Acta Pacis Westphalicae III A 3,4 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 4. Teil: 1646 - 1647 / Maria-Elisabeth Brunert
c. Die kurbrandenburgische Besetzung Herfords
Kurbrandenburg, das durch den Provisionalvergleich mit Pfalz-Neuburg vom April 1647 in den Besitz der Grafschaft Ravensberg gekommen war und die Reichsstandschaft der Stadt Herford nicht anerkannte, hatte die Stadt, die fast vollständig von ravensbergischem Territorium umgeben war, Ende August 1647 kurzerhand besetzen lassen. Das Kurmainzer Reichsdi-rektorium befaßte auf Drängen der Stadt die Reichskurien mit der Sache, über die der Fürstenrat Osnabrück zuerst am 14. September und erneut am 23. und 30. September beriet
. Kurfürst Friedrich Wilhelm kam es sehr ungelegen, daß sich die Reichsstände der bedrängten Stadt annah-men, so daß er die (unzutreffende) Nachricht lancieren ließ, er habe schon einen Vergleich mit der Stadt geschlossen
S. in Nr. 143 den letzten Satz des Protokolls.
. Immerhin verzichtete der Kurfürst während des Friedenskongresses auf die vollständige Unterwer-fung der Stadt und besorgte das erst im September 1652
. So wenig die Reichskurien also faktisch für die Stadt getan haben
Das konzipierte Interventionsschreiben an den Kf.en wurde nicht ausgefertigt (s.
[Nr. 144 Anm. 2] ).
, so sehr war Kur-brandenburg bereits dadurch beeindruckt worden, daß Kurmainz das Hil-feersuchen Herfords in den Reichskurien proponieren ließ. Letztlich haben die Reichskurien in diesem Fall also allein durch ihre Beratungen effektive Hilfe geleistet – ein Zeichen, daß ihnen unter bestimmten Voraussetzungen eine nicht unwesentliche Einflußmöglichkeit zukam.
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4. Allgemeine Tendenzen im Verhalten des Fürstenrats Osnabrück
Aus den Voten und den Beschlüssen des Fürstenrats Osnabrück sind be-stimmte allgemeine Tendenzen ableitbar: 1. Er trat im allgemeinen dafür ein, daß die Reichsrechte gewahrt wurden. So gab er nicht die (von den Kaiserlichen, dem Österreichischen Direktorium und den Reichsständen in Münster) gewünschte Empfehlung zur Exemtion Basels
. Andererseits ging er ohne weiteres davon aus, daß Boxtel (wie der Kaiser behaup-tete) tatsächlich ein Reichslehen und daher schützenswert sei. Auch der elsässischen Reichsstädte, die in Sorge waren, zur französischen Territori-alsatisfaktion gezogen zu werden, wollte sich der Fürstenrat Osnabrück annehmen
. Bei der Besetzung Herfords durch Kurbrandenburg ging es darum, ob der reichsrechtliche Status der Stadt anerkannt wurde. Hier war es dem Kurmainzer Reichsdirektorium zu verdanken, daß die Beschwerde der Stadt in den Reichskurien behandelt wurde. Salzburg befand als erster Votant, daß die Sache nicht auf den Friedenskongreß gehöre, während Sachsen-Altenburg zwar auch der Meinung war, daß sie nicht Teil der Friedensverhandlungen sei, daß sie aber dennoch von den Reichskurien behandelt werden solle
S. Nr. 141, enrste Umfrage.
. Alle votierten sehr vorsichtig und gaben an, nicht instruiert zu sein. Wie schon gezeigt wurde, genügte es, daß über die kurbrandenburgische Besetzung der Stadt überhaupt in den Reichskurien beraten wurde, um den Kurfürsten zu beeindrucken
.
2. Der Fürstenrat Osnabrück suchte zu vermeiden, bei Konflikten zwischen einzelnen Reichsfürsten Stellung zu beziehen. Das wird vor allem bei der Beratung über den Marburger Erbfolgestreit und auch über die hessen-kasselschen Satisfaktionsforderungen deutlich. Von diesen Satisfaktions-forderungen waren mehrere (katholische) Reichsfürsten betroffen, so daß Reichsstände, welche die Berechtigung der Satisfaktionsforderung bejah-ten, gegen die Belange der Betroffenen votierten. Angesichts dieser Lage gaben die meisten an, nicht instruiert zu sein oder, wie Magdeburg, instru-iert zu sein,
niemanden das seinige abzuvotiren, was am Ende der Umfrage so in den Beschluß aufgenommen wurde
S. Nr. 122, erste Umfrage. Die betroffenen
Rst.
sind
ebenda, Anm. 2, genannt.
. Man stellte die Sache daher der
dexteritet der kaiserlichen Gesandten anheim
So wörtlich Württemberg und Pommern; im Beschluß der Sache nach ebenso.
.
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Auch mit den Auseinandersetzungen zwischen Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel um die Marburger Erbfolge wollte der Fürstenrat Osna-brück nicht gern befaßt werden. Einige Gesandte ergriffen die Gelegen-heit, wegen naher Verwandtschaft oder aus anderen Gründen das Votum zu suspendieren
Die Braunschweiger waren der nahen Verwandtschaft wegen erst gar nicht gekommen (s. Nr. 133 bei Anm. 17), Magdeburg und Sachsen-Altenburg nahmen wegen des Verwandt-schaftsverhältnisses nicht Stellung, und Sachsen-Weimar berief sich bei der Verweigerung einer Stellungnahme darauf, daß Hg. Wilhelm bereits vermittelnd tätig geworden sei (s.
ebenda, bei Anm. 24).
, Pommern gab an, keinem Teil vorgreifen zu wollen, und Mecklenburg beteuerte, wie ungern man Zwist und Zwiespalt zwi-schen den beiden fürstlichen Häusern zur Kenntnis nehme. Hier lautete der Beschluß, daß Kaiserliche, Schweden und Franzosen sich um einen Vergleich bemühen möchten.