Acta Pacis Westphalicae : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 7: 1647 - 1648 / Andreas Hausmann

II. Das politische Umfeld

Die wichtigste reichspolitische Weichenstellung aus kaiserlicher Sicht war zunächst die bereits angesprochene Wiederbelebung des Bündnisses mit Kurbayern. Zum großen Leidwesen Kurfürst Maximilians, der den Ulmer Waffenstillstand nur gegenüber Schweden aufgekündigt hatte, konnte die exklusive Ausrichtung des Bündnisses mit dem Kaiser gegen das nordische Königreich nicht dauerhaft aufrecht erhalten werden, da Maximilian am 29. Dezember 1647 schließlich die Aufkündigung des Waffenstillstands von französischer Seite erhielt

Vgl. Beilage [1] zu Beilage [C] zu Nr. [56] ; Albrecht, Maximilian I., 1078. Die gegen-teilige Darstellung bei Heilmann, 751 ist falsch.
.
Zu dieser Zeit entsandte der Kurfürst den Geheimen Rat Dr. Johann Mändl an den Kaiserhof. Den Berichten über die Verhandlungen in West-falen hatte Maximilian entnehmen müssen, daß die von ihm zunächst an-gestrebte Begrenzung der militärischen Operationen auf die letzten vier Monate des Jahres 1647 illusorisch war. Mändl verhandelte daher im Ja-nuar und Februar 1648 am Kaiserhof über die Bedingungen eines bis zum

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Friedensschluß gültigen Bündnisses mit dem Kaiser, zu dem sich Kurfürst Maximilian in Anbetracht des unbefriedigenden Fortgangs der Verhand-lungen in Osnabrück schweren Herzens gezwungen sah

Vgl. Beilage A zu [ Nr. 84.]
. Verknüpft wurden diese Bündnisverhandlungen jedoch mit der sehr nachdrücklichen Forderung an den Kaiser, die Verhandlungsführung auf dem Friedenskon-greß entschiedener und konsequenter auf einen möglichst schnellen Frie-densschluß auszurichten

Vgl. [Nr. 108] [und 117] . Kf. Maximilian hatte schon in den Monaten zuvor entsprechende Forderungen auch persönlich an den Ks. gerichtet (vgl. APW II A 6 Nr. 260 Beilagen A–D; in diesem Band Nr. 29 Beilage [1]). – Die Verknüpfung der militärischen Konjunk-tion mit dem Ziel eines schnellen Friedensschlusses wurde in Art. 7 des Bündnisvertrags vom 24. Februar/28. März 1648 ausdrücklich festgelegt (Text: Meiern V, 128 ; vgl. auch Kapser, 55).
. Ganz konkret erwartete Kurfürst Maximilian von Ferdinand III. einen Vorgriff kraft kaiserlicher Autorität, d.h. eine schnellstmögliche Einigung mit den protestantischen Reichsständen unter Übergehung aller Forderungen und Bindungen, die einer solchen Eini-gung im Wege standen. Gemeint waren damit in erster Linie die For-derungen der katholischen Reichsstände um Wartenberg, Adami und Leuchselring sowie die kaiserliche Bindung an Spanien

Vgl. Dickmann, 449f; Ruppert, 319; Albrecht, Maximilian I., 1042f. Zur Spaltung des CC in intransingente und gemäßigte Rst. („Maximalisten“ und „Prinzipalisten“) vgl. Wolff, 50–56.
.
In diesem Zusammenhang ebenfalls von Bedeutung für die politischen Rahmenbedingungen der kaiserlichen Kongreßpolitik war der Wechsel auf dem Mainzer Erzstuhl, da dieser mit einem Politikwechsel von Kur-mainz verbunden war. Der im Oktober 1647 verstorbene Kurfürst Anselm Casimir Wamboldt von Umstadt war in den knapp zwei Jahr-zehnten seiner Regierung ein treuer Unterstützer der kaiserlichen Politik gewesen. Mit Johann Philipp von Schönborn dagegen wurde sechs Wochen nach dem Tode Anselm Casimirs ein Fürst auf den Mainzer Erzstuhl (und damit auch in das einflußreiche Amt des Reichserzkanzlers) gewählt

Die Wahl Schönborns fand am 19. November 1647 statt (vgl. [Nr. 9 Anm. 5] ).
, der ohne größere Rücksichtnahme auf kaiserliche Interessen das Ziel eines möglichst schnellen Friedensschlusses verfolgte, nötigenfalls auch unter weitgehenden Zugeständnissen an die protestantischen Reichsstände

