Acta Pacis Westphalicae III A 3,4 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 4. Teil: 1646 - 1647 / Maria-Elisabeth Brunert

I. Protokollführung und Druckvorlagen

Die Protokollführung des Fürstenrats Osnabrück folgte während des Edi-tionszeitraums, also vom Mai 1646 bis September 1647, der Vereinbarung von Anfang Februar 1646

S. APW III A 3/3, CIII.
. Demgemäß führten die evangelischen Mit-glieder des Fürstenrats ein gemeinsames, von dazu bestellten Sekretären ausgearbeitetes und den übrigen evangelischen Gesandtschaften durch Diktatur mitgeteiltes Protokoll. Es ist weit ausführlicher als die für den Editionszeitraum lückenhaften Protokollserien katholischer Reichsstände. Deshalb dient es als Druckvorlage, in Nr. 131 ergänzt durch einen Aus-zug aus Magdeburg E. Seitens der katholischen Reichsstände liegen drei Teilserien und eine vollständige Protokollreihe vor. Die österreichische Teilserie ist die wichtigste, da Österreich bei acht Sitzungen das Direk-torium führte. Wesentliche Abweichungen der österreichischen, bayeri-schen und pfalz-neuburgischen Protokollüberlieferungen gegenüber der Druckvorlage sowie relevante individuelle Zusätze in den Überlieferun-gen des evangelischen Gemeinschaftsprotokolls sind im Variantenapparat vermerkt. Eine grundsätzlich tendenziöse Wiedergabe des Sitzungsverlaufs oder einzelner Voten sowie größere Lücken der Druckvorlage lassen sich nicht feststellen, so daß der Apparat schmal gehalten werden konnte. Die Würzburger Serie ist zwar als einzige Protokollreihe eines katholischen Reichsstands vollständig, doch geben die wenigen eigenständigen Proto-kolle nicht den vollständigen Sitzungsverlauf wieder, während der größte Teil der Serie fast gänzlich aus Abschriften besteht, so daß beim Vergleich von Würzburg A I 1 mit dem abgedruckten Text keine inhaltlich rele-vanten Abweichungen festgestellt werden konnten.
Im Fürstenrat Münster wurden keine Protokollanten zu den Sitzungen zugelassen. Deshalb durften die aus Osnabrück angereisten Sekretäre in den vier Sitzungen, die im Sommer 1647 unter Beteiligung der sonst in Osnabrück votierenden Reichsstände in Münster stattfanden, nicht Protokoll führen

S. Nr. 137.
. Diese Sitzungen vom Juni und Juli 1647, derer in Nr. 137 gedacht wird, sind in den meisten Serien des evangelischen Gemein-

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schaftsprotokolls mitgezählt, in einigen aber übergangen worden, so daß die Numerierung des Gemeinschaftsprotokolls im August und September 1647 nicht mehr einheitlich ist.
Wieviele katholische Protokollanten an den Fürstenratssitzungen in Os-nabrück teilnahmen, muß offenbleiben. Ein Vermerk im evangelischen Gemeinschaftsprotokoll vom 28. März 1647

S. 169 Z. 35f.
deutet darauf hin, daß zumindest bei der Re- und Correlation, die unter ungewöhnlich großer katholischer Beteiligung stattfand, außer dem Sekretär des Österreichi-schen Direktoriums wenigstens ein weiterer katholischer Protokollant zu-gegen war.
Das evangelische Gemeinschaftsprotokoll wurde nach wie vor unter Feder-führung des Magdeburger Sekretärs Werner ausgearbeitet und diktiert

S. APW III A 3/3, CIVf. Im Editionszeitraum war die Zahl der Mitarbeiter am Protokoll meist kleiner als zuvor: Jäger (Sachsen-Weimar und -Gotha) war immer beteiligt, Werner 19mal (Nr. 122–133, 135, 136, 138–142), der Sachsen-Altenburger Ebart 17mal (Nr. 122, 123, 129–136, 138–144), der Pommer Fehr dreimal (Nr. 122–124) und der Braunschweiger Christian Lampadius zweimal (Nr. 122, 125), so daß sechsmal nur zwei, 13mal drei, zwei-mal vier und einmal fünf zusammenarbeiteten und mit ihrer Unterschrift (in Magdeburg E) für die Richtigkeit bürgten.
. Da Werner an der Sitzung vom 10. Mai 1647 ausnahmsweise nicht teil-genommen hatte, arbeiteten die Sekretäre Ebart und Jäger das Protokoll (Nr. 134) ohne ihn aus, doch hat Werner den Text diktiert

Diktatvermerke in Braunschweig- Celle B I und Sachsen- Lauenburg B bezeugen die Diktatur durch Magdeburg.
. Bei den letz-ten beiden Sitzungen des Jahres 1647 (Nr. 143 und 144) war seine Mitwir-kung am Protokoll wegen der bevorstehenden Abreise der Magdeburger Gesandtschaft nicht mehr möglich

