Acta Pacis Westphalicae III B 1,2 : Die Friedensverträge mit Frankreich und Schweden, 2. Teil: Materialien zur Rezeption / Guido Braun, Antje Oschmann und Konrad Repgen
Vorbemerkungen (von Konrad Repgen) Die hier dokumentierten 74 (75)

Je nachdem, ob Ausgabe 29 mitgezählt wird.
Drucke informierten die lateinkundige und die deutschsprachige Öffentlichkeit über die fünf Endergebnisse der Westfälischen Friedensverhandlungen des Reichs

Zum folgenden vgl. Teilband 1, XLII–LXXIII.
, und zwar:
  • – erstens (durch neun lateinische Ausgaben und neunzehn deutsche Übersetzungen) über den Text der kaiserlich-schwedischen Friedens-Vereinbarung, die am 6. August 1648 vor der Osnabrücker Kongreßöffentlichkeit mündlich verlesen und von den kaiserlichen und schwedischen Gesandten feierlich durch Handschlag bestätigt worden war (unsere Sigle: IPOm

    Bei unserer Siglebildung stehen die Majuskeln
      IPM
    • für Instrumentum Pacis Monasteriensis,
    • IPO
    • für Instrumentum Pacis Osnabrugensis.
    Hingegen stehen die Minuskeln
      d
    • für deutsch,
    • l
    • für lateinisch,
    • m
    • für mundiert,
    • r
    • für ratifiziert und
    • u
    • für unterzeichnet.
    );
  • – zweitens (durch neun

    Dabei sind die drei lat.-dt. Ausgaben durch Ritzsch/Leipzig (Ausgaben 38–40) als lat. gezählt. Unberücksichtigt ist für unsere Zählung das als Ausgabe 29 nachgewiesene Exemplar der Königlichen Bibliothek in Stockholm, weil es vielleicht 1648/49 nicht als selbständiger Text vertrieben worden ist, sondern den Anhang eines Buches bildete, der später herausgetrennt und dann von der Bibliothek als selbständiger Titel behandelt worden sein mag; vgl. dazu Repgen, Öffentlichkeit, 759 Anm. 15. VD17 führt unsere Ausgabe 29 als selbständigen Druck auf (12:146240L); nachgewiesen sind dort Exemplare aus München, Dresden und Halle.
    lateinische Ausgaben und zwölf deutsche Übersetzungen) über den Text des kaiserlich-schwedischen Friedens, der am 24. Oktober 1648 in Münster von den kaiserlichen, den schwedischen und einem Teil der reichsständischen Gesandten besiegelt und unterschrieben worden war (unsere Sigle: IPOu);
  • [p. 2] [scan. 50]

    drittens (durch neun

    Dabei sind die drei lat./dt. Ausgaben 61–63 durch Ritzsch/Leipzig als lat. gezählt.
    lateinische Ausgaben und zwölf deutsche Übersetzungen) über den Text des kaiserlich-französischen Friedens, der am gleichen 24. Oktober 1648 in Münster von den kaiserlichen, dem französischen und von einem Teil der reichsständischen Gesandten besiegelt und unterschrieben worden war (unsere Sigle: IPMu);
  • – viertens (durch zwei lateinische Ausgaben

    Dt. Übersetzungen des IPOrl sind anscheinend nicht erschienen.
    ) über den Text der kaiserlich-schwedischen Ratifikationsurkunden, die am 18. Februar 1649 in Münster ausgetauscht worden waren (unsere Sigle: IPOr);
  • – fünftens (durch zwei lateinische Ausgaben

    Dt. Übersetzungen des IPMrl sind anscheinend nicht erschienen.
    ) über den Text der kaiserlichfranzösischen Ratifikationsurkunden, die am gleichen 18. Februar 1649 in Münster ausgetauscht worden waren (unsere Sigle: IPMr).
Insgesamt handelt es sich um eine bemerkenswert große Zahl von Textausgaben. Dennoch beansprucht unsere Liste nicht, ausnahmslos alle noch erhaltenen zeitgenössischen Publikationen der Friedensverträge zu dokumentieren. Denn trotz aller Fortschritte der letzten Jahre für die Erschließung unserer frühneuzeitlichen Bibliotheksbestände (insbesondere auch durch den Aufbau des VD17

Dazu vgl. Müller, VD17; Dörr.
) ist eine Garantie für Vollständigkeit der Erfassung derzeit noch kaum erreichbar. Unsere Gesamtzahl 74 (oder 75) mag sich daher durch neue Funde noch etwas weiter erhöhen. Das jetzt Erreichte umfaßt aber weit mehr Titel, als noch vor wenigen Jahren bekannt war

Vgl. Repgen, Öffentlichkeit, 765. Dickmann, 500f, hatte keine konkreten Zahlen genannt.
; und es geht auch über VD17

Nicht genannt sind bisher in VD17 (Stand: 19. Februar 2004) unsere Ausgaben 6–11, 17, 20, 24, 26, 43–44, 49, 52, 54, 58–60, 65, 68. Von diesen sind die Ausgaben 7–9 und 59–60 in London und Leiden publiziert worden. Unsere Titelaufnahme weicht in einigen Punkten von der in VD17 gewählten Form ab, insbesondere werden hier die Umlaute, Ligaturen, Abkürzungen und Zeichen, soweit dies drucktechnisch möglich ist, wie in der Vorlage dargestellt. Der Hauptunterschied zwischen unserer Dokumentation und VD17 ist die Anlage im Ganzen: VD17 bietet einen Nachweis der in den erfaßten Bibliotheken erhaltenen Exemplare, wir dokumentieren die rekonstruierbaren Ausgaben.
hinaus. So scheint jetzt der geeignete Zeitpunkt für die Veröffentlichung gekommen zu sein, auf die bereits seit längerem hingewiesen worden ist

Vgl. Duchhardt, Bibliographie, XII Punkt 9, und hier Teilband 1, VIII.
. Sie bietet einen hinreichend sicheren Ausgangspunkt für den zentralen Sektor der künftigen Rezep-

[p. 3] [scan. 51]

tionsgeschichte
der Westfälischen Friedensverträge

Daß Rezeptionsgeschichte nicht allein mit Gedrucktem zu bestreiten ist, habe ich 1997 ausdrücklich betont ( Repgen, Öffentlichkeit, 726–730), doch bleibt wohl unstrittig, daß den gedruckten Texten eine Hauptbedeutung für die Unterrichtung der Öffentlichkeit zukam.
. Und sie darf wohl (dies sei mit allem Vorbehalt wegen eventueller künftiger Ergänzungen gesagt) als für das Ganze repräsentativ gelten. Eine diplomatisch genaue Titelaufnahme der Textausgaben erübrigt sich, weil die Faksimilia aller Titelblätter abgebildet sind.
Zur Abgrenzung der einzelnen Ausgaben voneinander Unser Verzeichnis berücksichtigt, wie wiederholt sei, nur Ausgaben des lateinischen Textes und deren deutsche Übersetzungen, nicht aber die Übersetzungen in andere europäische Sprachen

