Acta Pacis Westphalicae II A 8 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 8: Februar - Mai 1648 / Sebastian Schmitt

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Donnerstags, den 16. Aprilis a meridie haben sich die Sachßen Aldenburgischen, Braun-
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schweig Lüneburgischen und der statt Straßburg abgesandten alß deputati evangelicorum
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bey unß eingestelt. Begehren die materias amnestiae nochmahlen mit unß zu conferiren,
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weil sie deßwegen mit den Schwedischen gehandtlet, welche ebenmeßig begehrten, daß die-
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selben allerdings under unß vergliechen unnd hernach bey negster zusamenkunfft ohne wei-
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ter disputat underschrieben werden mögten. Deßen wir dan also zufrieden gewesen.

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Und erstlich bey außlaßung des Pfaltz Sultzbach[isch]en restitutionstreitts wolten sie eine
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declaratoriam von unß haben, daß solche sach under der generalregul de autonomia begrief-
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fen. Nos negavimus hoc officii nostri esse, dan wir könten diesortts keine partes iudicis
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sustiniren, sondern ließen an seinen ortt gestelt sein, ob’s darunder begrieffen oder nit. Illi:
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Wir solten’s wenigst ad protocollum nehmen, daß es under der regul begrieffen wehre. Sed
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neque hoc concessum. Et cum ego, Volmarus, dicerem, ich laß sein, daß es under der regul
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begrieffen seie, wir konten es aber nit also declarirn, illi: Dies wehre ihnen all gnug, wölten’s
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also protocollirn, quod hoc dixissem. Ego: Hett’s sine praeiudicio partium vermeldt, quibus
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in utramvis partem praeiudicatum nolim. Ego, Crane, protestirte darwieder, daß ich der
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meinung nit wehre. Könte zwar die außlaßung verwilligen, daß aber dargegen einige decla-
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ratoria von unß darüber gegeben werden solte, gestalt diese sach einigergestalt under der
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regul solte begrieffen sein, oder daß deßwegen ichtwaß ad protocollum zu bringen, hielte
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ich darfür, daß in unßer macht nit stehe. Begehrten mit der außlaßung noch einen noch
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anderen theill zu praeiudiciren, die partheien mögten es darnach gegeneinander ausführen.
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Illi tretten ab et habita inter se consultatione dicunt, ihnen komme befrembdtlich für, daß
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man diesortts einig disputat erwecken wolt. Sie sehen woll, waß der catholischen meinung;
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man hett’s mit dem religionfrieden also gemacht und gleich ein beschwehrung uber die an-
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dere den evangelischen auffzutringen angefangen. Jetzt fange man diese pacification gleich
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in cunabulis ahn zu disputiren. Des pfaltzgraffen von Newburg intention seie, sich seines
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gewaldts zu gebrauchen und seinen vettern in langwührige rechtsfertigung herumbzuefüh-
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ren. Es wehren alle evangelische insgemein darbey interessirt; könten es nit also hingehen
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laßen, sondern wehren resolvirt, diese sach in puncto executionis also festzumachen und zu
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faßen, daß sie deren woll gesiechert bleiben werden könten. Nos: Es wehre unnöttig, daß sie
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mit dergleichen andungen auffziehen solten, dan wir keinem theill zu praeiudiciren begehr-

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ten noch auch könten. Ihnen stünde frey, ihrerseits zu protocolliren, cum qua intentione sie
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diese außlaßung bewilligt. Unßersortts hab man solchs alzeitt vor das beste mittl gehalten,
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weil sie aber vor diesen nit darmit zufrieden sein wöllen, so wehre von herrn graffen von
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Trautmanstorff ein vergrieff auffgesetzt worden, wie dieser streitt in instrumento einzue-
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richten

