Kernpunkte herauslesen: 1. die Amnestie in den kaiserlichen Erb-landen, 2. die Regelungen über die politischen Verhältnisse in den ge-mischtkonfessionellen Reichsstädten Augsburg, Dinkelsbühl, Biberach und Ravensburg, 3. die Autonomie im Reich und 4. in den kaiserlichen Erblanden sowie 5. die Regelungen über den Vollzug und die Sicherung des Friedens

Zu den entsprechenden ksl. Forderungen vgl. [Nr. 29] bei den Anm.en 63, 76, 102, 122 und 157. – In den Vorberatungen hatten z.T. erheblich weitergehende Forderungen im Raum gestanden. So forderten Teile der dep. Räte die Amnestiefälle analog zu den Bestimmun-gen über die Autonomie im Reich nach dem Stichjahr 1624 zu regeln und damit die be-stehende Regelung (Stichjahr 1618) zugunsten der Katholischen um sechs Jahre nach vorne zu verlegen (vgl. S. 98, Z. 38–41). Ferner hatte Ferdinand III. auf Anregung von Teilen seiner Räte ernsthaft erwogen, die Gültigkeit des Geistlichen Vorbehalts wie im ARF auf die Protestanten zu beschränken, und sich erst nach reiffer der sachen überlegung dazu durchgerungen, es bei der Regelung des Trauttmansdorffianums (Gültigkeit für kath. Reichskirchengut wie auch für Reichskirchengut Augsburgischer Konfession) zu belassen (vgl. S. 106 Z. 22–36).
.
Konkret bedeutete dies: Ferdinand III. wollte definitiv ausschließen, daß die im Zuge des Krieges aus den kaiserlichen Erblanden vertriebenen Per-sonen im Rahmen der Amnestiebestimmungen die Möglichkeit erhielten, auf dem Gerichtswege ihre alten Rechte und Güter einzuklagen. Des wei-teren lehnte er die im Widerspruch zu der Normaljahrsregelung stehenden Bestimmungen für die Besetzung der städtischen Ämter in Augsburg, Din-kelsbühl, Biberach und Ravensburg ab

Das Trauttmansdorffianum bestimmte, daß die Ratsstellen und öffentlichen Ämter in den genannten gemischtkonfessionellen Reichsstädten mit Angehörigen der kath. und Augs-burgischen Konfession paritätisch zu besetzen seien (zu den gen. Städten vgl. Warm-brunn).
. Auch den mehrstufigen Rege-lungen über die Autonomie im Reich

Vgl. May, 479f; Schneider, 373–378.
verweigerte Ferdinand die Aner-kennung und forderte die Verankerung eines nur durch das Normaljahr 1624 beschränkten ius reformandi des Landesherrn mit Religionszwang

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und Ausweisungsrecht

Vgl. Heckel, 359f. Der Konfessionsstand der Territorien wurde gem. KEIPO4A nicht durch den Landesherrn, sondern durch die Normaljahrsregelung bestimmt, die von Ferdi-nand III. – im Gegensatz zu der Gruppe der kompromißunwilligen kath. Rst. um War-tenberg – auch nicht bestritten wurde (zur Normaljahrsregelung vgl. Schindling, Kon-fessionsfrage, 27ff).
und im Zuge dessen die Streichung der im Trautt-mansdorffianum zugestandenen Religionsfreiheit für den Adel in Nieder-österreich