Für die französische Übersetzung aus dem Jahre 1648 vgl. S. 204–209. Die KB Stockholm bewahrt in unverzeichneten Kartons (Före 1700 Hist. Sv. Sveriges freder och traktater) eine Reihe italienischer, niederländischer und schwedischer Übersetzungen aus den Jahren 1648/49, und zwar: Zwei italienische des IPOm (jedoch datiert auf den 24. Oktober 1648): Venedig, Gio. Giacomo Hertz 1648, und Bologna, Carlo Zenero 1648, in Karton [1648–1650 Nr. 3] und [1648/1 Nr. 1]; eine niederländische Übersetzung des IPOm (Amsterdam: Jan van Hilten, Johannes Colom 1648) in Karton [1648–1650 Nr. 1]. Im gleichen Verlag erschien eine niederländische Übersetzung des IPMu, die als Vorlage den Raesfeld-Druck (vgl. Ausgaben 34 und 35) erwähnt: BL London, 113.m.21. Die im National Union Catalog 268, 412, als Textausgabe genannte, in Amsterdam 1648 bei Stichter erschienene Druckschrift mit dem Titel: Instrumentum Pacis ist eine Zusammenfassung des IPM in 49 Kapiteln (vgl. Teilband 3, 3 Anm. 15.). Ebenfalls zwei schwedische Ausgaben des IPOm mit Vollmachten und Unterschriften des 24. Oktober 1648 (Stockholm: Ignatius Meurer 1649) in KB Stockholm (wie oben), Karton [1648/4 Nr. 10 und 11]. Zu einer zeitgenössischen, damals noch ungedruckten Übersetzung eines IPOmd ins Russische aus dem Jahre 1649 vgl. S. 184 Titel 162. Erheblich spätere Übersetzungen ins Englische und Spanische sind unten S. 176, 178, 180, 184f Titel 70, 94, 159, 164 sowie 117 (für das IPO) und S. 191, 193–198 Titel 58, 79, 124–126, 130 sowie 93, 96 und 107 (für das IPM) nachgewiesen.
; und es versteht unter „zeitgenössisch“ die Jahre 1648 und 1649

Eine Ausnahme machen wir für die offiziösen Ausgaben der Ratifikationsurkunden durch Fischer/Heyll im Jahre 1650 und 1650/1653: Ausgaben 31 und 32 sowie 56 und 57. Diese Urkunden sind von anderer Seite offenbar nicht publiziert worden.
. Was aber bedeutet für unsere Dokumentation das Kriterium „Ausgabe“?
Zugrunde liegt die Definition Weismanns, wonach als Ausgabe (= Auflage) die Gesamtheit jener bibliographisch prinzipiell identischen Exem-

[p. 4] [scan. 52]

plare
zu verstehen ist, die bei der Text-Vervielfältigung in einem einzigen Arbeitsgang entstanden sind

Weismann, 478f sub voce „Ausgabe“.
. Diese scheinbar formal eindeutige Definition enthält einen nicht unwichtigen Ermessensspielraum, und zwar bei der Zuordnung dessen, was als „prinzipiell identisch“ und was als „ein einziger“ Arbeitsgang zu verstehen ist.
Abgesehen von wenigen offen als Nachdruck bezeichneten Stücken (wie Ausgaben 37 und 60) enthalten unsere Titel keine konkreten Informationen über die Abhängigkeit oder Unabhängigkeit der vorliegenden Publikation von einem eigenen oder fremden früheren Druck

Wohl zu unterscheiden von der Berufung auf „amtliche“, also hsl. Vorlagen, die zeitgenössisch „authentisch“ hießen.
; vom Titelblatt allein her können wir also die einzelnen Ausgaben nicht voneinander abgrenzen. Auch die allgemeinen Fingerprint-Regeln

Fingerprints, 22–30.
mit ihrem relativ groben Raster reichen dafür nicht aus. So würden nach den Fingerprint-Kriterien die hier unter Nr. 45, 47, 49 und 50 als differente Ausgaben verzeichneten Heyll-Drucke des IPOud einer einzigen Auflage zuzuordnen sein. Berücksichtigt man jedoch die Reihenfolge der sieben Schmuckleisten in diesen vier Exemplaren, die sich auf den Seiten 5, 6, 9, 11, 14, 87 und 91 finden, so ergibt sich, daß Heylls Setzer unter Benutzung von insgesamt elf Schmuckleisten jedesmal eine andere Reihenfolge montiert hat

Es ergibt sich bei Numerierung der 11 für S. 5, 6, 9, 11, 14, 87 und 91 verwendeten Schmuckleisten (wobei unterschiedliche Abtrennung der identischen Schmuckleiste wie eine differente Schmuckleiste gezählt ist) folgende Reihenfolge: bei Ausgabe 45: 1–2–2–3–4–5–6 bei Ausgabe 47: 7–8–9–9–10–8–11 bei Ausgabe 49: 4–8–9–9–10–6–6 bei Ausgabe 50: 7–8–7–8–10–8–10.
. Ebenso verfuhr er bei den Zierinitialen, die sich auf den gleichen Seiten finden. Dieses viermal verschiedene Herausnehmen und Neu-Montieren von Schmuckleisten und -initialen für 7 Seiten interpretiere ich als hinreichendes Indiz dafür, daß die Offizin Heyll (sicherlich unter Benutzung von Stehsatz oder/und überzählig gedruckten Bogen der früheren Auflage) eine neue Ausgabe unseres Textes vorbereitete

Nach dem gleichen Verfahren sind auch die Heyll-Drucke des IPM (Ausgaben 70–73) unterschieden worden.
. Indem ich das Erneuern der Zierinitialen und der Schmuckleisten in der Reichsdruckerei zum Abgrenzungskriterium der einzelnen Ausgaben voneinander mache

Anders ist bei der Unterscheidung der beiden Cosmerovius-Drucke des IPOul (Ausgaben 33 und 34) verfahren worden, wo wir die Einfügung des Kommas hinter quoque und die
, gehe ich über

[p. 5] [scan. 53]

das Verfahren bei VD17 (Titelbeschreibung und Ermitteln der vier Fingerprint-Buchstabengruppen) hinaus, bleibe aber weit entfernt von veritabler Druckanalyse

Dazu vgl. Boghardt und Boghardt, Druckanalyse.
. Die heutige Druckanalyse stellt zwar eindrucksvolle, aber auch sehr aufwendige Verfahren bereit. Gegen eine Entscheidung für diese Untersuchungsmethode(n) spricht in unserem Falle allein schon die praktisch kaum überwindbare Schwierigkeit der Konzentrierung aller Untersuchungsobjekte zur gleichen Zeit an einem Ort