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Bezug auf § „Palatino Solisbacensi“ der den schwed. Ges. 1647 III 15 überreichten De-
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claratio der ksl. Ges. zur prot. endlichen Erklärung über das Reichsreligionsrecht (Text:
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Meiern IV, 125 erster Abs. – APW II A 5 Beilage 1 zu Nr. 319) betr. Pfalz-Sulzbach. –
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Palatino Solisbacensi, sicut hactenus ita etiam imposterum similiter et Viduae Hilpolstei-
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nensi pro se suisque Aulicis Ministris, Conciliarius, Officialibus et Servis, intra Aulae
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parietes et aedes Sacras illuc pertinentes liberum pateat, Augustanae Confessionis Exerci-
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tium, et siquid hoc nomine turbatum, redintegretur in eum, quo Anno 1624 1. Ianuarii
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fuerat, statum. In reliquis Ius sublime Territorii, tam quoad Ecclesiastica, quam Politica
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Principi totius Palatinatus Neoburgici Regimini universali Praefecto maneat salvum: Ita
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tamen, ut Subditos Augustanae Confessioni addictos, ea qua supra in genere conventum
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est indulgentia tractet.
. Diesen auffsatz könten wir auch noch passiren laßen; weil sie aber darmit nit con-
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tent, so bleibe es billich bey verahnlaßter außlaßung. Darmit repetitis suis protestationibus
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haben sie sich endtlich zu ruhe begeben.

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Folgendts ist der ubrige auffsatz in puncto amnestiae vollendts durchgangen und, soweith
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sie können, aggiustirt worden. Tringen nochmahlen starck darauff, daß mit Baden Derlach
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[!] ein ander vergleich mögte gemacht werden, quod rotunde negatum. Wegen Pirmont
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wolten sie keiner sequestration mehr deferiren. Entschüldigten sich, daß nit gewust, daß
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Waldeck in possessione, müste darin manutenirt und Cöllen alß bischoff zu Paderborn ad
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petitorium gewiesen werden. Wegen Sain und Wittgenstein mit Hachenburg unnd Ben-
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dorff

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Die Hft. Bendorf am Rhein gegenüber Koblenz war bis 1636 im Besitz der (jüngeren)
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Gf.en von Sayn gewesen. Als mit dem Ende dieser Linie dessen Vogteirechte an einem in
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Bendorf gelegenen Hof des Klosters Maria Laach heimfielen, hatte das Kloster die Gele-
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genheit wahrgenommen, nicht nur den Hof, sondern die gesamte Hft. Bendorf seinem
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Besitz einzuverleiben. Später war Fh. Heinrich von Metternich (gest. 1654), der damalige
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bay. Statthalter in der Unterpfalz, von Kf. Maximilian I. in Bendorf investiert worden.
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Gf.in Luise Juliane von Sayn hatte daraufhin beim WFK die Erbrechte ihrer beiden Töch-
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ter eingeklagt (vgl. Zedler III, 1110; HHStD V, 36).
könte der Wittgensteinischen praetension nit deferirt werden, sondern es müste der
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wittib und töchter

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Gemeint sind Gf.in Luise Juliane von Sayn und ihre Töchter Ernestine Salentine (1626–
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1661) und Johannette (1632–1701).
die restitution gedeyen, salvo iure der graffen von Wittgenstein. Mit
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Freisburg und Valendar möge es auß dem instrumentum bleiben und allein wegen forder-
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lichen außtrags ad protocollum notirt werden. Und dies wehre also commune conclusum
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evangelicorum, so sie den Schwedischen ahngezeigt, welche dan auch damit zufrieden weh-
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ren. Wir haben’s darbey bewenden laßen und glei[c]hwoll unß benohmen, wegen Pirmont
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und Hachenburg mit Cöllen zu reden.

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Communicatis his cum Dr. Buschman ließ er’s wegen Hachenburg darbey bewenden,
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wegen Pirmont aber wehr er content, wan dieser paß genttzlich ab instrumento könte auß-
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gelaßen bleiben.

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Freytag, den 17. Aprilis vormittags sein sie wieder vor unß erschienen mit anzeig, daß sie
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unßere gestrige declarationes den Schwedischen referirt, und wehre darauff gutt funden
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worden, diese materias nochmahlen under hants zu nehmen. Waß Sultzbach belangte, het-
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ten sie ad protocollum genohmen, weßen sie sich gestern erclehrt und waß darbey vorgan-
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gen. Nos ließen’s dahingestelt sein, ahn unßerm ortt bleiben wir bey unßer gestrigen ercleh-
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rung und ließen’s in medio. Illi: Waß Baden Derlach [!] betreffe, werden die Schwedischen
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weiter mit unß reden. Wegen Solms Hohensolms und Isenburg wehre commune conclusum
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evangelicorum, daß denen die restitutio ex amnestia non obstante transactione gedeyen solt,
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doch salvo utrobique landgravii Darmbstadiensis iure. Wegen Hachenburg bleib es auch

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bey ihrm auffsatz

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Ein Schriftsatz konnte nicht ermittelt werden. Die prot. Ges. hatten die Forderungen 1648
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IV 16 lediglich mündlich vorgetragen (vgl. auch Meiern V, 699 rechte Sp. vierter Abs.).
, wegen Pirmont haben sie bewilligt, diesen paß gantz außzulaßen ex
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causis ipsis remonstratis und weil Waldeck in possessione, consequenter keine restitution
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nöttig.

