Acta Pacis Westphalicae II A 8 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 8: Februar - Mai 1648 / Sebastian Schmitt
B Die Verhandlungen der kaiserlichen Gesandten auf dem Westfälischen Friedenskongreß im Winter 1647/48 und Frühjahr 1648
Der Abschluß des spanisch-niederländischen Friedens am 30. Januar 1648 wirkte sowohl für die spanisch-französischen Gespräche
Zu diesen Verhandlungen vgl. ausführlich
Rohrschneider,
Frieden.
als auch für
[p. LII]
[scan. 52]
die Verhandlungen zwischen dem Kaiser und der Krone Frankreich in Münster nicht als Katalysator; der kaiserliche Primargesandte für die Ver-handlungen mit Frankreich, Nassau, konnte keinerlei Fortschritte nach Prag berichten
. Alle Bevollmächtigten der Vereinigten Provinzen der Niederlande bis auf Donia reisten Anfang Februar vollständig nach Den Haag, um die Ratifikation des Friedens durch die Generalstaaten ein-zuholen
. Der spanische Gesandte Brun seinerseits brach zur selben Zeit nach Brüssel, der Hauptstadt der Spanischen Niederlande, auf, um dort über die Exekution des Friedens zu beraten
Vgl.
[Nr. 12 Anm. 3] . – Zur Bedeutung der Regierung der Span. Ndl. für die Verhandlun-gen der span.
Ges.
in Westfalen vgl.
Rohrschneider, Frieden, 119–136.
. Ende März kehrte er zu-rück
, sein Kollege Peñaranda verblieb in dieser Zeit in Münster. Wäh-rend dort die Ratifikation aus Madrid am 23. März 1648 eintraf
, kamen die Gesandten der Vereinigten Provinzen ab Ende März nacheinander nach Westfalen zurück, so daß sie erst Anfang Mai wiederum nahezu voll-zählig waren
. In den Niederlanden gab es Schwierigkeiten bei der Rati-fikation, da die Provinzen Utrecht und Seeland diese verweigerten. Dort kam es sogar zu Unruhen; die Ratifikation durch Seeland stand zum Ende des Editionszeitraums noch aus
.
Die französische Gesandtschaft bestand nach Longuevilles Abreise Anfang Februar 1648
noch aus d’Avaux und Servien, deren Verhältnis zuein-ander allerdings angespannt war
. Servien weilte von Mitte Februar bis zum Ende des Monats in Osnabrück, was die kaiserlichen Abgesandten veranlaßte, über die Gründe des Aufenthaltes zu spekulieren
Vgl. Nr.n
[10] ,
[ 11] ,
[ 12] und
[ 14] . – Zu den Gründen für diese Reise vgl. auch [Servien] an [Lionne], Münster 1648 II 14 (wird in
APW II B 8 ediert).
. Sein Ziel war es, die in Osnabrück anwesenden schwedischen und reichsständischen Delegationen für die französischen Forderungen nach dem Verbot der Unterstützung Spaniens durch den Kaiser, auch als Landesherrn, nach einem Friedensschluß sowie die Exklusion des Burgundischen Reichs-kreises und des Herzogs von Lothringen aus dem kommenden Frieden zu gewinnen
. Der delegationsinterne Konflikt zwischen den beiden fran-zösischen Bevollmächtigten schwelte unterdessen weiter, bis Mitte März aus Paris das Abberufungsschreiben für d’Avaux abging
, der daraufhin
[p. LIII]
[scan. 53]
am 18. April Westfalen Richtung Heimat verließ
. Die vermuteten Gründe für die Abberufung d’Avaux’ wurden in Nassaus Relationen an den Kaiserhof übermittelt
Vgl. Nr.n
[63] ,
[81] und
[85] ; zur Abberufung d’Avaux’ vgl. auch
Tischer, Diplomatie, 171–180 sowie demnächst
APW II B 8.
; die Gültigkeit der neuen Vollmacht Serviens zur alleinigen Vertretung des französischen Monarchen am Kongreß
war ein weiteres Thema der Münsteraner Schreiben
.
Im Zeitraum dieses Bandes war Osnabrück der Mittelpunkt der Verhand-lungen über den deutschen Frieden
Eine Übersicht zu diesen Verhandlungen bieten
Ruppert,
330–343;
Dickmann,
458–467;
Schneider,
390–403.
. Dort standen die Gesandten des Kaisers, Lamberg, Krane und Volmar, und diejenigen einiger kompromiß-bereiter katholischer Reichsstände – die bedeutenden unter diesen waren Kurbayern und Kurtrier, Kurmainz/Würzburg und Bamberg
– den Be-vollmächtigten der schwedischen Krone, Oxenstierna und Salvius, und den Vertretern der protestantischen Reichsstände gegenüber. Innerhalb der schwedischen Delegation herrschte ebenfalls eine gewiße Rivalität vor, zumal beide Gesandte von konkurrierenden Gruppierungen am Stockholmer Hof gestützt wurden
. Die Gesandten der anderen katho-lischen Reichsstände, die sogenannten Maximalisten unter der Führung des Osnabrücker Fürstbischofs Wartenberg, verharrten unterdessen in Münster, wovon sie trotz einer schriftlichen Aufforderung durch die Kai-serlichen Ende Februar
, den Verhandlungen in Osnabrück beizuwoh-nen, nicht abzubringen waren
.
I. Entscheidungsträger in Westfalen und Prag
1. Die kaiserliche Gesandtschaft
Formal gesehen war der Obersthofmeister Ferdinands III., Trauttmans-dorff, der am 16. Juli 1647 den Kongreß verlassen hatte
, noch immer kaiserlicher Prinzipalgesandter für die Verhandlungen mit Frankreich und Schweden. Er war zwar ausdrücklich aufgefordert worden, an den Kaiserhof zurückzukehren
, einem der in Westfalen verbliebenen Abge-sandten wurde eine entsprechende kaiserliche Ernennung jedoch nicht
[p. LIV]
[scan. 54]
zuteil. Unter den noch den Friedensverhandlungen beiwohnenden kaiser-lichen Gesandten gab es keine Streitigkeiten, die in den Relationen an den Kaiser oder den Schreiben einzelner Gesandter an Trauttmansdorff oder den Reichsvizekanzler Kurz thematisiert worden wären. Lediglich Lam-berg deutet gegenüber Kurz einmal sehr knapp eine Meinungsverschie-denheit mit seinen beiden Kollegen wegen deren Vorgehensweise bei den Verhandlungen über die Amnestie in den kaiserlichen Erblanden an
.
Volmar traf am 14. November 1647 in Osnabrück ein
, um dort die Ver-handlungen mit den Bevollmächtigten Schwedens und der protestan-tischen Reichsstände voranzutreiben, so daß für den Editionszeitraum Reichsgraf Nassau als alleiniger Gesandter Ferdinands III. in Münster residierte; protokollarisch nahm er von allen vier kaiserlichen Bevoll-mächtigten den höchsten Rang ein. Die Relationen seiner Osnabrücker Kollegen an Ferdinand III. liefen über ihn, er ließ von diesen Schrift-stücken in seiner Kanzlei Kopien fertigen und die Ausfertigungen weiter nach Prag versenden. Sind diese Kopien im Editionszeitraum von
APW II A 7 noch weitgehend genaue Abschriften der Ausfertigungen, so ist dies hier nur in Ausnahmen der Fall
. Bis zu Beginn des Monats März wurden in Münster Kopien mit gekürztem Text angefertigt
, während ab dem 9. März
überwiegend Inhaltsübersichten über die Osnabrücker Schrei-ben erstellt wurden, die lediglich kurz die Hauptpunkte der Relation er-wähnen und auf die beiliegenden Protokolle verweisen. Weshalb so ver-fahren wurde, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, jedoch wird der Schlaganfall Nassaus
und das damit verbundene geringere Arbeitspen-sum seines Personals aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit wahrscheinlich eine Rolle gespielt haben. Sein Gesundheitszustand muß zwischenzeitlich so bedenklich gewesen sein, daß Volmar gegenüber Trauttmansdorff den Gedanken äußerte, nach der Beendigung der Verhandlungen in Osna-brück den Reichsgrafen Lamberg nach Münster abzuordnen
. Eine zu-sätzliche Erklärung für die inhaltlich stark gerafften Kopien könnten eventuelle Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den Kanzleien Kranes und Volmars gewesen sein.
Die Weisungen Ferdinands III. an seine Abgesandten in Osnabrück gingen ebenfalls zuerst über Nassau. Seine eigenen Relationen sandte er gewöhnlich zweimal wöchentlich, dienstags und freitags, an den Kaiser-hof. Von den drei Bevollmächtigten in Osnabrück gebührte Lamberg die
[p. LV]
[scan. 55]
höchste protokollarische Stellung. Die Verhandlungen mit den Gesandten der schwedischen Krone und denjenigen der Reichsstände fanden, sofern die Kaiserlichen die Gastgeber waren, in seinem Quartier statt
. Eine herausragende Stellung bei den Verhandlungen ist aus den Relationen und den Protokollen jedoch nicht zu erkennen; die Fähigkeiten, die ein Trauttmansdorff auf der diplomatischen Klaviatur bewiesen hatte
Dickmann
nennt ihn den bedeutendsten Mann des gesamten Kongresses (vgl.
Dick-mann,
195).
, be-saß Lamberg nicht
Zur Einschätzung seiner Befähigung für die Friedensverhandlungen vgl.
Ruppert,
29; APW
III C
[2/1, XXXI]
; APW
[III]
C
4 XXVIIIff.>
. Neben den Relationen an den Kaiserhof pflegte er eine regelmäßige Privatkorrespondenz mit Kurz, in der er allerdings die Inhalte der Schreiben an Ferdinand III. meist lediglich knapp aufgriff und dem Reichsvizekanzler referierte. Krane, der Sekundargesandte für die Verhandlungen mit Schweden, war ebenfalls nicht die dominierende Kraft innerhalb der kaiserlichen Delegation während der Gespräche mit den gegnerischen Bevollmächtigten oder denen der katholischen Reichsstände. Nur in seltenen Fällen hat er eigenhändige Korrekturen und Ergänzungen an den Protokollen vorgenommen
.