Erhalten bleiben sollte somit lediglich die freie Religionsausübung für die schlesischen Mediat- und Erbft.er sowie die Stadt Breslau. – Zum Zusammenhang der Regelungen über die Autonomie im Reich und in den ksl. Erblanden vgl. das Conclusum im Geheimen Rat vom 11. Januar 1648, d.i. zu [Nr. 82.]
.
Im Hinblick auf den Friedensvollzug und die Friedenssicherung war für Ferdinand III. von zentraler Bedeutung, daß die Friedensexekution mit dem Tag der Unterzeichnung (nicht der Ratifikation!) der Verträge so-fort und pari passu in Kraft treten müsse. Es gelte unbedingt zu ver-hindern, daß Schweden seinen Teil der Friedensexekution unter wie auch immer gearteten Ausflüchten hinauszögern oder an Bedingungen knüpfen könne. Hinsichtlich des Subskriptionsmodus favorisierte der Kaiserhof die Variante, daß den Frieden nicht zwangsläufig alle, sondern nur diejenigen Reichsstände unterzeichnen sollten, die sich zum entspre-chenden Zeitpunkt dazu bereit zeigten. Der Frieden sollte damit auch für die übrigen Reichsstände gültig sein. Auch die Frage der Armeesatisfaktionen wurde in der Hauptinstruktion abgewogen, schließlich aber aus den unmittelbaren Friedensverhandlun-gen ausgeklammert

Vgl. Nr. 29 S. 121 Z. 3 – S. 123 Z. 29; zuvor bereits Nr. 10 und 15. Betroffen von dieser Frage waren die schwed., die ksl. und die kurbay. Armee.
. Im Friedensinstrument verbleiben sollte lediglich die bereits im Trauttmansdorffianum enthaltene Zusicherung einer Satis-faktionszahlung in unbestimmter Höhe für die schwedische Armee; die genaue Ausgestaltung der Satisfaktionsregelungen sollte jedoch erst unmit-telbar nach der Unterzeichnung des Friedensvertrags in Angriff genom-men werden

Zur Bedeutung der Armeesatisfaktion für das Kgr. Schweden vgl. [Nr. 10 Anm. 13] ; Repgen, Hauptprobleme, 434f. Ferdinand III. bestritt zwar ausdrücklich die Berechti-gung des schwed. Anspruchs auf Armeesatisfaktion, erkannte jedoch deren unumgängliche politische Notwendigkeit, wie es hieß zur evitirung mehrers unheils (Nr. 29 S. 121 Z. 26).
.
Der Kaiser war somit grundsätzlich bereit, große Teile von Trauttmans-dorffs Friedensentwurf zu akzeptieren. In einigen ausgewählten Punkten jedoch beharrte er um so konsequenter auf Korrekturen in seinem Sinne, nämlich in erster Linie bei den Religionsbestimmungen für das Reich und die kaiserlichen Erblande sowie den Regelungen über den Vollzug und die Sicherung der Friedens. Diese inhaltlichen Änderungsbestrebungen bedeuteten zwangsläufig, daß Ferdinand den im Raum stehenden Forderungen nach einem kaiserlichen

[p. LXII] [scan. 62]

Vorgriff auf der Grundlage des Trauttmansdorffianums bis auf weiteres eine Absage erteilte. Einen schnellstmöglichen Friedensschluß strebte Fer-dinand sehr wohl an, jedoch vorerst nicht um den Preis eines Verzichts auf die genannten Änderungen an Trauttmansdorffs Entwurf und vor allem nicht ohne die Gewißheit, daß zumindest ein Großteil der Reichsstände sowie Schweden einen kaiserlichen Vorgriff mittragen würden

Am 30. Oktober 1647 hatte Ferdinand III. seine Ges. ausdrücklich ermahnt, die kath. Maximalisten nicht mit der Drohung eines Vorgriffs über ihren Kopf hinweg unter Druck zu setzen (vgl. [Nr. 6 bei Anm. 7] ). Die Ges. rechtfertigten ihr derartiges Verhalten damit, daß sie ein Druckmittel benötigten, um die kath. Rst. überhaupt zur Teilnahme an den Verhandlungen in Osnabrück bewegen zu können (Nr. 16).
.
Die Möglichkeit eines Friedensschlusses unter Zugrundelegung des Trautt-mansdorffianums wurde von den Räten Ferdinands III. Anfang Dezem-ber 1647 nämlich durchaus erwogen und für den Fall, daß keine Verbes-serungen zu erhalten sein würden, auch einhellig befürwortet