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Alß nuhn hierauff verahnlaast worden, daß diese amnesti materia zusamengeschrieben,
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darin zwar die causa Palatina und der § „Tandem omnes etc.“

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Wie Anm. 6.
vor diesmahl nur verbis
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initialibus berührt, mithin mondrigen tags diese schrifft underschrieben werden solten, hat
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sich ahn abendt Dr. Kreebs bey mir, Volmarn, ahngemeldt und begehrt, daß die Pfaltzische
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sach per extensum vollich eingebragt werden mögte. Ich habe ihme aber gesagt, daß es die
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Schweden nit underschreiben würden, sonderlich weil wir nuhmehr solche separation nit
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zugeben könten, sonder crafft iüngster Kayserlichen befehl den § „Tandem omnes etc.“,
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wie der von unß proiectirt, manuteniren müsten. Wehren sonst woll zufrieden, daß die
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Pfaltzische sach sambt dem § „Tandem omnes etc.“ auch völlich in diese schrifft eingebragt
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und also die gantze amnestiae materia, wie der articulus gravaminum, complet underschrie-
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ben würde, so wir auch zu erhalten versuchen wölten.

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Sambstags, den 18. huius haben sich die Schwedischen bey unß eingestelt und erholt, waß-
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gestalt die protestierenden ihnen vorgetragen, wie weith die amnestiae materien mit unß
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durchgangen worden. Demnach wehren sie auch vorhabens, selbige mit unß zu recapitu-
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liren. Dieienige puncten, deren man einig, allein kurtz

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18 anzumelden] In der Kopie Fasz. 92 XV: abzumelden.
anzumelden, von den übrigen zu
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sehen, wie man sich deren vergleichen und alßdan diese sach zum underschreiben außferti-
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gen mögte. Respondimus, die protestierenden hetten nun gestern und vorgestern derentwe-
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gen mit unß gehandtlet und daher wir nit anderst vermeindt, alß daß es nun allerdings sein
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verbleibens darbey haben und bey dieser conferentz alles underschrieben werden solte,
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doch laßen wir unß die collationirung nit zuwieder sein.

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Man ist in nachfolgenden different, sonst aber in allen ubrigen puncten einig geweßen. 1.
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Wegen Baden Durlach versuchten sie abermahlen alle mittl und weeg, daß auff ihre praeten-
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siones mögte eingewilligt werden. 2. Wegen Hachenburg vernehmen sie, daß unß von den
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protestierenden ein auffsatz zugestelt worden, darab sich der graff von Wittgenstein zum
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hochsten beschwehren thette; ihrstheils hetten sie kein wißenschafft davon. 3. Bey dem
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§ „Castrum Falckenstein etc.“

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Bezug auf Art. IV § „Castrum Falckenstein“ KEIPO6 (Text: ebenda, 955 vierter Abs.;
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vgl. später Art. IV,37 IPO ← § 35 IPM) betr. Rechtsansprüche auf Schloß Falkenstein,

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Amt Bretzenheim und Hft. Reipoltskirchen.
wölten sie noch die wortt „restituatur ei, cui per sententiam
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adiudicatum fuerit“, beygesetzt haben. 4. Referirn, waßgestalt die Churtrierischen abge-
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sandten gantz instendig begehrt, daß wegen der capitulation und des Lutzenburgischen de-
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positi auch ein paragraph im instrumento eingerückt werden solte, wie von denen Frantzo-
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sen im ihrigen beschehen

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Bezug auf §§ „Ut autem“ und „Cum arrestum“ FEIPM1 von 1647 VII 19 (Text: Meiern
V, 144 letzter Abs.) betr. Kf. von Trier.
.