Der eigentliche Verhandlungsführer der kaiserlichen Gesandtschaft war Volmar
Vgl.
Ruppert,
28f; APW
III C
2/1, XXXf;
Dickmann,
195f.
. Obwohl er offiziell Sekundargesandter für die Verhandlungen mit den Bevollmächtigten der französischen Krone war, weilte er im Editionszeitraum in Osnabrück und war dort maßgeblich an den Grava-mina- und Amnestieverhandlungen beteiligt. Er führte die kaiserliche Kanzlei; die Konzepte für die Osnabrücker Relationen stammen von sei-ner Hand. Daß er diese Position innerhalb der Delegation Ferdinands III. einnehmen konnte, lag an seinen außerordentlichen juristischen Fähig-keiten und an seiner jahrelangen Erfahrung in der Verwaltungsarbeit. Die Formulierung der kaiserlichen Verhandlungsakten wurde von Volmar übernommen. Die Ausarbeitung der Widerlegung der protestantischen
Rationes für die Beibehaltung des
Trauttmansdorffianums
, die durch ein hohes Maß an juristischer Fachkenntnis und gewandte Formulierun-gen gekennzeichnet ist, besorgte er; dieses Schriftstück lobte Ferdinand III. ausdrücklich
. Auf der anderen Seite wird Volmar in der Literatur ein Mangel an diplomatischem und politischem Verhandlungsgeschick be-scheinigt
Vgl.
Ruppert,
29; APW
[III]
C
2/1, XXXf.
. Mit der Suspendierung der Verhandlungen über die Amnestie in den kaiserlichen Erblanden, die Volmar bewilligt und zu begründen
[p. LVI]
[scan. 56]
versucht hat
, war man in Prag sehr unzufrieden
. Die deputierten Räte am Kaiserhof überlegten im April sogar, Volmar ob dieses Zuge-ständnisses an die Gegenseite abzuberufen
, was der Geheime Rat in seinem Beschluß allerdings wieder verwarf
. Interessanterweise war Trauttmansdorff an dem Gutachten der deputierten Räte nicht beteiligt, während sein Name bei der Anwesenheitsliste des Geheimen Rats auf-geführt ist
. Sehr wahrscheinlich hat der Obersthofmeister sich für seinen engen Vertrauten, der er auch nach der gemeinsamen Zeit am West-fälischen Friedenskongreß noch war, eingesetzt
. Die beiden führten eine Privatkorrespondenz miteinander, von der allerdings nur die Schrei-ben Volmars an den Obersthofmeister überliefert sind. Diese thematisie-ren die Verhandlungen und ergänzen die Relationen der Gesamtdelega-tion um die persönliche Ansicht Volmars, der seine Meinung dort oftmals direkter und weniger verklausuliert wiedergab
In
[Nr. 72] etwa berichtet Volmar, wie La Court dem kurbay.
Ges.
Krebs
gschwind dz maul vol
gab.
. Auch für Ferdinand III. schien die Verhandlungsführung Volmars insgesamt so manchen Fehler aufzuwiegen, so daß er dessen Bitte, den Kongreß verlassen zu dürfen
, nicht stattgeben wollte und den Befehl zum Verbleib in Westfalen
nicht zurücknahm.
Allgemein kann man zu den Relationen aus Osnabrück – diese gingen jeweils montags und donnerstags nach Prag ab – festhalten, daß sie aus-führlich Auskunft über den Verhandlungsstand geben und oftmals noch durch sehr detaillierte Protokolle ergänzt werden. Auf der anderen Seite wurden wichtige Verhandlungsakten stark verzögert oder gar nicht über-sandt. Der am 8. Februar übergebene Teilentwurf für ein IPO
ging nicht an den Kaiserhof ab – und wurde aus Prag auch nicht angefordert. Bei dem am 7. März unterzeichneten und auf den 3. März zurückdatier-ten Vorabkommen über die Reform der Reichsgerichte
wurden die Ge-sandten jedoch ermahnt, dieses zu überschicken
, was Mitte April dann auch geschah. Das am 18. März unterschriebene zweite kaiserlich-schwe-dische Vorabkommen über die schwedische Territorialsatisfaktion
[p. LVII]
[scan. 57]
wurde auf diese Mahnung hin ebenfalls expediert. Bei der nach Prag übersandten Kopie des am selben Tag unterzeichneten Vorabkommens über die Autonomie der Mediatstände und Untertanen im Reich und in den kaiserlichen Erblanden
fehlten die Unterschriften. Der Kaiser monierte dieses Versehen
, und seine Bevollmächtigten schickten umge-hend nochmals eine Kopie des Vorabkommens, diesmal allerdings mit den Namenszügen der an der Unterzeichnung Beteiligten
.
Obwohl die Osnabrücker Gesandten sich nicht in allen Fällen an ihre Weisungen hielten und ihre Kompetenzen zum Nachteil des Kaisers auch in einigen wichtigen Punkten überschritten, war Ferdinand III. mit der Verhandlungsführung seiner Delegation insgesamt zufrieden
Vgl. etwa
[Nr. 40] sowie Ferdinand III. an Lamberg, Krane und Volmar, Prag 1648 III 4 (Ausf:
RK
FrA Fasz. 92 XIV nr. 1993 fol. 461–462 – Konzept:
RK
FrA Fasz. 55c [1648 I–III] fol. 154–154’).
. Dem Kaiser war daran gelegen, das die verzögerung des friedens nit unß aufgewalzet werden könte
und stellte fest, daß seine Gesandten dies bisher zu seinem gnedigisten wohlgefallen gethan
hätten. Die Entwicklungen vor Ort ließen den Bevollmächtigten allerdings nicht immer genügend Zeit, um erst auf dem langwierigen Postweg Befehle aus Prag einzuholen. Auf die Eigendynamik der Verhandlungen galt es, kurzfristig zu re-agieren.
2. Deputierte Räte und Geheimer Rat
Die Relationen der Abgesandten in Osnabrück waren in mehreren Fällen Gegenstand der Beratungen deputierter Räte und des Geheimen Rats. Unterschiedliche Positionen der einzelnen Räte, die über die verschiede-nen Parteien innerhalb des kaiserlichen Beraterstabes Auskunft geben könnten, sind jedoch nicht aus diesen Akten zu entnehmen, da es sich jeweils um ein Gesamtvotum handelt
. Die deputierten Räte bildeten keinen festen institutionellen Ausschuß am Kaiserhof, sondern wurden von Fall zu Fall abgeordnet, um dann zu bestimmten Sachverhalten eine mögliche Vorgehensweise zu erarbeiten
Zur Arbeitsweise der
dep.
Räte am Ks.hof im 17. Jh. vgl.
Sienell, 31–47.
. Ihre Anzahl war nicht kon-stant, sondern schwankte bei den unterschiedlichen Gutachten zwischen drei und acht Räten. Die meisten Gutachten im Editionszeitraum jedoch wurden von sechs Räten verfaßt. Diese Gutachten wurden danach meist dem Geheimen Rat zur weiteren Beratung und Abstimmung vorgelegt. Der Geheime Rat bildete ein eigenständiges Beratungsgremium des Herr-
[p. LVIII]
[scan. 58]
schers, von dem er vollständig abhängig war
Zum
GR
vgl.
ebenda,
26–30.
; die endgültige Entschei-dung war dem Kaiser vorbehalten
Vgl.
Repgen,
Ferdinand III., 330.
, der den Sitzungen, auch wenn er nicht in der Anwesenheitsliste geführt wurde, beiwohnte. Inwieweit der Kaiser sich wirklich in die detailreichen Verhandlungsfragen eingearbeitet hat, kann anhand dieser Gutachten und Beschlüsse allerdings nicht nach-vollzogen werden
Vgl.
ebenda,
331;
Auer,
144 sowie Anhang.
.
Die Anzahl der Geheimen Räte bei den verschiedenen Beschlüssen war ebenfalls unterschiedlich, lag jedoch im Editionszeitraum immer deutlich über der der deputierten Räte. Zwischen sieben und zwölf Geheime Räte fanden sich bei solchen Beratungen ein. Der Personenkreis der deputierten Räte und des Geheimen Rats überschnitt sich
Zur sozialen Struktur des ksl.
GR
im 17. Jh. vgl.
Lanzinner,
Sozialstruktur.
. Der promovierte Jurist Gebhardt und Oettingen, der seit Ende Februar 1648 das Amt des Reichs-hofratspräsidenten bekleidete, waren häufig in beiden Beratungsrunden vertreten. Der Amtsträger jedoch, der bei allen Sitzungen und Entschei-dungen zugegen war, war Reichsvizekanzler Kurz. Er überarbeitete so manches Gutachten und Konzept für die Weisungen nach Westfalen. Ihn bat auch Lamberg um Fürsprache bei Ferdinand III. wegen der Über-schreitung der Instruktion in bezug auf die Autonomie in den kaiserlichen Erblanden
.
Ruppert bezeichnet Kurz zu Recht als den Mann, der neben Trauttmansdorff, dem Präsidenten des Geheimen Rats
, den größ-ten politischen Einfluß am kaiserlichen Hof hatte
. Im Februar kur-sierten am Kongreß Gerüchte, Kurz würde gar dorthin entsandt
. Eine Mission nach Westfalen trat er dann zwar nicht an, Ende Mai jedoch wurde er an den Hof des bayerischen Kurfürsten abgeordnet, um dessen erneute Separation vom Kaiser abzuwenden. Neben seinen politischen und diplomatischen Fähigkeiten ist zur Auswahl seiner Person für diese Mission noch von Bedeutung, daß sein jüngerer Bruder, Maximilian Kurz, Vorsitzender des Geheimen Rats in München und Oberstkämmerer des Wittelsbachers war
Vgl.
