Acta Pacis Westphalicae III B 1,1 : Die Friedensverträge mit Frankreich und Schweden, 1. Teil: Urkunden / Antje Oschmann
6 Der Austausch der Ratifikationsurkunden (18. Februar 1649)
Am 18. Februar 1649 wurden die Ratifikationsurkunden ausgetauscht. Die kai-serlichen, schwedischen und französischen Urkunden waren vorher kollationiert worden
Die Ratifikationen des IPO wurden unmittelbar nach dem Eintreffen der schwed. Urkunde kollationiert (
TE 6, 618f, 626;
Meiern 6, 732
;
APW II C 4,
865 Z. 24–29; dies wurde in Zeitungen gemeldet:
DPF
Bremen Z 59 1648/210 S. 3–4 und
ebenda Z 10 1648/52–II S. 3).
Die Kollationierung wurde wahrscheinlich 1649 II 16 wiederholt (
ebenda 1649/32 S.
2).
; dabei wurden Fehler in der kaiserlichen, für Schweden bestimmten Ratifikation festgestellt, die Lamberg eigenhändig in der Urkunde korrigierte, worüber er zusammen mit Krane eine Bescheinigung ausstellte
. Die Ratifikatio-nen des IPM waren das erste Mal im Dezember 1648 verglichen worden, als Servien noch eine fehlerhafte Urkunde zur Hand hatte. Ende Januar 1649 wurde
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[scan. 71]
dann auch die inzwischen eingetroffene, korrekte französische Fassung nochmals überprüft
Dazu APW
III C 2, 1206 Z. 23f. Auch darüber haben sich zwei kurze Aufzeichnungen erhal-ten (
HHStA
Wien,
GehStReg
Rep. N Ka. 96
Fasz.
68 unbez. pars nr. 26 unfol.).
.
Die Beschwörung und Ratifikation des spanisch-niederländischen Friedens im Mai 1648 war eine feierliche Zeremonie gewesen
Beschreibung des Vorgangs bei
Dickmann
, 468ff;
Duchhardt
, 17f.
. Im Herbst 1648, bei der Unterzeichnung des Friedensschlusses mit Frankreich und Schweden, war man übereingekommen, ähnlich zu verfahren und den Austausch der Ratifikationen aufwendig zu gestalten. Dazu kam es jedoch im Februar 1649 nicht mehr
Zum folgenden: Altenburger Diarium (
Meiern 6, 857
–864), Diarium Leuber (
SHStA
Dresden, Locat 8134 Band 29 fol.
50’–54’), ein anderer reichsständischer (
TE 6, 653–658) sowie ein weiterer, nach Schweden
übersandter Bericht (
RA
Stockholm
, DG 14 fol. 239–242; in
APW II C 4, 1000 Z. 32 irrtümliche Datumsangabe), eine Zeitungsmeldung (
DPF
Bremen Z 59 1649/32 S. 1–4) sowie für die schwed.-ksl. Zeremonie ein ksl. Protokoll (
HHStA
Wien
,
RK
FrA
Fasz.
92 XVIII fol. 400–403)
und der Eintrag im Diarium Lam-berg (
APW
III C 4, 223 Z. 25 – 224 Z. 16) und für den Ratifikationentausch des IPM der Eintrag im Diarium Volmar (
APW III C 2, 1232 Z. 25 – 1234 Z.
11).
. Of-fensichtlich ließen vor allem die Vorbehalte Serviens keine festliche Veranstaltung zu. Außerdem war der französische Gesandte so krank, daß er das Bett nicht verlassen konnte. Daher verfuhr man schließlich ebenso wie bei den Unterzeich-nungszeremonien am 24. Oktober, und die Ratifikationsurkunden wurden nur in den Gesandtschaftsquartieren ausgewechselt, jedoch unter Anwesenheit reichsstän-discher Vertreter, also kongreßöffentlich.
Nachdem bis zuletzt um die Örtlichkeiten und Modalitäten gestritten worden war, riß den Schweden am Tage des Austauschs der Ratifikationsurkunden schließlich der Geduldsfaden. Ohne sich abschließend mit Servien abzusprechen, der deshalb sehr verärgert war, fuhren sie am 18. Februar um die Mittagszeit zum Quartier Lambergs, wohin auch reichsständische Vertreter kamen. Nach den üblichen Begrüßungsvorträgen und beiderseitigen Stipulationen ließ sich Oxen-stierna vom kurmainzischen Kanzler die am Tage zuvor vereinbarte Erklärung zur Friedensexekution geben, die er laut verlas. Dann forderte er Raigersperger auf, namens des Reiches mündlich zu versprechen, daß die Reichsstände den aus dem Friedensschluß resultierenden und noch nicht erfüllten Verpflichtungen nach-kommen würden. Nachdem er seinerseits eine entsprechende Versicherung abge-geben hatte, überreichte er Lamberg die schwedische Ratifikation, die nicht mehr verlesen wurde. Kaiserliche und schwedische Gesandte gaben sich daraufhin die Hand und umarmten sich. Sodann übergab der kurmainzische Kanzler die für den Kaiser bestimmten reichsständischen Ratifikationen, soweit sie ihm zuhanden waren.