Werner hat in der vorletzten Sitzung (Nr. 143) noch mitgeschrieben (s. Magdeburg D), sich aber nicht mehr an der Ausarbeitung beteiligt. Krulls letzter Bericht vom WFK an den Magdeburger Adm. August mit den beigelegten Protokollen vom 28. und 30. August sowie 14. und 18. September (Nr. 139–142) stammt vom 23. September 1647 ( Magdeburg Ea fol. 788 und 789–836).
, so daß wieder Ebart und Jäger die Ausarbeitung übernahmen. Ihr Protokoll ist aber nicht diktiert worden und in der von ihnen unterzeichneten Form nur in den Akten Jägers überliefert. Als Druckvorlage dient deshalb für Nr. 143 und 144 Sachsen - Gotha B IV

Beide Sitzungen sind weiterhin durch (identische) Protokolle in Sachsen- Altenburg A II 1 und Würzburg A I 1 dokumentiert, die aber einen schlechteren Text bieten.
. Demnach war Werners Anwesenheit für die Diktatur unerläßlich, wobei die bisweilen wochenlangen Abstände zwischen einzelnen Sitzungen und dem Diktat wahrscheinlich auf ihn zurückzuführen sind: Als er am Protokoll vom 10. Mai 1647 nicht beteiligt war, konnte die ausgearbeitete

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Fassung schon nach zehn Tagen diktiert werden, während die Protokolle vom 28. März, 5. April und 3. Mai 1647 erst am 24., 29. und 31. Mai diktiert wurden

S. Anm. 1 von Nr. 131–134. Die Zeit zwischen Sitzung und Diktatur schwankte noch stärker als in der ersten Jahreshälfte 1646 (APW III A 3/3, CV Anm. 343), indem sie nur drei Tage bei der 41. Sitzung, aber über zwei Monate bei der 32. betrug (Nr. 127, 136). Die Zeitspanne ist durchschnittlich größer geworden, da sie bei einem Viertel der Sitzungen mehr als einen Monat und nur bei einem Viertel weniger als eine Woche betrug.
.
Die Sekretäre verließen – wie die Gesandten – die Sitzung, wenn ein Thema behandelt wurde, bei dem ihre Gesandtschaft als betroffen galt; hingegen konnte ein Sekretär Protokoll führen, wenn der Gesandte aus anderen Gründen nicht an der Sitzung teilnahm

Werner und Ebart verließen am 7. Mai 1646 mit den Ges. die Sitzung (Nr. 122 bei Anm. 43), während Werner protokollierte, als Magdeburg am 27. Mai und 1. Juni 1647 nicht vertreten war (s. Nr. 135 und 136).
.
Auch im Editionszeitraum sind dem evangelischen Gemeinschaftsproto-koll wieder Voten und andere Schriftsätze beigelegt oder bei der Dik-tatur wörtlich eingefügt worden. In Fortsetzung der laufenden Zählung der Sitzungen tragen die elf schriftlich eingereichten Einzelvoten und vier Schriftsätze, die das Salzburger Direktorium mitgeteilt hatte, die Beila-genbezeichnung 16 bis 30

S. Nr. 129 (Voten Österreichs, Würzburgs, Hildesheims, Pfalz-Neuburgs und ein Protest Pfalz-Veldenz’ als Beilagen 16–20), Nr. 138 (conclusum als Beilage 21), Nr. 139 (Voten Brandenburg-Kulmbachs, Württembergs und der Wetterauer Gf.en als Beilagen 22–24), Nr. 142 (Voten Basels, Württembergs, Pfalz-Veldenz’ als Beilagen 25–27 sowie vom Direk-torium zusammengestellte erinnerungen als Beilage 28), Nr. 143 (Bericht mit „Meinung“ des FRM als Beilage 29) und Nr. 144 (Entwurf des Kurmainzer Reichsdirektoriums für ein Schreiben an den Kf.en von Brandenburg als Beilage 30).
. Sehr wahrscheinlich wurden die Voten nor-malerweise erst nachträglich eingereicht; denn nur einmal ist im Proto-koll vermerkt, daß ein Gesandter in der Sitzung selbst den Text seines Votums dem Direktor übergab

Übergabe des Pfalz-Neuburger Votums (Beilage 19) durch Cloet (s. S. 124 Z. 19f).
. Ob dieser mehrere Exemplare erhielt und einige an die Protokollanten weiterreichte, oder ob die Gesandten ihrerseits auch dem Magdeburger Sekretär (und weiteren Protokollanten) ein Exemplar gaben, muß offenbleiben

Die Beilage eines Pfalz-Neuburger Votums zu einem Protokollauszug Carpzovs in Sach-sen - Altenburg A II 1 (s. unten bei Anm. 244) deutet darauf hin, daß die Sachsen-Alten-burger Gesandtschaft zumindest gelegentlich Zugang zu solchen Voten hatte.
. Jedenfalls liegen nur im Magde-burger Protokoll Werners ( Magdeburg E) alle schriftlich vorgelegten, als Anlagen zum Protokoll mit einer Nummer versehenen Voten auf geson-derten Blättern bei und geben schon durch ihre fremde Schrift zu erkennen, daß sie nicht zum Protokolltext der Sekretäre gehören. Da sie meist ein-

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leitende Bemerkungen enthalten, die auf den bisherigen Sitzungsverlauf Bezug nehmen