Albrecht,
Maximilian I.,
162f. – Zu seiner Mission vgl. auch
[Nr. 108 Anm. 46] .
.
II. Die Religionsverhandlungen
Am 23. März 1648 einigten sich die verhandelnden Parteien in Osnabrück auf einen Text für das Vorabkommen über das Reichsreligionsrecht
[p. LIX]
[scan. 59]
(den späteren Art. V IPO), dessen Unterzeichnung jedoch um einen Tag aufgeschoben wurde
. Am Dienstag, den 24. März 1648 war es dann endlich so weit: Volmar konnte in seinem Diarium notieren, daß der arti-culus gravaminum allerseits unterschrieben worden
ist
. Die jahrelangen Verhandlungen über diesen Punkt waren beendet und der Kampf der bei-den großen Konfessionen um die Ausbreitung im Reich geschlichtet
.
Die letzten Wochen vor diesem für den Westfälischen Friedenskongreß so wichtigen Abschluß waren allerdings noch durch intensive Verhandlungen und zähe Konferenzen gekennzeichnet.
Am 29. Februar 1648 traf in Osnabrück ein kaiserliches Handschreiben
ein, das die Gesandten anwies, eine bis dato ungeöffnete Weisung aus dem Dezember des vergangenen Jahres zu befolgen. Dieses Schreiben vom 11. Dezember 1647 ist in seiner Bedeutung für die Verhandlungsführung nicht zu unterschätzen. Ferdinand III. ermächtigte seine Gesandtschaft, mit Zustimmung zumindest der vornehmsten katholischen Reichsstände auf der Grundlage des
Trauttmansdorffianums Frieden zu schließen. Lediglich die kaiserlichen Interessen bei der Amnestie für die Untertanen aus den Erblanden des Kaisers und in bezug auf den Friedensvollzug soll-ten in den weiteren Konferenzen berücksichtigt werden.
Albrecht führt diesen Schritt des Kaisers auf die im Winter 1647/48 mehrfach aus Mün-chen nach Prag abgegangenen Mahnschreiben
zum zügigen Friedens-schluß und das militärische Abhängigkeitsverhältnis Ferdinands III. ge-genüber dem bayerischen Kurfürsten zurück
Vgl.
Albrecht,
Maximilian I., 1047f.
.
Bereits Anfang Februar 1648 versuchten die kaiserlichen Gesandten das Heft des Handelns erneut in die Hand zu nehmen, allerdings nicht aus eigenem Antrieb. Vielmehr sahen sie sich zu diesem Schritt gezwungen, um Verhandlungen zwischen in Osnabrück anwesenden Bevollmächtig-ten von Reichsständen beider Konfessionen zu unterbinden
. Der am 8. Februar von den Kaiserlichen herausgegebene Teilentwurf für ein Frie-densinstrument
, der in weiten Teilen auf der kaiserlichen Hauptinstruk-tion vom 6. Dezember 1647
beruht, kam den Forderungen der Mehr-heit der katholischen Reichsstände, deren Gesandte am 2. Februar ihre
[p. LX]
[scan. 60]
declarationes ultimae
übergeben hatten, weit entgegen
Vgl. auch
Schneider,
392–397.
. Während die Erklärung der kurbrandenburgischen und kursächsischen Gesandten über die Meinungen ihrer jeweiligen Herren zu den kaiserlichen Änderungs-wünschen am
Trauttmansdorffianum
noch ausstand
, bezeichneten die anderen Bevollmächtigten der protestantischen Reichsstände diese als unannehmbar. In der Frage der Parität in der Reichsstadt Augsburg, der Reichspfandschaften, der Autonomie der Mediatstände und Untertanen sowie der Reichsgerichte wollten sie die kaiserlichen Gesandten auf den Verhandlungsstand des
Trauttmansdorffianums zurückdrängen
. Die Gesandten der Krone Schwedens betrachteteten diesen Vertragsentwurf aus dem Frühjahr 1647, der für die Kaiserlichen lediglich ein Projekt war, ebenfalls als verbindlich
. Und auch von seiten der katholischen Reichsstände gerieten die Kaiserlichen unter Druck, denn einerseits waren Kurbayern und Kurmainz bereit, auf das
Trauttmansdorffianum zurück-zugehen
, während andererseits in diesem Falle Proteste der in Münster weilenden Maximalisten unter Wartenberg erwartet wurden
. Dazu kam, daß den Kaiserlichen die Kontrolle über die Verhandlungen zu ent-gleiten schien, da sich die Gesandten der kompromißbereiten katholischen Reichsstände ohne Zuziehung ihrer kaiserlichen Kollegen mit denen der protestantischen Reichsstände besprachen
. Eine Drohung Volmars, bei Fortsetzung dieser Gespräche seine Verhandlungstätigkeit in Osnabrück einzustellen, verhallte wirkungslos
Vgl. [Servien] an [Lionne], Osnabrück 1648 II 16 (wird in
APW II B 8 ediert).
.
Derart ins Abseits geraten, sah sich die Osnabrücker Delegation gezwun-gen, Ende Februar einem von den Gesandten protestantischer Reichs-stände vorgeschlagenen neuen Verhandlungsmodus zuzustimmen. Dieser sah vor, die Bevollmächtigten Schwedens und des Kaisers unter Hinzuzie-hung der reichsständischen Gesandten beider Konfessionen die strittigen Punkte einzeln abhandeln und sofort unterzeichnen zu lassen
. Die Maximalisten nahmen trotz Aufforderung durch die Kaiserlichen nicht teil
, was die kaiserliche Verhandlungsführung vor Ort noch mehr von der Position der kompromißbereiten katholischen Reichsstände abhängig machte und die Durchsetzung eigener Ziele erschwerte. Die Gruppe um
[p. LXI]
[scan. 61]
Wartenberg versuchte gar, von Münster aus die Verhandlungen in Osna-brück zu stören, da diese mögliche Annäherung der Reichsstände beider Konfessionen im Lager der Maximalisten für Beunruhigung sorgte
Vgl. [Servien] an [Lionne], Osnabrück 1648 II 16 (wird in
APW II B 8 ediert).
. Um den Kurfürsten von Bayern und Mainz Entgegenkommen zu signali-sieren, nahm man in Prag unterdessen von großen Teilen der Forderungen aus dem neuen Friedensinstrument bereits wieder Abstand. Mitte Februar erklärte Ferdinand III. seine Bereitschaft, bis auf einige Ausnahmen seine letzten Weisungen zurück- und die Regelungen des
Trauttmansdorffia-nums anzunehmen
Vgl. Nr.n 7 und 6 und Beilage [1] zu Nr. 21.
.
Inhaltlich machten die Gesandten der protestantischen Reichsstände den nächsten Schritt, indem sie den Kaiserlichen am Abend des 21. Februars ein Verzeichnis über die Differenzen bei der Amnestie und dem Reichs-religionsrecht
übergaben. Während der Verhandlungen der nächsten Tage einigten sich beide Seiten in der Frage der Reichsgerichtsbarkeit sehr rasch, so daß man Anfang März die Bestimmungen über die Reform der Reichsgerichte unterzeichnen konnte. Die Vertagung der allgemeinen Disposition über das Reichskammergericht wurde darin ebenso festgelegt wie die paritätische Konfessionszugehörigkeit und Präsentation des Rich-ters, der vier Präsidenten und der Assessoren
.
Einen weiteren Schwerpunkt bildeten die Verhandlungen über die Auto-nomie der Mediatstände und Untertanen im Reich und in den kaiserlichen Erblanden. Hier legten sich die Kaiserlichen mit den Gesandten katho-lischer Reichsstände Anfang März gemeinsam auf einen Textvorschlag fest, den sie in den kommenden Verhandlungen behaupten wollten, den die Gesandten Schwedens und der protestantischen Reichsstände jedoch ablehnten
. In dieser Phase gerieten die Bevollmächtigten des Kaisers in eine schwierige Lage. Die Gesandten Schwedens und der protestantischen Reichsstände sowie einiger katholischer versuchten die Verhandlungen über die Autonomie im Reich von der in den kaiserlichen Erblanden ab-zukoppeln, um den Kaiser, wenn der Frieden sich lediglich noch wegen dieses Punktes verzögerte, in eine diplomatische Notwendigkeit zum Ein-lenken zu nötigen
. Sogar die Verweisung auf einen späteren Reichstag war im Gespräch, was der Prager Hof jedoch keinesfalls in Erwägung
zog
. Diese Vorgehensweise ließ Volmar um die Standfestigkeit der Be-vollmächtigten der katholischen Reichsstände bangen
. Es folgte dann
[p. LXII]
[scan. 62]
auch -eine Verhandlungsinitiative der kurbayerischen Gesandten in bezug auf die Autonomie der Mediatstände und Untertanen im Reich, die den Vorstellungen der protestantischen Reichsstände entgegenkam, allerdings den Rechtfertigungsdruck gegenüber den Maximalisten von den Kaiser-lichen nahm, da sie nicht von ihnen stammte
.
Kurz vor Abschluß der Religionsverhandlungen intensivierten sich die Verhandlungen über die Autonomie der Mediatstände und Untertanen nochmals, und die kaiserlichen Erblande rückten hierbei in den Fokus, was sich in einer dichten Abfolge von Textvorschlägen beider Seiten zu diesem Komplex widerspiegelt
. Eine weitreichende Forderung der schwedischen Gesandten innerhalb des Autonomiekomplexes war das künftige Interzessionsrecht Schwedens und protestantischer Reichsstände zugunsten kaiserlicher Untertanen Augsburgischer Konfession. Dies be-trachteten die Schweden angeblich
für einen punto d’honore
, obwohl offensichtlich war, daß die Forderung nach diesem Zugeständnis dazu die-nen sollte, dem Kaiser auch in seiner Funktion als Landesherrn später zu-setzen zu können. Die Kaiserlichen lehnten ab – vorerst
. Mitte März schließlich mußten sie einwilligen. Im Bewußtsein um dies weitreichende Zugeständnis bat Lamberg den Reichsvizekanzler vorab um Fürsprache bei Ferdinand III.