Anschließend fuhren alle Beteiligten, in gebührender Rangfolge, zum Quartier Oxenstiernas. Hier stockte der Verlauf: es entstand ein Disput darüber, ob Schwe-den dem kursächsischen Gesandten eine Ratifikationsurkunde für das Corpus Evangelicorum aushändigen solle. Dem widersprach der kurmainzische Kanzler
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so heftig, daß Oxenstierna die Aushändigung der für Kursachsen bestimmten Ra-tifikation unterließ; sie wurde dem kursächsischen Bevollmächtigten später durch einen schwedischen Sekretär übermittelt
Leuber erhielt die Urkunde noch am gleichen Abend (Diarium;
SHStA
Dresden,
Locat 8134 Band 29 fol. 56).
. Lamberg und Krane übergaben dann in Anwesenheit der reichsständischen Deputierten die kaiserliche Ratifikationsur-kunde; auch sie wurde nicht verlesen
Die Ratifikation des Geheimartikels des IPO
(Text: Nr. 21; vgl. Anm. 154) übermittelte Vol-mar 1649 II 17 Krane (Dorsal Volmars auf dem ksl. Schreiben von 1649 I 5:
HHStA
Wien
,
RK
FrA
Fasz.
92 XVIII fol. 149’);
dieser wiederum gab sie 1649 II 23 den Schweden (eigh.
Dorsal Kranes auf einer Kopie:
Giessen 200 fol. 383). Die Erklärung über die Korrek-turen in der ksl. Ratifikation des IPO (Text: Nr. 22) wurde, wie auf einer Kopie (
Giessen 200 fol.
36–36’) vermerkt, 1649 II 25 ausgehändigt.
. Erneut folgten Handschlag und Umar-mung als Zeichen des wiedergewonnenen Friedens. Aus der Hand Raigerspergers erhielten die schwedischen Gesandten die reichsständischen Ratifikationen mit der Versicherung, die fehlenden oder ungenügenden Urkunden in korrekter Form nachzureichen. Der kurbrandenburgische Gesandte übergab gesondert die Ratifi-kation Kurfürst Friedrich Wilhelms, allerdings ohne die erwünschte Abtretungser-klärung für Vorpommern beizulegen. Oxenstierna fragte außerdem nach der ob-ligatorischen Lübecker Ratifikation, die der Gesandte nur unter einem Vorbehalt für den Weserzoll ausstellen wollte, was Raigersperger nicht billigte
Die Hanse hatte schon bei der Vereinbarung des IPO (1648 VIII 6) sowie bei der Unterzeich-nung der Verträge (1648 X 24) ihre Vorbehalte mündlich durch Gloxin oder durch Eingabe von Schriftstücken anzuzeigen versucht (vgl. Anm.en 219–223).
. Oxen-stierna händigte daraufhin die schwedische Ratifikation für das Reichsdirekto-rium dem Kurmainzer aus.
In der Zwischenzeit war der französische Resident La Court, stellvertretend für den bettlägerigen Servien, in das Quartier Nassaus gefahren und hatte dort ohne großen zeremoniellen Aufwand die französische Ratifikation überbracht. Verär-gert über den von den Reichsständen mitgetragenen schwedischen Vorgriff wur-den die reichsständischen Deputierten hier – wohl absichtlich – in den Hinter-grund gedrängt; man wartete ihr Kommen gar nicht ab. Freilich übergaben die reichsständischen Deputierten dort, sobald sie eingetroffen waren, die für den Kai-ser bestimmten Ratifikationsurkunden, soweit sie bis dahin in Münster in korrek-ter Form eingelangt waren
Es wird nicht berichtet, daß zu diesem Zeitpunkt auch die für den Kaiser bestimmte Ausferti-gung der reichsständischen Spezialgarantie für Frankreich ausgehändigt worden ist. Wie und wann diese Urkunde in die Hand der Ksl. gekommen ist – sie liegt heute in einem Aktenbe-stand, der Teilen der Handakten Volmars zugerechnet werden kann –, ist nicht zu ermitteln gewesen. Im April 1649 befand sie sich jedenfalls in Händen der Ksl., denn sie ist in einer Liste derjenigen Urkunden, die Lamberg vor seiner Abreise von Nassau und Volmar erhalten hat (
HHStA
Wien,
GehStReg Rep. N Ka. 96
Fasz.
