Acta Pacis Westphalicae III A 3,4 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 4. Teil: 1646 - 1647 / Maria-Elisabeth Brunert
V. Die Gesandten
Die Votanten sind im Editionszeitraum großenteils dieselben wie in den vorangehenden Beratungsphasen und müssen daher nicht vorgestellt wer-den. Es sind allerdings gewisse Verschiebungen zu beobachten, was ihre Aktivität und Bedeutung innerhalb der (Teil-)Kurie betrifft. So ist neu, daß Salzburg häufiger als Österreich das Direktorium im Fürstenrat Osnabrück geführt hat: In den fünf Sitzungen des Jahres 1646 fungierte stets Richters-berger als Direktor, während Salzburg gar nicht vertreten war. In den Sitzungen vom 5. Februar bis zum 10. Mai 1647 (Nr. 127–134) alternierten Österreich und Salzburg, wenn man davon absieht, daß Richtersberger bei der Re- und Correlation am 28. März 1647 und auch in der folgen-den Sitzung am 5. April das Direktorium innehatte. Ab dem 27. Mai 1647 (Nr. 135) war Österreich gar nicht mehr vertreten
Richtersberger hatte sich nach Münster begeben und berichtete von dort zuerst am 17. Mai 1647 an den Ks., s.
Österreich A III (XXXVIII) fol. 152. Vor seiner Abreise vom
WFK
im Juli 1647 war er (soweit seine Relationen erkennen lassen) nicht mehr in Osnabrück.
, so daß stets einer der Salzburger Gesandten das Direktorium führte. Diese werden nie mit Namen genannt; keiner von ihnen gewinnt ein eigenes Profil, was auch daran liegen mag, daß sie insgesamt wenig hervortraten, sich oft der Mehr-heit anschlossen oder angaben, nicht instruiert zu sein. Das Salzburger Direktorium als Ganzes unterschied sich indes vom Österreichischen, da es nicht so sehr wie dieses versuchte, das Beratungsergebnis zu beeinflussen
Richtersberger fiel z. B. am 7. Mai 1646 dem Magdeburger
Ges.
ins Wort, der den Stand-punkt des
Adm.
s noch schnell zu Gehör bringen wollte, bevor er die Sitzung verlassen mußte (s. Nr. 122 bei Anm. 39), und unterbrach die Votierenden in derselben Sitzung durch einen Zwischenruf (s.
ebenda, dritte Umfrage, nach dem Votum Pfalz-Simmerns und -Zweibrückens). Der von ihm formulierte Beschluß dieser dritten Umfrage fiel so aus, daß
etliche interlocuta fielen (s. S. 21 Z. 5). Zum Eingreifen Richtersbergers bei der Beratung über die Pfalzfrage s. oben bei Anm. 60.
.
[p. XCI]
[scan. 91]
Bezeichnend ist das Lob, das der Gesandte Braunschweig-Celles, Langen-beck, dem Salzburger Direktorium spendete: Es habe neulich ein feines, wolformirtes conclusum abgefaßet
–
im Gegensatz zum Kurmainzer Reichsdirektorium, dem der Braunschweiger im selben Zusammenhang vorgeworfen hat, potestas dictatoria
zu beanspruchen.
Bei den Katholischen, die zwar stets das Direktorium hatten, aber immer deutlich in der Minderheit waren
Nur Würzburg, dessen
Ges.
Vorburg auch das Baseler Votum führte, nahm mit eini-ger Regelmäßigkeit teil und fehlte lediglich in Nr. 125–127. Bayern nahm zwölfmal teil (Nr. 122–124, 126–128, 130, 132–136). Außergewöhnlich groß war der Anteil der Katho-lischen in der Re- und Correlation in Nr. 131 (15 kath. von insgesamt 40 vertretenen
Rst.
n im FR). In Nr. 138–144 waren nur noch Salzburg (dessen
Ges.
Motzel auch für Freising bevollmächtigt war) sowie Würzburg (und Basel) vertreten.
, nahm erstmals Pfalz-Neuburg an den Osnabrücker Sitzungen teil. Die Gesandten Pfalzgraf Wolfgang Wil-helms wohnten sechs Sitzungen sowie der Re- und Correlation bei (Nr. 125, 128–133). Im Zentrum ihrer Aktivität stand ihr Vorbehalt der pfalz-neu-burgischen Rechte auf die Pfälzer Kur. Am 16. und 28. März 1647 legten sie ihr Votum schriftlich vor und übergaben dem Direktor am 16. März außerdem weitere Schriftsätze. Nur bei dieser Gelegenheit wird einer von ihnen (Cloet) namentlich genannt
; im übrigen bleibt unklar, wer von den Pfalz-Neuburgern votierte und wieviele ihrer Gesandten an den Sit-zungen teilnahmen.