Die meisten Bibliotheken geben unsere Texte, ob sie in alten Sammelbände eingebunden oder als Einzelstück erhalten sind, nicht in die Fernleihe, die ausländischen schon gar nicht. Man ist daher weitestgehend auf Mikrofilme angewiesen, die für aufwendige druckanalytische Verfahren nicht ausreichen.
. Es bleibt nur die systematische Erfassung auffälliger typographischer Merkmale übrig. Dafür bietet sich in erster Linie die Verzeichnung der Schmuckleisten und Schmuckinitialen an.
Ich habe lange überlegt, ob diese typographischen Auffälligkeiten verbal genau zu beschreiben und durch Abbildungen zusätzlich zu erläutern sein sollten. Schließlich habe ich davon Abstand genommen. Einerseits lassen sich die Ornamente der zeitgenössischen Schmuckleisten nur sehr umständlich beschreiben

Es müßte außerdem der jeweils verwendete Abschnitt der Leiste unverwechselbar beschrieben werden.
, und es fragt sich, ob der dafür nötige Aufwand in einem vernünftigen Verhältnis zum möglichen Erkenntnisgewinn stünde; andererseits wäre es für die Entstehungsgeschichte unserer Textausgaben sicherlich aufschlußreicher, die verwendeten Typen und Papiersorten zu analysieren. Aber das wäre ein druckhistorisches Problem für sich, das nicht, gleichsam nebenher, im Rahmen der APW gelöst werden kann.
In Konsequenz dieses Verfahrens muß darauf verzichtet werden, unser Verzeichnis als streng chronologische Reihenfolge der Auflagen zu konstruieren

Beim IPMul bietet sich wegen der besseren Quellenlage als vermutliche Entstehungsabfolge der Drucke an: 1) Raesfeld/Münster, 2) Heyll/Fischer in Mainz/Frankfurt, 3) und 4) Ritzsch/Leipzig oder Cosmerovius/Wien, 5) Croy und Livius in Leiden. Verbesserung der fehlerhaften Seitenzahlen am Schluß der Ausgabe 33 als Indiz für die neue (und verbesserte) Ausgabe 34 gelten lassen. Man könnte allerdings auch umgekehrt argumentieren und annehmen, daß sich die richtigen Seitenzahlen im Verlauf des Drucks (unbemerkt) abgelöst hätten und diese während einer kurzen Druckpause korrigiert worden wären, so daß die Drucke 33 und 34 derselben Ausgabe zuzuweisen seien.
. Wohl aber bietet es mit seinen regelmäßigen Angaben über den Inhalt der Ausgaben und seine typographischen Besonderheiten hinsichtlich Zierinitialen und Schmuckleisten schnell einen ersten Anhaltspunkt beim Wunsch nach genauerer Identifizierung eventuell neu aufgefundener

[p. 6] [scan. 54]

Druckexemplare, die sicherlich noch in vielen deutschen Bibliotheken und Archiven bewahrt werden.
Offiziöse Drucke, nicht-offiziöse Drucke mit Verlagsangabe und anonyme Drucke Der Begriff „amtlich“ war zur Zeit des Westfälischen Friedens noch ungebräuchlich, der Sachverhalt aber keineswegs unbekannt: Es gab durchaus „offiziöse“ Drucke, welche bei den zuständigen Behörden als zuverlässige Textausgaben galten oder wenigstens gelten sollten. Die offiziellste Publikation, hatten sie doch ein kaiserliches wie ein kurfürstliches Druck- und Verkaufsprivileg, besorgte der Frankfurter Verleger Philipp Jakob Fischer

Für ihn vgl. Benzing, 1132. Seine Firmenakten im Stadtarchiv Frankfurt/ Main sind ein Opfer des Bombenkriegs des Zweiten Weltkriegs geworden (freundliche Mitteilung des Stadtarchivs vom 14. Juli 1994).
in Zusammenarbeit mit der mainzischen Druckerei Nikolaus Heyll

Für ihn vgl. Benzing, Mainzer Buchdruck, 109ff; Benzing, Buchdrucker, 319f.
, die für Kurmainz, den Erzkanzler des Reichs, regelmäßig offizielle Reichs-Drucksachen herstellte

Vgl. die Folio-Ausgaben der Reichsabschiede von 1641 und 1654 sowie die 1642 von Peter Ostermann besorgte und von Heyll gedruckte Sammlung der Reichsabschiede von 1356 bis 1641.
. Diese Publikationen trugen daher in der Titelei einen kunstvollen Holzschnitt des Reichswappens

Vgl. S. 47 Anm. 17 zu Ausgabe 27.
, das auch das erste Titelblatt der Heyll-Fischerschen Friedensvertrags-Ausgaben schmückt

Einzige Ausnahme: Ausgabe 5 (d. i. ein IPOml).
. Ich nenne es daher „Wappentitel“, und ich unterscheide es vom zweiten Titelblatt, das stets das Verlagssignet

Vgl. S. 49 Anm. 19 zu Ausgabe 27.
Fischers trägt, als dem „Verlegertitel“.
Fischer hatte sich bereits am 4. April 1647 um ein kurfürstliches Druckprivileg für die Publikation der Akten und Verträge des Westfälischen Friedens bemüht, und er erlangte am 3. März 1648 ein entsprechendes Privileg des Kaisers

Text: S. 152ff.
, das er, vermutlich Mitte bis Ende September 1648, im Heyll-Druck des IPOmd (Ausgabe 27) publizierte und seither allen Friedensvertrags-Ausgaben voransetzen ließ. Der Verleger hatte (oder hat) zur gleichen Zeit im Frankfurter Ratsmeßkatalog zur Herbstmesse 1648 den Verkauf einer lateinischen Textausgabe der Vereinbarung vom 6. August 1648 und einer deutschen Übersetzung des IPOm angekündigt (beides in Quart); außerdem zeigte er noch ein nie erschienenes Folio-Werk über den

[p. 7] [scan. 55]

Westfälischen Frieden mit dem Titel FriedensActa & Actitata (zwischen dem Kaiser und den beiden Kronen Frankreich und Schweden) an

Nachweise bei Repgen, Öffentlichkeit, 735 Anm. 50, 760 Anm. 157. Fischers Acta & Actitata sollten sich offenbar gegen die 1647 publizierten Praeliminaria Pacis Imperii wenden (vgl. S. 145 Anm. 5), welche die Frankfurter Firma Johann Gottfried Schönwetter ohne Verlags- und Ortsangabe herausgebracht hatte. Sie sind bei Starp nicht erfaßt.
. Mit der Publikation des kaiserlichen Privilegs, die offenbar von politisch-rechtlichen Aktivitäten der Frankfurter Stadtverwaltung gegen unprivilegierte (Nach-)Drucke in anderen Reichsstädten begleitet wurde oder die ihr nachfolgten

Dietz III, 81: Rundschreiben des Rats an elf Reichsstädte mit Hinweis auf das kaiserliche Druckprivileg für Fischer. Der Nürnberger Rat gab diese Mitteilung den Buchdruckern zur Kenntnis und mahnte ihre Beachtung ausdrücklich an: Das Nürnberger Buchgewerbe, Nr.n 3214 (für Mai 1648), 158, 159, 3215, 540 und 160.
, hat Fischer offensichtlich Erfolg gehabt; bisher jedenfalls lassen sich für das unterzeichnete und für das ratifizierte IPO und IPM nur 4 resp. 6 anonyme Drucke nachweisen, während deren Zahl beim IPOm nicht weniger als 21 beträgt (4 lateinische und 17 deutsche Ausgaben)