, da die Bevollmächtigten der Kurfürsten von Bayern und Mainz eine mögliche Separation von den kaiserlichen Gesandten an-deuteten und sie somit zum Nachgeben nötigten
.
Am Kaiserhof war man bestürzt über das Einlenken der eigenen Gesand-ten
. Verhindern freilich ließ sich diese Klausel nicht mehr, denn am 18. März 1648 wurde das Vorabkommen über die Autonomie der Mediat-stände und Untertanen im Reich und in den kaiserlichen Erblanden un-terzeichnet
. Volmar erklärte sich gegenüber Trauttmansdorff mit dem Gesamtergebnis ganz zufrieden
, obwohl der kurbayerische Gesandte Krebs in den Augen der Kaiserlichen das Ergebnis für die Katholiken im Reich negativ beeinflußt hatte
. Für
Ruppert sind die Erfolge für die katholische Seite allerdings überschaubar und beschränken sich auf die Verkürzung der Fristen für die Auswanderung und Ausweisung der zwischen 1624 und 1648 konvertierten und nach 1648 konvertierenden
[p. LXIII]
[scan. 63]
Untertanen sowie auf den Erhalt von neun Klöstern im Hochstift Hildes-heim
. In den Erblanden mußte der Kaiser neben dem erwähnten Inter-zessionsrecht unter anderem auch das Kirchenbaurecht seiner Untertanen Augsburgischer Konfession in den schlesischen Erbfürstentümern bei Schweidnitz, Jauer und Glogau einräumen. Trauttmansdorff hatte im Juni 1647 Kursachsen bereits die Möglichkeit eingeräumt, nach dem Frie-densschluß für dieses Recht beim Kaiser zu interzedieren.
Die Parität in den gemischtkonfessionellen süddeutschen Reichsstädten, speziell in Augsburg, die Frage der Reichspfandschaften und die Regelung bezüglich der reformierten Bevölkerung in der Reichsstadt Aachen bilde-ten den letzten noch verbliebenen Themenkomplex der Religionsverhand-lungen, der allerdings rasch abgehandelt werden konnte
. Die Forderung der Gesandten Schwedens und der protestantischen Reichsstände nach einer Erlaubnis zum Bau einer Kirche außerhalb Aachens und dem unge-hinderten Zugang zu den Zünften für den reformierten Teil der Einwoh-nerschaft konnten die Kaiserlichen aus dem Artikel fernhalten
. Den beiden Reichsstädten Lindau und Weißenburg sollten die Reichspfand-schaften gegen Erlegung der Pfandsummen zurückerstattet werden. Bei der Parität in Augsburg waren es erneut die kurbayerischen Gesandten, die auf eine schnelle Einigung abzielten und die Kaiserlichen mit Andro-hung einer Separation in ihrem Verhandlungsspielraum einschränkten. Die auf das Territorium des bayerischen Kurstaats vorrückenden franzö-sischen und schwedischen Truppen wirkten erneut direkt auf die kur-bayerische Verhandlungsführung ein. Ganz ungelegen kam dieser Vorstoß der kurbayerischen Bevollmächtigten der kaiserlichen Delegation jedoch nicht, da sie Mitte Februar angewiesen worden war, weitere Verbesserun-gen für die Katholiken im Reich nur ohne Verzögerungen der Verhand-lungen zu betreiben
. Das Ergebnis war, daß der protestantischen Seite die Parität nahezu vollständig zugebilligt wurde und lediglich im sieben-köpfigen Geheimen Rat der Reichsstadt die Katholiken einen Sitz mehr erhielten
. Auch ein Dekret des Augsburger Rats an den protestantischen Teil der reichsstädtischen Bevölkerung
mit dem Verweis auf die alther-gebrachte Ordnung änderte daran nichts.
Das Vorabkommen über das Reichsreligionsrecht haben für die Reichs-stände Raigersperger, der kurmainzische Kanzler, und Thumbshirn, Gesandter Sachsen-Altenburgs und -Coburgs, unterzeichnet. Kurmainz führte das Direktorium im Corpus Catholicorum und Sachsen-Altenburg
[p. LXIV]
[scan. 64]
zu diesem Zeitpunkt das Direktorium im Corpus Evangelicorum. Aus der kaiserlichen und schwedischen Delegation allerdings unterschrieben in-teressanterweise nicht die ranghöchsten Mitglieder, also Lamberg und Oxenstierna, sondern die protokollarisch untergeordneten Sekundarge-sandten Krane und Salvius sowie die beiden Legationssekretäre
. Schon der Justizartikel einige Wochen zuvor war neben den beiden erwähnten reichsständischen Bevollmächtigten nur von den Sekundargesandten des Kaisers und der Krone unterzeichnet worden
. Man kann mutmaßen, ob die Verbindlichkeit des Unterzeichneten von beiden Seiten dadurch doch ein wenig geringer bewertet wurde, um diese im Ernstfall mit Hilfe einer geschickten Argumentation abstreiten zu können.
III. Die Amnestie im Reich und in den kaiserlichen Erblanden, die Satis-faktion Hessen-Kassels und die schwedische Militärsatisfaktion
1. Der kaiserliche Handlungsspielraum verengt sich
Noch während sich die Gespräche über das Reichsreligionsrecht dem Ende zuneigten, konnten die schwedischen Gesandten die Verhandlungen über die Territorialsatisfaktion für das nordische Königreich zum Abschluß bringen. Das zweite kaiserlich-schwedische Vorabkommen hierüber wurde am 18. März 1648 unterschrieben
. Schweden wurden unter an-derem Vorpommern mit der Odermündung, die Insel Rügen, das Erzstift Bremen, das Hochstift Verden, Wismar und die Festung Walfisch über-lassen; die schwedische Krone war nun ein Reichsstand mit Stimmrecht und Session beim Reichstag
Einzelne Bestimmungen unterschieden sich von den Regelungen des (ersten) ksl.-schwed. Vorabkommen vom Februar 1647 sowie vom
KEIPO4A
.
.
Die Vorabkommen über die Entschädigungen für Kurbrandenburg und das Haus Braunschweig-Lüneburg sowie der Pfalzartikel wurden einen Tag nach der Unterzeichnung des Vorabkommens über das Reichs-religionsrecht von Raigersperger und Thumbshirn paraphiert
. Die Un-terschriften der kaiserlichen und schwedischen Gesandten unter diesen Dokumenten blieben aus; diese sollten laut einem Vorschlag Thumbshirns und Langenbecks, dem auch die kurbayerische Delegation zustimmte, erst nach erfolgreichem Abschluß der Gespräche über die Amnestie in den Erblanden des Kaisers sowie die Satisfaktion Hessen-Kassels erfolgen
.
[p. LXV]
[scan. 65]
Der im Februar von Gesandten protestantischer Reichsstände initiierte neue Verhandlungsmodus, dem die Kaiserlichen letztlich zugestimmt hatten, sah vor, mehrberührte zween articulos
,
also Autonomie- und Amnestiekomplex, nacheinander abzuhandeln. Nun, nachdem die Frage des Reichsreligionsrechts – der dornigste aller Punkte
Vgl.
Repgen,
Hauptprobleme, 412.
–
abschließend geregelt worden war, galt es also, sich den Amnestiefällen zu widmen.
Für die kaiserliche Seite mußte dabei das Hauptaugenmerk auf der Am-nestie für Adel und Untertanen in den kaiserlichen Erblanden liegen
Vgl. später die Regelungen in Art. IV,52–55 IPO sowie §§ 41–44 IPM.
. Die schwedische Gesandtschaft versuchte nach der Abhandlung der reli-gionsrechtlichen Fragen im Reich, den neuartigen Verhandlungsmodus zu umgehen und die Kaiserlichen in die Defensive zu treiben. Dazu postu-lierten sie ein Vorziehen der Verhandlungen über die schwedische Militär-satisfaktion und die Satisfaktion der Landgräfin von Hessen-Kassel
. Am Abend des 30. März stimmten die Kaiserlichen nolens volens einem Vor-schlag Thumbshirns und Langenbecks zu, die Amnestie in den kaiser-lichen Erblanden mit der schwedischen Militärsatisfaktion an das Ende der Verhandlungen zu positionieren und erst andere ungeklärte Punkte, darunter eben auch die Satisfaktion Hessen-Kassels, vorzunehmen
.
Volmar hatte eine Vorahnung über die Reaktion in Prag und schrieb an Trauttmansdorff vorab eine detaillierte Begründung für diese Entschei-dung
. Und diese Reaktion blieb nicht aus: Der Kaiser war, um
Ruppert zu zitieren,
außer Fassung
über die Verschiebung der vereinbarten Ver-handlungsordnung und verwies ausdrücklich auf seine vorhergehende Weisung
, von der er nochmals, was sehr außergewöhnlich war, ein Du-plikat übersandte
. Der Vorabrechtfertigung Volmars nahmen sich die deputierten Räte am Kaiserhof an, bezogen detailliert Stellung und wider-sprachen seinen Annahmen vollständig
Vgl. die bei
[Nr. 74] abgedruckten Teile des
Ga.
s.
. Am Kaiserhof glaubte man nicht an Volmars Argument, daß bei gleichzeitiger Erledigung dieser bei-den Punkte die schwedischen Forderungen bei der Restitution moderater ausfallen würden.
Der Schweedischen gesandten variationes waren in Prag
mehr dann genueg bekhant
. Die Möglichkeit eines mäßigenden Einflusses der protestantischen Reichsstände auf die schwedische Verhand-lungsführung wurde ebenfalls als gering eingeschätzt. Sogar eine Abberu-
[p. LXVI]
[scan. 66]
fung Volmars wurde später von den deputierten Räten angeraten, was ein Beschluß im Geheimen Rat – wie oben bereits erwähnt – jedoch verhin-dern konnte
.
