Acta Pacis Westphalicae III B 1,2 : Die Friedensverträge mit Frankreich und Schweden, 2. Teil: Materialien zur Rezeption / Guido Braun, Antje Oschmann und Konrad Repgen
Druckprivilegien und Vorworte
Vorbemerkungen (von Konrad Repgen)
Die große Zahl der anonymen Drucke des IPOm, die im Herbst 1648 erschienen sind, gibt einen klaren Anhaltspunkt für die große Nachfrage nach derartigen Textausgaben. Mit dieser geschäftlichen Chance muß der Frankfurter Verleger und Ratsherr Philipp Jakob Fischer
Für ihn vgl. oben S. 6 Anm. 26.
frühzeitig gerechnet haben; denn bereits am 4. April 1647 erwirkte er vom damaligen Mainzer Kurfürsten Anselm Kasimir ein Druck- und Verkaufsprivileg. Dessen Text scheint nicht erhalten zu sein
Freundliche Auskunft des
StA
Würzburg
vom 10. Mai 2002.
, sein Datum ergibt sich aus einem Dorsalvermerk in den kaiserlichen Akten
Das Folgende beruht auf
HHStA
Wien, Reichshofrat, Impressorien Ka. 19 fol. 296–303’. Herrn Hofrat Professor Dr. Leopold
Auer danke ich für den freundlichen Hinweis.
. Nach der Wiederbesetzung des Mainzer Erzstuhls durch Johann Philipp von Schönborn
Am 19. November 1647; vgl.
Gauchat,
245.
wiederholte Fischer sein Gesuch und bat um Unterstützung seiner Sache auch am Kaiserhof
Fischer an Kf. Johann Philipp, vor 1648 Januar 20 (
HHStA
Wien, Reichshofrat, Impressorien Ka. 19 fol. 299–300: Kopie). Zugleich erbat er Maßnahmen gegen die im Herbst 1647 anonym in Frankfurt publizierten und als Fortsetzung des Bandes V von
Londorps Acta publica verkauften
Praeliminaria
Pacis der Konkurrenzfirma Johann Gottfried Schönwetter (vgl.
Repgen, Öffentlichkeit, 746 Anm. 98). Anscheinend hatte Fischer einigen Erfolg;
Dickmann, 503 Anm. 16 sowie 581, erwähnt jedenfalls, daß die
Praeliminaria selten geworden seien, unter Berufung auf
Aretin, Sammlung, 15ff.
Pütter, Geist, 79, kannte sie nur indirekt aufgrund eines Zitats.
VD17 nennt fünf vollständige und ein fragmentarisches Exemplar (Produktnummer: 39:125902B).
, die dieser gewährte. Der neue Kurfürst erneuerte seinerseits am 25. Januar 1648 das Druck- und Vertriebsprivileg für Fischer/Heyll (hier Stück a und b) und verwendete sich gleichzeitig für ein dementsprechendes Impressorium am Kaiserhof
Kf. Johann Philipp an Reichsvizekanzler Kurz und an den Kaiser (1648 Januar 20 und 24:
HHStA
Wien, Reichshofrat, Impressorien Ka. 19 fol. 296–296’, sowie kurmainzischer Vermerk, fol. 300’).
. Es ging dem Frankfurter Unternehmer, der mit der Druckerei Nikolaus Heyll in Mainz zusammenarbeiten wollte,
[p. 146]
[scan. 194]
nicht allein um die Verlegung des Friedensvertragstextes, sondern
auch aller davon dependirenden Acta
Vgl. ksl. Druckprivileg (Text: S. 153 Z. 1–2).
. Welche konkreten Vorstellungen Fischer und der durch seine amtlichen Reichsdrucksachen in diesen Dingen nicht unerfahrene Heyll sich von der Größenordnung eines solchen Unternehmens gemacht haben, ist unbekannt. Im Frankfurter Ratsmeßkatalog des Herbstes 1648 hat Fischer jedenfalls ein solches Werk (das nie erschienen ist) als Folio-Ausgabe angekündigt, zugleich auch, wie erwähnt, eine Quart-Ausgabe der Vereinbarung des 6. August in Latein und in Deutsch
Nachweise bei
Repgen,
Öffentlichkeit, 760 Anm. 157.
. Das kaiserliche Impressorium ist am 3. März 1648 erteilt worden. Es sicherte nicht in den einzelnen Territorien des Reichs, wohl aber in den Reichsstädten, vor allem in Frankfurt, die Verlagsrechte
Vgl.
Gieseke;
Eisenhardt,
10–15;
Koppitz;
Koppitz,
Anträge.
, und es galt in diesem Falle für sechs Jahre
In der Regel erstreckten ksl. Druckprivilegien sich auf 10 Jahre (
Eisenhardt, 13).
, während die kurfürstliche Konzession keine Befristung enthielt.
