Acta Pacis Westphalicae II A 8 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 8: Februar - Mai 1648 / Sebastian Schmitt
A Die militärische und politische Lage im Winter 1647/48 und Frühjahr 1648
Die Entwicklungen seit September 1647, sowohl die auf dem diploma-tischen Parkett als auch die Felde, gestalteten sich vorerst zum Vorteil der kaiserlichen Seite. Im Juli und August 1647 fanden in Passau kaiser-lich-kurbayerische Verhandlungen über eine erneute Allianz der beiden Parteien sowie über eine gemeinsame Kampagne statt
Vgl.
Kapser,
49;
Albrecht,
Maximilian I., 1073.
. Die beiden Kur-fürsten von Köln und Bayern kündigten im August und September den Ulmer Waffenstillstand vom 14. März 1647
Text des schwed. Instruments in
ST VI. 1, 58–76 (dt.); Text des frz. Instruments
ebenda, 82–90 (lat.). Zu weiteren Überlieferungen des Waffenstillstandsvertrags vgl.
APW
[ II A 5, 659 Anm. 1] .
gegenüber Schweden auf
Vgl. APW
II A 6/2 Nr. 205;
Foerster,
298;
Albrecht,
Maximilian I., 1073;
Tischer,
Diplomatie, 306. – Zur Aufkündigung des Waffenstillstands s. auch
Meiern V,
39ff
, sowie APW
II A 6 Beilage [2] zu Nr. 240.
. Gleichzeitig rückte der bayerische Kurfürst Maximilian I. durch den Pil-sener Vertrag vom 7. September 1647 und die dazugehörigen Ergänzun-gen von Ende September
militärisch wieder an die Seite des Kaisers
; eine Vereinigung der kurbayerischen Teile der Reichsarmee mit den kai-serlichen Truppen stand bevor. Trotz der Bemühungen des schwedischen Gesandten Salvius, bei seinen französischen Kollegen in Münster die Durchführung einer gemeinsamen Strafexpedition der beiden Kronen ge-gen Kurbayern anzustrengen
Vgl. etwa
ebenda
Nr.n 252 und 259.
, und einiger Schreiben Königin Christinas von Schweden an den französischen Hof
reagierte Paris zögerlich auf diese neue Entwicklung, da München wiederholt unterstrich, daß sich die Neutralitätsaufkündigung lediglich auf den Kontrakt mit der Krone Schwedens beziehe
. Das in Böhmen operierende schwedische Heer unter Wrangel mußte also nach der Vereinigung der beiden feindlichen Armeen einen übermächtigen Gegner erwarten. Es war den kaiserlichen Befehls-
[p. XLV]
[scan. 45]
habern jedoch schon vorher gelungen, die schwedischen Einheiten von ihrer fränkischen Versorgungsbasis abzuschneiden, so daß diese sich Ende September 1647 aus dem Königreich über Kursachsen und Thüringen in Richtung Weser absetzen mußten
Vgl.
APW II
C
[ 4/1 Nr.n 1] und
[ 2] ;
APW II A 6 Nr. 240. – Zum Defensivfeldzug der ksl. Armee in Böhmen im September 1647 vgl.
Höfer, 87–92.
. Kurze Zeit später, am 12. Oktober 1647, vereinigten sich die kaiserlichen mit den kurbayerischen Truppen im böhmischen Kaaden/Kadań an der Eger und gingen nun ihrerseits in eine Offensivbewegung auf die Weser über. Der Erfolg des böhmischen Defensivfeldzugs konnte allerdings nicht in einen dauerhaften Vorteil bei dem Vormarsch nach Nordwestdeutschland umgemünzt werden. Die Armee Wrangels konnte sich, von den kaiserlich-kurbayerischen Kontin-genten nicht ernsthaft verfolgt, in die sicheren Winterquartiere im Nord-westen des Reiches zurückziehen, während es für die vereinigte Armee des Kaisers und des bayerischen Kurfürsten unumgänglich wurde, sich auf-zuteilen und den Winter aufgrund der schlechten Versorgungsbasis in Hessen, Thüringen und im Fränkischen Reichskreis zu verbringen
Zur ksl.-kurbay. Herbstoffensive vgl.
ebenda,
93–107.