Für das IPOu vgl. Ausgaben 41–44, für das IPMu Ausgaben 64–70; hingegen für das IPOml Ausgabe 1–4, für das IPOmd Ausgaben 10–26.
.
Die kurmainzischen Ausgaben, deren Werbung seit der deutschen Übersetzung der Vereinbarung vom 6. August 1648 (Ausgabe 27) mit deutlichen Worten auf den amtlichen Charakter ihrer Druckvorlage hinwies

Der Verlegertitel in Ausgabe 27 heißt: Friedens⸗Schluß / Wie er [...] bey dem Chur⸗Maͤyntzischen Reichs Directorio deponirt worden. Auß dem rechten wahren Original in das Teutsche versetzt [...].
und dies bei allen Übersetzungen der unterzeichneten Verträge beibehielt, wobei auf ein deponiertes Original verwiesen wurde

Vgl. die Verlegertitel der Ausgaben 45–51 und 71–74. Am 15. und 16. September 1648 wurden Exemplare des IPM und des IPO beim Reichsdirektorium deponiert (Teilband 1, L Anm. 46, LI Anm. 52, XCII), doch bis zum 24. Oktober wurden noch Veränderungen an diesen Vertragstexten vorgenommen. Die Nachausfertigungen für das Reichsdirektorium können kaum gemeint sein, da sie Ende 1648 noch nicht fertig waren und erst im März 1649 unterzeichnet wurden; vgl. ebenda, LXXVIIf und S. 1 (Sigle IPM-NM) sowie S. 95 (Sigle IPO-NM).
, haben Stärken und Schwächen. Ein besonderer Vorzug der offiziösen Publikation des Reichsdirektoriums ist ihre Vollständigkeit. Alle Einzelteile des Vertragswerks, von der Präambel und den eigentlichen Vertragsartikeln über die Vollmachten bis hin zu den Unterschriftenlisten, alles ist in dieser Ausgabe beisammen, auch, im Unterschied zu fast allen anderen Ausgaben, alle Protokollnotizen, die zwischen dem 6. August und dem 24. Oktober von schwedischer und kaiserlicher Seite der gemeinsamen Unterhändlerurkunde des IPO

[p. 8] [scan. 56]

beigefügt worden sind

Vgl. dazu S. 135–144.
. Zwei unübersehbare Schwächen aber sind mit der kurmainzischen Publikation verbunden: erstens ihre mangelnde Akribie im Hinblick auf den Text des IPO (weniger des IPM) und zweitens massive Übersetzungsfehler bei den deutschsprachigen Ausgaben sowohl des IPO als auch des IPM

Vgl. dazu S. 160–164, 201ff.
.
Was den IPO–Text betrifft, so waren, um nur ein deutliches Beispiel zu nennen, für den Osnabrücker Frieden im Hessen-Kassel-Artikel an drei Stellen zwischen dem 6. August und dem 24. Oktober durch Streichung einiger Worte kleinere Korrekturen angebracht worden

Im IPOml (Text: Meiern, APWP VI, 164 ) enthielt der Schluß des Art. XV,3 die Vorbehaltsklausel: [... conventione], quatenus Caesareae Majestati & Sacro Romano Imperio non praejudicat; im endgültigen IPOul ist diese Klausel ersatzlos gestrichen worden, vermutlich Anfang Oktober. Der Paragraph 3 endet folglich mit conventione (vgl. Teilband 1, 147 Z. 22). Zwei weitere Streichungen sind bei § 13 des Art. XV erfolgt. Es hieß im IPOml (Text: Meiern, APWP VI, 166 : Quod controversias [...] attinet: quandoquidem eae interventu Domini Ernesti Saxoniae, Cliviae & Montium Ducis &c. [Cassellis ... sunt compositae], sowie, einige Zeilen weiter: Placuit transactionem istam, quatenus Caesareae Majestati & Sacro Romano Imperio non praejudicat, cum suis annexis [...] observari debere. Im IPOul fehlen die Worte interventu Domini Ernesti Saxoniae, Cliviae & Montium Ducis & sowie quatenus Caesareae Majestati & Sacro Romano Imperio non praejudicat (vgl. ebenda, 150 Z. 3 und Z. 4).
. Von diesen Streichungen nimmt das kurmainzische IPOul (Ausgabe 30 S. 66 und 68) keinerlei Notiz, sondern schleppt den längeren alten Text weiter, während dieser in den wortgleichen Hessen-Kassel-Passagen des IPMul (Ausgabe 55 S. 18 und 21 [= §§ 50 und 58]) nicht mehr enthalten ist. Der Verursacher für diese Differenz dürfte in der kurmainzische Kanzlei in Münster zu suchen sein, weil sie der Reichsdruckerei für das IPOu keinen neuen Text des Art. XV,3 und XV,13 als Druckvorlage geliefert hatte. Da nun in Mainz oder Frankfurt offenkundig niemand die textgleichen Passagen des IPO und IPM miteinander verglichen hat, blieb der Unterschied unbeachtet und gelangte auch in die deutschen Übersetzungen

Vgl. S. 202 Anm. 18 sowie S. 450 und 460.
. Ungeachtet dessen beriefen beide Versionen sich stolz auf das rechte, wahre Original des kurmainzischen Reichs-Direktoriums.
Die Übersetzungsfehler der kurmainzischen deutschen Texte sind intern und öffentlich angeprangert worden und begegnen uns in der hier unten veröffentlichten Synopse (vgl. Abschnitt III) auf Schritt und Tritt. Hier jedoch sei schon angemerkt, daß in allen sieben deutschen Übersetzungen des IPO (Ausgaben 45 bis 51) im Art. XI,1 (auf S. 61) eine Zeile fehlt,

[p. 9] [scan. 57]

die im IPOmd (Ausgabe 27) noch enthalten war. Offensichtlich war beim Ummontieren des Stehsatzes von IPOmd für IPOud die unterste Zeile des mittleren Absatzes der S. 48 unbemerkt abgebrochen. Nun war ein Satz ohne jeden Sinn entstanden

Daferrn so viel der Augspurgischen Confessions-Canonici nicht weren / welche den außgenommen / machen thäten / solle die Zahl auß der abgehenden Catholischen Beneficiis ersetzt werden. Vgl. S. 402.
. Es ging um das Recht des Kurfürsten von Brandenburg, ein Viertel der Halberstädter Dompfründen einzuziehen. Dieser Sachverhalt war sicherlich nicht die bedeutsamste Regelung des Reichsreligionsrechts von 1648. Aber hätten amtliche Drucksachen nicht auch bei Sachverhalten von nachrangiger Bedeutung zuverlässig sein müssen? Durften derartige Fehler über sieben Auflagen hinweg mitgeschleppt werden? Verleger und Druckerei blieben gleichgültig.
Der Frankfurter Verleger hatte bei seiner Werbung gegen die Raubdrucke