Vgl. das Ga. dep. Räte zu den Möglichkeiten eines ksl. Vorgriffs vom 3. Dezember 1647 ( [Nr. 29 Anm. 12] ; vgl. auch Ruppert, 321). Ausgenommen von dem vorbehaltlosen Rück-griff auf das Trauttmansdorffianum waren hierin allerdings die Regelungen über den Friedensvollzug, welche die Räte in jedem Fall für korrekturbedürftig hielten. Die an-dauernden Beratungen über die Möglichkeiten eines ksl. Vorgriffs waren wohl auch die Ursache für die Diskrepanz zwischen der Datierung der Hauptinstruktion und dem Zeit-punkt ihrer Versendung an die Ges. (vgl. [Nr. 29 Anm. 1] ).
. Die Geg-ner eines solchen Vorgehens unter den katholischen Reichsständen wurden als zu schwach eingeschätzt, um einen kaiserlichen Vorgriff entscheidend bekämpfen zu können – vorausgesetzt, dieser würde auf der anderen Seite von den protestantischen Reichsständen, Schweden und Frankreich unter-stützt. Aber genau hiervon war man am Kaiserhof Ende 1647 nicht über-zeugt, so daß die kaiserlichen Räte als Ergebnis ihrer Beratungen von einem Vorgriff unter den gegebenen Bedingungen abrieten

Diese Haltung der ksl. Räte blieb im übrigen über den gesamten Editionszeitraum hinweg unverändert. Auch am 8. Februar 1648 rieten die Geheimen Räte zugunsten weiterer Ver-handlungen nach wie vor von einem Vorgriff ab (vgl. das Ga. zu [Nr. 117] ; Ruppert, 321 bei Anm. 158; Auer, 170). – In dem zuvor gen. Ga. der dep. Räte (s. Anm. 86) wird klarer als in der Hauptinstruktion zwischen den Hauptfragen in den Verhandlungen mit den Rst. (Amnestie, Reichsreligionsrecht und Rechte der Rst. ) und Schweden (Territorial- und Armeesatisfaktion; Vollzug und Sicherung des Friedens) unterschieden und die darin lie-gende concurrenz im Hinblick auf einen Vorgriff abgewogen.
. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen und der gleichzeitig immer wahr-scheinlicher werdenden Möglichkeit, daß sich die Maximalisten unter den katholischen Reichsständen nicht mehr zu einer konsensfähigen Haltung würden bringen lassen, enthielt die Hauptinstruktion für die kaiserlichen Gesandten schließlich die Ermächtigung zu einem Vorgriff auf der Grundlage eines nach der Maßgabe der Hauptinstruktion veränderten Trauttmansdorffianums bei gleichzeitiger Unterstützung durch alle Kur-fürsten, die wichtigsten katholischen und protestantischen Reichsstände

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und Schweden, wobei notfalls sogar die Möglichkeit, daß der Vorgriff auf der Grundlage eines geänderten Trauttmansdorffianums nur mit Unter-stützung der wichtigsten Reichsstände beider Konfessionen und gegen den Widerstand Schwedens durchgeführt werden könnte, nicht ausgeschlossen wurde

Vgl. [Nr. 29, S. 123 ab Z. 30.] Überlegungen zu einem Vorgriff mit Schweden gegen die Rst. spielten somit am Ks.hof keine Rolle (dies behauptet irrtümlich Auer, 170).
.
Gleichzeitig sorgte Ferdinand III. jedoch auch für den Fall vor, daß sich die kaiserlichen Änderungswünsche am Trauttmansdorffianum als nicht durchsetzbar erweisen sollten. Dazu ließ er seinen Gesandten zeitgleich mit der Hauptinstruktion eine verschlossene Weisung zukommen , welche die Ermächtigung zu einem weitergehenden Vorgriff enthielt, aber von den Gesandten erst im Falle eines Scheiterns der vorgenannten Verhandlungsziele geöffnet werden durfte