Die Satisfaktion für die Landgräfin und speziell der in diesem Artikel ebenfalls zu regelnde Abschluß des Marburger Erbfolgestreits spielten für die kaiserliche Verhandlungsführung eine bedeutsame Rolle. Die hier vorliegenden Beratungen deputierter Räte zum Themenkomplex der Marburger Erbfolge Ende April
lassen einen eindeutigen Schluß zu. Der Kaiserhof hielt nicht wegen für Prag mißliebigen Details an den dies-bezüglichen Regelungen des
Trauttmansdorffianums fest
. Diese waren nicht Beratungsgegenstand in den Gesprächen zu diesem Sukzessionsstreit, der im Vergleich zu der für Ferdinand III. enormen Bedeutung der künf-tigen politischen und religiösen Ordnung in seinen Erblanden abseitig erschien. Nein, vielmehr sollte ein noch offener Vergleich in diesem Punkt als eine Art Faustpfand für die weiteren Verhandlungen dienen. Die großen Bedenken der kaiserlichen Berater konzentrierten sich auf die Tat-sache, daß eine vorzeitige Beilegung der Marburger Erbfolge sowie der anderen Amnestiefälle im Reich bei gleichzeitiger Aussparung abschlie-ßender Abkommen über die Amnestie in den kaiserlichen Erblanden, die Militärsatisfaktion und das Assistenzverbot für die spanischen Habsburger den Kaiser in eine sehr unvorteilhafte Verhandlungsposition bringen würde. Blieben lediglich diese für Ferdinand III. wichtigen Verhand-lungspunkte offen, konnte das Kaiserhaus von der Gegenseite mit dem Hinweis darauf, daß ein Abschluß allein von ihm abhinge, unter Druck gesetzt und vor den Reichständen als Hindernis auf einem raschen Weg zum Frieden hingestellt werden
. Handfeste territoriale Interessen stan-den für den Kaiser ebenfalls auf dem Spiel.
Die Gesandten Schwedens weigerten sich fortdauernd, die Regelungen über die pfälzische Restitution zu unterschreiben
, was im Gegenzug eine Unterzeichnung der Satisfaktion Hessen-Kassels durch die kaiserliche Delegation verhinderte
. Ein Vergleich über die landgräfliche Satisfak-tion ohne einen gleichzeitigen Abschluß der Pfalzfrage stellte die Reka-tholisierung, die der bayerische Kurfürst in der Oberpfalz durchgeführt hatte, wieder in Frage. Maximilian I. hätte nicht mehr die Möglichkeit gehabt, über für die protestantischen Reichsstände noch wichtige offene Punkte verhandeln zu können. Der Druck zum raschen Friedensschluß wäre an den Wittelsbacher weitergegeben worden. Dies bedeutete wie-
[p. LXVII]
[scan. 67]
derum
die Gefahr des Verlusts des Erzherzogtums Österreichs ob der Enns für Ferdinand III., der Kurfürst Maximilian I. das Territorium ver-traglich als Pfand bis zur Erstattung der Kriegskosten zugesichert hatte
. Auch bei den Schweden vermuteten die deputierten Räte in den oben er-wähnten Beratungen andere Beweggründe für eine Verzögerung einer endgültigen Klärung des Marburger Erbfolgestreits; für sie waren die dif-ferentien
in dieser Frage nicht der importanz, wann nicht was anders drunder gesuecht wurde, daß
die Schweden deßwegen ein stundt lenger in dem krieg verbleiben
wolten
. Und am Kaiserhof war man sich be-wußt, daß ein unnötiges Andauern der Kampfhandlungen bei der verblie-benen Kampfkraft der kaiserlichen Einheiten sowie propter dubium even-tum belli et incertam fidem sociorum
Vgl. die bei
[Nr. 74] abgedruckten Teile des
Ga.
s.
die eigene Verhandlungsposition schwächen würde.
Nun, da die Verhandlungsreihenfolge letztendlich geändert worden war und eine Verschiebung der Verhandlungen über die Amnestie in den kai-serlichen Erblanden bis an den Schluß drohte, erkannte man am Kaiserhof dringenden Handlungsbedarf. Mit der Weisung nach Osnabrück vom 18. April 1648
übersandte der Kaiser einen neu überarbeiteten Gesamtent-wurf
.
2. Vorschläge, Gegenvorschläge und Entwürfe
Militärisch hart bedrängt war der Kaiser also auch am Verhandlungstisch in eine Position geraten, die ihm keine aktive Gestaltungsmöglichkeit mehr ließ. Diese Tatsache spiegelte sich bei den jeweiligen Einzelfragen jedoch nicht immer inhaltlich wider.
Der am 8. Februar von den Kaiserlichen übergebene Teilentwurf für ein IPO nahm die Amnestieregelungen für die österreichischen und böh-mischen Exulanten, wie sie noch im
Trauttmansdorffianum vorgesehen waren
Vgl. Art. IV § „In Bohemia“
KEIPO4A
(Text:
Meiern IV,
563
vorletzter Abs.; vgl. später Art. IV,55 IPO = § 44 IPM) sowie Art. IV §§ „Qui vero“ – „Quantum autem“
KEIPO4A
(Text:
ebenda,
564 sechster Abs. Z. 3; vgl. später Art. IV,52–55 IPO sowie §§ 41–44 IPM).
, zurück. Die Möglichkeit für diesen Personenkreis, nach einem Friedensvertrag zivilrechtliche Ansprüche sowie eingezogene Besitzungen auf dem Rechtsweg wieder einzufordern, wurde unterbunden. Dies, wie die übrigen Neuerungen des Teilentwurfs, lehnten die schwedischen Ge-sandten ab
, und auch von den Bevollmächtigten der protestantischen
[p. LXVIII]
[scan. 68]
Reichsstände erwarteten die Kaiserlichen keinen positiven Bescheid
. In-zwischen erklärte sich Ferdinand III. Mitte Februar allerdings bereit, es auch in dieser Frage bei den Regelungen des
Trauttmansdorffianums zu belassen
. Das heißt, erbländischen Untertanen und Vasallen sollte die Amnestie für ihre Person zuteil werden. Einer Rückkehr in die kaiser-lichen Erblande stand bei Einhaltung der dort gültigen Gesetze und der religiösen Ordnung nichts im Wege. Grund und Eigentum sollten aller-dings nur jene zurückerhalten, die gemeinsam mit den Schweden oder Franzosen ab 1630 an Feindseligkeiten gegen die Habsburgerdynastie teil-genommen hatten. Prag nahm davon Abstand, den Inhalt des
Trautt-mansdorffianums in bezug auf die erbländische Amnestie zugunsten der kaiserlichen Seite zu verändern. Man erkannte dort die Gefahr, die ein unbedingtes Verharren auf den Regelungen des neuen Teilentwurfs für die eigene Position darstellen konnte, zumal die wichtigsten Verbündeten Ferdinands III., Kurbayern und Kurmainz, keinen Zweifel an ihrer Ab-sicht, auf der Basis des
Trauttmansdorffianums den Frieden zu schließen, aufkommen ließen
. Dies war den protestantischen Gesandten be-kannt
.
Aber obwohl die Abgesandten Schwedens noch im Februar die Verhand-lungen scheitern ließen, da sich die Kaiserlichen weigerten, das
Trautt-mansdorffianum als verbindlich anzusehen, ergingen sie sich nun ihrerseits in weitreichendere Forderungen für die protestantischen Untertanen und Vasallen in den kaiserlichen Erblanden. Volmar vermutete als Grund für dieses Vorgehen eine schwedische Verzögerungstaktik, um die Regelungen über die pfälzische Restitution, die Teil der Amnestie waren, nicht endgül-tig unterzeichnen zu müssen
. Am 26. März wurde den Kaiserlichen von Thumbshirn und Langenbeck ein schwedischer Textvorschlag zur Am-nestie überreicht
, der
den gantzen innhalt der Kayserlichen limitation uber hauffen geworffen
hätte. Die kaiserlichen Gesandten hielten eine Einigung auf dieser Grundlage für unmöglich
, denn hier forderten die Schweden nichts anderes als die Rückgabe der enteigneten Besitzungen an alle Exulanten sowie die volle Anerkennung ihrer politischen und religiö-sen Rechte, wie diese sie 1618 innehatten. Ein Nachgeben in dieser Sache kam auch für Prag nicht in Frage, da es
ein solch hohes praeiudicium nach sich
gezogen hätte. Der kaisertreue Adel, der nach der Niederschlagung
[p. LXIX]
[scan. 69]
der böhmischen Unruhen vor nun bereits etwa einem Vierteljahrhundert installiert worden war, hätte wiederum durch die zurückkehrenden Flüchtlinge ersetzt werden müssen, und das ius reformandi des Kaisers für die Erblande wäre aufgeweicht worden. Damit hätte man sowohl oppositionellen Reichsständen als auch ausländischen Feinden des Kaiser-hauses erneut die Möglichkeit eröffnet, über diesen
Hebel
– also die ver-stärkt nach Sonderrechten strebenden Exulanten – in den kaiserlichen Erblanden Druck auf das Reichsoberhaupt auszuüben
.