Ruppert, 331; LThK IX, 208.
.
Schönborn gehörte bald zu den einflußreichsten Persönlichkeiten in der Gruppe der katholischen Reichsstände, die Ferdinand III. eine mutwillige Verschleppung der Verhandlungen zugunsten Spaniens unterstellten. Zeit-gleich mit dem kurbayerischen Geheimrat Mändl wurde daher der kur-mainzische Obristhofmeister Waldenburg am Kaiserhof vorstellig, um parallel zu den kurbayerischen Forderungen auf einen schnellstmöglichen Friedensschluß durch kaiserlichen Vorgriff zu drängen . Auch auf dem

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Kongreß wurde die neue Politikrichtung schnell augenfällig, so daß Vol-mar bereits Mitte Januar 1648 den Zeiten Anselm Casimirs nachtrauerte und sich über die in seinen Augen zu nachgiebige und frankophile Politik Schönborns beklagte . Im Zusammenhang mit dieser Neuausrichtung der kurmainzischen Politik ist auch die Entsendung Sebastian Wilhelm Meels zu sehen , der im Dezember 1647 die kurmainzische Gesandtschaft um Kanzler Raigersperger ergänzte

Raigersperger pflegte mit den ksl. Ges. eine recht enge und vertrauliche Zusammenarbeit (vgl. bspw. [Nr. 119] ). Im März 1648 schilderte Volmar gegenüber Trauttmansdorff die zunehmende Isolierung Raigerspergers innerhalb der kurmainzischen Gesandtschaft und hob ausdrücklich seine Verdienste für das Haus Habsburg hervor (vgl. APW II A 8 Nr. 35; Fußbahn, 160–164).
.
Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg verfolgte derweil einen anderen Ansatz. Vergleichbar mit der 17 Jahre zuvor bereits einmal propagierten Konzeption einer „Dritten Partei“

Ausgehend von einer kurbg. Initiative war auf dem Leipziger Konvent der prot. Rst. 1631 von den teilnehmenden Rst. n die Durchführung von Werbungen und die Aufstellung ei-gener Truppen zur Umsetzung einer bewaffneten Neutralität zwischen dem Ks. und Schweden beschlossen worden ( Neugebauer, Brandenburg, 299f; Schmidt, DK, 49f).
, ließ der Kurfürst zwischen Dezember 1647 und Mai 1648 seinen wichtigsten Berater, Kon-rad Alexander Magnus von Burgsdorff, bei Kurfürst Johann Georg von Sachsen und den Herzögen von Braunschweig-Lüneburg um einen be-waffneten Zusammenschluß der norddeutschen Fürsten werben

Vgl. [Nr. 82 Anm. 22] und [118 Anm. 16] ; Brandstetter, 19–65; Schreckenbach, Kursachsen, 75f; Dickmann, 453f.
. Aller-dings ging keiner der beiden potentiellen Bündnispartner auf den kur-brandenburgischen Vorschlag ein, so daß Burgsdorffs Mission im Ergebnis ohne konkrete Auswirkungen blieb.
Ähnlich erging es dem französischen Gesandten Montbas, der im Novem-ber 1647 zu Kurfürst Ferdinand von Köln entsandt wurde, um diesem eine Rückkehr zum Ulmer Waffenstillstand schmackhaft zu machen; ein An-sinnen, das der Kurfürst ohne größere Umschweife zurückwies . Innenpolitisch geriet die französische Regierung mit Beginn des Jahres 1648 zunehmend unter Druck, da der französische Staat zum Ende des Jahres 1647 de facto bankrott war

Vgl. Bonney, 201f, 320.
. Ende Januar 1648 erreichten erste Berichte über Aufstände der französischen Bevölkerung und Auseinander-setzungen zwischen König und dem Pariser parlement die kaiserlichen Gesandten in Westfalen

Vgl. [ Nr. 101] und [111] ; Sonnino, 231.
. Verhandlungstaktisch gesehen bedeutete diese Entwicklung für den Kaiser und Spanien, daß man auf eine Schwächung

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des schwedischen Bündnispartners Frankreich und damit verbunden auf eine Verbesserung der eigenen Verhandlungsposition hoffen konnte.
Entsprechende Erwartungen hegte die französische Krone ihrerseits im Hinblick auf den Masaniello-Aufstand im spanischen Vizekönigreich Neapel, der im Winter 1647/48 unverändert fortdauerte. Hier spekulierte Frankreich nach den erfolgreichen Aufständen gegen die spanische Herr-schaft in Portugal und Katalonien offen auf eine Schwächung dieser wich-tigen spanischen Position in Italien