Diese
Confirmata Electoralis Concessio ist in der lateinischen Heyll/Fischer-Publikation des IPOml (Ausgabe 5) dem Text vorangesetzt (hier Stück b). Es handelt sich um eine vermutlich in Mainz/Frankfurt entstandene lateinische Übersetzung der im Original wohl deutschen Urkunde, die sich in der später erschienenen Textausgabe des IPOmd (Ausgabe 27) findet (hier Stück a)
Vgl. unten Anm. 14. Deshalb folgen unten die lateinischen Texte (Stück b und d) den deutschen (Stück a und c).
.
Inzwischen war die Flut der anonymen Raubdrucke des IPOm auf dem Markt
. Deshalb hat der Verleger es nicht mit der Publikation der kurmainzischen Verfügung belassen, sondern Weiteres unternommen. Erstens hat er den Titel erheblich erweitert. Die lateinische Publikation des IPOm (Ausgabe 5), die ohne Wappentitel erschienen war, hatte im Verlegertitel knapp das speciale S. Caes. Majestatis privilegium
und die electoralis concessio
erwähnt. Die deutsche Übersetzung des IPOm (Ausgabe 27) erhielt drei Titelblätter: zunächst einen Wappentitel, der, wie in Ausgabe 5, auf die kaiserlichen und kurfürstlichen Druckprivilegien hinwies, danach im Verlegertitel außerdem das rechte wahre Original
des Reichsdirektoriums als Übersetzungsvorlage erwähnte und schließlich auch im Druckertitel die kaiserlichen und kurfürstlichen Nachdruckverbote wiederholte. Titelblatt hieß Werbung; die Werbung also machte deutlich auf den rechtlichen Urheberschutz durch Kaiser und Kurfürst aufmerksam. Zweitens hat Fischer all seinen Auflagen seither ein eigenes Vorwort des Verlegers beigegeben (hier
[p. 147]
[scan. 195]
Stück f und e). Es streicht heraus, daß allein Heyll/Fischer eine authenticam Copiam, nach dem rechten wahren [des] bey demselben [kurmainzischen Reichsdirektorium] hinderlegten Original
publizieren könnten und daß die Übertretung des kaiserlichen Impressoriums mit einer Sanktion von fuͤnff Marck loͤtiges Golds
bewehrt sei. Drittens druckt er den gesamten Text der kaiserlichen Impressorium-Urkunde ab (hier Stück c). Danach darf Fischer alle bißhero bey deren GeneralFriedens Tractaten vorgeloffene Acta, sambt dem darauff kuͤnfftig erfolgenden Schluß
drucken und nachdrucken, zum Verkauf anbieten und verkaufen. Die Strafgelder gegen Übertretung dieses Gebots seien hälftig zwischen der Hofkammer und dem Verleger zu teilen
Dies war die übliche Norm.
.
Buchdrucker, Buchführer und Buchverkäufer waren damit gewarnt. Der deutsche Text des Impressoriums ist, vermutlich in Mainz/Frankfurt
Daß der Kaiserhof „amtliche“ Latein-Übersetzungen deutscher Urkunden angefertigt und mitübersandt hätte, ist unwahrscheinlich. In unserem Falle ist der Schutzbrief vom Sekretär der deutschen Expedition der Reichskanzlei, Johann Söldner, unterzeichnet worden. Ein Wiener Reichshofrat hätte auch wohl kaum obangeregte FriedensActa
mit praedictas Pacis Pandectas
übersetzt oder ReichsHoffCantzley
mit Caesareae Aulae nostrae dicasterium.
, ins Lateinische übersetzt (hier Stück d) und in dieser Version den lateinischen Texten des IPOul/rl (Ausgabe 30 bis 32) und des IPMul/rl (Ausgabe 55 bis 57) beigegeben worden.
Der tatsächliche Geltungsbereich eines derartig doppelt, durch den Kaiser und den Reichserzkanzler, gesicherten Copyright ist nicht durch einen einfachen Blick auf die Grenzen der politischen Landkarte zu bestimmen. Vom heutigen Urheber-Rechtsschutz, der bekanntlich in bezug auf die neuen Medien ebenfalls seine große Lücken hat, war man 1648 noch meilenweit entfernt. Wenn Raesfeld in Münster und Cosmerovius in Wien ohne jeden Bezug auf die kaiserlich-kurfürstlichen Schutzbriefe für Heyll und Fischer offiziöse Textausgaben herausbrachten und sich auf „authentische“ Druckvorlagen beriefen, ja sogar von kurmainzischer und kaiserlicher Seite zu ihrem Druck veranlaßt wurden
, so kann keiner der Beteiligten sein Handeln als irgendwie rechtswidrig empfunden haben. Gleiches gilt selbstverständlich auch für den sächsischen Kurfürsten, der am 23. November dem Leipziger Zeitungsverleger Ritzsch
ein achtjähriges Druck- und Verkaufsmonopol für Kursachsen und dessen
inkorporierte Landen und
[p. 148]
[scan. 196]
Stifften gewährte
Vgl. oben S. 63–69 Ausgaben 38–40. Die Ritzsch-Ausgaben des IPM (Ausgaben 61–63) enthalten, jedenfalls in den hier benutzten Exemplaren, kein kfl. Druckprivileg.