Wie oben dargestellt entwickelte sich der Themenkomplex der hessen-kas-selischen Satisfaktion zu einem für beide Seiten bedeutsamen Element in der jeweiligen Verhandlungsstrategie. Mit der Herausgabe eines neuen Textvorschlags zur Satisfaktion der Landgräfin am 24. März wollten die Schweden die Verhandlungen über diese Frage wieder anschieben
; in dem neuen Schriftsatz
Dieser basierte auf den Verhandlungen über die Satisfaktion Hessen-Kassels im Juli 1647 (vgl. hierzu
[Nr. 25 Anm. 25] sowie detailliert
APW II A 6).
wurden die Abtei Hersfeld, vier schaumburgische Ämter sowie 800 000 Rt. verbunden mit territorialer hypothekarischer Sicherung von Kurmainz und Kurköln, den Hochstiften Paderborn und Münster sowie dem Stift Fulda gefordert. Für die kaiserlichen Bevoll-mächtigten kam die Abhandlung der Interessen eines Verbündeten der Kronen vor der Sicherung der kaiserlichen Belange in den Erblanden nicht in Frage, da dadurch eine weitere Aufschiebung des Friedensschlusses allein Ferdinand III. angelastet werden würde, nachdem dessen Gegner ihre Satisfaktionen erledigt hätten
. Man war sich auf der kaiserlichen Seite zudem sicher, die Gesandten der Reichsstände beider Konfessionen hinter sich zu haben und
denen Schweden hierunder nichts nachgeben
zu müssen. Die Bevollmächtigten der schwedischen Königin beharrten ebenfalls auf ihrem Standpunkt, so daß an einen Fortschritt nicht zu den-ken war
. Doch die Phalanx aus kaiserlichen und reichsständischen Ge-sandten hielt nicht lange. Die Abhandlung der landgräflichen Interessen wurde vorgezogen
.
In den nun folgenden Verhandlungen wurden die finanziellen Forderun-gen der hessen-kasselischen Gesandten auf 600 000 Rt. gedrückt
, und in der ersten Aprilwoche einigten sich reichsständische Bevollmächtigte bei-der Konfessionen auf eine Regelung dieser Angelegenheit
. Allein, ob-
[p. LXX]
[scan. 70]
wohl die kaiserliche Delegation sich anfangs noch gewillt zeigte, die Satis-faktion Hessen-Kassels zu unterzeichnen, scheiterte eine Beilegung des Streitfalles auch diesmal an den Bevollmächtigten der Schwedenköni-gin
.
Das Vorziehen der landgräflichen Satisfaktion war jedoch nicht der ein-zige Grund für eine Rüge seiner Osnabrücker Delegation durch Ferdi-nand III. Die Vorgehensweise bei den Verhandlungen zur Marburger Erbfolge entsprach ebenfalls nicht den Vorstellungen am Kaiserhof. Daß dieser Punkt noch nicht abschließend geklärt war, stellte übrigens den Grund für das Ausbleiben der Unterschrift der schwedischen Gesandten unter die Satisfaktion Hessen-Kassels dar
. Gesandte einiger Reichs-stände und die kaiserliche Gesandtschaft ließen jeweils Schreiben an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt abgehen, in denen er auf-gefordert wurde, seine direkten Verhandlungen über den Marburger Erb-folgestreit in Kassel zu einem raschen Erfolg zu bringen, da aufgrund der Haltung der hessen-kasselischen Bevollmächtigten in Westfalen keine Einigung in Sicht sei
. Andernfalls würde ein Vorabkommen über eine Fristenregelung für die Beilegung des Marburger Erbfolgestreits
als bin-dend betrachtet, das vorsah, die Verhandlungen in Kassel, der Hauptstadt der Landgräfin, noch vierzehn Tage laufen zu lassen. Erzielte man inner-halb dieser Zeit dort keine Einigung, sollte am Kongreß eine Lösung für das Problem gefunden werden.
In der Tat brachten die am 7. April jeweils von den Delegationen Hessen-Kassels und -Darmstadts herausgegebenen Textvorschläge zur Marburger Erbfolge nicht den Durchbruch, was allerdings an der verweigernden Haltung beider hessischer Gesandtschaften lag
. Der Kaiser tadelte seine Gesandten und wies sie an, in diesem Punkt nicht über die Regelungen des
Trauttmansdorffianums hinauszugehen
Dickmann
vermerkt lediglich, daß der Kongreß
sich auf dieses Vorgehen geeinigt habe, der ksl. Widerspruch jedoch bleibt unerwähnt (vgl.
Dickmann,
466f).
, was er auch Landgraf Georg II. nochmals ausdrücklich versicherte – allerdings nicht, ohne en passant darauf hinzuweisen, daß er im Falle eines freiwilligen Nachgebens seitens des Landgrafen natürlich auch diesen Schritt unterstützen würde
. Ein bedingungsloser und uneingeschränkter Einsatz für die Interessen der darmstädtischen Linie im hessischen Bruderzwist wäre anders formuliert worden.
[p. LXXI]
[scan. 71]
Der Fortgang der Gespräche der beiden kasselischen Linien in der Resi-denzstadt der Landgräfin machte jedoch weitere Verhandlungen in West-falen hinfällig. Ende April berichteten die Osnabrücker Gesandten nach Prag über Meldungen, in Kassel seien am 21. des Monats die Streitigkeiten über die Marburger Sukzession beigelegt worden
, was jedoch etwas ver-früht war. Tatsächlich wurde der Hessische Hauptvergleich über die Mar-burger Erbfolge
, der für die Darmstädter Linie nachteilige Bestimmun-gen enthielt
Zu den einzelnen Regelungen vgl. neben dem Vertragstext (wie vorherige Anm.)
[Nr. 101] sowie
Albrecht, Kriegsziele, 253.
, am 24. April beschlossen und später in Artikel XV,13 IPO bestätigt. Allerdings waren die Kaiserlichen vor
Ort vorerst nicht über In-halt und Wortlaut informiert, denn noch am 7. Mai berichteten sie an den Kaiserhof, über eben diese Details von den hessen-darmstädtischen Be-vollmächtigten nicht in Kenntnis gesetzt worden zu sein
Vgl.
[Nr. 103] . – Der österreichische
Ges.
Goll berichtete am selben Tag ebenfalls von einem Abschluß in dieser Frage, der genaue Inhalt war aber auch ihm nicht bekannt (vgl.
[Beilage [3] zu Nr. 103] ).
.
Während der Verhandlungen über die verschiedenen Einzelpunkte traf mit der kaiserlichen Weisung vom 18. April 1648
der neu überarbeiteten Gesamtentwurf
in Westfalen ein. Die Grundlage dieses neuen Instru-ments bildete das vom
obristen hoffmaister, dem graven von Traut-manstorff, hinaußgegebene proiect
, das
Trauttmansdorffianum. Ledig-lich bei der Amnestie in den kaiserlichen Erblanden sowie bei den Rege-lungen zum Friedensvollzug und zur Friedenssicherung waren Änderun-gen vorgesehen. Die im März beschlossenen Vorabkommen zur Reform der Reichsgerichte und zum Reichsreligionsrecht sollten fast vollständig übernommen werden
Zu den Änderungen des neuen Gesamtentwurfes im Vergleich zum Trauttmansdorffia-num
vgl.
[ebenda]
.
. Die Kaiserlichen hatten den Gesandten der Kö-nigin eine Erklärung zum Gesamtentwurf abzuverlangen. Denn in Prag war man mit der bei mehreren Teilabkommen praktizierten Vorgehens-weise der partiellen Unterzeichnung durch reichsständische Vertreter bei-der Konfessionen, mal unter Miteinbeziehung der schwedischen und kai-serlichen Bevollmächtigten, mal ohne deren Unterschrift, unzufrieden. Zudem sollten sie nach der Übergabe des Instruments an die schwedischen Gesandten die Bevollmächtigten der Kurfürsten von Bayern, Mainz, Köln, Trier, Sachsen und Brandenburg aufsuchen, sie um Rückhalt bitten und an die Unterstützung erinnern, die Ferdinand III. von ihren Herren teilweise versprochen worden war
.
[p. LXXII]
[scan. 72]
Die Forderung nach einer unbedingten Erklärung der schwedischen Ge-sandten zum gesamten Entwurf und die Ablehnung jeglicher Partikular-deklaration betonte der Kaiser in einer zusätzlichen Weisung, in der er das Festhalten an seiner Instruktion mit einem eigenhändigen Postskriptum nochmals unterstrich
. Selbst auf die Gefahr eines Verhandlungsabbruchs hin sollten seine Gesandten diesem Befehl nachkommen.
Dickmann und
Ruppert konstatieren einen Realitätsverlust am Kaiserhof, da diese For-derung aus Prag völlig am tatsächlichen Verlauf der Verhandlungen vor-beigegangen sei und man den eigenen Bevollmächtigten jeglichen Spiel-raum vor Ort genommen habe
Vgl.
Ruppert,
339f;
Dickmann,
472.
.
In der Tat wurden die Bevollmächtigten des Kaisers immer stärker isoliert; eine Entwicklung, die allerdings bereits vor dem Eintreffen des Gesamtentwurfs in Westfalen eingesetzt hatte. Gesandte der kurbayeri-schen und kurmainzischen Delegation standen, wie schon während der Gespräche über das Reichsreligionsrecht, in Partikularverhandlungen mit Bevollmächtigten protestantischer Reichsstände
. Für einige katholische Reichsstände, unter ihnen wiederum Kurbayern, war die kaiserliche Posi-tion bezüglich eines von den Franzosen angestrebten spanischen Assistenz-verbots und des Ausschlusses Lothringens vom Frieden durchaus verhan-delbar
, und am 21. April wurde ein Vorabkommen über das Friedens-, Amnestie- und Restitutionsgebot sowie einzelne Restitutionen
vom Dr. Meel als Churmaintzischen deputato nomine catholicorum wie auch dem Thumbshirn nomine protestantium interimsweise underschriben
.
Der kurbayerische Gesandte Krebs reklamierte mit Hinweis auf den schlech-ten Zustand der kaiserlichen Truppen das Recht der Reichsstände, mit Vorgriffen einen Friedensschluß zu beschleunigen
, und der bayerische Kurfürst Maximilian I. stellte Mitte April gegenüber dem Kaiser fest, daß die maiste
Punkte zu völliger conclusion und wirkhlicher subscription gebracht worden
seien und man daher durch Änderungswünsche am Trauttmansdorffianum
und den bereits getroffenen Vorabkommen den Schweden keinen Anlaß zu einer neuerlichen Verzögerungstaktik liefern dürfe. Maximilian I. wollte einen raschen Friedensschluß
Schneider
irrt, wenn er feststellt, daß der Ks. den bay. Kf.en zum Frieden ermahnte (vgl.