Der Begriff ist anachronistisch; es handelte sich um unprivilegierte Druckwerke.
wohl hauptsächlich Frankfurter und Straßburger Konkurrenten im Visier

Vgl. Dietz III, 81. Dietz hatte noch Einblick in die städtischen Akten vor den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs.
. Die Initiative zur Publikation der Vereinbarung des 6. August 1648 aber dürfte auf schwedischer Seite gelegen haben. So jedenfalls hat es der kursächsische Gesandte am 2. September 1648 berichtet

Vgl. Leuber an Kurfürst Johann Georg, Münster 1648 VIII 23/IX 2, mit Übersendung unserer Ausgabe 1 des IPOml, welche ein Schwedischer secretarius hatt drucken lassen ( SHStA Dresden, Geh. Rat (Geh. Archiv), Locat 8131/4 fol 170–172’ und 174).
. Und dies hat alle innere Wahrscheinlichkeit für sich. Es entspricht der offiziösen, wenn auch späteren IPOml-Ausgabe der renommierten Firma Georg Rhete in Stettin

Zu Rhete vgl. Benzing, Buchdrucker, 433.
, die im Zentrum des schwedischen Herrschaftsbereichs arbeitete und sich ausdrücklich auf eine obrigkeitliche Erlaubnis beruft (Ausgabe 6). Rhetes Ausgabe allein hat auch einen von allen übrigen Überlieferungen etwas abweichenden Text der schwedischen Protokollnotiz vom 6. August 1648 über die Armeesatisfaktion Hessen-Kassels, welcher durch eine gewisse Distanzierung die schwedischen Interessen besser wahrt und auf diese Weise den Wünschen der protestantischen Reichsstände etwas entgegenkommt

Vgl. S. 136 Anm. c.
. Jedoch ist der offiziöse Stettiner Text vermutlich nicht

[p. 10] [scan. 58]

der zeitlich früheste: dieser muß in einer der vielen anonymen Ausgaben gesucht werden

Die bei Repgen, Öffentlichkeit, 760f Anm. 162, nachgewiesene Zeitungsannonce der Firmen Georg Rhete in Stettin und David Rhete in Danzig für das IPOml und IPOmd erschien in der Zeitungsausgabe Nr. 40, die auf den 4. bis 11. Oktober 1648 zu datieren ist.
, wahrscheinlich war es unsere Ausgabe 1

Vgl. Anm. 44.
.
Auf ein Druckprivileg hat sich verständlicherweise keiner der zahlreichen anonymen Drucker oder Verleger der Vereinbarung vom 6. August berufen, die wohl Ärger mit ihren städtischen und staatlichen Obrigkeiten scheuten und deshalb den Text unter dem Schutz der Anonymität erscheinen ließen

Erstaunlich ist unter diesen Umständen, daß in Ausgabe 42, wenn auch nur auf der verso-Seite des Titels, eine Reichsadler-Darstellung benutzt worden ist. Allerdings war auch ein anonymer Druck des Prager Friedens mit Reichswappen auf dem Titelbl. erschienen (vgl. Bircher, A 6068). – Wenigstens hingewiesen sei auf die eigenartigen Signets in den Ausgaben 23, 26 und 67, die schwerlich mit völliger Anonymität des Drucks zu verbinden sind.
. Wenn hingegen die Leipziger Firma Gottfried Grosse Erben

Dazu vgl. Benzing, 1149.
das IPOmd zwar nicht mit Orts- und Verlagsnamen publizierte, aber doch ihr bekanntes Signet dabei verwendete (Ausgabe 28), also identifizierbar war, so dürfte sie sich bei ihrer Publikation ebenfalls des Einverständnisses mit der schwedischen Besatzungsmacht sicher gewesen sein. Diese mag, wenigstens indirekt, sogar die Zeitungsannoncen gefördert haben, mit denen in Hamburg und im schwedischen Besatzungsbereich Ende September/Anfang Oktober Drucke des IPOm angeboten worden sind

Nachweise für Hamburg, Stettin und Danzig sowie (vermutlich) Leipzig in Repgen, Öffentlichkeit, 756 Anm. 141.
.
Kann die Rhete-Publikation schon als offiziös gelten, so waren die Münsterischen Raesfeld-Drucke der Verträge mit Frankreich und Schweden (Ausgaben 34 und 35: IPOul, sowie Ausgaben 53 und 54: IPMul) uneingeschränkt offiziös, wie ihre Entstehungsgeschichte lehrt. Die Quellenlage erlaubt es, hier ein wenig tiefer in die Entstehungsgeschichte der Drucke zu blicken, was eine klare Abgrenzung der Ausgaben untereinander ermöglicht. Der münsterische Drucker und Verleger Bernhard Raesfeld

Dazu vgl. Benzing, Buchdrucker, 340; Haller, 73ff.
hatte offenbar kein IPOm publiziert. Seit Ende Oktober druckte er in kurmain-

[p. 11] [scan. 59]

zischem
Auftrag das IPM

Die kurmainzische Initiative erwähnt Volmar (wie Anm. 54), während Chigi in einem Bericht an das Staatssekretariat, Münster 1648 November 6, die ksl. und frz. Gesandten als Urheber nennt; in demselben Schreiben weist er darauf hin, Servien habe das Titelbl. einer Ausgabe Raesfelds neu drucken lassen ( Vatikanisches Geheim- Archiv, Segreteria di Stato, Nunziature di Paci 24 fol. 695–697’, hier 695: Mando anco la stampa dell’istromento di pace, che concordemente ambedue queste parti soscrissero, e che poi hanno fatto stampare in Munster; di cui però il signor Servien con la sua accuratezza fece mutare, e ristampare il frontispitio, con aggiognervi il titolo di Maestà, e di Sacra per il suo re, e col metterlo al pari con quello dell’Imperatore, che per avanti era stato messo con la sola enunciatione di Regis Galliarum). Hingegen verzeichnet Serviens Ausgabenbuch ( AE Paris, Correspondance politique, Allemagne, origines-1870 vol. 129 fol. 257’) 1649 eine Zahlung für früher erbrachte Leistungen in Höhe von 47 livres 10 sous an Raesfeld, pour avoir réimprimé une feuille du traicté de l’Empire pour y adjuster „Sacrae Christianissimae Majestatis“ qu’on avoit obmis, que pour avoir fourny plusieurs exemplaires dudict traicté pour envoyer aux correspondans, et aultres imprimez pour le service du Roy; vgl. Bosbach, Kosten, 190. Bei dem angesprochenen Sachverhalt kann es sich entweder um den Neusatz des Titelbl. handeln (allerdings hat sich ein anderes als das bislang bekannte bisher nicht gefunden) oder um Neusatz der Seite 29 (§ 106 IPM; vgl. Teilband 1, 32 Z. 7). Dieser Neusatz dürfte vor der Auslieferung Anfang November 1648 erfolgt sein, denn bisher sind keine Exemplare ohne Sacrae [Maiestatis Christianissimae] auf S. 29 gefunden worden. Während es sich bei der Auslassung des maiestas-Titels für den frz. König auf dem Titelbl. kaum um ein bloßes Versehen des Druckers handelt, wäre das Fehlen des Wortes Sacrae in § 106 IPM in der Textentstehung begründet. Denn im Wiener Druck des IPMul (Ausgabe 57 S. 40) wie in der ksl. Ratifikationsurkunde (Teilband 1, 32 Z. 34) fehlt in § 106 IPM die Apposition Sacrae ebenfalls. Sacrae fehlt auch in der von Volmar vidimierten hsl. Kopie des IPMul in HHStA Wien, Reichskanzlei, Friedensakten Fasz. 56d (Konv. 7.–15. Oktober 1648) fol. 237–264’, hier 264’. Diese Kopie war vermutlich Vorlage für die ksl. Ratifikationsurkunde (vgl. Teilband 1, CXV Anm. 450).
und verkaufte die Texte Anfang November

