Acta Pacis Westphalicae III A 3,4 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 4. Teil: 1646 - 1647 / Maria-Elisabeth Brunert
d. Hessen-kasselsche Satisfaktionsforderungen und Marburger Erbfolgestreit
Am 7. Mai 1646 und damit in der ersten Sitzung, die im vorliegenden Band dokumentiert ist, wurde der Fürstenrat Osnabrück mit den hessen-kasselschen Satisfaktionsforderungen konfrontiert: Die Landgräfin hatte ihre (schon am 7. Januar 1646 zusammen mit der schwedischen Replik vorgelegten) Forderungen spezifiziert und, wie sich herausstellte, stark erweitert, da sie eine umfangreiche territoriale Satisfaktion auf Kosten geistlicher Reichsstände verlangte
. Der Fürstenrat Osnabrück wieder-holte mehrheitlich den früheren Beschluß vom 14. März 1646, nach dem die Kaiserlichen die Verhandlungen über die hessen-kasselschen Forderun-gen mit Zuziehung der Betroffenen führen sollten. Nur Österreich und Bayern hatten dafür plädiert, die Forderungen der Landgräfin als unbe-rechtigt zurückzuweisen. Bayern hatte auf die kaiserliche Duplik vom 1. Mai 1646 verwiesen, in der zu lesen stand, daß man Hessen-Kassel wegen seiner Kriegskosten und Kriegsschäden
nichts schuldig sei
. Sach-sen-Lauenburg hatte hingegen zu bedenken gegeben, daß die von Öster-reich angeführten Gründe gegen eine Anerkennung der hessen-kasselschen Forderungen zwar erheblich seien, es aber nun darum gehe, die Friedens-verhandlungen voranzutreiben, so daß verhandelt werden müsse
S. Nr. 122, erste Umfrage. Zum Beschluß des
FRO
von 1646 III 14 s.
ebenda, Anm. 17.
. So war es in der Tat; denn Hessen-Kassel hatte die Unterstützung Schwedens und Frankreichs, wobei Frankreich allerdings die Forderung nach Kir-
[p. LXXXIII]
[scan. 83]
chengut ablehnte
. Auch Trauttmansdorff sah, daß man mit der strikten Ablehnung der landgräflichen Forderungen nicht weiterkam, und begann, Hessen-Kassel sowohl in der Entschädigungsfrage als auch in dem Streit um die Marburger Erbfolge vorsichtig entgegenzukommen. Im Februar 1647 machte er ein erstes Angebot für die Restitution der von Hessen-Kas-sel besetzten Gebiete und schlug in der Marburger Erbfolgefrage einen Vergleich vor, obgleich er betonte, daß die Rechtslage im Erbfolgestreit eindeutig für Hessen-Darmstadt spreche
Ruppert,
286;
Bettenhäuser,
71 (dort auch zu den Einzelheiten des ksl. Vorschlags zum Vergleich in der Marburger Erbschaftsfrage).
. In dem vorgeschlagenen Ver-gleich war unter anderem vorgesehen, daß Hessen-Darmstadt ein Gebiet mit einem jährlichen Ertragswert von 20 000 fl. an Hessen-Kassel abtre-ten sollte. Schweden und Hessen-Kassel lehnten diesen Vorschlag zwar ab, reduzierten aber ihre Forderungen. Sie schlugen vor, daß Hessen-Darm-stadt zwei Teile der Marburger Erbschaft erhalten solle und Hessen-Kas-sel einen; der vierte Teil (mit Amt und Stadt Marburg) sollte auf eine bestimmte Weise unter beiden aufgeteilt werden
Zu den Einzelheiten s.
Bettenhäuser,
71f.
. Hessen-Darmstadt lenkte nun insofern ein, als es bereit war, gegen eine Entschädigung durch das Reich bestimmte Herrschaften und Ämter an Hessen-Kassel abzutre-ten
Eventualerklärung Hessen-Darmstadts, s. d. (= Beilage C zum Memorial Hessen-Darm-stadts an die Reichskurien, diktiert 1647 IV 15, s.
[Nr. 133 Anm. 3] ).
. Nachdem es das Angebot dessen, was es abzutreten bereit war, noch ein wenig erweitert hatte, wandte es sich am 11. April 1647 an die Kaiser-lichen mit der Bitte, sie möchten ein Reichsgutachten über den Marburger Erbfolgestreit anfordern und mäßigend auf die Gesandten Hessen-Kassels einwirken. Dementsprechend kam das hessen-darmstädtische Memorial in dieser Sache mitsamt einer Reihe von Beilagen ebenso wie eine hessen-kas-selsche Gegenvorstellung am 29. April 1647 in Münster und am 3. Mai 1647 in Osnabrück in die Reichskurien
Die Beratung des
FRO
ist dokumentiert in Nr. 133.
. Das Ergebnis der Beratung kann Hes-sen-Darmstadt nicht befriedigt haben, denn die Gesandten in Münster und Osnabrück waren sich darin einig, daß Kaiserliche, Franzosen und Schwe-den sich weiterhin um einen gütlichen Vergleich bemühen sollten (wie sie es bisher schon vergeblich getan hatten). Ebenso war man darin einig, daß die von Hessen-Darmstadt geforderte, durch das Reich aufzubringende Entschädigung abzulehnen sei. Es wurde auch noch einmal erwähnt, daß es sich eigentlich um einen „Partikularstreit“ handle
. Da aber Schweden
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und Frankreich nicht nachließen, Hessen-Kassel zu unterstützen, mußte der Friedenskongreß sich der Sache annehmen. Es gelang jedoch nicht, den Erbfolgestreit vor der Abreise Trauttmansdorffs beizulegen, obwohl die Verhandlungen weitergeführt wurden und sich auch die nun in Münster versammelten Reichsstände der Sache erneut annahmen
Die Kurien tagten am 3. und 10. Juli 1647 (unter Beteiligung der sonst in Osnabrück votierenden
Rst.
), s. Nr. 137 bei Anm. 7 und 8.
. Es gelang über-haupt nicht, auf dem bisherigen Weg zu einem Ergebnis zu kommen. Die Kaiserlichen verwiesen Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt schließlich im Juli 1647 auf den Weg direkter Verhandlungen. Es dauerte noch Monate, bis schließlich, im April 1648, in Kassel eine Einigung zustande kam, durch die der Erbstreit im wesentlichen zugunsten Hessen-Kassels entschieden wurde
Dickmann,
466f;
Ruppert,
295.
. Auch über die Satisfaktionsforderungen Hessen-Kassels wurde erst 1648 entschieden.