. Das schwedische Heer erhielt auf diese Weise die Möglichkeit, sich in dem be-zogenen Verfügungsraum zu erholen und zu ordnen sowie notwendige Ergänzungen vorzunehmen, was für die Schlagkraft des Gegenangriffs im folgenden Jahr von großer Bedeutung werden sollte
.
Die militärische Offensive des ausgehenden Jahres wurde von einer diplomatischen Mission des Kaisers am kursächsischen Hof begleitet
Vgl.
Ruppert,
322f;
Dickmann,
450–453.
. Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen war im Spätsommer 1645 mit dem schwedisch-kursächsischen Waffenstillstand von Kötzschenbroda sowie der Waffenstillstandsvereinbarung von Eilenburg im folgenden Frühjahr aus dem Krieg ausgeschieden
. Da sich die Verhandlungen der Religions-parteien Ende 1647 weiterhin ergebnislos hinzogen, rückte der auch von Kursachsen angestrebte baldige Friedensschluß in weite Ferne. Reichsvize-kanzler Kurz und der Sekretär des Geheimen Rates, Schröder, reisten in dieser Zeit nacheinander nach Kursachsen, um über einen Vorgriff des Kaisers, einen Bruch des sächsisch-schwedischen Waffenstillstandes und eine mögliche Konjunktion Johann Georgs I. mit dem Kaiser zu ver-handeln
. Schröder oblag es zudem, die kurfürstliche Zustimmung zu den kaiserlichen Änderungswünschen
Gemeint sind die Änderungen, die in der ksl. Hauptinstruktion von 1647 XII 6
(APW
[II A 7 Nr. 29] ) festgehalten worden waren und von den ksl.
Ges.
in Osnabrück als Art. I–V
KEIPO6
partiell übergeben wurden.
am
Trauttmansdorffianum
Gemeint sind
KEIPO4A
und
*KEIPO4B*
(vgl. Nr. 3 Anm. 6).
ein-
[p. XLVI]
[scan. 46]
zuholen. Bis in den Februar des folgenden Jahres zog sich diese Mission hin, wobei der Abgesandte des Kaisers das Einverständnis des Sachsen zu den Formulierungen des Friedensvertrags bis auf einige weniger wichtige Ausnahmen erhielt. Die Verhandlungen über einen Vorgriff, einen Bruch des Waffenstillstands und eine kaiserlich-kursächsische Allianz scheiterten jedoch
. Nachdem die kursächsische Seite eine Erklärung immer wieder verschoben hatte, befand man am Hof in Dresden, daß die Verhandlun-gen in Westfalen derartige Fortschritte machten, daß es keines Vorgriffs mehr bedurfte; zudem zweifelte der sächsische Kurfürst an der Effektivi-tät des Konjunktionsangebotes aus Prag, dem Sitz des Kaiserhofes zu die-ser Zeit. Die kaiserlichen Subsidiengelder würden für den Unterhalt eines kampfkräftigen Feldheeres nicht ausreichen, und das Kurfürstentum würde somit den verbliebenen schwedischen Festungsbesatzungen nach Abzug der kaiserlich-kurbayerischen Truppen schutzlos ausgeliefert sein
. Aus Dresden konnte Ferdinand III. also keine nennenswerte Unterstüt-zung erwarten.
Auch der Kurfürst von Brandenburg, der ebenfalls auf einen zügigen Ab-schluß der Friedenstraktate drängte
Vgl. UA
IV, 599ff;
Höfer,
142.
, sollte von den Vorzügen eines Bünd-nisses mit dem Kaiser überzeugt werden. Aus den Kampfhandlungen mit der Krone Schwedens war der Hohenzoller bereits im Juli 1641 ausgeschie-den
Vgl. den schwed.-kurbg. Waffenstillstand von Stockholm von 1641 VII 14[/24] (Text:
ST V.2, 475–483), der vorerst auf zwei Jahre vereinbart worden war, nach Ablauf der Frist jedoch weiterhin in Kraft blieb.