68 unbez. pars nr. 26 unfol.), aufge-führt,
dort allerdings durchstrichen worden.
. Als sie Nassau und Volmar in das Quartier Ser-viens folgten, mußten sie im Vorraum warten, während Servien, zu Bett liegend, die kaiserlichen Gesandten in einen kleinen Raum empfing. Dort händigten ihm Nassau und Volmar vier Urkunden aus: die kaiserliche Ratifikationsurkunde, die
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[scan. 73]
vom Kaiser ausgefertigte und von den reichsständischen Deputierten unterzeich-nete Abtretungserklärung des Reiches für die französischen Satisfaktionsgebiete
, weiterhin den vom Kaiser (als österreichischen Erzherzog) und von den Tiroler Erzherzögen ausgestellten entsprechenden Schriftsatz über das Elsaß
und schließlich diejenige Ratifikation, die der Kaiser zusammen mit den Erzherzögen von Tirol für das IPM ausgestellt hatte. Darauf verlas Servien, noch während er mit den kaiserlichen Gesandten allein war, eine Erklärung mit Verwahrung ge-gen jeden Einspruch, der gegen die französische Territorialsatisfaktion erhoben werden könne oder schon erhoben worden sei
. Diese Erklärung zielte gegen den reichsständischen Rechtsvorbehalt vom 22. August 1648
, dessen Kassation Ser-vien bis dahin vergeblich gefordert hatte, und gegen das Schreiben der Reichs-stände an den französischen König vom 29. September 1648
. Nassau und Vol-mar nahmen den Protest Serviens zur Kenntnis und erhielten später eine Kopie des Wortlauts. Als die Reichsstände in den Raum gelassen wurden, erwähnten Servien und die Kaiserlichen den französischen Protest mit keinem Wort. Die Reichsstände übergaben, noch in Anwesenheit der kaiserlichen Gesandten, die un-terzeichnete Spezialgarantie
, die reichsständischen, für Frankreich bestimmten Ratifikationen sowie eine Ausfertigung ihrer schriftlichen Verpflichtung hinsicht-lich der Friedensexekution
. Danach verließen die kaiserlichen und reichsständi-schen Deputierten das französische Quartier. Die französische Ratifikation für das kurmainzische Reichsdirektorium wurde, wenn nicht unmittelbar während dieser Zeremonie, dann wohl kurz darauf ausgeliefert
Von den genannten (Anm. 186) Berichten wird allein im Diarium Volmar die Übergabe der frz. Ratifikation an das kurmainzische Reichsdirektorium deutlich erwähnt (
APW III C 2, 1233 Z. 44–1234 Z. 1); in der Darstellung Leubers heißt es lediglich, daß dieses Dokument
alsobaldt ausgeliefert wurde (
SHStA
Dresden, Locat 8134 Band 29 fol.
55’), also vielleicht erst nach Ende der Zeremonie. Das ansonsten genaue Altenburger Diarium meldet in dieser Hinsicht nichts.
. Die Kursachsen zugedachte Ratifikation Frankreichs war beim Reichsdirektorium deponiert worden, weil die kursächsische Ratifikation des IPM noch nicht in korrekter Form eingeliefert wor-den war
. Der Abend klang mit Gratulationsbesuchen aus. Das große Fest in der Stadt fand am darauf folgenden Sonntag, den 21. Februar, statt
.
Die in jenen Tagen ausgelieferten Urkunden sind alle noch heute vorhanden. Wie sie an die heimischen Höfe gelangten, läßt sich allerdings nicht in jedem Fall ermitteln; jedenfalls geschah es nicht durchweg sofort und nicht zum gleichen
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[scan. 74]
Zeitpunkt. Die französischen Urkunden hat sehr wahrscheinlich Servien bei seiner Rückreise am 20. März
Nach dem Eintrag im Diarium Chigi (
APW III C 1/1, 428) und nach
Meiern 6, 911
. Im Diarium Volmar (
APW III C 2, 1244 Z. 2f) wird die Abreise Serviens irrtümlich für 1649 III 19 gemeldet.