Zweifache Bezugnahme auf vorhergehende Voten z. B. bei Würzburg am 16. März 1647 (s. Nr. 129, erster und zweiter Satz des Würzburger Votums), aber keine derartige Bezug-nahme im sofort übergebenen Votum Pfalz-Neuburgs (s. ebenda, Votum Pfalz-Neu-burgs).
, muß man annehmen, daß zumindest diese Passagen erst nachträglich formuliert wurden. Sie geben deshalb zwar den Willen des Reichsstands authentisch wieder, doch ist keineswegs sicher, daß der Gesandte während der Sitzung präzise das gesagt hat, was als schriftliche Version überliefert ist. Die grundsätzliche, inhaltliche Übereinstimmung zwischen Text und Vortrag bezeugen die Protokollanten, die jedes Proto-koll mit einer entsprechenden Erklärung und ihrer Unterschrift beglau-bigten. Bei den ohne Werner ausgearbeiteten Protokollen sind schriftliche Vorlagen lediglich zum Teil als solche unter Aufnahme der Beilagenzählung kenntlich gemacht worden

In der Sitzung vom 10. Mai 1647 (Nr. 134) muß Würzburg sein Votum schriftlich ein-gereicht haben, ohne daß Ebart und Jäger dies angemerkt hätten; denn es steht in der Druckvorlage und weiteren identischen Überlieferungen in der ersten Person (s. Nr. 134 bei Anm. 73) und hat in Herzogtum Bayern A I 1 identischen Text, allerdings in der dritten Person. Im Originalprotokoll Ebarts und Jägers (in Magdeburg E) wurde das Würzburger Votum ohne Hinweis auf eine schriftliche Vorlage in den Protokolltext inte-griert. In Sachsen - Weimar B VIII ist das Würzburger Votum durch nachträgliche Kor-rektur in die dritte Person gesetzt worden. Hingegen gehören zu den von Ebart und Jäger ausgearbeiteten Protokollen in Nr. 143 und 144 die Beilagen 29 und 30.
.
Wie am deutlichsten die heterogen zusammengesetzte Protokollserie in Würzburg A I 1 erkennen läßt, wurden zumindest in gewissem Um-fang Protokolle von Gesandtschaft zu Gesandtschaft weitergegeben. Es ist wahrscheinlich kein Zufall, daß es gerade die Würzburger Gesandtschaft war, die über die Konfessionsgrenzen hinweg Zugang zum evangelischen Gemeinschaftsprotokoll gefunden hat; denn bei Würzburg deutete sich bereits an, daß es 1648 zu jenen kompromißbereiten Reichsständen gehören würde, die sich zur Zusammenarbeit über die konfessionellen Schranken hinweg bereitfanden, um den Frieden endlich herbeizuführen

S. oben bei Anm. 72.
.
Ein Teil der Protokolle (Nr. 122–126, 129–136, 138, 139, 141 und 142) wurde bereits bei Meiern abgedruckt, während die Protokolle von Nr. 127, 128 und 140 (Exemtion der Stadt Basel bzw. der Eidgenossenschaft) sowie Nr. 143 und 144 (abschließende Beratungen über die kurbrandenburgi-sche Besetzung Herfords) dort nicht dokumentiert sind. Meierns Druck enthält, ebenso wie die archivischen Überlieferungen, einzelne Fehler und

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Lücken

So fehlt z. B. im Ost. Votum des Protokolls vom 16. März 1647 bei Meiern der Passus nur pfandtsweise beseßen, auch in der pfandtverschreibung von Churpfalz (vgl. den Text in Nr. 129 bei Anm. 20 mit Meiern IV, 368 Z. 5 von unten). Zur Publikation der FRO -Protokolle durch Meiern s. im übrigen APW III A 3/3, CVI.
. Gelegentlich geben auffällige Übereinstimmungen von Proto-kollen bestimmter Provenienzen mit dem Druck bei Meiern Hinweise auf dessen Vorlagen, die er im einzelnen nicht genannt hat. So gibt es mehr-fach Übereinstimmungen des Protokolltextes in den Akten des Gesandten Heher in Rudolstadt ( Sachsen - Weimar B VIII) mit den übrigen Überlie-ferungen der Provenienz Sachsen-Gotha und -Weimar sowie dem Abdruck in Meiern

S. Anm. 254.
. Bei einem anderen Protokoll deutet eine auffällige Über-einstimmung zwischen Meiern und der Druckvorlage aus den calenbergi-schen Akten auf eine Abhängigkeit von dieser Protokollüberlieferung

S. den letzten Satz des hessen-darmstädtischen Votums in Nr. 132, Variantenapparat. Bethen, sölches zu protocolliren steht zwar (abgesehen von der Druckvorlage und Mei-ern V) auch in Magdeburg E, doch spricht die Tätigkeit Meierns in Hannover (s. Osch-mann, Meiern, 781) für die Benutzung der braunschweig-calenbergischen Überlieferung.
. Eine Heranziehung dieser Archivalien ist deshalb gut erklärlich, weil Mei-ern Archivdirektor in Hannover war.

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