. Allein, die Werbungen des kaiserlichen Gesandten Blumenthal im Sommer und Herbst 1647 in Kleve, dort residierte Kurfürst Friedrich Wil-helm von Brandenburg zu jener Zeit, blieben ohne Erfolg
Vgl. die Resolution Kf. Friedrich Wilhelms von Brandenburg von 1647 X 18 (Text:
UA IV, 605–611).
. Zum Jahres-wechsel wurde er erneut an den kurbrandenburgischen Hof entsandt, um über die Bedingungen eines möglichen Vorgriffs zu verhandeln, allerdings wurde diese Mission abgebrochen, bevor überhaupt erste Gespräche statt-finden konnten
. Dem von kurbrandenburgischer Seite geplanten Projekt eines Defensivbündnisses protestantischer Fürsten unter maßgeblicher Be-teiligung Kursachsens und Braunschweig-Lüneburgs, das der kurbranden-burgische Geheime Rat Burgsdorff auf einer Reise an die norddeutschen Höfe propagiert hatte, war jedoch gleichfalls kein Erfolg beschieden
Vgl.
[Nr. 3 Anm. 20] . – Trotz Bestrebungen, dieses Projekt geheimzuhalten, gelangten In-formationen hierüber an die schwed. und frz.
Ges.
in Westfalen (vgl. La Court an [Lionne], Osnabrück 1648 II 17 [wird in
APW II B 8 ediert]).
.
[p. XLVII]
[scan. 47]
Die politischen Entwicklungen um den Jahreswechsel 1647/48 ließen das Pendel wiederum in die andere Richtung ausschlagen. Die französische Krone kündigte dann doch, allerdings mit erheblicher Verzögerung, dem bayerischen Kurfürsten den Ulmer Waffenstillstand auf. Am 29. Dezem-ber 1647 wurde Maximilian I. das Aufkündigungsschreiben durch einen französischen Trompeter überbracht
. Für den Kurfürst stand nun zu be-fürchten, daß mit der kommenden Kampagne der Franzosen und Schwe-den sein Territorium erneut zum Hauptkriegsschauplatz im Reich werden würde; die Notwendigkeit eines Vorgriffs betrachtete man in der kur-bayerischen Residenz im Winter 1647/48 als gegeben
Zur Politik Kf. Maximilians I. von Bayern am
WFK
vgl. allgemein
Albrecht, Maximi-lian I., 1009–1085.
. In dieser Haltung wurde Maximilian I. von den Kurfürsten aus Mainz – die Regenten in München und Mainz drängten Ferdinand III. besonders intensiv
– und Köln sowie den Fürstbischöfen von Bamberg und Würzburg, das vom Mainzer Kurfürsten in Personalunion regiert wurde, unterstütz
. Die drei Kurfürsten ließen zu Beginn des Jahres 1648 in Prag durch ihre jewei-ligen Unterhändler, Mändl für Kurbayern, Waldenburg für Kurmainz sowie Fürstenberg für Kurköln, über den kommenden Feldzug und den Vorgriff verhandeln
Zu den Missionen der drei kfl.
Ges.
am Ks.hof vgl. Nr. 7. Anm. 7 und
[Nr. 18 Anm. 13] .
. Ein rascher Friedensschluß, notfalls auch gegen die Interessen der Mehrheit der katholischen Reichsstände, erschien Kur-bayern als Voraussetzung, um das Reich und die Existenz einer starken katholischen Partei zu erhalten. Zudem widerstrebte es Kurfürst Maximi-lian I., den Krieg aufgrund der Interessen der mit dem Kaiser verbünde-ten spanischen Krone – darin sah er einen Hauptgrund für den noch nicht erfolgten Friedensschluß – weiterzuführen
. Dies ließ er einigen Gesand-ten protestantischer Reichsstände am Kongreß Anfang März ausdrücklich durch seinen Bevollmächtigen Krebs mitteilen. Kurbayern und weitere katholische Reichsstände waren der Meinung, man müsse endlich dem Kayser sagen, daß er schliesse
Vgl. die Erklärung des kurbay.
Ges.
Krebs gegenüber
Ges.
prot. Reichsstände von 1648 II 25[/III 6] in
Meiern V, 511
letzter Abs.