Vgl. [ Nr. 11] , [90 Anm. 11] , [ 101] , [ 111] . Mazarin stufte den möglichen Verlust Neapels und Siziliens als coup mortel für die span. Monarchie ein ( APW [ II B 6, LXVIII Anm. 34] ).
. Allerdings konnte auch die französi-sche Unterstützung des Aufstands, unter anderem durch die Entsendung einer Flotte , nicht verhindern, daß der Aufstand im April 1648 nieder-geschlagen wurde.
Gleichzeitig führten die spanisch-französischen Friedensverhandlungen in Münster in eine Sackgasse. Zwar waren Ende 1647 quantitativ zahlreiche Punkte eines möglichen Friedensvertrags verglichen

Ende November 1647 hatten sich die beiden Parteien in 48 von insgesamt 59 Punkten des Friedensvertrags geeinigt (vgl. Tischer, Diplomatie, 399; zu den frz.-span. Verhandlun-gen in dieser Phase vgl. grundlegend Rohrschneider, Frieden, 384–432).
, die wenigen quali-tativ entscheidenden Streitfragen waren jedoch weiterhin offen

Vgl. Tischer, Diplomatie, 400–405.
. Vor allem in der Assistenz- und Restitutionsfrage betreffend Herzog Karl IV. von Lothringen erwiesen sich die gegensätzlichen Standpunkte zunehmend als unvereinbar

Vgl. exemplarisch [Nr. 27] , [ 38] und [58] .
, was Nassau am 7. Februar 1648 über das Scheitern der spanisch-französischen Verhandlungen an den Kaiserhof berichten ließ

[Nr. 116.] Vgl. ausführlich S. LXXXI–LXXXV.
.
Komplettiert wird der politische Rahmen der kaiserlichen Verhandlungen im Editionszeitraum durch das Ausscheiden der Vereinigten Niederlande aus dem Krieg, deren Gesandte mit Ausnahme des Gesandten der Provinz Utrecht am 30. Januar 1648 in Münster den Friedensvertrag mit Spanien unterschrieben

Vgl. [Nr. 106.] Zum Frieden vgl. Poelhekke, 448–501; Dickmann, 440–443; Lade-macher, 347f; Rohrschneider, Frieden, 422ff.
. Im Zusammenhang mit dem Scheitern des Ulmer Waffenstillstands und der stagnierenden Verhandlungen mit Spanien be-deutete der endgültige Verlust des wichtigen Verbündeten eine deutliche Schwächung des französischen Bündnissystems und verstärkte somit die Bindung Frankreichs an Schweden

Rohrschneider, Frieden, 422. – Frankreich und die Vereinigten Ndl. hatten am 8. Fe-bruar 1635 (Text [frz.]: DuMont VI/1, 80–85) und am 1. März 1644 (Text [frz.]: ebenda, 294ff) Allianzverträge, außerdem am 15. April 1634 einen Subsidienvertrag (Text: ebenda, 68–72) geschlossen. Faktisch waren die Ndl. jedoch bereits mit der Unterzeich-nung der span.-ndl. Provisional-Artikel vom 8. Januar 1647 aus dem Krieg gegen Spanien ausgeschieden (vgl. APW II B 5, CVIf).
. Auf die Verhandlungen in Osna-

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brück blieb der spanisch-niederländische Friedensschluß jedoch ohne er-kennbaren Einfluß.
Von dynastischen Themen sind die Korrespondenzen des edierten Zeit-raums weitgehend frei. Lediglich bei einer Gelegenheit, Anfang Februar 1648, bedankte sich Volmar bei Trauttmansdorff für Informationen über die offenbar zu diesem Zeitpunkt angebahnte Hochzeit Ferdinands III. mit Erzherzogin Maria Leopoldina

Vgl. [Nr. 114] . Die erste Gattin Ferdinands III., die span. Pz.in Maria Anna (geb. 1606), war am 13. Mai 1646 verstorben ( APW [ II A 4, XLVIII] ; Mecenseffy, 38–48).
.
Der Aspekt der Auseinandersetzung mit dem Osmanischen Reich findet im Editionszeitraum ebenfalls nur ein einziges Mal Erwähnung, indem Ferdinand III. den Gesandten weitere Verhandlungen über den franzö-sischen Beitrag zur Türkenhilfe untersagte

Vgl. Nr. 107. Zur Rolle des Osmanischen Reiches in der europäischen Politik zur Zeit des Westfälischen Friedens vgl. Hiller.
. Was die Rolle Ferdinands III. als Landesherrn anbetrifft, sind die ausgewerteten und bearbeiteten Archivalien unergiebig.

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