Bei den Evangelischen ist Sachsen-Altenburg (Thumbshirn) wichtiger ge-worden, während Magdeburg (Krull) während des Editionszeitraums an Bedeutung verloren hat. Das ist nicht nur damit zu erklären, daß Mag-deburg 1647 mehrfach fehlte, ohne sich durch einen anderen Gesandten vertreten zu lassen
Magdeburg war in den Sitzungen des Jahres 1646 immer (durch den eigenen
Ges.
) vertre-ten, während Sachsen-Altenburg zwar auch immer vertreten war, aber einmal sein Votum durch Braunschweig-Celle führen ließ (s. Nr. 126). 1647 war Magdeburg zwölfmal vertre-ten, Sachsen-Altenburg sechzehnmal, davon einmal durch Anhalt (s. Nr. 128). Magdeburg war einmal versehentlich nicht zur Sitzung geladen worden (
[Nr. 134 Anm. 3] ), fehlte ein-mal wegen einer Unpäßlichkeit Krulls (s. Nr. 135, Vermerk nach dem Würzburger Votum im Protokolltext), einmal wegen einer Reise Krulls nach Minden (s.
[Nr. 136 Anm. 13] ) und einmal, weil Krull die Post erledigen mußte (s. Nr. 138 bei Anm. 29). In der letzten Sitzung des Editionszeitraums (Nr. 144) waren Krull und der Sekretär Werner bereits abgereist (s.
[Nr. 143 Anm. 2] ). Sachsen-Altenburg fehlte in einer Sitzung (Nr. 143), weil Thumbshirn zu Gravaminaverhandlungen in Münster weilte (s.
[Nr. 144 Anm. 7] ).
, sondern auch eine Folge der Vereinbarung vom 25.
[p. XCII]
[scan. 92]
Dezember 1645, nach der Magdeburg immer an vierter Stelle votierte
: Nachdem eine Reihe von Reichsständen, z. B. die fürstlich Pfälzischen, infolge der Abreise mehrerer Gesandter nicht mehr vertreten waren, rückte Sachsen-Altenburg in der Votierfolge auf, Magdeburg aber nicht, so daß Sachsen-Altenburg oder (falls es fehlte) Sachsen-Weimar das erste evange-lische Votum führte
Sachsen-Altenburg führte das erste ev. und das zweite Votum insgesamt in Nr. 139–142 und 144; in Nr. 143 führte Sachsen-Weimar (in Abwesenheit Sachsen-Altenburgs) dieses Votum. In Abwesenheit Magdeburgs führte Sachsen-Altenburg in Nr. 134–136 das erste ev. und insgesamt das vierte Votum, da neben dem Direktorium Bayern und Würzburg vorher votierten. In Nr. 138 führte Sachsen-Altenburg in Abwesenheit Bayerns nach dem Salzburgischen Direktorium und vor Würzburg das zweite Votum.
. Damit wurde es gegebenenfalls zum Sprecher des Corpus Evangelicorum, was etwa in der Sitzung vom 10. Mai 1647 wahr-scheinlich der Fall war: Einzig Sachsen-Altenburg ging hier die Schriftsätze, die Beratungsvorlage waren, Punkt für Punkt durch
. Auch sonst trat Thumbshirn als Sachwalter des Corpus Evangelicorum auf
S. oben Anm. 66;
[Nr. 136 Anm. 19] ; ferner Nr. 137 bei Anm. 11: Thumbshirn beschwerte sich (hier gemeinsam mit seinem Kollegen Carpzov)
communi evangelicorum nomine darüber, daß im
FRM
die Osnabrücker Protokollanten nicht zugelassen worden waren. Wie weit die Zusammenarbeit von Thumbshirn und Carpzov sonst ging, ob beide ihre Voten selbständig oder gemeinsam ausgearbeitet haben, läßt sich nicht sagen.