Schneider,
395). Es verhielt sich umgekehrt.
, aber an der Entschlußkraft Ferdinands III. hegte er Zweifel, da für ihn die kaiser-
[p. LXXIII]
[scan. 73]
lichen
Standpunkte sich zu sehr mit den Hindernissen deckten, die dem Frieden seiner Meinung nach entgegenstanden
.
Sein Bevollmächtigter Krebs trat in den Schreiben der kaiserlichen Abge-sandten nicht durch Kooperation mit diesen hervor, sondern man kann fast sagen, er nahm eher die Rolle eines Gegenspielers ein. Er war an den meisten oben erwähnten reichsständischen Partikularkonferenzen betei-ligt, er war es, der den Kaiserlichen fortgesetzt mit Separation und Vor-griffen unverhohlen drohte
; und über ihn beschwert sich Lamberg in seinen Relationen an Kurz mehrfach
. Auch wenn Lamberg nicht glau-ben mochte,
dz man zu München dergleichen conventicula und abseittige, gefährliche negociationes approbiren
würde, und Maximilian I. dem Kaiser versicherte, seine Gesandten zur Kooperation mit den Kaiserlichen angewiesen zu haben
, so war doch ohne Rückendeckung seitens des Kurfürsten ein solches Vorgehen nur schwerlich vorstellbar. Während man in München also bereit war, in Hinblick auf einen raschen Friedens-schluß so manche Position der katholischen Seite in den Autonomiever-handlungen preiszugeben – und dies auch getan hat –, muß die eigene Konzessionsbereitschaft in bezug auf eine Einschränkung des ius refor-mandi in der Oberpfalz eher als verhalten charakterisiert werden, zumal man sich bewußt war, daß der Kaiser aus reinem Eigeninteresse wegen Österreichs ob der Enns diese Linie unterstützen mußte.
Aus kurbayerischer Sicht ist
die entschlossene Haltung des bayerischen Gesandten Krebs bedeutend
für den erfolgreichen Fortgang der Verhand-lungen gewesen
Vgl.
Albrecht,
Maximilian I., 1048.
. Anfang Mai 1648 waren die großen innerständischen Streitpunkte, also Autonomie und Amnestie im Reich, geschlichtet und ad acta gelegt, die Regelungen zum Reichsverfassungsrecht der Reichs-stände
Vgl. später Art. VIII IPO = §§ 62–66 IPM.
und die Bestimmungen über Handelsfreiheit und Zölle
Vgl. später Art. IX IPO = §§ 67 und 68 IPM.
warfen keine gewichtigen Differenzen mehr auf
. Die Tatsache, daß die Kaiser-lichen in Osnabrück nicht mehr die Kontrolle über die sich verselbständi-genden reichsständischen Bevollmächtigten besaßen, bedeutete allerdings nicht, daß Ferdinand III. auf allen Gebieten seine Positionen räumen mußte. Im Gegensatz zur hessen-kasselischen Frage hatte der Kaiser in einem wichtigen Komplex der Amnestieverhandlungen für das Reich eine wesentlich bessere Stellung inne. Der Fall Baden-Durlach
Vgl. später Art. IV,26–27 IPO = § 33 IPM.
wurde im
[p. LXXIV]
[scan. 74]
April von seinen Gesandten am Kongreß abschließend verhandelt und nach seinen Vorstellungen im Vorabkommen über das Friedens-, Amnestie- und Restitutionsgebot sowie einzelne Restitutionen vom 21. April
verglichen. Anfang Mai befahl der Kaiser seinen Bevollmächtigen nochmals in einem Schreiben
, dem Markgrafen Wilhelm von Baden-Baden keine weiteren Belastungen zuzumuten, und verwies sie ausdrück-lich auf die betreffenden Regelungen im kürzlich übersandten Gesamtent-wurf. Am Kaiserhof wußte man um die gemeinsame Linie mit Frankreich und mit allen katholischen Reichsständen in wenigstens diesem Punkt
. Das Vorabkommen lag wohl zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Prag vor. Innerhalb weniger Monate führten die reichsständischen Bemühungen in Osnabrück die Verhandlungen, die seit Jahren einer Lösung geharrt hat-ten, zu einem Abschluß, so daß nur noch die Forderungen der Kronen und des Kaisers in Einklang zu bringen waren
Vgl.
ebenda;
Albrecht,
Maximilian I., 1048.
. Doch der kaiserliche Ver-such, alle offenen Fragen mit dem neuen Friedensinstrument auf einen Schlag zu lösen, schlug fehl. Die Verhandlungen in Westfalen waren in den letzten Wochen rasch vorangeschritten, und der neue Gesamtentwurf entsprach nicht mehr dem aktuellen Verhandlungsstand, denn neben ein-zelnen Restitutionen war auch der Einschluß der Reformierten verglichen worden
. Daraus ergaben sich für die Kaiserlichen Schwierigkeiten bei der Zusammenstellung des Vertragswerkes und es kam zu einer Verzöge-rung der Übergabe an die schwedischen Bevollmächtigten Oxenstierna und Salvius
. Die Meinungen innerhalb der kaiserlichen Gesandtschaft in Osnabrück über den Erfolg der bevorstehenden Eröffnung des Ver-tragsentwurfs differierten indes. Während Volmar auf einen Durchbruch der festgefahrenen Verhandlungsfronten hoffte
, äußerte Lamberg ge-genüber Kurz seine Skepsis
. Und er sollte recht behalten. Die schwe-dischen Gesandten wollten vor einer Erklärung, nachdem die Kaiserlichen Oxenstierna am 11. Mai den von ihnen überarbeiteten Gesamtentwurf
übergeben hatten, erst die Armeesatisfaktion für ihre Krone geregelt wis-sen
. Salvius konnte krankheitsbedingt bei der Übergabe nicht anwesend sein
.
[p. LXXV]
[scan. 75]
Nachdem die Schweden im März und April bereits auf eine Abhandlung ihrer Forderungen gedrängt hatten
, nahmen sich einige Gesandte pro-testantischer Reichsstände der Sache an. Neben den Schweden forderte allerdings auch Ferdinand III. von den Reichsständen eine Bezahlung für die kaiserlichen Immediat- und Mediattruppen
. Der kurbranden-burgische Gesandte Wesenbeck und der Bevollmächtigte Kursachsens, Leuber, schlugen am 30. April vor, die Frage der schwedischen Armee-satisfaktion gemeinsam mit der Regelung zur Amnestie in den kaiserlichen Erblanden in den Reichskurien zu verhandeln. Sie versicherten den Kai-serlichen, ihre Herren würden dem Kaiser bei der erbländischen Amnestie nicht mehr Zumutungen abverlangen. Die kaiserlichen Gesandten lehnten ab. Dies war notwendig, weil ihre vom Kaiserhof empfangenen Weisun-gen eine Einwilligung zu diesem Vorgehen nicht hergaben. Zudem trau-ten sie dem Abstimmungsverhalten mancher katholischer Reichsstände nicht
.
Am folgenden Tag jedoch drängten die Gesandten der katholischen Kurfürsten die Kaiserlichen ebenfalls zu dieser Vorgehensweise
. Der Einwand, daß man nicht zulassen könne,
daß über die materiam der Amnestie in den kaiserlichen Erblanden
einige reichsconclusa gefaßt werden
würden, verfing bei den kurfürstlich katholischen Abgeord-neten nicht. Hier wird auch wieder die Bedeutung der kurbayerischen Allianz für den Kaiser sowie die Bedeutung des Gesandten Krebs für die reichsständische Friedenspartei deutlich. Volmar bat Krebs unter vier Augen nochmals ausdrücklich um Unterstützung der kaiserlichen Ver-handlungsführung und wies auf die Notwendigkeit einer einheitlichen Position des Kurfürsten und des Kaisers hin
. Doch die Entscheidung, ob in den Reichskurien verhandelt werden sollte oder nicht, oblag in die-sem Fall nicht mehr den Bevollmächtigten Ferdinands III. Die Gesandten der protestantischen Reichsstände wollten auch ohne Einwilligung der Kaiserlichen die Beratungen beginnen. Das kurmainzische Reichsdirekto-rium hatte bereits die zu Münster anwesenden Reichsstände angeschrie-ben, an den Verhandlungen in Osnabrück teilzunehmen. Leuber gelang es nicht, die Gesandten einiger protestantischer Reichsstände zur Unter-stützung der kaiserlichen Haltung bei der erbländischen Amnestie zu ge-winnen
Vgl. Nr. 100. – Zur Aufforderung der
Ges.
in Münster, nach Osnabrück zu kommen vgl. auch
APW
[ III A 3/5, LXIV.]
.
[p. LXXVI]
[scan. 76]
Am 6. Mai war es dann so weit: Die reichsständischen Bevollmächtigten begannen mit den Beratungen zur Amnestie in den kaiserlichen Erblan-den und zur schwedischen Militärsatisfaktion
Zum Beginn der Verhandlungen vgl.
ebenda
[Nr. 145.]
. Ein nochmaliger Protest der Kaiserlichen bei den Gesandten Kurbayerns und Kurmainz’ mit dem Hinweis auf ihren Befehl aus Prag
wurde abgewiesen
. Während die Verhandlungen in den Reichskurien über die Armeesatisfaktion noch kein konkretes Ergebnis brachten, bescherten diejenigen über die erbländische Amnestie dem Kaiser allerdings ein positives Ergebnis. Die Majorität des Kurfürstenrats wollte dem Kaiser nicht mehr als in dem am 8. Februar extradierten Teilentwurf abnötigen
Bezug auf §
„Tandem omnes“ und die Regelungen zur Amnestie in den ksl. Erblanden in Art. IV
KEIPO6
(vgl.