.
Einen derartigen Interessenskonflikt be-stritt der Kaiser selbstverständlich
. Er ließ dem spanischen König über seinen Botschafter in Madrid noch im Winter ausrichten, daß wir niemals eines andern, alß bey ihrer liebden bestendigst zu stehen und von dero-selben und ihrem interesse unß nicht zue separiren, niemahlen gesinnet
[p. XLVIII]
[scan. 48]
gewesen
und daß auch in Zukunft die Bündnistreue gehalten werde
Vgl. Ferdinand III. an Carretto, Prag 1648 I 3. Ausf.:
StAbt Spanische Korrespondenz Fasz. 42 [Ferdinand III. an Carretto] fol. 2–3 – Konzept:
RK
FrA Fasz. 56a (1648 I) fol. 112–112’, 117. – Francesco Carretto (gest. 1651), marchese di Grana; 1641–1651 ksl. Bot-schafter in Spanien (
Schwarz, 213f).
. Dennoch banden sich die beiden Höfe in München und Prag durch den im Februar und März 1648 unterzeichneten Prager Rezeß bis zu einem endgültigen Friedensschluß aneinander – allerdings zu deutlich besseren Konditionen für den bayerischen Kurfürsten
. Jedoch erreichte Maximi-lian I. ein wesentliches Ziel nicht, denn Ferdinand III. wollte eine Distan-zierung von Madrid nicht öffentlich in den Vertragstext festschreiben las-sen. Deshalb hatte er im Vorfeld der Verhandlungen Maximilian I. offen-bar zugesagt, dem Kurfürsten durch ein sonderbar gehaimes handtbriefl
zu versichern, daß die Spänische tractatus den Teutschen frieden nit remorieren werden.
Dieses Handschreiben ging jedoch aus Prag nicht ab, so daß es der Kurfürst Ende März vehement einforderte, denn seine erclerung,
also das erneuerte Bündnis mit dem Kaiser, sei außtruckhlich darauf conditionirt
und von Ferdinand III. also angenommen und ver-sprochen
worden
Vgl. Kf. Maximilian I. von Bayern an Ferdinand III., München 1648 III 30 (Ausf.:
RK
KrA Fasz. 176 [1648 III] fol. 448–449).
. In Prag ließ man sich Zeit und reagierte auf diese Mahnung erst Anfang Mai
Der Ks. begründet dies damit, er habe das Schreiben ehender nit alß den 26. Aprilis nechsthin empfangen
(vgl. Ferdinand III. an Kf. Maximilian I. von Bayern, Prag 1648 V 5 [Konzept: RK
KrA
Fasz. 178 (1648 V) fol. 48–48’]).
. Der Kaiser beschied seinem Verwandten in München, daß es bei der Zusicherung bezüglich der spanischen Interessen sein Verbleiben haben müsse, wie er sie ihm im Februar bereits geleistet habe
. Am Kaiserhof wurde die Meinung vertreten, daß die Bündnistreue zu Spanien zu halten sei, da man bevorab auff gegenwertige zeit und heu-tigen tags noch von ihr cron Spanien hülff und diversionsmittel sucht und empfangt
Vgl. Ferdinand III. an Kf. Maximilian I. von Bayern, Prag 1648 V 5 (wie Anm. 42).
.
Der Mainzer Kurfürst Johann Philipp von Schönborn drängte ebenfalls auf den Vorgriff, um, wie er es formulierte, die Einheit des Reiches zu wahren
. Eine Verzögerung des in seinen Augen so notwendigen Friedens bis zu einer Beilegung der spanisch-französischen Streitpunkte schien ihm nicht vertretbar
Vgl.
[ebenda]
. –
Zur Politik des Mainzer Kf.en am
WFK
vgl. auch
Schraut,
120–127.