Die verschlossene Weisung wurde bei Lamberg deponiert (vgl. [Nr. 44] ) und im Editions-zeitraum nicht geöffnet. Die Ermächtigung zu einem weitergehenden Vorgriff hatte Vol-mar somit weder seit dem Weihnachtstag 1647 [...] in der Hand, noch hielt er diese zu-nächst zurück, wie Albrecht, Maximilian I., 1045f irrtümlich annahm. Den Befehl zur Öffnung der verschlossenen Weisung erhielten die Ges. am 29. Februar 1648 (vgl. APW [ II A 8 Nr. 6] ).
. Allerdings enthielt auch die verschlossene Weisung keine Ermächtigung, den Frieden nach dem Buch-staben des unveränderten Trauttmansdorffianums zu schließen, sondern setzte die Berücksichtigung der kaiserlichen Änderungswünsche bei den Regelungen über die Amnestie in den kaiserlichen Erblanden sowie den Vollzug und die Sicherung des Friedens voraus.
Da die Notwendigkeit eines Vorgriffs in den Augen des Kaiserhofs durch den zwischenzeitlich in Osnabrück vereinbarten Verhandlungsmodus sehr wahrscheinlich geworden war

Vgl. [Nr. 60 bei Anm. 14] . Zum Verhandlungsmodus s. unten S. [LXVIIf.]
, war es für die vorrangigen Pläne Ferdinands ab Mitte Dezember 1647 zunächst einmal essentiell, die Zu-stimmung der mächtigsten protestantischen Reichsstände zu den kaiser-lichen Änderungswünschen an Trauttmansdorffs Friedensentwurf zu er-langen.

2. Werben um die Unterstützung der protestantischen Kurfürsten

Bereits in der zweiten Jahreshälfte 1647 hatte Ferdinand III. bei den Kur-fürsten von Sachsen und Brandenburg sondieren lassen, ob diese zu einem Bruch ihrer Neutralitätsverträge mit Schweden und zur Konjunktion mit dem Kaiser zu bewegen seien

Die Kf.en von Bg. und Sachsen hatten am 14./24. Juli 1641 bzw. am 31. März/10. April 1646 Waffenstillstandsverträge mit dem Kgr. Schweden abgeschlossen (vgl. [Nr. 20 Anm. 11] und [Nr. 29 Anm. 211] ).
. Allerdings reagierten sowohl Kurfürst

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Friedrich Wilhelm

Vgl. die Resolution Kf. Friedrich Wilhelms von Bg. auf die Werbung Blumenthals, Kleve 1647 Oktober 18[/28]. Text: UA IV, 605–611; Dickmann, 453; Ruppert, 323f.
als auch Kurfürst Johann Georg

Zur Mission des Reichsvizekanzlers Kurz im Oktober/November 1647 vgl. Schrecken-bach, Kursachsen, 72f; Dickmann, 450f; Ruppert, 322f.
äußerst zurückhal-tend auf die Avancen des Kaisers. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Kaiserhofs, sich vor einem möglichen Vorgriff zunächst auch der Unterstützung wichtiger (protestantischer) Reichsstände zu versichern, verfügte Ferdinand im Dezember 1647 erneut die Entsendung von Diplo-maten an die Höfe der beiden protestantischen Kurfürsten. Ziel war es in erster Linie, deren Unterstützung für die kaiserlichen Änderungswünsche am Trauttmansdorffianum zu gewinnen, und im Falle Kursachsens auch, erneut über eine militärische Konjunktion Johann Georgs mit dem Kaiser zu verhandeln. Die Entsendung Schröders und Blumenthals wurde am Kaiserhof auch im Hinblick auf den gewünschten zügigen Fortgang der Friedensverhandlungen gesehen, da bei direkten Verhandlungen an den kurfürstlichen Höfen der „Umweg“ über den Friedenskongreß entfiel

Vgl. [Nr. 60 bei Anm. 16.] – Die lebhafte Paralleldiplomatie zu den offiziellen Verhand-lungen in Münster und Osnabrück im Editionszeitraum zeigt, daß die Verhandlungspar-teien ihren Interessen auch durch direkte Einflußnahme an den Höfen Nachdruck zu ver-schaffen suchten. Exemplarisch genannt seien neben der Entsendung Schröders und Blu-menthals die Missionen der kurmainzischen bzw. kurbay. Ges. Waldenburg und Mändl am Ks.hof oder die Entsendung Burgsdorffs an den kursächsischen Hof.
.

