Acta Pacis Westphalicae II A 8 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 8: Februar - Mai 1648 / Sebastian Schmitt
1. Die kaiserliche Gesandtschaft
Formal gesehen war der Obersthofmeister Ferdinands III., Trauttmans-dorff, der am 16. Juli 1647 den Kongreß verlassen hatte
, noch immer kaiserlicher Prinzipalgesandter für die Verhandlungen mit Frankreich und Schweden. Er war zwar ausdrücklich aufgefordert worden, an den Kaiserhof zurückzukehren
, einem der in Westfalen verbliebenen Abge-sandten wurde eine entsprechende kaiserliche Ernennung jedoch nicht
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zuteil. Unter den noch den Friedensverhandlungen beiwohnenden kaiser-lichen Gesandten gab es keine Streitigkeiten, die in den Relationen an den Kaiser oder den Schreiben einzelner Gesandter an Trauttmansdorff oder den Reichsvizekanzler Kurz thematisiert worden wären. Lediglich Lam-berg deutet gegenüber Kurz einmal sehr knapp eine Meinungsverschie-denheit mit seinen beiden Kollegen wegen deren Vorgehensweise bei den Verhandlungen über die Amnestie in den kaiserlichen Erblanden an
.
Volmar traf am 14. November 1647 in Osnabrück ein
, um dort die Ver-handlungen mit den Bevollmächtigten Schwedens und der protestan-tischen Reichsstände voranzutreiben, so daß für den Editionszeitraum Reichsgraf Nassau als alleiniger Gesandter Ferdinands III. in Münster residierte; protokollarisch nahm er von allen vier kaiserlichen Bevoll-mächtigten den höchsten Rang ein. Die Relationen seiner Osnabrücker Kollegen an Ferdinand III. liefen über ihn, er ließ von diesen Schrift-stücken in seiner Kanzlei Kopien fertigen und die Ausfertigungen weiter nach Prag versenden. Sind diese Kopien im Editionszeitraum von
APW II A 7 noch weitgehend genaue Abschriften der Ausfertigungen, so ist dies hier nur in Ausnahmen der Fall
. Bis zu Beginn des Monats März wurden in Münster Kopien mit gekürztem Text angefertigt
, während ab dem 9. März
überwiegend Inhaltsübersichten über die Osnabrücker Schrei-ben erstellt wurden, die lediglich kurz die Hauptpunkte der Relation er-wähnen und auf die beiliegenden Protokolle verweisen. Weshalb so ver-fahren wurde, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, jedoch wird der Schlaganfall Nassaus
und das damit verbundene geringere Arbeitspen-sum seines Personals aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit wahrscheinlich eine Rolle gespielt haben. Sein Gesundheitszustand muß zwischenzeitlich so bedenklich gewesen sein, daß Volmar gegenüber Trauttmansdorff den Gedanken äußerte, nach der Beendigung der Verhandlungen in Osna-brück den Reichsgrafen Lamberg nach Münster abzuordnen
. Eine zu-sätzliche Erklärung für die inhaltlich stark gerafften Kopien könnten eventuelle Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den Kanzleien Kranes und Volmars gewesen sein.
Die Weisungen Ferdinands III. an seine Abgesandten in Osnabrück gingen ebenfalls zuerst über Nassau. Seine eigenen Relationen sandte er gewöhnlich zweimal wöchentlich, dienstags und freitags, an den Kaiser-hof. Von den drei Bevollmächtigten in Osnabrück gebührte Lamberg die
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höchste protokollarische Stellung. Die Verhandlungen mit den Gesandten der schwedischen Krone und denjenigen der Reichsstände fanden, sofern die Kaiserlichen die Gastgeber waren, in seinem Quartier statt
. Eine herausragende Stellung bei den Verhandlungen ist aus den Relationen und den Protokollen jedoch nicht zu erkennen; die Fähigkeiten, die ein Trauttmansdorff auf der diplomatischen Klaviatur bewiesen hatte
Dickmann
nennt ihn den bedeutendsten Mann des gesamten Kongresses (vgl.
Dick-mann,
195).
, be-saß Lamberg nicht
Zur Einschätzung seiner Befähigung für die Friedensverhandlungen vgl.
Ruppert,
29; APW
III C
[2/1, XXXI]
; APW
[III]
C
4 XXVIIIff.>
. Neben den Relationen an den Kaiserhof pflegte er eine regelmäßige Privatkorrespondenz mit Kurz, in der er allerdings die Inhalte der Schreiben an Ferdinand III. meist lediglich knapp aufgriff und dem Reichsvizekanzler referierte. Krane, der Sekundargesandte für die Verhandlungen mit Schweden, war ebenfalls nicht die dominierende Kraft innerhalb der kaiserlichen Delegation während der Gespräche mit den gegnerischen Bevollmächtigten oder denen der katholischen Reichsstände. Nur in seltenen Fällen hat er eigenhändige Korrekturen und Ergänzungen an den Protokollen vorgenommen
.
Der eigentliche Verhandlungsführer der kaiserlichen Gesandtschaft war Volmar
Vgl.
Ruppert,
28f; APW
III C
2/1, XXXf;
Dickmann,
195f.