. In der Resolution für den kurmainzischen Abgesandten am Kaiserhof, Waldenburg, vom
22. Februar 1648
erklärte Ferdinand III. auch gegenüber dem Mainzer Kurfürsten, daß die spanisch-franzö-sischen Verhandlungen einem Frieden innerhalb des Reichs nie im Weg
[p. XLIX]
[scan. 49]
gestanden hätten. Der Kaiser wußte um die Bedeutung der Unterstützung seiner Friedenspolitik durch die mächtigen katholischen Reichsfürsten und bat den Kurmainzer, er möge unbedingt seine Gesandten in Westfalen anweisen, den Kaiserlichen beizustehen
. Um dem Kurfürsten diese Ent-scheidung etwas zu erleichtern, versprach der Kaiser, Belastungen des Erz-stifts durch kaiserliche Einheiten möglichst zu vermeiden
.
Der Kurswechsel in der kurmainzischen Politik nach dem Antritt des Pon-tifikats durch Johann Philipp im November 1647 hin zu einer zielorien-tierten Friedenspolitik sorgte nicht nur in der Beziehung zum Kaiserhof, sondern auch innerhalb der Delegation des kürzlich gewählten Kurfürsten für neuartige Konstellationen. Dem bereits seit 1645 am Kongreß tätigen kurmainzischen Kanzler Raigersperger, der ein treuer Verfechter der kai-serlichen Linie bei den Verhandlungen war, wurde der Würzburger Vize-kanzler Meel beigeordnet. Dieser bestimmte fortan gemeinsam mit dem ebenfalls seit 1645 für das Hochstift Würzburg und seit Dezember 1647 auch für Kurmainz handelnden Vorburg die Vorgehensweise der Ge-sandtschaft
Vgl.
Jürgensmeier,
Johann Philipp, 174f. – Zu den Konflikten in der kurmainzischen Gesandtschaft vgl. auch
Fussbahn,
160–164.
. Raigerspergers Isolierung veranlaßte ihn, über Volmar die Fürsprache Trauttmansdorffs am kaiserlichen Hof zu erbitten
.
Während die diplomatischen Sondierungen des Kaisers mit den verschie-denen Kurfürsten noch liefen, traten schwedische Mannschaften unter Wrangel in den ersten Januartagen 1648 aus ihren Winterquartieren an der Weser den Vormarsch nach Süden an. Am Kongreß kursierten aller-dings zeitgleich Gerüchte über den angeblich schlechten Zustand der schwedischen Kontingente
und einen fehlgeschlagenen Angriff der schwedischen Armee unter Wrangel auf die Würzburger Festung Marien-berg
, und am 6. und 7. Februar überschritten französische Einheiten ost-wärts den Main bei dem zu Kurmainz gehörenden Ort Lohr
. Dieses französische Heer war zwar zahlenmäßig nicht sonderlich stark, nur etwa 6 000 Mann
. Einen Totalausfall der französischen Militärmacht auf dem deutschen Kriegsschauplatz konnten der am 30. Januar 1648 zwi-schen dem Königreich Spanien und den Vereinigten Provinzen der Nie-derlande geschlossene Frieden und die damit freigesetzten spanischen Kräfte jedoch nicht bewirken. Die französischen Truppen vereinigten sich mit den schwedischen am 23. März für kurze Zeit in der Grafschaft
[p. L]
[scan. 50]
Oettingen, was das kaiserliche Heer zwang, weiter nach Süden abzudre-hen
. Um eine reibungslose Versorgung zu gewährleisten, setzten sich die Franzosen direkt nach der Vereinigung mit den Schweden jedoch wieder ab und verblieben bis Mitte April in der Maingegend, bevor sie noch wei-ter nach Südwesten zogen
. Unterdessen mußte die Belagerung der Stadt und Festung Eger/Cheb in Böhmen, die seit dem Sommer des vorange-gangenen Jahres in schwedischer Hand war
, von den kaiserlichen Kräf-ten aufgrund des Drucks eines schwedischen Entsatzheers Anfang April abgebrochen werden
. Am Ende des Monats fiel die von kurbayerischen Truppenteilen gehaltene Reichsstadt Dinkelsbühl in die Hand des Geg-ners
. In Prag hoffte man, durch eine Diversion des kaiserlichen Feldmar-schalls Lamboy mit der Kreisarmee des Niederrheinisch-westfälischen Reichskreises gegen die französischen Truppen am Oberrhein spürbare Entlastung für die Hauptarmee zu erreichen
Zur Einschätzung dieser Kampagne auf frz. Seite vgl. d’Avaux und Servien an Ludwig XIV., Münster 1648 III 2, sowie Saint-Romain an Mazarin, Münster 1648 III 2 (werden in
APW II B 8 ediert).