. Bemerkens-wert ist seine Kritik am Reichsdirektorium, das z. B. ein Reichsgutachten ausgefertigt hatte, ohne zuvor in beiden Kongreßstädten eine Re- und Cor-relation zu veranstalten, oder in Münster eine Sache eher als in Osnabrück beraten ließ, wobei die dortigen (Teil-)Kurien zudem noch untereinander re- und correferiert hatten
S. z. B. Nr. 133 bei Anm. 21, Nr. 134 bei Anm. 71 und Nr. 141 bei Anm. 31.
. Auch bei diesen kritischen Stellungnahmen zu Verfahrensfragen hat Thumbshirn wahrscheinlich als Repräsentant der Evangelischen gehandelt. Als Sachsen-Altenburg einmal nicht vertreten war und Sachsen-Weimar als erster evangelischer Reichsstand votierte, kam nämlich die entsprechende Kritik von dessen Gesandten Heher
.
Zweifellos gehörte Thumbshirn zu den Votanten, die in staatsrechtlichen Fragen besonders sachkundig waren
S. z. B. Nr. 127 bei Anm. 34 und Nr. 129 bei Anm. 81.
. Zu diesen zählte auch Sinold gen.
[p. XCIII]
[scan. 93]
Schütz (Hessen-Darmstadt), der einmal Bodin angeführt hat
S. Nr. 138 bei Anm. 44. Sinold gen. Schütz war Universitätsprofessor (s.
APW III A 3/1
[Nr. 1 Anm. 16] ).
. Hingegen glänzte Vorburg (Würzburg) durch seine historischen Kenntnisse, die sich besonders in seinem langen, schriftlich vorgelegten Votum vom 16. März 1647 niedergeschlagen haben, in dem er die Frage der achten Kur und dabei die Geschichte des Kurkollegs behandelt hat
S. das Votum Würzburgs in Nr. 129. Zu Vorburgs geplanten und nur zu einem kleinen Teil realisierten Geschichtswerken s.
Lehsten II, 95.
.
Lampadius ist im Editionszeitraum nicht mehr so sehr hervorgetreten, wie das insbesondere im Herbst 1645 der Fall gewesen war
. Da nun auch Braunschweig-Celle und -Wolfenbüttel durch eigene Gesandten vertreten waren, nahm er nicht mehr eine solch exponierte Stellung ein wie 1645, als er allein die braunschweigischen Stimmen geführt hatte. Bisweilen hat er freilich noch 1647 andere Reichsstände mitvertreten und so Stimmen kumuliert. Wahrscheinlich ist das mit Bedacht bei der wichtigen Sitzung am 16. März 1647 geschehen, als über die Pfälzische Sache bzw. über die Errichtung der achten Kur abgestimmt wurde
. Im weiteren Ver-lauf des Jahres ließ er sich selbst mehrfach vertreten, so am 1. Juni, am 28. August und am 14. September 1647 durch den Braunschweig-Wolfenbütte-ler Gesandten Cöler. Dieser war sein Schwiegersohn, so daß er sicherlich ganz im Sinne des Lampadius votiert hat
S. in Nr. 136 und 141 die Voten Braunschweig-Lüneburgs und Nr. 139 bei Anm. 35. Zur Verwandtschaft zwischen Lampadius und Cöler s.
APW III A 3/2
[Nr. 89 Anm. 90] . – Bereits am 7. Mai 1646 hatte Lampadius, ohne genau zu wissen, was proponiert werden würde, Thumbshirn beauftragt, das sachsen-altenburgische Votum im Namen Braun-schweig-Calenbergs zu wiederholen (s. S. 7 Z. 8–12).
. Vielleicht ließ sich Lampa-dius auch deshalb gern gelegentlich vertreten, weil er nicht mehr so lei-stungsfähig war wie früher. Er starb am 10. März 1649 in Münster, nach-dem er vier Jahre und sechs Monate in Osnabrück und Münster geweilt und dort die Interessen Braunschweig-Lüneburgs vertreten hatte
Johann Ludolph
Walther,
64, hat diese Zeitspanne hervorgehoben. Zum Tod des Lam-padius in Münster s.
Steinwascher,
329 Anm. 382.
. Bei einem anderen Gesandten ist der Zusammenhang zwischen krankheitsbedingter Abwesenheit und nahem Tod offensichtlich: Johann Müller, der Branden-burg-Kulmbach und -Ansbach vertrat, fehlte am 23. September 1647, weil er sich unpäßlich fühlte, nahm am 30. September, als es um die Beset-zung Herfords und damit um kurbrandenburgische Belange ging, noch ein
[p. XCIV]
[scan. 94]
letztes Mal an einer Osnabrücker Fürstenratssitzung teil und verstarb am 16. Januar 1648 in Osnabrück
.