Versendungsdaten der Ausgabe 53 für den 5. und 6. November 1648 sind nachgewiesen in Repgen, Öffentlichkeit, 758 Anm. 146. Auch Volmar übersandte am 6. November an Reichsvizekanzler Kurz ein Exemplar dieses Raesfeld-Drucks und bemerkte, daß er von Kurmainz in die Wege geleitet worden sei ( HHStA Wien, Reichskanzlei, Friedensakten Fasz. 57 Konv. C fol. 50; eigh.). Johan Oxenstierna übersandte an Königin Christina ein Exemplar der Ausgabe 53 am 8. November (APW II C 4/2, 773 Z. 22), ebenso Leuber an den sächsischen Kurfürsten am 10. November 1648 ( SHStA Dresden, Geh. Rat (Geh. Archiv), Locat 8132/1 fol. 38–39).
, bevor der kursächsische Gesandte Leuber am 15. und 16. November 1648 oder kurz danach die kaiserlichen, französischen und schwedischen Urkunden unterzeichnen konnte

Vgl. Teilband 1, LXI, sowie Teilband 3, 368f.
. Deshalb fehlt in der ersten Raesfeld-Ausgabe des IPMul (Ausgabe 53) im § 120 heutiger Zählung der Name Kursachsens ebenso wie in der Unterschriftenliste. Da Ausgabe 54 diese beiden

[p. 12] [scan. 60]

Angaben in laufender Zeile bietet, muß dies eine neue Ausgabe sein. Sie ist vermutlich nach dem 4./5. Dezember

Vgl. Anm. 59.
gedruckt worden.
Hingegen ist der erste Raesfeld-Druck des IPOul offenbar auf Initiative Kranes erfolgt

Das Altenburgische Diarium zum 29. November/9. Dezember 1648 erwähnt Krane als Adressat einer Beschwerde Leubers, wonach im Raesfeld-Druck des IPOul Kursachsen zwar in der Unterzeichnerliste, nicht aber in Art. XVII,12 IPO stehe ( Meiern, APWP VI, 701 ). Krane verteidigte den Text als Entscheidung des Mainzer Reichsdirektoriums.
, der auch nach der Übersiedlung der Osnabrücker Gesandten nach Münster, Ende September, innerhalb der kaiserlichen Gesandtschaften wenigstens nach außen hin, für IPO-Angelegenheiten zuständig geblieben war, während intern Volmar politisch und rechtlich die Linie angab

Leider bieten die ksl. Akten für das Drucken der Verträge wenig Information. Immerhin hat Volmar eine Abschrift des IPO ( HHStA Wien, Reichskanzlei, Friedensakten Fasz. 56d [Konv. 7.–15. Oktober 1648] fol. 157–207’), die in einer der ksl. Kanzleien (durch Schreiber 1) angefertigt worden ist, durchgesehen und auf fol. 206 eigh. Korrekturen angebracht. Auf fol. 206’, hinter der den Unterschriften vorausgehenden Corroboratio und hinter der Datierungszeile (mit offengelassenen Tages- und Monatszahlen; vgl. Meiern, APWP VI, 172 , oben), hat eine Hand 2 vermerkt: Das gedruckte exemplar ist nach disem concept revidirt und collacionirt worden. Aber es ist die frag, ob das beygelegte blat numero 87 wie zuvor soll mit gedruckt werden? Und ob die letzte zeile auch soll also gedruckt werden: [neue Zeile] Die *** Mense *** Anno Domini? Schreiber 2 hat also für eine neue Ausgabe des IPOul einen schon erschienenen Druck des IPOml, und zwar wahrscheinlich unsere Nr. 3, anhand der oben genannten hsl. Kopie Korrektur gelesen und ergänzt, will aber noch klären, ob die in der gedruckten Ausgabe enthaltene Corroboratio und die Datumszeile ebenso ausgedruckt und ob die in der Ausgabe auf S. 87 publizierten Protokollnotizen erneut eingefügt werden sollen. Die Entscheidung ist nicht durch Aktennotiz, sondern via facti erfolgt; denn unter der Anfrage der Hand 2 hat eine Hand 3 den Vertragstext (fol. 206’-207’) fortgeschrieben, und zwar die Corroboratio des IPOul (= Art. XVII,12 IPO) sowie, am Ende, die Datierung des IPOul. Mit blat 87 könnte auf unsere Ausgabe 3 des IPOml verwiesen sein, weil alle anderen IPOml-Drucke unserer Liste keine Seite 87 enthalten. In der neuen, durch Hand 3 geschriebenen Corroboratio wird übrigens Kursachsen nicht genannt; der Text dürfte also vor Mitte November 1648 zu datieren sein.
. Die Druckerei Raesfeld hat vermutlich nach Fertigstellung des IPMul mit den Arbeiten für IPOul begonnen und eine Ausgabe hergestellt (Ausgabe 35), die Anfang Dezember verkauft wurde

Nachweise für den Kauf am 4. und (wahrscheinlich) am 5. Dezember sowie Übersendung eines Exemplars am 11. Dezember bei Repgen, Öffentlichkeit, 757 Anm. 143. Die schwedischen Gesandten übersandten einen Druck am 6. Dezember (APW II C 4, 831 Z. 11).
. Hier fehlte Kursachsen nicht mehr in der Unterschriftenliste, wohl aber immer noch in Art. XVII,12 IPO (entspricht § 120 IPM), der die Namen der reichsständischen Deputierten nennt, die am 13. Oktober zur Mitunter-