Verschiedene Pässe für ihn sind datiert auf 1649 III 18 und 19 (
AE
Paris
,
CP
All 125 fol. 385–387,
392–393).
mitgenommen
Servien hatte 1649 II 23 (Ausf.:
AssNat
Paris 279 fol. 318–319’) die zuvor erbetene Abrei-seerlaubnis erhalten, wurde jedoch durch seine Krankheit an einer früheren Abreise gehindert. Daß er die Urkunden persönlich nach Frankreich
überbringen wolle, schreibt er zu jenem Zeitpunkt selbst. In Münster blieb der vormalige Resident La Court zurück, der auch eine neue, von den Ksl. später nicht anerkannte Vollmacht erhielt (dat. 1649 III 20; Kopie:
HHStA
Wien
,
RK
FrA
Fasz.
92 XIX nr. 2517). Wann Servien welche Urkunden am kgl. Hof abgegeben hat, ist nicht sicher zu sagen; die Vidimierung seines Protestes von 1649 II 18 (Text in Nr. 16) nahm er jedenfalls 1649 V 15 vor.
. Lamberg erhielt im März 1649 den Auftrag, alle in Münster vorhandenen Urkunden, darunter auch die bis dahin dort verwahrten Unterhändlerausfertigungen, nach Wien zu bringen
1649 II 19 teilten die ksl.
Ges.
mit, daß sie eine Übersendung der Ratifikationsurkunden wegen umherstreifender Soldatentrupps für zu gefährlich hielten, und baten um weitere An-weisung (Konzept:
HHStA
Wien,
RK
FrA
Fasz.
92 XVIII fol. 397–398’). Der Kaiserhof befahl daraufhin Lamberg 1649 III 3, daß er
die drundten in verwahr behaltene sowohl Französische alß Schwedische originalinstrumenta pacis sambt denen nunmehr außge-wechselten ratificationibus coronarum zu euch nehmet und solche mit anhero bringet
(Ausf.:
ebenda
Fasz.
58b [1648 III–X] unfol.).
. Er reiste am 13. April aus Münster ab
APW III C 4, 232 Z. 1ff,
dort auch (S. 232–248) zum weiteren Reiseverlauf.
. Infolge eines kurzen Aufenthalts in Nürnberg
Lamberg hatte kurzfristig den Auftrag, den Ks.
auf dem Nürnberger Exekutionstag zu vertre-ten, wurde jedoch auf eigenen Wunsch von dieser Kommission befreit (
Oschmann, 205 Anm. 14).
traf er erst im Juni in Wien ein und übergab die Dokumente
Überliefert ist eine Designation derjenigen Urkunden, die Lamberg aus der Kanzlei Nassau/Volmar erhalten hat (
HHStA
Wien,
GehStReg Rep. N Ka. 96
Fasz.
68 unbez. pars nr. 26 unfol.).
am 15. dieses Monats dem Kaiser
APW III C 4, 247f. 1649 VI 15 gab er Trauttmansdorff auch die verbliebenen vier Blan-kette und dessen Petschaft zurück, mit dem er die für den Kaiser und für Schweden bestimm-ten
Unterhändlerurkunden gesiegelt hatte. Es kann dahingestellt bleiben, ob Lamberg mit den im Diarium erwähnten, dem Ks.
übergebenen,
beede[n] instrumenta pacis von der cron Frankreich und Schweden in originali (
ebenda, 248 Z. 22f) die Unterhändlerurkunden (so
ebenda,
248 Anm. 6, und
Jakobi,
Vertragsexemplare, 218 Anm. 53) oder die politisch und rechtlich ungleich wichtigeren, prachtvoll gestalteten und mit goldenen Siegeldosen versehe-nen, frz. und schwed.
Ratifikationsurkunden gemeint hat.
. Für die schwedischen Dokumente läßt sich nur sagen, daß Salvius schon im Dezember 1648 die Aufgabe zugewiesen wurde, die Ratifikatio-nen nach Stockholm zu bringen
Kg.in an schwed.
Ges.
, 1648 XI 25/XII 5 (
APW II C 4 Nr. 454, hier 825 Z.
16–19). Nach dem Austausch der Ratifikationen bestätigte Salvius diesen Auftrag erneut (
Ges.
an Kg.in, 1649 II 11/21;
ebenda Nr. 551, hier 1000 Z.
20ff).
. Er reiste Ende Februar aus Münster nach Min-den ab, hielt sich dann aber bis ins Frühjahr 1650 hinein in Hamburg auf
Zur Abreise Salvius’ aus Münster s.
APW II C 4, 1010 Z. 1ff. Salvius kam erst im Juni 1650 wieder nach Schweden (
Lundgren, 307).
. Der kursächsische Gesandte, der, wie erwähnt, eine französische und eine schwedische
[p. LXXV]
[scan. 75]
Ratifikation erhielt, lieferte diese wie auch andere Urkunden am Ende seiner Mis-sion in Dresden ab
.