, wobei als Sanktion 100 Rheinische Gulden festgelegt wurden (hier Stück g). Der Dresdner Hof zeigte sich aber nicht allein an der Tatsache, sondern auch an der äußeren Qualität der kursächsischen Textausgabe interessiert: er verlangte fleißiges Korrekturlesen, beste Auswahl der verwendeten Lettern (
uffs zierlichste drucken) und die Verwendung guten, weißen Papiers. Der offiziöse Druck einer Reichssache in Kursachsen verlangte eben auch ein respektables Äußeres. Dresden vermied es aber ebenso wie vorher Kurmainz und der Kaiser, die Druck-Privilegierung mit der Frage nach der Verbindlichkeit des gedruckten Textes zu verbinden
Eine solche Klausel enthielten ksl. Mandate an kreisausschreibende Fürsten durchaus. Vgl. etwa das Restitutionsedikt von 1629 (
Frisch,
194): […] Wir Befehlen auch / Ordnen vnd wollen / daß dieses Vnser Kayserlich Edict, Resolution vnd Erklärung / von eines jedwedem Crayß Außschreibenden Fürsten / in seinem Craiß offentlich publicirt, vnd zu Jedermänniglichs wissenschaft gebracht werde / daß auch denen: von Jhnen den CraißAußschreibenden hin vnd wider geschickten Copijs nicht weniger als dem Original selbsten / vollkommener Glauben zugestellt werde […]
Die ksl. Anordnung (Mandat und Edict)
zur Friedensexekution, Wien 1648 XI 7 (Text:
Meiern,
APWP VI, 662ff, hier 663f
), bezog sich auf die Publikation der Westfälischen Friedensverträge am 25. Oktober 1648 in Münster und Osnabrück und verfügte, daß der Kaiser deren beglaubten Abschrifften nicht geringere Krafft, als dem Original selbsten, gegeben haben wollen,
und sprach vom unterschriebenen und publicirten Friedens⸗Schluß, seines ausgedruckten klaren Inhalts
nach [Sperrung von mir].
. Das kaiserliche Privileg für Fischer/Heyll sicherte also kein lückenloses Monopol für Verkauf und Nachdruck im gesamten Reichsgebiet. Aber da die Zahl anonymer Raubdrucke des IPOu und des IPMu im Vergleich zum IPOm so drastisch gesunken ist
IPOm: S. 19–23 Ausgaben 1–4 sowie 10–26; IPOu: S. 51, 69–75 Ausgaben 29 (?) sowie 41–44; IPMu: S. 106–115 Ausgaben 64–70.
, ist doch, bei aller gebotenen Vorsicht, der Schluß erlaubt, daß Fischers öffentliches Pochen auf seine Druckprivilegien nicht vergeblich gewesen sein dürfte. Allerdings ist nicht zu vergessen, daß der Frankfurter Ratsherr auch seine Reichsstadt für korrespondierende Interventionen bei anderen Reichsstädten gewinnen konnte
. Wieviel das eine und wieviel das andere bewirkt haben mag, läßt sich zwar nicht in Zahlen und Prozenten angeben. Im Ergebnis aber hat Fischer, wie seine zahlreichen Auflagen erweisen, sein Geschäftsinteresse gut behauptet. Kein deutscher Verlag hat nach dem 24. Oktober 1648 eine größere Anzahl von Textausgaben der Westfälischen Friedensverträge herausgebracht und offenbar auch verkauft.
[p. 149]
[scan. 197]
Es folgen:
Stück a
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Kurmainzische Privilegienbestätigung für den Verlag Fischer in Frankfurt/Main und die Druckerei Heyll in Mainz über das Recht offiziöser Textausgaben (deutscher Text)
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150
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Stück b
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Kurmainzische Privilegienbestätigung für den Verlag Fischer in Frankfurt/Main und die Druckerei Heyll in Mainz über das Recht offiziöser Textausgaben (lateinischer Text)
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151
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Stück c
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Kaiserliches Druckprivileg auf sechs Jahre für den Verlag Fischer in Frankfurt/Main und die Druckerei Heyll in Mainz (deutscher Text)
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152
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Stück d
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Kaiserliches Druckprivileg auf sechs Jahre für den Verlag Fischer in Frankfurt/Main und die Druckerei Heyll in Mainz (lateinischer Text)
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154
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Stück e
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Vorwort der offiziösen Textausgabe der kaiserlich-schwedischen Vereinbarung vom 6. August 1648 (IPOm) durch den Verlag Fischer in Frankfurt/Main und die Druckerei Heyll in Mainz (lateinischer Text)
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156
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Stück f
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Vorwort der offiziösen Textausgabe der kaiserlich-schwedischen Vereinbarung vom 6. August 1648 (IPOm) durch den Verlag Fischer in Frankfurt/Main und die Druckerei Heyll in Mainz (deutscher Text)
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157
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Stück g
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Kursächsisches Druckprivileg auf acht Jahre für den Drucker und Verleger Ritzsch in Leipzig
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158
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