[p. 13] [scan. 61]

zeichnung
der Verträge bestellt worden waren

Text des Beschlusses, natürlich ohne Kursachsen: Teilband 1 Nr. 26; vgl. ebenda, LIV und CXI f. In fast allen (hsl.) Urkunden ist nicht nur in die Unterschriftenliste, sondern auch in Art. XVII,12 IPO (wie § 120 IPM) Kursachsen nachträglich eingefügt worden; vgl ebenda, LXI sowie 35 Z. 35–39 (IPM) und 158 Z. 37–39 (IPO).
. Zu dieser Deputation hatte Leuber tatsächlich nicht gehört. Jetzt, nachdem er Unterzeichner geworden war, empfand er das Fehlen Kursachsens als eine Prestigeminderung und verlangte deshalb eine entsprechende Textänderung. Über diese Beschwerde wurde in Münster am 8. Dezember verhandelt, und man hat Kursachsen nachgegeben. In Raesfelds zweiter Ausgabe (Ausgabe 36) findet sich daher der Name Leubers auch in Art. XVII,12 IPO.
Diese neue Ausgabe wurde von der kurmainzischen Kanzlei als einwandfreier Vertragstext betrachtet und daher beglaubigt und besiegelt

Vgl unten S. 61 Anm. 41 zu Ausgabe 36.
, obgleich der Text in vielen Kleinigkeiten mit dem in der kritischen Edition für das IPO verwendeten Leittext nicht übereinstimmt

Vgl. Teilband 1 Nr. 18. Für Einzelheiten vgl hier S. 202f.
. Raesfelds IPO-Drucke waren für Kurmainz ein amtlicher Text – übrigens auch schon die erste Auflage. Denn ein durch Kurmainz beglaubigtes und besiegeltes Exemplar der Ausgabe 35 bewahrt das Staatsarchiv Basel

Vgl. Schneider, 256–259. Abb. 144 (S. 259) zeigt die (letzte) Seite 64 des Drucks. Da in Ausgabe 36 die Seitenzahl 64 verdruckt ist, muß es sich um Ausgabe 35 handeln.
.
Einem Magdeburger Nachdruck des IPOul durch Johann Müller (Ausgabe 37)

Für ihn vgl. Benzing, Buchdrucker, 312f.
, der sich auf die münsterische Vorlage beruft, lag die zweite Raesfeld-Auflage zugrunde. Er zählt daher Kursachsen zu den Mitgliedern der erwähnten Reichsdeputation. Mit dieser Aussage stehen jedoch die Ausgaben 36 und 37 unter allen deutschen Publikationen allein da. Alle anderen Textausgaben, auch die kurmainzischen, haben 1648/49 von der nachträglichen Änderung des Reichsschlusses vom 13. Oktober keine Notiz genommen

Eine Ausnahme von dieser Regel bildeten allein 1650 die beiden Ausgaben der frz. Ratifikationsurkunden (vgl. Ausgaben 56 und 57), die Leubers Namen auch in der Unterschriftenliste enthalten.
, nicht einmal die in Leipzig erschienenen Ausgaben durch Timotheus Ritzsch (Ausgaben 38 bis 40 und 61 bis 63). Ähnlich verhielten sie sich hinsichtlich der Unterschrift Leubers

Sie findet sich allein in den beiden anonymen Ausgaben 43 und 44 des IPOud.
.
Das Kriterium „offiziös“ gilt sicherlich uneingeschränkt auch für die lateinischen Textausgaben des Wiener Druckers Matthäus Cosmerovius (Ausgaben 33 und 34 sowie 58). Er war 1648 schon Universitätsdrucker, wurde

[p. 14] [scan. 62]

im November 1649 Hofbuchdrucker

Für ihn vgl. Benzing, Buchdrucker, 490; Mayer, 232–235.
, und hatte auch zuvor enge Beziehungen zum Hof

Vgl. etwa die von Cosmerovius gedruckte und verlegte Gratulationsschrift zur ungarischen Krönung Ferdinands IV. im Jahre 1647, die bei Mayer als Nr. 1305 nachgewiesen ist. – Das zur Reichskanzlei gehörende ksl. Taxamt buchte noch 1667 200 fl dem Buchdrucker Cosmerovio sein außstendigen druckherlohn wegen gedruckten Münster- und Osnabrüggischen friedensschluß ( HHStA Wien, Reichskanzlei, Taxamt-Gegenrechnung 1667/1668 fol. 104’: Freundlicher Hinweis durch Herrn Hofrat Prof. Dr. Leopold Auer im September 1997).
, wie es sich für einen auf Kontakte und Informationen angewiesenen Zeitungsmacher

Vgl. Bogel/ Blühm I, 62; ebenda III, 52; etwas anders Lang, 60f.
gebot. Sein Titelblatt mit großem Reichswappen

Vgl. S. 91 Anm. 75 zu Ausgabe 52.
beruft sich sowohl für das IPOul wie für das IPMul ausdrücklich auf Kollation mit einem „authentischen“ Exemplar. Daß ein solcher Textvergleich wirklich stattgefunden hat, ist durch die werbewirksame Behauptung im Titel natürlich nicht bewiesen. Es spricht zwar alles dafür, daß Cosmerovius für seine Friedens-Publikation in der Reichskanzlei oder beim Reichshofrat Rückversicherung gesucht und erhalten hat. Aber wenn diese Annahme auch zutrifft, so kann doch eine Kollation mit den Originalausfertigungen im Herbst/Winter 1648 kaum stattgefunden haben, da diese sich noch nicht in Wien befanden

Vgl. Teilband 1, LXXIV.
. Es könnte für den Druck zwar ein Textvergleich mit Abschriften erfolgt sein, die in der Reichskanzlei vorhanden waren und für Cosmerovius entliehen oder angefertigt worden wären. Aber zwingend ist eine solche Hypothese nicht. Wenn der Drucker hingegen im Titel auch der deutschen Übersetzung des IPO (Ausgabe 52) reklamiert, daß der Text mit dem authentischen exemplar trewlich collationirt worden sei, so kann er sich nicht auf einen irgendwie autorisierten handschriftlichen Text der kaiserlichen Behörden berufen haben; denn ein solcher existierte dort nicht. Falls es sich bei dieser Passage nicht nur um eine gedankenlose Übertragung aus dem Titel der früher erschienenen lateinischen Ausgabe gehandelt hat, wird Cosmerovius an die Übersetzung einer der gedruckten kurmainzischen Ausgaben (Ausgaben 45 bis 51) gedacht haben. Denn tatsächlich orientieren sich die deutschen Versionen der Wiener Publikation des IPO wie des IPM an dem Text der Heyll-Drucke – trotz ihrer Mängel, die allerdings nicht unbesehen übernommen worden sind

Dazu vgl. S. 203f.
. Im Titel der deutschen Übersetzung des Friedens mit Frankreich (Ausgabe 75) hat Cosmerovius schließlich die Anspielung

[p. 15] [scan. 63]

auf eine Kollationierung mit einem authentischen Exemplar ohne weitere Begründung unterlassen und für seinen Text nur noch trewliche Übersetzung reklamiert. Diese Wiener Übersetzung ist zweifellos besser als der kurmainzische, verdient aber kaum das Prädikat gut. Im übrigen bieten die Cosmerovius-Drucke nur unvollständige Texte des Urkundenwerks. Sie enthalten weder die Vollmachten noch die Unterschriftenlisten und schon gar keine Protokollnotizen.
Vollständigere Texte bot dagegen der letzte unter den offiziösen Friedensvertrags-Verlegern, der Leipziger Zeitungsverleger Timotheus Ritzsch