[Nr. 49 Anm. 4] ).
, und auch die Mehrheit des Fürsten-rats in Osnabrück ließ verlauten, daß ihrer Kayserlichen majestät in hac causa weder vorgegriffen noch maß gegeben, noch darzu der friedt, casu quo die herren Kayserlichen hierinn nicht weichen würden, gehindert
werden sollte. Man wollte lediglich die Kaiserlichen bitten, sovil muglich
zu bequemen
.
Am 9. Mai überbrachte eine reichsständische Deputation den kaiserlichen Gesandten den Beschluß. Diese erklärten wiederum mit Hinweis auf ihre Befehle, nicht nachgeben zu dürfen, und verwiesen die Deputation an die schwedischen Bevollmächtigten, man möge jenen beweglich zusprechen, daß die sich dermaln bequemen thüend
.
Eine rasche Einigung war gescheitert, und die nun mehr als vierzehn Tage an-dauernde Verhandlungspause
der Kaiserlichen mit den Gesandten der nordischen Krone über die erbländische Amnestie dauerte an. Die kom-menden Wochen und Monate sollten noch harte Verhandlungen über die Amnestie in den Erblanden des Kaisers und die Militärsatisfaktion mit sich bringen
Vgl.
Ruppert,
340ff;
Dickmann,
473–477 und demnächst APW
II A 9.
.
IV. Die kaiserlich-französischen Verhandlungen
Von hierauß ist abermahln allerunderthänigst nichts zu berichten
,
dies vermeldete der kaiserliche Gesandte Nassau im Februar 1648 an den Hof nach Prag. In bezug auf die Verhandlungen über einen Frieden zwischen dem Kaiser und der Krone Frankreichs änderte sich an dieser Tatsache
[p. LXXVII]
[scan. 77]
während des Editionszeitraums kaum etwas. Im November des vorange-gangenen Jahres war ein kaiserlich-französisches Vorabkommen über die Territorialsatisfaktion des Königreichs unterzeichnet worden
, das den späteren Regelungen des Friedensvertrages weitgehend entsprach
.
Die Friedenstraktate zwischen der mit dem Kaiser verbündeten spa-nischen Krone und Frankreich stockten ebenfalls
, woran auch die nie-derländische Vermittlungstätigkeit nichts ändern konnte
. Die spanische Seite warf der französischen zudem eine Verzögerung der Verhandlungen vor, da die Franzosen die Übertragung der niederländischen Vermitt-lungstätigkeit von den Gesandten der Generalstaaten auf Prinz Wilhelm II. von Oranien und die Generalstaaten selbst forcierten
. Nassau und der spanische Prinzipalgesandte Peñaranda führten zwar Gespräche mit-einander
, von der Absprache einer gemeinsamen Verhandlungslinie ge-genüber den Franzosen kann jedoch im Editionszeitraum keine Rede sein.
Repgen konstatiert das Fehlen einer solchen dauerhaften Bündelung der Interessen und eines daraus resultierenden Handelns gar für den gesam-tem Kongreßverlauf
Vgl.
Repgen,
Hauptprobleme, 407.
.
Die französische Kongreßdiplomatie beschränkte ihr Wirkungsfeld aller-dings nicht nur auf Münster, sondern versuchte, auch in die Osnabrücker Verhandlungen offiziell miteinbezogen zu werden. Die kaiserlichen Ge-sandten vor Ort hätten dann der geballten Verhandlungsmacht der bei-den Hauptkriegsgegner Ferdinands III. gegenübergestanden. Zu diesem Zweck betrieb Servien, nicht zuletzt auf Wunsch der schwedischen Ge-sandtschaft, eine Partizipation des Residenten der Krone in Osnabrück, La Court, an den kaiserlich-schwedischen Verhandlungen, was die Kaiser-lichen ablehnten
. Sie verwiesen auf die damals gängige Praxis, nach der nur ein Gesandter mit einer gültigen Vollmacht für die jeweiligen Ver-handlungen zur Teilnahme befugt war. Eine solche besaß La Court nicht. Für die beiden französischen Abgesandten und später für Servien als alleinigem Bevollmächtigten galt es in erster Linie noch, drei für die Krone bedeutende Punkte zu klären. Dem Kaiser sollte die Assistenz für das Königreich Spanien, auch als Landesherr, untersagt, der Herzog von Lothringen vom Kongreß und vom Friedensvertrag ausgeschlossen sowie der Burgundische Reichskreis nicht in den deutschen Frieden mit einbe-zogen werden
Vgl.
Ruppert,
343–346;
Dickmann,
480f.
. Bereits während seines Aufenthaltes in Osnabrück im
[p. LXXVIII]
[scan. 78]
Februar brachte Servien in Gesprächen mit reichsständischen Gesandten diese Anliegen vor
; in dieser Zeit traf er auch mit Oxenstierna zu-sammen
Oxenstierna, der für seine Trinkfestigkeit bekannt gewesen sein soll (vgl.
Dickmann, 197), bewirtete Servien an einem Abend derart fürsorglich, daß dieser nur mit Unterstüt-zung seine Unterkunft erreichen konnte (vgl.
[Nr. 11] ).
. Volmar war sich bewußt, daß nach dem ohnehin schwierigen Abschluß mit den Schweden der kaiserlichen Seite in Münster ob dieser Punkte eine vermutlich noch kompliziertere Verhandlungssituation drohte
. Ende April reiste Oxenstierna seinerseits nach Münster, um dort mit Servien die Koordinierung einer gemeinsamen Verhandlungs-position gegenüber den Kaiserlichen für die restlichen offenen Fragen zu besprechen
Vgl. Nr.n 93 und 95 sowie zwei Schreiben Serviens an La Court, Münster 1648 IV 25 (werden in
APW II B 8 ediert).
. Offenbar spielten die Kronen in diesem Zusammenhang mit dem Gedanken, die Verhandlungen zur Friedensexekution und -sicherung nach Münster zu transferieren
. Eine erneute Reise Serviens nach Osna-brück Anfang Mai zielte darauf ab, die reichsständischen Bevollmächtig-ten zur Unterzeichnung des Vorabkommens über die französische Terri-torialsatisfaktion, wie es bei dem Vorabkommen über die der Schweden
der Fall gewesen war, zu bewegen. Auch wollte Servien die Assistenz-frage, das Problem Lothringen und den Ausschluß des Burgundischen Reichskreises in den Reichskurien erörtert wissen
, denn der oben ange-sprochene Unwille einiger Reichsstände, besonders Kurbayerns, wegen der spanischen Interessen Ferdinands III. den Frieden zu verzögern, war in Paris ebenfalls bekannt
Vgl. das Memorandum Ludwigs XIV. für d’Avaux und Servien, Paris 1648 II 14 (wird in
APW II B 8 ediert).
. Dieser Vorstoß Serviens wurde durch eine unter den Gesandten der Reichsstände kursierende Schrift
propagan-distisch begleitet, in der die französischen Forderungen legitimiert und die spanische Partei am Kaiserhof für die Verzögerung des Friedensschlus-ses zur Verantwortung gezogen wurde.
Dennoch verharrte Ferdinand III. in der Position eines Kunktators. Dies verwundert, denn die Kurfürsten in München und Mainz hatten dem Kaiser schon seit Jahresbeginn deutlich zu verstehen gegeben, daß er in der Assistenzfrage nachgeben müsse. Die Kaiserlichen wußten um die Instruktionen des kurbayerischen Gesandten Krebs
, es war ihnen also bekannt, daß eine Separation des für den Kaiser militärisch wichtigen
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Kurbayerns nicht ausgeschlossen war. Ebenso mußte ihnen bewußt sein, daß die Verzögerung eines Friedens die Wahrscheinlichkeit eines Eingrei-fens des Pfalzgrafen Karl Gustav von Pfalz-Zweibrücken mit frischen schwedischen Einheiten in die Kämpfe erhöhte und damit eine direkte Be-drohung für die kaiserlichen Erblande darstellte. Kurfürst Maximilian I. von Bayern sollte beschwichtigt und im Bündnis gehalten werden. Gleich-zeitig galt es, das spanische Königshaus um Konzessionen gegenüber Lud-wig XIV. im Hinblick auf einen doch noch rasch herbeizuführenden Ausgleich zwischen den beiden Kronen anzugehen
. Der Kurfürst wurde immer ungeduldiger, zumal sich der Hauptkriegsschauplatz in seinen Kurstaat verschob.
Aber Spanien lenkte nicht ein. Im April berichtete der kaiserliche Bot-schafter aus der spanischen Hauptstadt, daß man dort der Meinung sei, Frankreich wolle den Frieden nicht, gleichgültig, wie weit Spanien nach-geben würde, und eine Separation der beiden Habsburger Linien bedeu-tete eine hindansezung ihrer
[der kaiserlichen] aigenen wohlfahrt und sicherheit
Vgl. Carretto an Ferdinand III., Madrid 1648 IV 6 (
StAbt Spanische Korrespondenz Fasz. 42 [Carretto an Ferdinand III.] fol. 95–96’).
.
Andererseits stand nicht weniger als die Kaiserkrone auf dem Spiel, weil Ferdinand III. am spanischen Verbündeten festhielt und er damit eine reichständische Separation riskierte
Vgl.
Repgen,
Hauptprobleme, 407.
. Anfang Mai hatte Prag sich noch nicht zu einer Trennung von Madrid durchringen können – dieser Entschluß sollte erst im Spätsommer 1648 fallen
Hierzu vgl. demnächst APW
II A 9.
. Aber die Ge-heimen Räte des Kaisers waren sich zu diesem Zeitpunkt einig, daß der herr churfürst nit lang mehr zu halten
und daß alle vorbotten zur separa-tion seindt verhanden
.