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Respondimus ad 1., daß wir unß einmahl in kein weiter tractat einlaßen könten, sondern
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praecise bey unserm noch letztens zu Münster vergliechenen und alhier cum temperamentis
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wieder hinaußgegebenen auffsatz verbleiben thetten

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Bezug auf Art. IV § „Fridericus Marchio Badensis“ KEIPO6 (Text: Meiern IV, 954
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dritter Abs.; vgl. später Art. IV,26 IPO = § 33 IPM) betr. Amnestie für Mgf. Friedrich
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V. von Baden-Durlach.
. Ad 2., wegen Hachenburg hetten die
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protestierenden unß vorgeben, daß sie, Schweden, darmit allerdings content; weil sie aber
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deßen nit anredig, so müsten wir mit ermelten protestierenden weiters reden. Ad 3., könten
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wir einmahl kein sententiam confirmiren, de cuius validitate nobis non constaret; der auff-

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satz wehre in ihr, der Schwedischen, eignem instrument also einkommen und unß uberge-
2
ben

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Bezug auf Art. IV § „Domus Falckenstein“ SEIPO3 (Text: RA Stockholm, DG 9 fol.
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789;
Giessen 209 nr. 67 fol. 584; vgl. später Art. IV,37 IPO ← § 35 IPM) betr. Rechtsan-
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sprüche
auf Schloß Falkenstein, Amt Bretzenheim und Hft. Reipoltskirchen.
, also müste’s darbey bleiben. Ad 4., seien wir erbietig, ihrer Kayserlicher majestätt
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darvon nochmahlen umbständtliche relation zu thuen, welche auch darauff die gebühr zu
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verordtnen nit underlaßen würden. Wir könten aber derentwegen im instrumento nichts
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einkommen zulaßen, zumahlen sich die Spanische, soviel das Lutzenburgische depositum
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ahnlangte, iederzeitt erbotten, facta pace selbiges abfolgen zu laßen.

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Wiewoll wir nuhn diesortts hinc inde abgetretten, mit denen protestierenden auch catho-
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lischen communicirt und biß in 6 stund darmit verzehrt, so ist es doch sonderlich mit der
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Badischen sach zu keinem vollichem Schluß zu bringen gewesen, sondern es sein die
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Schwedischen darauff blieben, daß gleichwoll ein ander auffsatz von ihnen verfaßt, darin
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daßienige, deßen man beyderseits bekandtlich, eingebragt, im ubrigen, weil der abgeordt-
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neter keinen weitern befehl, herrn marggraff Friedtrichs

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Mgf. Friedrich V. von Baden-Durlach.
erclehrung erwahrtet werden
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solte, ob er damit zufrieden, wa nit, solt ihme sein weiter recht vorbehalten sein. Deßen
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wir cum hac conditione zufrieden gewesen, wan diese clausula reciproca und dem herrn
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marggraffen Wilhelm

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Mgf. Wilhelm von Baden-Baden.
ebensowoll bedingt würde, im ubrigen aber ieder theill in posses-
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sione deßen, so ihme diesmahls adiudicirt biß zu außtrag rechtens verbleiben solte.

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Desgleichen sein wir auch in starckes disputat mit der herrschaft Geroldtseck erwachßen, da
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die Schwedischen selbige der hinderlaßenen Geroldteckischen tochter, ietziger gemahlin
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herrn marggraffen Friedrichs

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Vgl. Anm. 4.
, ex capite amnestiae zue restituiren begehrten, wir aber, daß
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die notorietas caducitatis darwieder unnd diesortts weiter nichts allß allein die separatio
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praetendirten eigenthumbs vom lehn gesucht werden könte, darzu man sich auch ex parte
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Osterreich iederzeitt ahnerbotten, und stünde nur darauff, daß die prob allodii mit gnug-
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samen documentis belegt würde.

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Uber diese Badischen und Geroltzeckischen streittigkeiten ist den 19. huius mit Thumbs-
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hirn und Langenbeck per me, Volmarum, gehandtlet und von ihnen endtlich dem marggraf-
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fen Friederich noch die kellerey Malsch, so sonst ex antiqua haereditatis divisione zum
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obern theil der marggraffschafft Baden notorie gehörig, zu überlaßen auff das allerinsten-
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digst gesucht worden, welches man iedoch keinesweegs nachgeben können, sonderlich weil
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sich der Badische abgeordtneter darwieder zum hochsten beschwehrte.

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