. Obwohl er offiziell Sekundargesandter für die Verhandlungen mit den Bevollmächtigten der französischen Krone war, weilte er im Editionszeitraum in Osnabrück und war dort maßgeblich an den Grava-mina- und Amnestieverhandlungen beteiligt. Er führte die kaiserliche Kanzlei; die Konzepte für die Osnabrücker Relationen stammen von sei-ner Hand. Daß er diese Position innerhalb der Delegation Ferdinands III. einnehmen konnte, lag an seinen außerordentlichen juristischen Fähig-keiten und an seiner jahrelangen Erfahrung in der Verwaltungsarbeit. Die Formulierung der kaiserlichen Verhandlungsakten wurde von Volmar übernommen. Die Ausarbeitung der Widerlegung der protestantischen
Rationes für die Beibehaltung des
Trauttmansdorffianums
, die durch ein hohes Maß an juristischer Fachkenntnis und gewandte Formulierun-gen gekennzeichnet ist, besorgte er; dieses Schriftstück lobte Ferdinand III. ausdrücklich
. Auf der anderen Seite wird Volmar in der Literatur ein Mangel an diplomatischem und politischem Verhandlungsgeschick be-scheinigt
Vgl.
Ruppert,
29; APW
[III]
C
2/1, XXXf.
. Mit der Suspendierung der Verhandlungen über die Amnestie in den kaiserlichen Erblanden, die Volmar bewilligt und zu begründen
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versucht hat
, war man in Prag sehr unzufrieden
. Die deputierten Räte am Kaiserhof überlegten im April sogar, Volmar ob dieses Zuge-ständnisses an die Gegenseite abzuberufen
, was der Geheime Rat in seinem Beschluß allerdings wieder verwarf
. Interessanterweise war Trauttmansdorff an dem Gutachten der deputierten Räte nicht beteiligt, während sein Name bei der Anwesenheitsliste des Geheimen Rats auf-geführt ist
. Sehr wahrscheinlich hat der Obersthofmeister sich für seinen engen Vertrauten, der er auch nach der gemeinsamen Zeit am West-fälischen Friedenskongreß noch war, eingesetzt
. Die beiden führten eine Privatkorrespondenz miteinander, von der allerdings nur die Schrei-ben Volmars an den Obersthofmeister überliefert sind. Diese thematisie-ren die Verhandlungen und ergänzen die Relationen der Gesamtdelega-tion um die persönliche Ansicht Volmars, der seine Meinung dort oftmals direkter und weniger verklausuliert wiedergab
In
[Nr. 72] etwa berichtet Volmar, wie La Court dem kurbay.
Ges.
Krebs
gschwind dz maul vol
gab.
. Auch für Ferdinand III. schien die Verhandlungsführung Volmars insgesamt so manchen Fehler aufzuwiegen, so daß er dessen Bitte, den Kongreß verlassen zu dürfen
, nicht stattgeben wollte und den Befehl zum Verbleib in Westfalen
nicht zurücknahm.
Allgemein kann man zu den Relationen aus Osnabrück – diese gingen jeweils montags und donnerstags nach Prag ab – festhalten, daß sie aus-führlich Auskunft über den Verhandlungsstand geben und oftmals noch durch sehr detaillierte Protokolle ergänzt werden. Auf der anderen Seite wurden wichtige Verhandlungsakten stark verzögert oder gar nicht über-sandt. Der am 8. Februar übergebene Teilentwurf für ein IPO
ging nicht an den Kaiserhof ab – und wurde aus Prag auch nicht angefordert. Bei dem am 7. März unterzeichneten und auf den 3. März zurückdatier-ten Vorabkommen über die Reform der Reichsgerichte
wurden die Ge-sandten jedoch ermahnt, dieses zu überschicken
, was Mitte April dann auch geschah. Das am 18. März unterschriebene zweite kaiserlich-schwe-dische Vorabkommen über die schwedische Territorialsatisfaktion
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wurde auf diese Mahnung hin ebenfalls expediert. Bei der nach Prag übersandten Kopie des am selben Tag unterzeichneten Vorabkommens über die Autonomie der Mediatstände und Untertanen im Reich und in den kaiserlichen Erblanden
fehlten die Unterschriften. Der Kaiser monierte dieses Versehen
, und seine Bevollmächtigten schickten umge-hend nochmals eine Kopie des Vorabkommens, diesmal allerdings mit den Namenszügen der an der Unterzeichnung Beteiligten
.
Obwohl die Osnabrücker Gesandten sich nicht in allen Fällen an ihre Weisungen hielten und ihre Kompetenzen zum Nachteil des Kaisers auch in einigen wichtigen Punkten überschritten, war Ferdinand III. mit der Verhandlungsführung seiner Delegation insgesamt zufrieden
Vgl. etwa
[Nr. 40] sowie Ferdinand III. an Lamberg, Krane und Volmar, Prag 1648 III 4 (Ausf:
RK
FrA Fasz. 92 XIV nr. 1993 fol. 461–462 – Konzept:
RK
FrA Fasz. 55c [1648 I–III] fol. 154–154’).
. Dem Kaiser war daran gelegen, das die verzögerung des friedens nit unß aufgewalzet werden könte
und stellte fest, daß seine Gesandten dies bisher zu seinem gnedigisten wohlgefallen gethan
hätten. Die Entwicklungen vor Ort ließen den Bevollmächtigten allerdings nicht immer genügend Zeit, um erst auf dem langwierigen Postweg Befehle aus Prag einzuholen. Auf die Eigendynamik der Verhandlungen galt es, kurzfristig zu re-agieren.