a) Die Mission Schröders nach Kursachsen

Wilhelm Schröder trat seine Reise nach Dresden Ende Dezember 1647 an und trug seine Proposition am 1. Januar 1648 vor . Die kaiserlichen Ge-sandten in Westfalen wurden vom Kaiserhof über seine Instruktion und den Verlauf seiner Gesandtschaft nur in dem Umfang unterrichtet, den man für ihre Verhandlungsführung für notwendig erachtete. Von der Instruktion für Schröder erhielten die Gesandten beispielsweise nur eine Abschrift der Passagen, welche die kaiserlichen Änderungswünsche am Trauttmansdorff’schen Friedensentwurf betrafen – die militärische Kom-ponente seiner Mission wurde ihnen vorenthalten . Dabei war die Ver-handlungsführung der Gesandten in hohem Maße von den Ergebnissen der Reise Schröders nach Dresden bzw. Lichtenburg abhängig, denn die Vorgehensweise Ferdinands III. bestand ja darin, zunächst die Haltung Kurfürst Johann Georgs von Sachsen zu den von Schröder überbrachten Änderungs- und Konjunktionswünschen abzuwarten, bevor er sich auf das weitere Vorgehen hinsichtlich eines Vorgriffs auf dem Friedenskon-greß in Westfalen festlegte

So ausdrücklich im Ga. dep. Räte vom 17. Januar 1648 (d.i. das Ga. zu [Nr. 91] ).
.

[p. LXV] [scan. 65]

Bis zum Vorliegen konkreter Ergebnisse verging jedoch – sehr zum Leid-wesen der kaiserlichen Gesandten in Osnabrück – geraume Zeit: Zunächst erlangte Schröder keinen direkten Kontakt zum Kurfürsten, da dieser nicht in Dresden, sondern auf seinem Jagdsitz in Lichtenburg weilte; dort ange-kommen, wurde ihm in der Reihenfolge der Audienzen der kurbranden-burgische Abgesandte von Burgsdorff vorgezogen, der dem sächsischen Kurfürsten die Konjunktionspläne Kurfürst Friedrich Wilhelms von Bran-denburg vortrug

Die Relationen Schröders befinden sich in RK FrA Fasz. 54f und sind teilweise im vor-liegenden Band ediert oder regestiert. Vgl. außerdem Schreckenbach, Kursachsen, 73ff; Dickmann, 450f; Ruppert, 322f. – Zur Mission Burgsdorffs vgl. oben bei Anm. 27.
.
Die Reaktionen Kurfürst Johann Georgs fielen schließlich zwiespältig aus: Die kaiserlichen Änderungswünsche am Trauttmansdorffianum fanden zu großen Teilen die kurfürstliche Unterstützung , einen kaiserlichen Vor-griff lehnte Johann Georg unter Verweis auf den vorgeblich konstruktiven Fortgang der Verhandlungen in Osnabrück jedoch ebenso ab, wie er das kaiserliche Werben um militärische Konjunktion zurückwies

Zur Reaktion auf den ksl. Wunsch nach militärischer Konjunktion vgl. APW [ II A 8 Bei-lage [1]] [ zu Beilage [2] zu Nr. 2.] Volmars Einschätzung im Anschluß an die vorangegan-gene Mission Kurz’, daß der Ks. durch das Werben um Kursachsen zum erwünschten ende kommen werde (vgl. Nr. 7 bei Anm. 9), erwies sich damit als falsch.
.
Der Bescheid aus Lichtenburg, daß ein Vorgriff des Kaisers zum gegen-wärtigen Zeitpunkt als unnötig erachtet wurde, torpedierte die geschilder-ten kaiserlichen Planspiele für einen Vorgriff und verwies das Reichsober-haupt auf weitere Verhandlungen in Westfalen über seine Änderungs-wünsche am Trauttmansdorffianum