. Lamboy gelang es im März 1648, in der zur Grafschaft Arnsberg, die Kurfürst Ferdinand von Köln unterstand, gehörigen Stadt Geseke den hessen-kasselischen Gene-ralleutnant Geyso samt seiner Armee einzuschließen
. Dieser konnte sich jedoch mit dem Großteil seiner Truppen absetzen. Eine Fortführung der Diversion scheiterte am Widerstand des Kölner Kurfürsten, der vorrangig Angriffen hessen-kasselischer Kontingente am Niederrhein mit dieser Kreisarmee entgegentreten wollte
. Die französische Krone ihrerseits unterstützte den Feldzug der Landgräfin von Hessen-Kassel, um die Truppen Lamboys dort zu binden und somit die eigenen Truppen in Süd-deutschland zu entlasten
Vgl. Servien an Lionne, Münster 1648 III 4, sowie d’Avaux’ und Servien an Ludwig XIV., Münster 1648 III 23 (werden in
APW II B 8 ediert).
.
Am schwedischen Hof in Stockholm faßte man unterdessen den Entschluß, den Kaiser militärisch derart unter Druck zu setzen, daß er sich den schwedischen Bedingungen eines Friedensschlusses nicht mehr allzulange entgegenstellen könne und sich diesen zu fügen habe
. Wrangels Armee marschierte deshalb in Richtung Franken und Bayern, was zur Folge hatte, daß am Kongreß in Westfalen die kurbayerischen Gesandten trotz der Verpflichtungen ihres Herrns aus dem Prager Rezeß bereits mit dem
[p. LI]
[scan. 51]
Gedanken einer Separation vom Kaiser spielten
. In den ersten April-wochen des Jahres 1648 berichteten die kaiserlichen Gesandten aus Mün-ster und Osnabrück nach Prag zudem von einer am Kongreß kursieren-den Meldung, in Schweden würden Vorbereitungen für die Landung eines Expeditionskorps in Deutschland unter Pfalzgraf Karl Gustav von Pfalz-Zweibrücken getroffen
. Diese Verstärkungen, die die Gesandten auf etwa 10 000 Mann taxierten
, hätten, das war abzusehen, die Wider-standskraft der kaiserlichen Armee sehr wahrscheinlich stark strapaziert und Ferdinand III. die Möglichkeit einer offensiven Kriegführung end-gültig geraubt.
In den Spanischen Niederlanden standen die mit dem Kaiser verbündeten Spanier den Franzosen gegenüber, ohne daß sich ein nennenswerter Durchbruch für eine der beiden Seiten abzeichnete
Vgl.
Rohrschneider,
Frieden, 407–412.
. Die positive Nach-richt, daß spanische Einheiten den seit einigen Monaten andauernden Aufstand der Neapolitaner Anfang April niederschlagen konnten
, änderte nichts an dem düsteren militärischen Szenario, das sich vor Ferdi-nand III. aufbaute. Der Tod König Christians IV. von Dänemark Anfang März 1648 ließ im April bei den kaiserlichen Bevollmächtigten am West-fälischen Friedenskongreß nur kurzzeitig die Hoffnung auf eine Ge-wichtsverlagerung der schwedischen Interessen aufkeimen. Die Spekula-tionen richteten sich auf einen eventuellen Feldzug der Schweden gegen das dänische Königreich und eine Unterstützung sezessionistischer Bestre-bungen im zu Dänemark gehörenden Norwegen durch Stockholm, wozu dieses eine militärische Entlastung im Reich benötigt hätte
. Jedoch mach-ten sich die kaiserlichen Gesandten Volmar und Lamberg im selben Monat keine sonderlich großen Hoffnungen auf einen baldigen Friedens-schluß mehr, sondern schrieben nach Prag, man möge doch besser auf die militärische Karte setzen
– und das, obwohl auch ihnen die schwierige Gesamtlage deutlich sein mußte.