Für ihn vgl. Benzing, Buchdrucker, 286; Bogel / Blühm I, 132, 140f. Auf die Titelblätter seiner Ausgaben setzte er das kursächsische Wappen (vgl. S. 65 Anm. 43).
. Er hatte zwar nicht vom Kaiser oder von Kurmainz, wohl aber vom sächsischen Kurfürsten unter dem 23. November 1648 ein achtjähriges Druck- und Verkaufsprivileg erhalten

Text: S. 158f.
. Es galt für eine deutsch- wie für eine doppelsprachige, lateinisch-deutsche Ausgabe der Friedensverträge in zwei Spalten (Ausgaben 38 bis 40 und 61 bis 63). Eine allein deutschsprachige Ausgabe des Verlegers Ritzsch findet sich in unserer Liste nicht. Ob sie je erschienen ist, sei dahingestellt.
Auch Ritzsch, der im Titel behauptet, sein Text sei mit dem bei Kurmainz hinterlegten Original

Vgl. oben Anm. 36.
der Verträge „kollationiert“ worden, hat tatsächlich für seine Texte kaum Aktenstudien betrieben, sondern sich an die kurmainzischen Drucke gehalten. Diese hat er nicht immer kritiklos übernommen, doch blieben zum Beispiel die Textfehler im Hessen-Kassel-Artikel (Art. XV,3 und 13 IPO) ebenso wie die grotesken Übersetzungsfehler bei der Unterschriftenliste des IPO: Tremin (statt Dortmund) und Volendaw (statt Vallendar) unkorrigiert

Vgl. die Angaben zu S. 122 und 132 bei den Ausgaben 38, 39 und 40. Dagegen ist die Übersetzung der Städtenamen in der Unterschriftenliste des IPM (Ausgaben 61–63) korrekt.
. Seine Vorlage für die deutsche Übersetzung des Osnabrücker Friedens war, soweit eine Vermutung möglich ist, das IPOmd Heylls; das erklärt, warum der Ausfall der letzten Zeile aus S. 61 der Heyll’schen Drucke des IPOud (Ausgaben 45 bis 51) bei Ritzsch keine Entsprechung hat.
Schließlich sind noch drei lateinische Ausgaben der Vereinbarung vom 6. August 1648 zu erwähnen, die außerhalb des Reichs publiziert worden sind. Eine Londoner Publikation (Ausgabe 7) erschien als Oktavbändchen

Zu dem Verleger Samuel Thomson und dem Drucker Wilhelm Du-Gard vgl. Plomer I, 67f und 179.
, für

[p. 16] [scan. 64]

Leiden sind zwei Ausgaben in Duodez nachweisbar (Ausgaben 8 und 9)

Erschienen bei Justus Livius (zu ihm vgl. Gruys/ de Wolf, 113).
. Im gleichen Duodezformat kamen etwas später in Leiden noch zwei lateinische Ausgaben des kaiserlichen Friedens mit Frankreich (Ausgaben 59 und 60) auf den Markt

Eine davon ebenfalls bei Livius, die andere bei Croy ( Ebenda, 48).
. Diese fünf ausländischen Publikationen erhoben natürlich nicht den Anspruch, offiziöse Textausgaben zu sein, wenngleich die Londoner Ausgabe sich auf ein exemplar in Germania editum berief und eine der beiden Leidener Ausgaben (Ausgabe 60) des IPMul ausdrücklich eine Raesfeld-Auflage als Vorlage reklamierte. Es ging in diesen Texten, die sich der europäischen lingua franca der Gebildeten bedienten, um die übliche Information dieser sozialen Schicht über aktuelle politische Begebenheiten von Bedeutung.
Ergebnisse Faßt man zusammen, so ergibt sich aus unserer Dokumentation dreierlei. – Die Publikationsaktivitäten über die Vereinbarung vom 6. August 1648 unterscheiden sich sehr von der Zeit nach der Unterschrift unter die Verträge am 24. Oktober. Für das IPOm charakteristisch war das Überwiegen der anonymen Drucke, während die spätere Publikation des IPO und IPM vorwiegend Sache renommierter Verlage und ihrer offiziösen Texte war. Anonyme Ausgaben wurden selten

Viermal IPOud und siebenmal IPMud; vgl. Ausgaben 41–44 und 64–70.
.
– Nach dem 24. Oktober 1648

Damit soll nicht behauptet werden, daß nicht auch nach dem 24. Oktober noch Texte des IPOm verkauft worden sind.
hatten die lateinischen Textausgaben, wenn man die ausländischen Publikationen unberücksichtigt läßt, ausnahmslos offiziösen Charakter. Es waren daran direkt vier Firmen beteiligt: Cosmerovius, Fischer/Heyll, Raesfeld und Ritzsch, indirekt außerdem Müller. Sie saßen in Wien, Frankfurt/Mainz, Magdeburg, Münster und Leipzig. In die gleiche Gruppe gehört, allerdings nur für die Vereinbarung des 6. August, die Firma Rhete in Stettin. Hingegen sind Südwest- und Süddeutschland, trotz seiner ebenfalls leistungsfähigen Druckereien und Verlage, erinnert sei an Druckzentren wie Straßburg, Augsburg oder Nürnberg, in unserer Drucke-Liste überhaupt nicht vertreten. Offenbar deckte man dort den Bedarf mit dem, was vor allem in Mainz/Frankfurt, sodann in Münster oder in Leipzig produziert wurde.
– Ein gänzlich anderes Bild bieten die deutschen Übersetzungen, deren Zahl insgesamt diejenige der lateinischen Textausgaben weit übersteigt.

[p. 17] [scan. 65]

Den Hauptinformationsbedarf scheint nach dem 6. August 1648 die grassierende Flut der 17 anonymen Ausgaben des IPOmd in den Monaten September und Oktober gedeckt zu haben. Die Zahl der Raubkopien deutscher Texte ist aber nach dem 24. Oktober drastisch zurückgegangen. Unsere Liste enthält nur 4 anonyme Drucke mit Übersetzungen des IPO und 7 des IPM. Unverkennbarer Marktführer war nun der kaiserlich und kurmainzisch privilegierte Verlag Fischer geworden, der die Produkte der Reichsdruckerei vermarktete: 7 Auflagen des IPOud haben wir ermittelt, 4 Auflagen des IPMud – eine erstaunlich große Zahl für eine einzige Firma. Dabei ist erneut anzumerken, daß die schlechte Qualität der mainzisch-frankfurterischen Übersetzungen ihrem buchhändlerischen Erfolg offenbar keinen Abbruch getan hat.
Fazit: Nicht-offiziöse Verlagsdrucke spielten bei der Publikation des unterzeichneten Westfälischen Friedens kaum eine Rolle. War die Information des Publikums, insbesondere des deutschsprachigen, im September/Oktober 1648 noch wesentlich durch anonyme Raubdrucke erfolgt, so wurde sie seit November 1648 und während des Jahres 1649 vornehmlich durch die offiziösen Drucke bekannter Verlage besorgt.

Documents