Vgl. das Ga. dep. Räte vom 7. Februar 1648 (d.i. zu [Nr. 117] ).
.

b) Die Mission Blumenthals zu Kurfürst Friedrich Wilhelm von Branden-burg

Die geplante Entsendung Joachim Friedrichs von Blumenthal an den Hof Kurfürst Friedrich Wilhelms von Brandenburg führte dagegen zu keiner-lei konkreten Ergebnissen, da sie über das Stadium der Vorbereitung nie hinauskam. Obwohl seine Instruktion ebenso wie die für Schröder am 13. Dezember 1647 ausgefertigt wurde, hielt sich Blumenthal am 21. Ja-nuar 1648 noch in der Fuldaer Residenzstadt Hammelburg auf, da er noch keinen hessen-kasselischen Paßbrief für seine Reise an den kurfürstlichen Hof nach Kleve erhalten hatte . Diesen sollte er auch nicht mehr benöti-gen, denn in Anbetracht veränderter politischer Rahmenbedingungen be-fahl ihm Ferdinand III. am 29. Januar 1648 den vorläufigen Aufschub

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seiner Reise, um zunächst den weiteren Verlauf der Verhandlungen in Osnabrück abzuwarten. De facto wurde die Reise später nicht mehr auf-genommen.

3. Zusammenfassung

Nach umfangreichen Beratungen legte sich der Kaiserhof im Hinblick auf die Verhandlungen in Osnabrück auf eine mehrgleisige Verhandlungs-führung fest, die im besten Fall eine schnelle Einigung mit den Reichsstän-den und Schweden über ein im kaiserlichen Sinne revidiertes Trauttmans-dorffianum, im schlechtesten Fall einen Friedenschluß auf der Basis des unrevidierten Trauttmansdorffianums durch einen kaiserlichen Vorgriff, d.h. unter Ausschluß eines Teils der katholischen Reichsstände, vorsah

Vgl. zu dem einen [Nr. 29] , zu dem anderen [ Nr. 42.]
. Den Idealfall hielt Ferdinand III. offenbar soweit für realistisch, daß er seinen Gesandten eine Weisung für den Fall zukommen ließ, daß der Friede mit Schweden geschlossen sei, während der spanisch-französische Friedensschluß noch ausstehe . Parallel zu den Verhandlungen in Osna-brück wurden jedoch auch weitere Optionen sondiert. So sollte die Mission Schröders bei Kurfürst Johann Georg die Option einer militärischen Konjunktion Kursachsens mit dem Kaiser eröffnen, zumindest aber dessen Zustimmung zu den kaiserlichen Änderungswünschen am Trauttmans-dorffianum bewirken. Auf die Rolle Kursachsens als protestantische Führungsmacht bauend, hätte so einem Vorgriff mit Unterstützung der mächtigsten katholischen und protestantischen Reichsstände der Boden bereitet werden können

Neben Kursachsen zählte auch Hessen-Darmstadt zu den Ansprechpartnern des Ks.hofs für eine vertrauliche Zusammenarbeit mit prot. Rst. (vgl. [Nr. 59] ).
, um für den Fall vorzusorgen, daß Teile der katholischen Reichsstände ihre nicht konsensfähigen Positionen dauerhaft beibehalten sollten. Gleichzeitig hatte die Mission Schröders auch eine anti-schwedische Stoßrichtung, denn anders läßt sich das Bemühen um eine militärische Konjunktion Kursachsens mit dem Kaiser schwerlich deuten. Allen vorrangigen Plänen Ferdinands III. war somit gemeinsam, daß sie die Durchsetzung der kaiserlichen Änderungswünsche am Trautt-mansdorffianum enthielten. Die Einschätzung der militärischen und politischen Lage durch den Kaiserhof scheint also so ausgefallen zu sein, daß der Kaiser hinreichenden zeitlichen Spielraum sah, derlei Ziele in Angriff zu nehmen.

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